Coronavirus: Sind die Maßnahmen verfassungswidrig?

(Frage passt hier m.E. besser als im Rechtsbrett)

Hallo!

Beate Bahner, Fachanwältin für Medizinrecht,schreibt in ihrer Stellungnahme offenbar (soweit das der Sekundärberichterstattung zu entnehmen ist; ihre HP mitsamt Stellungnahme ist nicht erreichbar).

  • die Ausgangs-/Kontaktverbote stellen eine krasse Verletzung von Grundrechten dar
  • sie sind nicht durch das Infektionsschutzgesetz legitimiert°
  • die Grundlage „schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit“ ist faktisch nicht gegeben, weil die Infektion für die übergroße Mehrheit der Bevölkerung nachgewiesenermaßen harmlos verlaufen würde.
  • der Schutz der Risikobevölkerung (Anteil ca. 5%) sei durch gelindere Maßnahmen zu gewährleisten
  • die Maßnahmen verletzen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
  • sie verletzen die Pflicht des Staates zum Schutz der Freiheitsrechte seiner Bürger
  • sie verletzten die Pflicht des Staates zum Schutz der Gesundheit seiner Bürger (!)
  • sie verstoßen eklatant gegen das Grundgesetz
  • sie seien ein massiver Angriff gegen die verfassungsmäßige Ordnung der BRD
  • Bußgeldbescheide und Festnahmen sind deshalb rechtswidrig
    -es greift das Widerstandsrecht nach Artikel 20GG

Frage also: Wie sind diese Aspekte zu beurteilen?

° dazu: https://www.anwalt.de/rechtstipps/-infektionsschutzgesetz-legitimation-fuer-kontaktverbote-und-ausgangsbeschraenkungen_165227.html

Unabhängig von Frau Bahner

Gruß
F.

#coronavirus

[Überschrift editiert, verschlagwortet vom www Team]

Hallo,

gegenteilige Meinung von Herr Papier, ex-President des Bundesverfassungsgerichtes. (Bitte nicht nur Überschrift lesen)

Vielleicht werden es am Ende die Gerichte entscheiden müssen. Mal sehen. Momentan kann ja ohnehin keiner sagen, wie es in Deutschland in 3 oder 6 Monaten aussieht; und wie im Rest der Welt.

Grüße
Pierre

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Diese Behauptung ist meines Erachtens der Knackpunkt und schlicht und ergreifend falsch.

Wir erinnern uns:

Ca. 20% der Verläufe sind schwer und müssen im Krankenhaus behandelt werden, ca. 5% der Fälle sind so schwer, dass sie intensivmedizinisch betreut werden müssen. Selbst im Falle einer intensivmedizinischen Betreuung sterben Menschen an der Erkrankung.

Wir können also davon ausgehen, dass ohne Krankenhausbetreuung 5-20% der Erkrankten sterben würden.

Aktuell ist glücklicherweise eine Betreuung im Krankenhaus für alle Betroffenen möglich, weil durch die ergriffenen Maßnahmen die Zunahme der Erkrankungen so verlangsamt wurde, dass es nicht zu einer Überlastung kommt. Ohne solche Maßnahmen hätten wir es in kürzester Zeit mit einem exponentiellen Wachstum mit Überlastung der Medizin-Infrastruktur zu tun bekommen, der dazu geführt hätte, dass die Todesraten extrem gestiegen wären.

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20% der Fälle verlaufen schwer. Wie man vor dem Hintergrund darauf kommt, daß die Infektion für die übergroße Mehrheit der Bevölkerung harmlos verläuft, erschließt sich mir nicht. Sich intubieren und beatmen zu lassen, soll nach allem, was man so hört, nicht übermäßig witzig sein.

Und mir ist auch nicht ganz klar, wieso sich eine Fachanwältin für Medizinrecht dazu bemüßigt fühlt, verfassungsrechtliche Themen zu beurteilen. Aus meiner Zeit der Studien des Verfassungsrechts ist mir jedenfalls nicht bekannt, daß damals in nennenswertem Umfang Quellen aus dem Medizinrecht eine Rolle gespielt hätten.

