Buddhismus und die Schuldfrage/Freiheitsfrage

War letztens in einem Meditationzentrum und habe dort gehört das man für alles selbstverantwortlich ist und niemanden die Schuld geben könne für irgendetwas. Ist das nicht ein bisschen zu einfach formuliert oder etwas utopisch ist man nicht von diesem Gedanken Lichtjahre entfernt ?

Wenn mir jmd hinten aufs Auto fährt ist nicht derjenige Schuld sondern mein Karma ?

Ich hab mal irgendwo gelesen, das da wo die Schuld liegt auch die Freiheit und Verantwortung liegt. . Vielleicht kann das mal jmd erklären.

Es hört sich für mich plausibler an als pauschal zu sagen man sei an allem Selbst Schuld ist .

Auch wird gelehrt das Wut eine negative emotion ist. Ich finde das auch zu pauschal und nicht differenziert wird zwischen Wut und Zorn. Gut meistens ist es eine Mischung aus beiden . Aber für sich allein genommen ist Wut was völlig anderes als Zorn und durchaus menschlich und hat meisten voll und ganz seine Berechtigung . Ja meisten find ichs sehr schlimm wenn Menschen ihre Wut nicht mehr spüren . Eigentlich schon tod sind.
Was meint ihr oder hab ich da was falsch verstanden ?

Viele Grüße

Hallo,

Man ist nicht tot, nur weil man sich gegen das Gefühl des Zornes oder der Wut entscheidet.

Wie man auf eine Situation reagiert ist einem immer selbst überlassen.
Man kann zu dem Schluss kommen, das weder Zorn noch Wut Geschehenes ändern sondern nur den nächsten Schritten im Weg stehen.

Gruß,
Steve

das ist ganzschön rationall , ist das nicht auch Verdrängung von emotionen ? und ob das so gut ist…auf dauer

Ich verdränge die Emotion nicht. Ich bin mir ihrer bewusst, entscheide mich aber gegen sie.
Ich persönlich lebe sehr gut damit, muss aber jeder für sich selbst rausfinden.

Gruß,
Steve

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Hi,

Es geht nicht darum, ob man wir empfinden darf oder nicht. Natürlich darf man.
Die Frage ist wie viel Raum du ihr gibst. Wut ist für sich selbst ein unangenehmes Gefühl. Es kostet Kraft, anstatt Kraft zu geben, und es hindert dich daran, dich um sich selbst zu kümmern. Sollte sie sich dazu bringen, jemand anderem etwas zu tun, so verbrauchst du damit ebenfalls deine Energie, ohne irgendetwas zu erreichen. Bestenfalls bekommst du das Gefühl von Genugtuung- aber das ist nicht gut für dich, weil es die Wut fördert, anstatt sie zu beseitigen. Damit kostet dich das ganze weiterhin Kraft, anstatt die Kraft zu geben.
Und das mit der schuld- ich weiss nicht, ob der Buddhismus bin schuld spricht. Eher von Verantwortung. Du hast Verantwortung für dein Leben, niemand sonst. Wenn dir einer ins Auto fährt, wird die Karte nicht wieder ganz, wenn du wütend bist. Sammle die Scherben auf, informiere die Versicherung und kauf dir ein neues Auto. Und dann lebe dein Leben. Kümmere dich um dich. Das ist deine Aufgabe, und niemand anderes Aufgabe.

Die franzi

das hört sich nach Schopenhauer an. Ich empfehle die Lektüre seiner preisgekrönten Schrift ‚Über die Freiheit des menschlichen Willens‘, da werden die Dinge gründlich, tiefgreifend und meiner Ansicht nach sehr überzeugend sortiert.

FG myrtillus

So funktioniert das nicht.
Es geht darum, was man aus Wut und Zorn macht! OK, das Endziel ist es, gar nicht mehr zum HB-Männchen zu werden.

Wenn du wütend/zornig bist, kannst du dem (vermeintlich) Schuldigen Leid zufügen, ihn umbringen oder sonst etwas. Mit der angestauten Energie kannst du aber auch Holz hacken gehen.
Welchen Weg du gehst ist die überlassen.

