Burnout und Asperger Modekrankheiten?

Moin,

angeregt durch eine Diskussion mit einer lieben Freundin frage ich mich Folgendes:
Kann es sein, dass die vorgenannten Diagnosen soetwas wie Modekrankheiten sind? Mal ganz ketzerisch, wie siehts mit Laktoseintoleranz aus?
Mein, zugegebenermaßen durchaus subjektives Empfinden sagt, dass eine Menge von Diagnosen durchaus nicht richtig sind oder auch auf Verlangen beruhen. Kein Mensch, der was auf sich hält, hat keine Macke.
Was ich in diesem Zusammenhang wirklich schlimm finde ist, dass ernsthafte Diagnosen wie Depressionen darunter zu „leiden“ haben. Meines Wissens (interessiertes Buchhalterwissen) nach gibt es die Diagnose Burnout nicht? Insofern möchte ich @anon56793850 und dem PTBS-Thread zustimmen.

Wir gesagt, Buchhalterin! Lasse mich gern belehren.

Data

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Hi Data

http://www.icd-code.de/icd/code/Z73.html

Ein Mensch mit Burnout leidet ziemlich sicher auch unter einer depressiven Episode - ein Depressiver muss keinen Burnout haben

Gruß h

Hallo,

Die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD, International Classification of Diseases) ist das wichtigste, weltweit anerkannte Diagnose­klassifikationssystem der Medizin. Es wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben. Dort wird Burn-out den Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen zugeordnet - insbesondere zur Charakterisierung von Personen, die das Gesundheitswesen aus sonstigen Gründen in Anspruch nehmen.

In der deutschen Adaptation ICD-10-GM gehört Burn-out zur Kategorie Z73 als „Ausgebranntsein“ - gemeinsam z.B. mit dem „Zustand der totalen Erschöpfung“. Der Abschnitt Z73 umfasst „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“. (siehe auch die Antwort von Hexerl)

Burnout ist im Unterschied zu Depression keine Behandlungs-, sondern eine Rahmen- oder Zusatzdiagnose. Das heißt das Burn-out Syndrom ist überraschenderweise keine eigene Krankheit, also jedenfalls nicht im engeren Sinne des internationalen Diagnose-Klassifikationssystem der Ärzteschaft. Hier gilt es als Rahmen- oder Zusatzdiagnose und ist damit zum Beispiel nicht ausreichend, um eine Einweisung ins Krankenhaus zu bekommen. Es sind vielmehr gelistete Behandlungsdiagnosen wie z.B. eine Depression zu ergänzen, um eine krankenkassenkonforme Krankschreibung zu bekommen.

Im aktuellen Klassifikationssystem der American Psychiatric Association, dem diagnostischen und statistischen Handbuch psychischer Störungen (DSM-5), wird Burn-out übrigens nicht als eigenständige Diagnose aufgeführt.

Modeerkrankung? Glaube ich nicht. Eher Zeiterscheinung.

Eine Statistik für Burn-Out in D:
Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund von Burn-out-Erkrankungen in Deutschland in den Jahren 2004 bis 2015

Insgesamt gilt, dass Psychische Erkrankungen mittlerweile die zweitwichtigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit in Deutschland sind.

Gruß t.

Es ist heute schlichtweg weniger peinlich darüber zu reden. Burnout hat sogar einen quasi positiven Tenor, harte Arbeit = Burnout.

Das gute an den „Modekrankheiten“ ist, dass sich heute viel mehr Menschen behandelt lassen. Die Selbstmordrate ist in den Vergangenen Jahrzehnten sehr stark gesunken.

Aha. Und was ist „harte Arbeit“?

In Zusammenhang mit Burnout? Beleg das mal.

Ich auch.

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Burnout und Asperger?

Burnout gilt, sowohl medizinisch als auch psychotherapeutisch, gar nicht als Krankheit oder echte Diagnose, ist aber:

  • in den Medien sehr präsent, daher „Modekrankheit“
  • eine häufige Selbstbeschreibung von Patienten geworden, daher „Modekrankheit“
  • ein „Risikozustand“ (DGPPN) bezüglich körperlicher und psychischer Erkrankungen
  • deskriptiv so ziemlich das gleiche wie, nach Schweregrad, eine Anpassungsstörung oder eine Depression, von der Dynamik her aber eher die (narzisstische) Vorstufe einer Depression, die nicht zwangsläufig in eine Depression münden muss

Ich finds gar nicht so schlecht, dass soviel über „Burnout“ gesprochen wird, weil so ein bißchen stärker der Blick in Richtung ‚Bedingungen der Arbeitswelt‘ gerichtet wird und nicht immer alles dem Individuum angelastet wird (wie bei der Depression).
Zudem gehts um Erwachsene, die ein Bedürfnis nach einem griffigen Etikett haben. Einen Leidenszustand mit einem annehmbaren Begriff versehen zu können, hat was Entlastendes.