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Danke für die beiden Artikel.
Interessant, dass Papier und Bahner den „Schutz der Gesundheit“ betonen.
Ich denke, das ist bei Bahner nicht so abwegig wie es sich zunächst anhören mag, denn auch Sozialmediziner und andere Experten warnen ja vor den gesundheitlichen „Nebenfolgen“ dieser Maßnahmen.

Interessant natürlich auch der Aspekt „Dauer“ den Papier betont. Ist ein Monat nicht bereits eine durchaus eine lange Dauer für die Aufhebung von Grundrechten in einer Situation, die aktuell natürlich irgendwie schon, aber irgendwie auch nicht eine Gefahrensituation ist.

Papier wird zitiert mit: „… Freiheitsbeschränkungen vorzusehen. Soweit dies unumgänglich ist“.
Unumgänglich waren diese Beschränkungen ja sicher nicht.
Manchen Epidemiologen haben sich ja sogar dagegen ausgesprochen.

Ob sie verhältnismäßig sind? Sie reagieren im Grunde ja nicht wirklich auf eine starke Gefahr für das Gros der Bevölkerung, sondern „nur“ auf die Überlastung des Gesundheitssystem, also auf einen Missstand, für den der Staat selbst z.T. verantwortlich ist.

Gruß
F.

Ja, ich denke auch, dass das ein ganz wesentlicher Aspekt ist.
Ich glaube aber auch, dass dein Punkt nicht korrekt ist, weil wir schlicht und einfach die Zahlen nicht haben, die wir dafür brauchen.
Diese Prozentangaben beziehen sich ja auf die registrierten Infizierten, nicht auf die tatsächlichen Infizierten, deren Zahl z.B. von manchen Experten auf bis zu 10 mal so hoch geschätzt wird.

Gruß
F.

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Erstens ist die Schnittstelle Medizin und Recht doch durchaus passend, zweitens ist es offenbar Bahners Leidenschaft, warum auch immer, Verfassungsbeschwerden (erfolgreich) einzulegen:
http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:Dz5cPHBiBa0J:www.beatebahner.de/lib.medien/Pressemitteilung.pdf+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de
Drittens halte ich es für eine Bürgerpflicht, seinen Staat auf Verfassungsmäßigkeit zu kontrollieren. Für Juristen gilt dies umso mehr, etwa so wie Ärzte eine umfassendere Pflicht zur Hilfeleistung haben als Normalbürger. Wissen verpflichtet.

Es geht (mir) rein um die Sache, nicht um die Person Beate Bahner.

Gruß
F.

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Um hier noch eine Aussage des RKI (Stand: 8.4.) nachzuliefern: „Für eine abschließende Beurteilung der Schwere der neuen Atemwegserkrankung liegen gegenwärtig nicht genügend Daten vor.“

Ergänzend zu Hans-Jürgen Papier noch die Stellungnahme (Link geht zur NZZ) des immer wieder interessant zu lesenden Thomas Fischer. Auch hier würde ich, wie @C_Punkt, mehr juristische Fachkompetenz unterstellen als bei Beate Bahner. Ich verkneife es mir, hier öffentlich über Frau Bahners Beweggründe zu spekulieren - aber mir meinen Teil dabei zu denken, erlaube ich mir schon …

.P.S.: die Verlinkung der Personen auf Wikipedia ist für Nichtjuristen gedacht, die - wie ich - Sapiehas Devise folgen:

Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen;
Der Staat muß untergehn, früh oder spät,
Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.
(Friedrich Schiller, Demetrius 1. Aufzug)

Das heißt doch nicht, daß wir nicht wissen, daß die Krankheit gefährlich ist. Wir kennen nur noch nicht die genauen endgültigen Zahlen. Wobei die Welt da seit gestern auch eine andere ist.

