Hallo Thea,
darf ich auch antworten? Na ich mach’s mal, ich kann nämlich nicht schlafen.
Das Gegenteil ist passiert, ich fand die dort dargestellten Juden
eigentlich die Sympatieträger des Films *)(es waren in
Wirklichkeit allerdings natürlich keine Juden, war ja 1940).
Wie bitte? Was denn dann? Echt arische Statisten, denen man schnell Haare und Bart dunkel gefärbt hat und die sich in mehreren Monaten die Schläfenlocken und den Bart entsprechend wachsen lassen mussten?
Wie kommst du denn überhaupt auf eine solche Behauptung? Das waren keine Juden, weil es 1940 war? Da bemühe ich doch gleich einmal meine Timeline und lese da Folgendes:
13.03.41: Mündlicher Führerbefehl an die Armee in Russland zum Umgang mit Juden in den eroberten Gebieten (Quelle: Gitta Sereny, „Into that Darkness“). Damit war gemeint, dass die Juden erschossen wurden.
Januar 41: Die erste Gaskammer in Auschwitz wird gebaut. (Quelle: Benno Müller-Hill)
20.01.41: Wannsee-Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“.
Oder mit anderen Worten: 1940 hatte man viele Juden zwar in Ghettos zusammengepfercht, aber weiter war noch nicht viel passiert. Das meine ich natürlich nur im Vergleich zu dem, was danach noch kam.
Besonders die Männer mit den langen Bärten und Schläfenlocken
fand ich sehr beeindruckend.
Die sind echt. Keine Statisten.
Ja, und manchmal denke ich mir, dass sie in unserer Gesellschaft fehlen. Auch wenn einem das nicht sofort auffällt, weil man es ja nicht anders kennt. Ich habe es mir am Montag gedacht. Da war ein hoher jüdischer Feiertag (Jom Kippur) - aber man hat überhaupt nichts davon gemerkt.
Weißt du, ich
bin ziemlich durchschnittlich, und ich kann beim besten Willen
diesen alten Antisemitismus überhaupt nicht nachvollziehen,
nicht mal ahnungsweise.
Das kann ich auch nicht. Ich versuche es schon seit zwei Jahren, aber recht viel schlauer bin ich da noch nicht geworden.
Na gut, vielleicht ein kleines bisschen. Man hat sich damals so eine Verschwörungstheorie zusammengesponnen, derzufolge die Juden an allem schuld waren, was schief ging - z.B. daran, dass Deutschland den 1. Weltkrieg verloren hatte. Und zwar so: Viele Zeitungen waren damals in jüdischer Hand. Und in diesen Zeitungen wurde öfter einmal etwas gegen diesen Krieg geschrieben. Man fiel also der Armee damit von hinten in den Rücken. Und dann verdienten noch einige jüdische Spekulanten an der Börse am Krieg. (Das ist nunmal das, was Spekulanten tun: Sie machen Börsengeschäfte. Die leben davon.) Mit der Demokratie lief es dann auch nicht ganz so wie gewünscht. Und dann kam da plötzlich jemand, der fand eine Erklärung. Es war ganz einfach: Die Juden waren an allem schuld.
Dass dies garantiert nicht die richtige Erklärung war, ist inzwischen übrigens zweifelsfrei bewiesen. Denn mittlerweile läuft noch mindestens genauso viel schief wie damals - nur wo sind die Juden? Wenn sie überhaupt noch hier leben, dann sind sie doch in den meisten Fällen recht „unsichtbar“ geworden.
Ich denke sogar, dass selbst diese Skinheads u. ä. in
Wirklichkeit wahrscheinlich gar nichts gegen Juden haben
(schon allein deswegen, weil sie gar keine kennen), sondern
mit judenfeindlichen Äußerungen und Taten hauptsächlich sagen
wollen, dass sie ihre Helden (aus dem 2. Weltkrieg) trotz
allem in jeder Hinsicht toll finden.