Über Asperger-Autismus als ‚Kinderkrankheit‘ kann ich gar nicht groß mitreden, ist aber jedenfalls an sich eine anerkannte Diagnose und seit Jahrzehnten etabliert.
Dass sie als „Modekrankheit“ gilt, hat m.E. mit der traurigen Entwicklung zu tun, dass heute Kindergarten- und Grundschulkinder gießkannenartig durchpathologisiert werden bis geht nicht mehr. Das hat, im Unterschied zum Burnout, mit Selbstbeschreibung und Entlastung dieser Kinder nicht viel zu tun.

Diagnosen, die einen fließenden Übergang zum „Normalen“ haben, wie eben der Asperger-Autismus oder das AD(H)S sind von der gesellschaftlichen Pathologisierungswut halt besonders betroffen.

Das ist nicht nur ein subjektives Gefühl.
Beispiel ADHS:
http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2012/pm00104.html.de
Die Asperger-Überdiagnostizierungs-Debatte dürfte noch eher auf die USA beschränkt sein.

Gruß
F.

Hi,

Menschen mit Burnout haben eine Depression. Der Begriff Burnout bezeichnet eines der Symptome einer Depression und ist an sich ein modebegriff, aber das Symptom gab es schon immer: jemand kommt plötzlich (oder scheinbar plötzlich) mit den Anforderungen der Arbeitswelt nicht mehr zurecht, umgangssprachlich formuliert. Der Chef ist unfair, man kriegt mehr arbeit als andere, die Kollegen sind hinter einem her, man wird nicht verstanden, man bekommt keinen Respekt, keine Anerkennung für die viele Arbeit, …
Es ist nur als Mann/ guter Kollege/ … nicht cool, zu sagen, man wäre depressiv. Depressiv ist schwach, verweichlicht. Männer haben keine Depressionen. Männer sind ausgebrannt, weil sie sich angestrengt haben und die Umwelt ihnen zu viel aufbürdet. Burnout assoziiert sich mit Fleiß, Stärke und Männlichkeit. Eine Depression ist es aber trotzdem.

Die Franzi

Franzi,

du könntest dir wenigsten die Antworten hier durchlesen, und dir dann deine Falschantwort verkneifen. Burn-out ist keine Depression.

seufz
t.

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Du darfst gerne nach dem Genuß entsprechender Lebensmittel für mich scheißen gehen…

Du meinst sicher immer engeren Sinn? Als Rahmen- oder Zusatzdiagnose gibt es das Krankheitsbild.

Danke, genau das meine ich. Du leidest tatsächlich darunter. Wie viele Leute gibt es aber, die meinen, wenn sie sich mal wieder überfressen haben und der Körper streikt, dass sie auf jeden Fall Laktoseintoleranz haben. Wenn dann jemand kommt, der es tatsächlich hat, wird er nicht ernst genommen. Die Industrie tut ihr Übriges, um das „Feindbild“ aufzubauen. Früher (was noch gar nicht so lange her ist) gab es keine extra laktosefreien Lebensmittel. Man wusste, was man meiden musste und gut ist. Du glaubst doch nicht, dass alle Leute, die lactosefreies (überteuertes) Zeug kaufen, Laktoseintoleranz haben. Ihnen wird nur Angst gemacht und jedes Zipperlein muss sofort eine Diagnose haben.
Wenn die Kinder mal ein bisschen überdreht sind, haben sie ADHS und bekommen Ritalin. Wenn man gestresst ist, hat man Burnout. Wenn mal der Magen streikt, hat man Lactoseintoleranz. Dabei bleiben m.E. die „echt“ Kranken auf der Strecke.
Nochmal, ich möchte nichts relativieren, bin aber schon etwas verwundert über die vielen Diagnosen.

Data

Ja, als F-Diagnose.

Gruß
F.

