Braunauer Rattengedicht

Guten Morgen,

der FPÖ-Vizebürgermeister von Braunau hat sich als Literat versucht:
„Ratten-Gedicht“ der FPÖ Braunau schlägt hohe Wellen

Ein ausländerfeindliches Gedicht im Parteiblatt der FPÖ Braunau in Oberösterreich lässt die Wogen hochgehen. Unter dem Titel „Die Stadtratte (Nagetier mit Kanalisationshintergrund)“ werden darin Vergleiche zwischen Menschen und Ratten gezogen. In dem Gedicht wird über Migranten hergezogen sowie über das Bekenntnis zur eigenen Heimat und die „Vermischung“ von Kulturen und Sprachen gereimt.

Konsequenzen hat die Angelegenheit natürlich keine, immerhin handelt es sich ja um die FPÖ. Aber sollte nicht gerade der Vizebürgermeister von Braunau wissen, dass es eine ziemlich dumme Idee ist, Menschen mit Ratten zu vergleichen?

LG

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Er könnte sich auch mal den Anfang des Films „Der ewige Jude“ ansehen, da kommt das gleiche… Hat er sicher zuhause im Regal stehen.

Dann hätte er aber Bescheid wissen müssen. Wieso stolpern eigentlich immer nur Rechtspopulisten über NS Diktion und Bilder? Bei anderen Parteien scheint es kein so großes Wissensdefizit in diesem Bereich zu geben…

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Hallo,
ich schlage mal eine Antwort vor:
Weil in den Kreisen eben so gesprochen und gedacht wird. Es fällt nur erst dann auf, wenn man sich außerhalb der „Gemeinde“ äußert …

Schöne Grüße
Schrella

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Hallo,

Ich bin mir sehr sicher, dass solche Personen des öffentlichen rechten Randes genau wissen, wen man wie am besten provozieren kann.

Ich bin überzeugt davon, dass diese Personen nicht in den Mußtopf stolpern. Statt dessen nehmen sie bewusst Anlauf, mit Sprungbrett und Arschbombe rein! Genau in dieser Taktik besteht ja ihre Politik: zuerst etwas grenzwertig dummes oder dumm formuliertes sagen oder schreiben. Dann kritisieren lassen und anschließend darüber empören, dass man kritisiert wird. Das schafft deutlich mehr Aufmerksamkeit, als die eigentlich dumme Äußerung gebracht hätte.

Grüße
Pierre

Ergänzung: Der Verfasser ist nun doch zurückgetreten und wird auch die Partei verlassen. Offenbar handelt es sich hierbei um eine der vielzitierten roten Linien.

Ich tippe mal, er kannte den Film…

Nun ist aber das Amt des Vizebürgermeisters von Braunau nicht so exponiert, daß man bei seinem Inhaber zwingend von einem herausragenden Intelligenzquotienten auszugehen hat…

Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen so voller Selbstzweifel und die Dummen so voller Selbstvertrauen sind.

Charles Bukowski - Schriftsteller

Ich hab hier deshalb ein ja-aber-Gefühl, weil der Text, zumindest auf „oberflächlich-textueller“ Ebene halt nicht das braun(auisch)e Vergleichs-Muster „wir einheimischen Menschen, ihr fremden Ratten“ aufweist, sondern verglichen wird das „Gesetz der Tierwelt“ mit dem „Gesetz der Menschenwelt“ (3./4. Strophe), wie das einer Tierfabel eben entspricht.

Natürlich lässt die Wahl des Tieres, ausgerechnet die Ratte, diesen anderen, den braun(auisch)en Vergleich anklingen.
Das ist vermutlich auch klar gewollt.
Unmissverständlich spricht er aber schon gleich zu Beginn, ganz am Ende und jederzeit von „wir Ratten“.

Da wo überhaupt der Gegensatz Mensch-Ratte auftaucht, da wird die Ratte ins (Natur)Recht gesetzt. Das stellt den alten braun(auerisch)en Gegensatz auf den Kopf, was nicht heißt, dass er ihn nicht gerade dadurch bewahrt, aber es ist halt auch nicht dessen einfache Wiederholung.

Eigentlich zieht der Text doch über die her, die er so zusammenfasst: „Mir graut vor dieser Eigenart / die nur zum eig’nen Volke hart / den Fremden will entgegenkommen“.
Das sind nicht die Migranten.