Täusch dich da nur nicht! Erstens einmal sind ja Skinheads nicht die einzigen Nazis, die es gibt. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Ich lese ab und zu in einem Naziforum, und dort hört man immer in etwa Folgendes: Die Skinheads, die haben nichts im Kopf und bringen unsere Bewegung in Verruf. Das sind keine echten Nationalsozialisten. Mit denen wollen wir nicht in einen Topf geworfen werden.
Die wirklich gefährlichen Nazis führen ein angepasstes Leben, haben einen Beruf und (möglichst viele arische) Kinder. Sie hassen die - wie nennen sie es - Bunzelrepublik? und warten nur darauf, dass „das System zusammenbricht“.
Ach ja, und fast vergaß ich es zu erwähnen: Sie hassen die Juden. Und zwar aus tiefstem Herzen. Etwa die Hälfte von ihnen ist für eine „Endlösung“, die andere Hälfte hätte es gerne friedlich.
Ich habe mir den Thread zum 11. September durchgelesen. Der Grundton war: Das haben die Juden ja fein eingefädelt. Deswegen gab es auch keine jüdischen Opfer, denn die wurden vorher gewarnt. (Ich habe eines dieser nicht existenten jüdischen Opfer übrigens online getroffen.) … Man tauschte Erfahrungen aus, wo jeder der Schreiber den 11.09. erlebt hat. Und die allermeisten der Schreiber haben sich darüber gefreut , weil nämlich „JEWsa“ endlich eins aufs Dach bekommen hat.
Ich weiß nicht, woher diese Leute ihren Judenhass haben. Aber der ist sehr lebendig!
Ich will das damit
nicht verharmlosen, nur den Unterschied zu früher
herausstellen.
Der Unterschied zu früher? Ich denke, es gibt keinen. Außer den, dass die Antisemiten früher alle Schaltstellen der Macht erobert hatten und ihren Worten so Taten folgen lassen konnten. Und dass es damals vielleicht ein paar mehr waren. Es war damals eine andere Zeit. Die Leute waren anders erzogen, waren noch viel autoritätsgläubiger als heute. Man liest immer wieder, „wir hatten unsere Befehle, wir mussten gehorchen“ - während man heute vielleicht eher versuchen würde, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. „Ich habe zwar meine Befehle, aber ich habe plötzlich soooo Rückenschmerzen - ich glaube, ich kann in den nächten 6 Wochen niemanden erschießen.“
Es war eine andere Mentalität damals.
Der neue Antisemitismus, den du in Deutschland siehst, mag
auch sicher auch mit einseitiger Information der Leute
zusammenhängen, hat aber doch eher nichts mit Rassenideologien
**) zu tun.
Hm. Woher der „neue Antisemitismus“ kommt, weiß ich nicht. Er war aber auf alle Fälle schon da, bevor die Streubomben eingesetzt wurden bzw. bevor dieser Krieg überhaupt begann.
* Die von ihnen im Film (natürlich) begangenen Untaten wirkten
sehr aufgesetzt und unglaubwürdig, insofern änderten sie
nichts daran, dass sie die Sympatieträger waren.
Echt? Was begehen sie denn da für Untaten? Ich habe mir nur wenige Minuten des Films angesehen, weil die Bildqualität so schlecht war. Außerdem dauert das ja fast eine Stunde!
** Sind Juden überhaupt eine Rasse? Kommt mir eigentlich nicht
so vor.
Auf belief.net hat jemand einmal diese Frage gestellt. Dort kam die Antwort: Wir sind eine Familie. Das wurde dann noch weiter erklärt. Leider finde ich das Posting nicht mehr. Aber als „Rasse“ kann man die Juden wohl nicht bezeichnen. Ich habe extra mal auf belief.net gefragt: Es gibt sie auch in schwarz.
So. Jetzt habe ich aber viel geschrieben. Hm. Und eigentlich hätte es mehr ins Geschichtsbrett gepasst. Kann ja auch gar nicht anders sein, wenn ich auf derartige Fragen antworte.
Dann werde ich noch mal versuchen, ob ich jetzt schlafen kann.
Schöne Grüße
Petra