Wenn dir an einer roten Ampel einer hinten rein fährt, kannst du das auf unterschiedliche Art betrachten:

  1. Er ist schuld! Da hast du blitzartig eine lange Liste mit Begründungen aufgestellt.
  2. Du kannst dir auch Gedanken machen, wieso du genau zu diesem Zeitpunkt da gestanden hast. 10 Sekunden früher oder später, wäre alles ganz anders gekommen. Möglicherweise wärest, 10 Sekunden später, DU derjenige gewesen, welcher einem anderen hinten drauf gefahren wäre.

Es ist wie bei Einstein: Alles ist relativ!

OK, ich habe eine Freundin, welche grundsätzlich an ALLEM Schuld ist, aber sie kann damit leben. :smile:
Andere haben dafür einen Gott.

Aber im Ernst.

Wenn immer andre Schuld sind, dann bist du eine Marionette deiner Umstände und hast in deinem Leben eigentlich gar nichts zu sagen!

Willst du die volle Kontrolle über dein Leben, musst du auch die Verantwortung dafür selbst übernehmen. Nur dann bist du der Urheber deiner Erfolge, aber konsequenterweise, auch deiner Misserfolge. Aber DEIN Leben ist das was DU daraus machst.

Ein gutes Beispiel für die Mogelpackung sind viele Chefs. Wird es ein Erfolg war es natürlich ihre Idee und ihr verdienst, geht es daneben sind irgendwelche Mitarbeiter die Schuldigen. Jeder kennt solche Typen und hat auch eine entsprechende Meinung über diese.

MfG Peter(TOO)

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Hallo

So formuliert ist das mißverständlich. Es gibt im Buddhismus nichts, was einem (im Wesentlichen aus christlichen Traditionen geprägten) Begriff von „Schuld“ und „Schuldzuweisung“ entspricht. Schon deshalb auch, weil es einen Begriff eines individuellen Selbst nicht gibt, der Subjekt von Tat oder Erleiden sein könnte.

Daher wäre eine Forumilierung wie

in keiner buddhistischen Schulrichtung abbildbar.

Es gibt derweil diesen universalen Ursache-Wirkungs-Komplex. der unter dem skr.-Begriff „karma“ erklärt wird, den ich mir aber nicht zumute, hier in Kurzfassung angemessen darzustellen. Bei Interesse mag man sich diesen → einführenden Überblick einverleiben, von einem kompetenten Autor, der btw. viele Jahre lang auch in diesem Forum hier aktiv war und dabei viele Mißverständnisse bzgl. buddhistischer Lehren zu erhellen verstand.

Hierzu

… das Wut eine negative emotion ist

wäre zu sagen: In diesen karmischen Kontext gehört auch, daß eine (moralische) Wertung von Emotionen nicht vorgenommen wird. Sie haben Auswirkungen, ja, die unter anderem die Aufhebung der Illusion eines nicht existierenden individuellen Ego (→ skr. „anatman“ bzw. Pali „annata“) verhindern. Sie sind da, wenn sie da sind, aber sie sind nicht „gut“ oder „schlecht“, sondern günstig oder ungünstig, und zwar in Hinsicht auf eine im buddhistischen Sinne anstrebenswerte Lebensführung.

Gruß
Metapher

Also ich weiß nicht, solche Antworten kommen immer bei Themen wie Wut oder Rache. Natürlich darf man es nicht übertreiben, aber ich halte nichts von Aussagen wie „Du kannst das immer selbst entscheiden“ oder „Dieses Gefühl kostet dich nur Kraft“. Es kommt mir immer vor, als dürfe man solche Gefühle gar nicht haben, als sei man irgendwie sozial inkompetent oder im Unrecht, wenn man sich mal richtig aufregt. Das ist man aber nicht. Es gehört zum Menschsein. Und es muss eine Funktion in unserem sozialen Miteinander haben, sonst gäbe es diese Gefühle nicht. Ich würde auch nicht sagen, dass Wut Kraft kostet, im Gegenteil. Wut kann einem ganz schön Kraft verleihen. Und warum sollte Genugtuung nicht geeignet sein, die Wut abzubauen?

Und entscheiden, ob man wütend wird, kann man nur bis zu einem bestimmten Grad. Klar kann man eine gelassenere Haltung erreichen (Beispiel Auffahrunfall), aber dass man IMMER gelassen bleibt (Beispiel Mord oder schwere Körperverletzung mit anhaltenden Folgen)?