Ich will mit meinem Beitrag insgesamt sagen: Ich hab ein großes Problem mit den Blau-Braunen in der österreichischen Regierung, ich hab aber auch ein Problem damit, dass einer lächerlicherweise wegen so eines Gedichts (das eben kein typisches Nazi-Gedicht ist) aus der Reihe der Blau-Braunen ausgeschlossen wird.

Die wollen sich derzeit einfach keine zusätzliche Diskussion mehr einhandeln, drum wird so ein Provinz-Vizebürgermeister halt schnell entsorgt, dann ist das Thema weg und die Regierung bleibt.

Es gibt so viel unmissverständliches Material, das man gegen die FPÖ vorbringen kann und muss, nicht so ein Gedicht, dessen ganzes Skandalpotential am Triggerwort „Ratte“ hängt, denn die dort vertretenen Kritikpunkte („Integration“ als politischer Generalschlüssel für die Geldtöpfe; die ‚linkgsgrüne Doppelmoral‘, die ‚Kultur des permanenten Klagens‘) und Positionen (Leitkultur/Anpassung, Regelbefolgung, Abstammungsprinzip) sind doch letztlich akzeptable konservative Positionen.
Ausnahme evtl. der Punkt der „Kulturenvermischung“, der klar ins Rechtstadikale reichen könnte, aber der bleibt in diesem Text ja vollkommen schwammig.

Gruß
F.

Klar kann man das ganze als Fabel abtun, genauso kann man es aber auch so verstehen, dass hier aus der Sicht einer Ratte geschrieben wird. Und diese Ambivalenz ist natürlich gewollt, aber das ist es ja immer bei Grenzüberschreitungen.

Es behauptet auch keiner, dass nur über Migranten hergezogen wird. Natürlich bekommen hier auch andere ihr fett weg, unter anderem eben auch Politiker.

Das erinnert stark an ‚haben wir keine größeren Probleme‘, mit diesem Totschlagargument kann ich ebenso wenig anfangen, wie mit deinem Einwurf hier. Klar kann man in dem Gedicht eine harmlose Fabel erkennen, die in der Wortwahl etwas verunglückt ist. Ich kann aber auch einen klaren Bezug auf NS-Diktion erkennen, bei dem eine Menschengruppe mit Ratten (sprich Ungeziefer) gleichgesetzt und damit entmenschlicht wird. Den Bezug zu ‚Der ewige Jude‘ hat @Armin_Diedrich ja schon hervorgehoben.

Das Problem bei Grenzüberschreitungen ist ja, dass sich die Grenze immer weiter verschiebt, wenn nicht entsprechend reagiert wird. Das geht langsam und schleichend vor sich.

Klar könnte ich hier auch Themen erstellen über die vielfältige Verflechtung der IBÖ mit den Freiheitlichen oder über den Vizekanzler, der auf Facebook Holocaustleugner teilt oder über den blauen AK Kandidaten, der am 20. April stolz von Eiernockerln schwärmt. Mir war aber dieses Thema wichtiger, weil es sehr schön zeigt, wie verlogen (und eigentlich feige) Rechtspopulisten agieren.

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Da sind wir uns einig.

In der Tat hat die Republik Österreich viel größere Probleme als die Frage, ob der Vizebürgermeister von Braunau aus der FPÖ fliegt.
Mir persönlich erscheint dieses „hinter jedem Busch an Nazi suchen“ eh fragwürdig, aber das ist ein anderes Thema.
Wenn das aber in einer Situation geschieht, in der das Land von einer rechtsextremen Partei (die Vizekanzler, Innenminister, Außenministerin und Verteidigungsminister stellt, also fast alle Schlüsselpositionen) regiert wird, dann ist das geradezu eine Groteske.
Wenn du das für ein „Totschlagargument“ hältst, dann kann ich das gern stehen lassen, denn dann musst du das mir selbst ausmachen.

Hic Rhodos … Welche Menschen gruppe wird in diesem Gedicht „mit Ratten (sprich Ungeziefer) gleichgesetzt und damit entmenschlicht“?

