Hallo,
ich antworte hier mal als jemand, die keiner christlichen Religionsgemeinschaft angehört, berufsbedingt jedoch viel mit Christen unterschiedlicher Traditionen zu tun hat.
…mit folgenden Merkmalen:
Die Bezeichnungen „christliche Religionsgemeinschaft“ und „Konfession“ würde ich synonym sehen. Wenn von „überkonfessionellen“ (oft auch „ökumenisch“) benannten Aktivitäten die Rede ist, dann treffen sich Menschen aus unterschiedlichen christlichen Religionsgemeinschaften wie z.B. zur „ökumenischen Bibelwoche“, zur „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ oder zur „Nacht der offenen Kirchen“ (Berlin).
Jedoch gibt es christliche Gemeinschaften, in denen Menschen unterschiedlicher christlich religiöser Zugehörigkeit sich zusammenfinden. Dies kann in sehr verbindlicher Form (klosterähnlich) sein und hat meistens in einer christlichen Konfession begonnen und sich später erweitert, d.h. es sind Christen aus anderen Konfessionen dazugekommen. Am Bekanntesten wäre die „Communautè de Taize“ in Burgund, die unter evangelisch-reformierten Studenten in Genf begann und und zu der heute Brüder aus unterschiedlichen Ländern und unterschiedlichen christlichen Konfessionen gehören.
Dann gibt es beispielsweise das „ökumenische Lebenszentrum in Ottmaring“ bei Augsburg, in dem die aus der katholischen Kirche kommenden Mitglieder der „Fokolare-Bewegung“ mit Menschen aus der evangelischen Bruderschaft vom Kreuz bzw. vom gemeinsamen Leben ihr Miteinander gestalten. Sie bleiben ganz bewußt in ihrer jeweiligen Kirche.
- tolerant gegenüber anderen Religionen
Toleranz ist ein weiter Begriff, über den man sich erst einmal verständigen müßte.
Unter christlichen Lebensgemeinschaften, Kommunitäten, Bruderschaften, Schwesternschaften oder wie immer sie sich nennen, wirst Du einige finden, die sich im interreligiösen Gespräch engagieren.
- keine Abkapselung aus der Gesellschaft
Soziales Engagement hat in ökumensichen christlichen Gemeinschaften einen unterschiedlichen Stellenwert, je nach Schwerpunkt der Gemeinschaft. Von den Brüdern der Gemeinschaft von Taize leben etwa ein Drittel in Fraternitäten („Außenstellen“), die sich meist in armen Länden befinden.
- kein Pomp oder verpflichtende Riten
das ist ein Widerspruch in sich, was die Riten betrifft. Keine Gemeinschaft - ob religiös oder nicht - funktioniert ohne gemeinsame Rituale (noch nicht einmal der wöchentliche Stammtisch eines Fußballclubs), ganz egal ob man es als „Ritual“ bezeichnet oder nicht.
- Schwerpunkt auf individueller Auslegung
Es wird immer eine gewisse Spannung zwischen der eigenen Spiritualität und den Formen und Inhalten des Gemeinschaftslebens geben, wobei die Gemeinschaft dann „funktioniert“ oder eben so lange, wie eine gesunde Balance gefunden wird.
und nun das für mich persönlich wichtigste:
Die Heilige Schrift soll nicht direkt als Wort Gottes
aufgefasst sondern als ein von zeit- und kulturgebundenen und
fehlbaren Menschen geschriebenes Werk (Auch Propheten sind
letztendlich nur menschlich)
Das muß sich ja nicht widersprechen. Die Frage wäre dann, auf was sich die Gemeinschaft als „Basics“ verständigt.
Hierdurch eröffnet sich ein noch viel größerer
Interpretationsspielraum biblischer Textstellen:
Das wäre eine andere Baustelle (Diskussion), denn bei aller individuellen Variante im Textverständnis gibt es auch Grenzen, die im Text an sich liegen, sonst wird es beliebig. In den letzten 20 Jahren hat gerade zu diesem Thema ein Ansatz aus der Literaturwissenschaft, nämlich die sogenannte „Rezeptionsästhetik“ in die christliche Theologie gefunden.
Hat Gott das wirklich gesagt? Oder könnte der Prophet und oder
Schreiber etwas falsch verstanden haben (zumal er ja auch nur
ein Mensch ist). Vielleicht ist das was in der Bibel steht,
teilweise ein völlig falsch interpretiertes Wort Gottes usw.
Niedergeschriebene Texte und ihre Auslegungen sind immer zeitlich und kulturell gebunden. Von daher gilt aus jüdischer Perspektive beispielsweise, daß jede Generation mit ihren jeweiligen neuen Fragen verpflichtet ist, die Schrit neu auszulegen, was nicht heißt, daß frühere Auslegungen verworfen werden - sondern daß es eine Vielstimmigkeit gibt.
Die Bibel bleibt somit auch immer aktuell.
Das ist sie - aus meiner Sicht - sowieso
Vielleicht könnte
man sie sogar immer wieder neu schreiben
Damit der dann entstehende Text für eine größere Gruppe verbindlich würde, bräuchte es einen Prozeß der Kanonbildung: Was gehört warum hinein oder auch nicht.
Ich vermute mal, daß Deiner Form von Religionsgemeinscahft und religiösem Leben die „Quäker“ am nächsten kommen. Ansonsten gäbe es noch die Alternative, daß Du eine eigene Religion gründest.
Viele Grüße
Iris