Aber um es noch einmal zu verdeutlichen: nur, weil wir nicht wissen, wie viele Trunkenheitsfahrten genau tödlich oder mit schweren Verletzungen enden, heißt das nicht, daß wir nicht wissen, daß sie keine gute Idee sind.

Bei Covid-19 wissen wir sehr wohl, in wie viel Fällen die Krankheit einen schweren Verlauf nimmt bzw. tödlich endet. Nur eben nicht genau bzw. abschließend. Das ist aber von „wir haben keine Ahnung“ sehr, sehr weit entfernt.

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Ein Mosaiksteinchen hierzu:

Man wird das natürlich prüfen müssen.
Hinterher werden wir es ganz sicherlich noch besser wissen.
Da wird einiges aufgearbeitet werden müssen.

Die Berufung auf Art. 20 ist schon mal Stuß, weil gegen Bußeldbescheide der Rechtsweg offensteht. Das weitere werden die Gerichte klären, beispielsweise wurde in MeckPomm das Ausflugsverbot an Ostern ja schon gekippt.

„Verstand ist stets bei wen’gen nur gewesen“

Richtig.
Du stellst dieses Wesentliche aber absurderweise als kleine Detailfrage hin.

Es geht um die „schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit“.
Da haben wir a) den Aspekt "Gefahr für die Allgemeinheit (und wohl nicht für eine relativ kleine, benennbare Untergruppe) und b) den Aspekt schwerwiegend.

Für beide Aspekte genügt ganz sicher nicht die simple Konstatierung der „Gefährlichkeit“ der Virusinfektion , um den gravierendsten Eingriff des Staats in die Grundrechte seiner Bürger seit Generationen zu legitimieren.

Denn „gefährlich“ ist vieles anderes auch, bei dem der Staat (zurecht) nicht annähernd ähnlich drastisch eingreift: Adipositas, Alkoholmissbrauch, Volkskrankheit Depression, Rauchen, usw.
Zumindest A, A und R dürften klar höhere Mortalitätszahlen haben als Covid-19.
Da gehts natürlich um qualitativ andere Dinge, schon klar, auch wenn man auch hierbei sinnvoll von „Epidemien“ sprechen kann.

Gruß
F.

Diesen falschen Zusammenhang hat die Forensoftware hergestellt.

Ich hatte das „Widerstandsrecht“ als eigenen Listenpunkt eingegeben, nicht als Unterpunkt zu den Bußgeldbescheiden.

Bei der Berufung auf 20GG bin ich aber selbst generell skeptisch.

Gruß
F.

Weil es vollkommen egal ist, ob bei einer plötzlichen Durchseuchung der Bevölkerung 250.000 oder 500.000 Menschen sterben.

Das ist vollkommen irrelevant. Es geht um die aktuellen Maßnahmen und die müssen bewertet und beurteilt werden. Daß man nicht bei rot über die Straße latschen darf, nur weil 100 andere das kurz zuvor gemacht haben, ist ja auch kein hilfreiches Argument, wenn man zur Zahlung aufgefordert wird.

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Nein, das ist nicht egal.
Zumal nicht einmal klar ist, ob überhaupt 250.000 realistischerweise zu erwarten ist bzw. auch qualitativ, ob die Mortalität oder die Exzessmortalität die passende Bezugsgröße für die Maßnahmen sein kann.
Und dazu kommt, dass Mortalität nur ein Teilaspekt des Problems ist.
Ich wiederhole mich: Es ist nicht egal, wofür der Staat die Bürgerrecht so extrem massiv einschränken darf.
Es ist auch nicht egal, was er damit an „Nebenfolgen“ für die körperliche und psychische Gesundheit der Menschen anrichtet.

Das alles ist in Rechtsstaaten nicht egal.


< Karfreitagspredigt >

Wir sollten alle versuchen, in dieser Krise keine Mentalität der Egal-Hemdsärmeligkeit zu entwickeln. Die tut uns gesellschaftlich nicht gut.

