Vereinheitlichung
Guten Tag.
Vereinheitlichung ist in der BRD grundsätzlich wahlweise Sozialismus oder Faschismus.
Das „einheitliche sozialistische Bildungssystem“ wurde 1990-1995 mit vielen Milliarden des Westens beseitigt und die wiedererrichteten Länder ins bildungspolitische Mittelalter zurückgebombt - die Richtung nach links ist demzufolge verstellt.
Und nach rechts geht es ebenfalls nicht, weil zentralistische Ideen ausgerechnet unter der faschistischen Diktatur des Hitler-Regimes eingeführt wurden. Zentralismus ist deswegen in der BRD ein rechtskonservativ-bürgerlicher Kampfbegriff (wie z.B. Einheitsschule, Unrechtsstaat usw.) und wird immer zur Diskreditierung einer Schulreform eingesetzt.
Hierbei zeigt sich auch auf eine bezeichnende Art und Weise, daß der konservativ-bürgerliche Block eigentlich nicht sonderlich demokratisch gesinnt ist. Denn: Menschen, die wirklich demokratische Überzeugungen teilen, brauchen zentralistische Konzepte überhaupt nicht fürchten oder populistisch bekämpfen, weil sich Demokraten nämlich darüber im klaren sind, daß die demokratische Kontrolle den diktatorischen Machtmißbrauch verhindert.
In einem demokratischen System wird es kein stalinistischen Entgleisungen geben können wie unter Margot Honecker in der DDR. Dort wurde im Ministerium für Volksbildung sicherlich viel Progressives und Nachahmenswertes erreicht, doch gab es immer wieder grobe, teilweise menschenrechtsverletztende Maßnahmen, wenn die zentralistischen Strukturen durch die SED-Politik bzw. die Parteilinie verformt wurden.
In Frankreich beispielsweise ist Zentalismus Teil der Kultur und der Gesellschaft, weil die zentralistischen Ideen eng mit der freiheitlich-republikanischen Tradition des Landes verbunden sind und die starke Zentralisierung unter keiner völkermordenden, faschistischen Diktatur geschah und die Republik gegenüber sozialistischem Gedankengut keine hysterischen Tollwutanfälle zeigt.
Vor allem die rechtskonservativ-bürgerlich regierten südlichen Fürstentümer Länder der BRD stehen unter einer starken Ideologisierung in bezug auf Schulreformen; die Bayern z.B. lehnten nach dem Kriegsende die mit der re-education angeordnete Schulreform radikal ab. Dort wurden teilweise gröbste sozialdarwinistisch-nationalsozialistische Phrasen gedroschen, um die Zerschlagung des Gymnasiums und die Etablierung eines horizontal integrierten Schulsystems zu unterbinden.
Schon wenn höchstens die einfachen territorialen Forderungen der Besatzungsmächte im Grundgesetz Beachtung gefunden hätten, müßten wir uns nicht mit sechszehn verschiedenen Schulsystemen sondern nur mit vieren herumschlagen.
Interessant ist ebenfalls, daß die Nazis das differenzierteste gegliederte Schulsystem betrieben. Die Nazis führten keine großen Schulreformen durch, sondern die konservative Schulpolitik der Weimarer Republik wurde eher weitergeführt; aus dem fünfgliedrigen Schulsystem wurde ein noch weiter gegliedertes System aufgebaut. Auch hier ist die ideologische Kontinuität Ständegesellschaft - 19. Jahrhundert - Kaiserreich - Weimarer Republik - Hitlerdeutschland - BRD erstaunlich.
Von föderalistischer Zersplitterung schwafeln auch nur die Konservativen; die loben den Föderalismus über den Klee und scheuen selbst eine dreiste demokratische Etikettierung nicht: Vielfalt, kreativer Wettstreit, gemeinsames Ringen.
Eigentlich ist ein starker Förderalismus im deutschen Staate einfach eine überkommene, ungesunde Struktur, bestenfalls eine völlig überschätzte Tradition. Betrachtet man sich die deutsche Geschichte seit 919 (Heinrich von Sachsen) diente die territoriale, föderale und konföderale Zersplitterung als funktionaler Machtapparat des Adels und des besitzenden Bürgertums - Kreise, die selbstverändlich die entscheidenden Einflußmöglichkeiten niemals aus der Hand gaben. Der geniehafte Verfassungstanz Bismacks war hier der absolute Höhepunkt.
Schulisch würden wir wegen der Kleinstaaterei der Süddeutschen noch heute auf dem Bärenfell schlafen, wenn das große und bestimmende Preußen im 18. und 19. Jahrhundert nicht über seine herausgehobene Stellung verfügt hätte und wenn die Sachsen nicht des öfteren bei den Reformen Preußens mitgezogen hätten…
Du könntest demzufolge die Flickenteppichpolitik höchstens beseitigen, wenn sämtliche Bundesländer eine linke Regierung bekommen, die Kultusministerkonfererenz abgeschafft oder vollständig reformiert und die unumschränkte Bildungshoheit der Länder im Grundgesetz beseitigt werden würde.
Bleibt nur ein Land CDU-regiert, besteht keinerlei Chance, die rückwärtsgewandte Bildungspolitik dauerhaft zu überwinden.
reinerlein