Dass es immer darauf ankommt, wie man die Wut kanalisiert, geschenkt. Wenn eine Wut über Ungerechtigkeiten dazu führt, dass diese durch politischen Kampf überwunden werden, was ist dagegen zu sagen?

Ich mag die Menschen in buddhistischen Ländern, aber ob die wirklich so viel weiser sind? Die schlucken ihre Wut runter, und irgendwann flippen sie dann total aus.

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äm hab ich ja oben gesagt das Verantwortung und Schuld im Zusammenhang stehen . Nur von Verantwortung zu sprechen ohne Schuld . Geht das ? Nochmal wo die Schuld ist liegt auch die Verantwortung und somit auch die Freiheit. Schuld ist so negativ behafteter Begriff. Ist es nicht etwas was zwischen den Menschen steht und Sie verbindet.

Beispiel Politik :smile Das manchen Leute nicht richtig von Ihrem Job leben können ist dann auch deren Schuld, weil Sie nichts anderes gelernt haben oder sind die Politiker Schuld weil Sie keine ordentliche Vermögensvertreilung durchsetzen. Oder sind die ganze Steuerhinterzieher Schuld , das nicht genügend Geld in die Staatskassen fließen.

Das man nur für sein Leben verantwortlich ist, ist eigentlich ein egoistischer Gedanke oder ein sehr einschränkender Gedanke. Was ist mit Verantwortung übernehmen für andere…??

Hi,

Du darfst sie sich empfinden, dagegen sagt keiner was. Aber du sollst dich nicht in die hineinsteigern. Und die Wut, die du über soziale ungerechtigkeiten empfindest, ist eine andere, als die, die du empfindest, wenn die grad einer eingefahren ist. Streng genommen bräuchte man da auch zwei verschiedene Wörter. Letztere solltest du nicht nähren, und erstere lässt sich leicht in positive Handlungen umsetzen. Werde ehrenamtlich tätig, spende, gehe wählen (nachdem du nachgedacht hast, und nicht, während du wütend bist), werde auf sonstigem Wege politisch aktiv -Und kümmere dich um dich selbst. Denn die meisten Dinge, die um dich herum geschehen, sind ausser deiner Kontrolle. Über 99%. Was bringt es die, sich über Trump zu ärgern, ausser schlechte Laune und einen verdorbenen Magen? Du kannst nichts gegen ihn tun. Deine schlechte Laune schadet dir. Wenn du stattdessen etwas tust, was dich glücklich macht, schadest du wenigstens nicht die selber.

Die franzi

Hi,

Der Buddhismus spricht nicht bin schuld. Schuld ist ein wertender Begriff. Er spricht von Verantwortung. Bei seinem konkreten beispiel: wie gut ich mit meinem Geld auskomme, hängt auch von meinen Ansprüchen ab. Warum Schule ich nicht um? Hilft ein Umzug bei der Jobsuche? Brauche ich in einer Großstadt ein Auto? Muss ich ein Haus bauen, oder reicht eine Mietwohnung? Ist es notwendig, alle halben Jahre komplett neue Kleidung zu kaufen, nur weil die Mode wechselt? Das sind nur Beispiele.

Die franzi

corrigendum

→ Pali „anatta“)

sorry!

Hallo Antel,

wenn es im Buddhismus kein Subjekt gibt, dann gibt es auch scheinbar kein Objekt, so dass es deinen Begriffen erlaubt ist, von jeder Dinglichkeit losgelöst im luftleeren Raum herum zu eiern.
Als Nicht-Buddhisten bin ich aber auch der Meinung, sind wir von Objekten umzingelt, die von uns fordern, jedes einzelne entsprechend neu zu bewerten.

Ich kann hier keine raumgreifende Verbindung erkennen, außer vielleicht zu-fällig oder einzel-fällig.

Die Schuld z.B. ist sowohl ein Begriff des Rechtssystems und unabhängig davon eine belastende Emotion.
Keines von beiden führt zwangsläufig zur Verantwortung, sogar eher nicht.
Zumindest nicht zu einer selbstreferentiellen Verantwortung als ein autonomes Empfinden, sofern sich das im Rahmen buddhistischer Lehren noch diskutieren lässt.

Freiheit von was?