Guten Morgen,

man muss bei dieser Frage wohl unterscheiden, ob sich jemand selbst eine Diagnose stellt oder eine Diagnose leichtfertig von einem Fachmann gestellt wird. Von daher sehe ich einen Unterschied, ob etwas aus eigenem Antrieb geschieht oder ein Fachmann unsauber arbeitet. Bei der Laktoseintoleranz sind es meistens Menschen, die deswegen nie einen Arzt gesehen haben. Der Begriff Burnout wird sowohl häufig von Menschen benutzt, die einfach nur sagen wollen, sie sind erschöpft weil sie geleistet haben, als auch von Menschen, die nicht den Begriff der Depression verwenden wollen, weil der stigmatisiert wird. Viele Kliniken benutzen den Begriff daher auch ganz gezielt für ihr Marketing. Zu einem Aufenthalt in einer Burnout-Klinik kann man sich bekennen. Den Aufenthalt in einer Klinik für Depressionen verschweigt man.
Dass du deine Frage aber ausgerechnet auch an dem PTBS-Thread festmachst, ist etwas verwunderlich. PTBS gehört zwar zu den Krankheiten, die sowohl in der Fachwelt als auch unter Laien sehr stark diskutiert werden. Unter Experten geschieht das aber zwei Richtungen: Es gibt sowohl das Problem, dass die Diagnose verwässert wird, als auch das Problem, dass es einige Gruppen von Betroffenen und Ereignissen gibt, die noch nicht einbezogen sind in die Diagnose, obwohl es so sein müsste.
Wenn man darüber ernsthaft diskutieren möchte, muss man sich an bestimmte Regeln halten.

… Beitrag editier vom www Team …

Allerdings sind Psychologie und Psychotherapie nicht die einzigen Bereiche, in denen sich leider auch Experten gerne einmal zu solchen Dingen hinreißen lassen. Wenn es um die Diagnosen geht, spielen sehr oft auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle.

Hi,

dann ist meine Psychotherapeutin inkompetent… und mein Hausarzt auch, und überhaupt alle, die mich behandeln und behandelt haben.

die Franzi

Hi,

die leute, die sich einbilden, eine Laktoseintoleranz zu haben, werden nciht von der Industrie verarscht. Die verarschen sich ganz alleine.

die Franzi

Sieht so aus. Vom Hausarzt würde ich sowas ohnehin nicht diagnostizieren lassen…

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Hi,

deine vorige Formulierung: „Burnout ist im Unterschied zu Depression keine Behandlungs-, sondern
eine Rahmen- oder Zusatzdiagnose. Das heißt das Burn-out Syndrom ist
überraschenderweise keine eigene Krankheit, […]“ unterschreibe ich, meine vorigen Ausführungen wollte ich als Ergänzung verstanden haben.

die Franzi

Schwierig zu beurteilen. Auch für Ärzte.

Ist immer die Frage, ob man objektive Kriterien ansetzt (die Frage wäre dann, welche man da nimmt) oder ob man das subjektive Empfinden des Patienten als Maßstab nimmt. Und, wie jemand anderes schon schrieb: Selbstdiagnose, Schnell-Tipp vom Allgemeinarzt oder professionelle Diagnose vom Facharzt…

Bei Kindern ist das noch eine andere Sache. Asperger und ADHS und Co. sind eine ernste Sache, wenn jemand wirklich davon betroffen ist. Aber für manche Eltern sind sie manchmal auch eine gute Ausrede, wenn das Kind nicht Höchstleistungen bringt oder sich daneben benimmt. Da kann man schön die Verantwortung an Ärzte und Therapeuten delegieren und den Nachwuchs weiter optimieren.

Grundsätzlich finde ich es ja positiv, wenn solche Krankheiten nicht mehr im Abseits stehen, wenn man sich traut, darüber zu sprechen. Dadurch wird sicher sehr vielen Menschen geholfen. Die trittbrettfahrenden Hypochonder bzw deren Eltern haben (vermute ich) ganz andere Probleme…

Diese Statistiken sind ja immer so eine Sache. Steigen die Zahlen von z.B. gemeldeten Vergewaltigungen, so kann es auch sein, dass sich die Opfer einfach nur eher trauen, die Tat anzuzeigen und dass die Zahl der Straftaten gar nicht gestiegen ist.

so vielleicht auch hier: Die Krankheiten werden bekannter und mancher Arzt hat sie jetzt erst so richtig auf dem Schirm - und diagnostiziert sie deshalb auch ab und an.

Da kommen also viele Faktoren zusammen, denke ich.

Bufo

Burnout kann rein deskriptiv mit einer Depression völlig identisch sein - und dann auch so diagnostiziert und behandelt werden.
Burnout kann aber deskriptiv auch ein bißchen anders aussehen, v.a. in frühen Stadien und ist von der Dynamik auch anders zu sehen als die meisten Formen der Depression (v.a. weil Burnout auf eine klare äußere Überforderungs-Situation bezogen ist, und deshalb der „Anpassungsstörung“ nahe steht).
Insofern habt ihr alle drei recht: Tastatürchen, deine Therapeutin und du.

Gruß
F.

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Hi,

Danke, das beruhigt mich, weil es meine Beobachtungen, Das, was ich hier lese und die Aussagen der Fachleute, die ich gehört habe, zusammenfügt.

Die Franzi