Mein Beitrag war ja keine Kritik an deinem UP, sondern einer Öffentlichkeit, die sich, sogar international, an diesem Fall aufsensationiert, und Kritik an einem Kurz, der schon wieder die FPÖ zur Distanzierung auffordert, statt sich selbst angemessen von der FPÖ zu distanzieren. Nun hat sich die FPÖ billigmöglichst distanzieren dürfen - vom Vizebürgermeister einer oberösterreichischen Kleinstadt. War für eine lächerliche Antifaschismus-Inszenierung von Kurz.

Gruß
F.

Gäste und Migranten.

Erstens ist Braunau nicht irgendeine Stadt. Zweitens geht es auch um die Distanzierung des Inhalts, was der Kernwählerschaft der FPÖ nicht schmecken dürfte. Und drittens geht es eher darum, dass man sich es eben nicht leisten hätte können, wenn die FPÖ erst gar nicht reagieren müssen. In den ersten Reaktionen der Parteispitze war ja von einem Rücktritt oder auch nur einem Fehlverhalten keine Spur.

Die blauen Minister werden wir realistisch gesehen auf absehbare Zeit eher nicht los. Aber deswegen müssen wir noch lange nicht ausländerfeindliche Vizebürgermeister tolerieren.

Welche Textstellen-Belege für:

  • G+M mit Ratten gleichgesetzt
  • Ratten als Ungeziefer verstanden
  • G+M entmenschlicht

Als ob die blaune Kern- und selbst die Peripheriewählerschaft nicht checken würde, dass hier (wieder mal) ein billiges Bauernopfer gebracht worden ist, damit der Kurz, das Ausland und der sog. „linksgrüne ORF“ a Ruah gebm.
Die unterschreiben große Teile des Gedichts nämlich voll und ganz.
Auch das muss man realistisch sehen.

Gruß
F.

Wir kennen beide die Stelle und haben auch schon festgestellt, dass man sie in die eine oder andere Richtung interpretieren kann. Wozu also dieser sinnlose Eiertanz? :stuck_out_tongue_closed_eyes:

Natürlich verstehen die das und ich sehe das durchaus realistisch. Ein Bauernopfer erfolgt zumeist aus einer Position der Schwäche und hier wurde jemand abgesägt für etwas, ‚das man doch mal sagen darf‘. Imho sind das zwei Punkte, die eben nicht gut ankommen dürften. Für die Parteispitze ist es höchstens lästig, dass ein drittklassiger Provinzpolitiker die schöne Mär von der ‚neuen FPÖ‘ einfach so in Frage stellt.

Naja, Eiertanz, es wäre halt interessant gewesen, wie du diese drei Punkte (G+M mit Ratten gleichgesetzt, Ratten als Ungeziefer verstanden, G+M entmenschlicht) oder auch Armins implizite Aussagen „wie der Anfang von ‚Der ewige Jude‘“ am Text belegen hättest wollen.

Gruß
F.

Also zunächst wollen wir doch bitte nicht so tun, als würde ich mit dieser Interpretation alleine stehen. Ich kann dir dazu gerne ein Dutzend Artikel verlinken.

Dass Ratten als Ungeziefer verstanden werden, ist auch keine Erfindung meinerseits und wurde (wie schon mehrmals hier erwähnt) immer wieder in der NS Diktion aufgegriffen.

Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass die Entmenschlichung in dem Moment geschieht, in dem der Mensch mit dem (niederen) Tier gleichgesetzt wird. Und wenn man das oft genug mit einer bestimmten Bevölkerungsgruppe macht, hast du dann halt auch mal eine Menschenmenge, die im Zusammenhang mit Flüchtlingen im Mittelmeer begeistert ‚absaufen‘ skandiert.

Ach ja, du wolltest ja die Stelle haben, die du erstaunlicherweise nicht selber finden kannst:

so, wie wir hier unten leben,
müssen and’re Ratten eben,
die als Gäst’ oder Migranten,
auch die, die wir noch gar nicht kannten,
die Art zu leben mit uns teilen!
Oder rasch von dannen eilen!

Na ja und diese provozierten Personen haben sich ja auch hier prompt geäußert (Ich meine nicht Dich!). Das hat doch der Dichter beabsichtigt und alles springt darauf genauso an, wie er das geplant haben wird. Da er sich selbst in dieser Allegorie gewissermaßen als "Mit"Ratte vorstellt, scheidet objektiv eine Deutung in der hier angesprochenen Art aus.