< / Karfreitagspredigt >

Gruß
F.

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Hallo,
mir fällt auf, dass sich gerade Rechtsanwälte (bei und wurden auch zwei sehr ausführliche Leserbriefe einer Juristin in der Vergangenheit veröffentlicht) berufen fühlen ohne Mandat die Bevölkerung zu zivilem Ungehorsam in Sachen Corona mehr oder weniger deutlich aufrufen.
In allen Fällen vermisse ich persönlich die Alternative zu den Maßnahmen, die seitens der Regierung von Bund oder Ländern vorgegeben wurden, welche wohlgemerkt keine Dauermaßnahmen sind, sondern eine absehbare Begrenzung haben, zwar nicht auf Tag , Woche oder Monat festgelegt, aber absehbar in der Form, ob die Maßnahmen Erfolge zeigen oder nicht.
Ich halte solche Aktionen zwar grundsätzlich durch unser Rechtssystem für zulässig, aber ich meine, Profilierungssucht sollte man hier besser in den Griff bekommen bevor man zur Feder oder Tastatur greift.
Gilt leider auch in Foren, aber hier scheint es nun doch sehr wenige Juristen zu geben.
Gruss
Czauderna
PS: Offenbar hat diese Rechtsanwältin Besuch vom Staatsschutz erhalten, was ich wiederum für unnötig und auch für überflüssig halte - da bekommt sie zu viel Aufmerksamkeit in den Medien, was mit Sicherheit auch Ziel des Schreibens war.

Das habe ich nie behauptet, sondern ich schrieb das hier:

Der Unterschied zwischen 250.000 und 500.000 ist nicht belanglos, weil die Differenz belanglos ist, sondern weil das eine Unschärfe ist, die sich nicht vermeiden läßt. Der Punkt ist, daß es einen Unterschied macht, ob am Ende 250 Tote zu erwarten sind oder tausend- oder zweitausendmal so viele.

Doch, das ist klar. Man hat im Kreis Heinsberg bzw. in Gangelt 80% der Bevölkerung untersucht und so ermitteln können, wie viele erkrankt waren und man weiß, wie viele gestorben sind - nämlich besagte 0,37%. Dies ist eine Größenordnung die bei einem funktionierenden Gesundheitssystem entstanden ist. Es ist eine Illusion, zu glauben, daß es bei dieser Größenordnung geblieben wäre, wenn man hätte ganze Bevölkerungsgruppen von einer Beatmung ausschließen müssen, weil die Beatmungskapazitäten nicht ausgereicht hätten.

Wie viel (oder besser: wie wenig) Luft noch im System ist, siehst Du hier:

Wir haben im Land gerade mal noch 5.000 freie Betten für schwere Fälle übrig, was nichts anderes heißt, daß wir für 25.000 bis maximal 35.000 weitere Erkrankungen Luft haben. Wer vor dem Hintergrund davon schwafelt (und anders möchte ich das nicht bezeichnen), daß seine Grundrechte wichtiger sind als der durch die Maßnahmen zu erzielende Effekt, dem mag ich auch nicht mehr helfen.

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Mortalitätszahlen … Covid-19 und verfassungswidrig

Betrachten wir mal gar keine Massnahmen als worst Case, wenn
50 Mio Infiziert sein werden, egal ob diesen Mai oder Weihnachten,
die Verdoppelungszeit 10 Tage waere
dann sind 25 Mio gleichzeitig in den letzten 1o Tagen infiziert,
davon 20 Prozent in die Krankenhaeuser,
davon 250.ooo an die Beatmungsplaetze,
davon 200.ooo aetzlich entscheden, lohnt nicht mehr, wir versuchen die Rettung der anderen,
Das
ist jetzt bei verfassungsmaessig zu entscheiden, die ganze Zeit bis zur Impfung,
Selbst wenn es nur ein Zehntel davon waere, ob die Gesellschaft viel Freiheit will oder Tote, oder wieviel Anteil von beidem.