Manchmal, als akute Gefühlslagen betrachtet, schließen sich Schuld und Verantwortung und Freiheit sogar weitgehend gegenseitig aus.
Man könnte besser sagen, eine Freiheit wäre da, wo eine Schuld nicht ist.
Also Freiheit von Schuld.

Keine Freiheit dieser Welt entsteht durch die Übernahme von etwas, das nicht deines ist, sondern nur durch die Übernahme dessen was DU erkennst, übernehmen zu müssen oder zu wollen.

Es mag dir vielleicht seltsam erscheinen, aber die Verantwortung für alles übernehmen muss nur, wer nicht vergessen kann.
Die Freiheit des Vergessens prügelt sich nicht mit Fragen über die Absolutheit von Schuld oder Verantwortung.

So viele Formen von Wut auch destruktiv sein mögen, so viel Nicht-Wut ist kontraproduktiv.
Deine Meditierer, oder wer auch immer, laden zu unzulässigen Vereinfachungen ein.
Das bringt, außer in ein Lebens-Vakuum, niemanden irgendwo hin.

Grüße
Heidi

ja gut wenn man davon ausgeht das wir unverschuldet hier sind. In Religionen wird aber davon ausgegangen das wir nicht unverschuldet hier sind. Also muss für diese Schuld Verantwortung übernommen . Dadurch kommt man dann durchaus zu deinem Satz . Das Freiheit dort ist wo eine Schuld nicht ist. Bzw wo für eine Schuld Verantwortung übernommen wird.

Viele Grüße

Wenn der Buddhismus nicht von Schuld spricht , warum sind wir dann hier und nicht im Nirwana. Du könntest genau so fragen was ist die Ursache dafür das wir hier sind, es ist unsere Schuld…

Hallo,

Nur in einer!

Na mach dir da mal nicht zu viele Sorgen.
Wenn wir uns auf die nachvollziehbare Verantwortung unseres eigenen Lebens konzentrieren, sollte das schon gut genug sein.

Grüße
Heidi

naja wie ich oben schon geschrieben habe . Was ist dann im Buddhismus der Grund warum wir hier auf erden sind und nicht im Nirvana sind. Die Ursache warum wir hier sind ist unsere Schuld . Nur im Christentum wird es so überzeichnet mit der Erbsünde mit Hang zum dramatischen. Auch ist der Hinduismus von seinen Grundzügen Asketische heißt auch hier muss eine Schuld abgearbeitet werden durch buße…

Hallo,

um genauere Kenntnis der verschiedenen buddhistischen Lehren in dieser Frage zu erhalten, bin ich bestimmt der falsche Ansprechpartner. Da solltest du den Religionsexperten fragen, der dir oben an
erster Stelle geantwortet hat, oder dich umfassend in das Thema Buddhismus einlesen.

Da du mich aber persönlich fragst,

konnte ich nie, soweit ich mich mit ernst zu nehmenden buddhistischen Auffassungen auseinander gesetzt habe, eine solche schuld-hafte Ausrichtung erkennen oder empfinden.
Außer vielleicht in verwestlichten oder entstellt-oberflächlichen Auslegungen.

Ein Konzept eines „wechselseitig bedingten Entstehen“, trifft vielleicht meine persönliche Auffassung am nächsten, wobei diese rein naturwissenschaftlicher Art ist und insgesamt wenig Berührungspunkte mit „dem“ Buddhismus hat.

…halte ich für eine extrem einseitige Ausrichtung.

Ich weiß nicht, wer dich dahin beeinflusst hat, oder in welchem Meditationszentrum du da warst.
Bleib aber vorsichtig, nicht alles stimmt so, was irgend einer erzählt.

Grüße
Heidi

ja klar ist es einseitig zu der Seite der Askese.

Es gibt bestimmt auch Religionen die Ihren Fokus auf die andere Seite legen(z.b Islam und Judentum) Nämlich das das Leben durch und durch positiv ist und es deshalb absolut bejahen und Loben und Preisen. Beide seiten haben bestimmt ihre Rechtfertigung .
Aber für was man sich entscheidet hängt von einem Selbst ab. Nur so verstehe ich auch die wahre Religionsfreiheit.

Oder um es mit Schopenhauers Worten zu sagen . Die Lehre von der Bejahung und Verneinung des Willens zum Leben. Die fackel dazwischen ist anscheinend die Moral…