Das ist natürlich Blödsinn oder würdest du z.B. einem verdienten bayerischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten „NS Diktion“ vorwerfen?
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14327657.html

Sechs Jahre sind vergangen, seit Strauß ins Mikrophon schrie: „Was wir in diesem Land brauchen, ist der mutige Bürger, der die roten Ratten dorthin jagt, wo sie hingehören - in ihre Löcher.“

Vor drei Jahren meldete Strauß, in seinem „Bayern-Kurier“, „daß gewisse rote Wühlmäuse an allen Ecken und Enden nagen“, vor zweieinhalb Jahren, im selben Blatt: „Jetzt kommen sie wieder, die roten Systemveränderer, wie die Ratten aus allen Löchern heraus.“

Im Sommer 1978 ging der Christenpolitiker dazu über, seine tierischen Invektiven auf eine präzise umrissene Gruppe von Menschen anzuwenden. Damals, bei einem CSU-Treffen im oberfränkischen Kronach, sagte er über den linken „Presseausschuß Demokratische Initiative“ (PDI): „Mit Ratten und Schmeißfliegen führt man keine Prozesse.“

und

Späths Zorn zielte auf den Strauß-Intimus Edmund Stoiber, der, ebenfalls in Stuttgart, vor Südfunk-Redakteuren linke Schriftsteller „Ratten und Schmeißfliegen“ genannt und damit, so ein Unionsstratege, „Verheerendes“ ausgelöst hatte.

Warum musste damals keiner zurücktreten?

Eine hab ich noch:

Die „Rattenfänger der AfD“ liefen durchs Land und versprächen, jüdisches Leben schützen zu wollen. „Dabei gibt es in ihrer Partei an allen Ecken und Enden Antisemitismus“, schrieb Kramp-Karrenbauer.

Wie bitte? Der Wähler wird nach „Nazi-Art“ entmenschlicht?


Die Aufgabe eines Rattenfängers ist es, wie der Name schon sagt, Ratten einzufangen. Eine Partei will mit ihrer politischen Arbeit die Menschen davon überzeugen, dass die vorgebrachten Aspekte die sind, welche dem Wohl des Volkes dienen; man will also im weitesten Sinne die Menschen einfangen.

Gruß
rakete

Ratten symbolisieren in Gedichten Unterschiedliches, nicht nur Ungeziefer.
Wenn man mit der Vorannahme in die Interpretation einsteigt, dass in der NS-Diktion Ratten für Ungeziefer stehen, dann kann man freilich leicht sagen: der Vizebgm. spricht von Ratten-als-Ungeziefern, also verwendet er NS-Diktion.
Das ist dann aber reichlich tautologisch.

Aus dem Text geht jedenfalls nicht ansatzweise hervor, dass er hier Ratten als Ungeziefer versteht, ganz im Gegenteil schließt sich das weitgehend aus, denn die Lesart, dass er sich als selbst als Ungeziefer sehen will („Wir Ratten“) ist reichlich abwegig.

Die ganze Strophe lautet:
Tief unten dort in meinem Stollen
wo wir Ratten leben wollen
wo nur wir zu Hause sind
Rattenvater, Rattenkind
Ich wohn hier mit meiner Frau
Rattenmutter und genau
so, wie wir hier unten leben
müssen andere Ratten eben
die als Gäst’ oder Migranten,
auch die, die wir noch gar nicht kannten,
die Art zu leben mit uns teilen!
Oder rasch von dannen eilen!

Das ist fraglos ein urdepperter Anpassungs-Fetischismus, aber die Gäste oder Migranten werden keineswegs als spezielle Gruppe mit Ratten gleichgesetzt, sondern werden begriffen wie „Ich“ und „Wir“ auch.
Wenn sich das nicht von nationalsozialistischen Hetzgedichten unterscheidet, dann weiß ich auch nicht mehr.

Gruß
F.

Wo habe ich das behauptet? Dass im NS Vergleiche mit Ratten zur Dehumanisierung eingesetzt wurden, ist ein Fakt, den du wohl nicht abstreiten wirst. Dass nicht jede Redewendung mit dem Begriff ‚Ratte‘ in diese Richtung geht, sollte auch jedem klar sein, wenn er es denn nur verstehen will. Dass dies bei dir nicht zutrifft, hast du mit deinem völlig fehlgeleiteten Posting sattsam zur Schau gestellt.