Dalai Lama und die armen Tibeter

Moin,

angeblich hat der Dalai Lama (sinngemäß) gesagt, dass „die Armut und Not der tibetischen Bauern von ihrem schlechten Karma herrührt.“ Womit er die Schuld dafür nicht bei den ausbeutenden feudalistischen Klostern und Landesherren sieht.

  1. Gibt es „arme tibetische Bauern“?
  2. Gibt es „feudalistisch herrschende Klöster und Landesherren“?
  3. Hat der Dalai Lama das wirklich so gesagt?

Danke
Laika

Free Tibet from the Lamas
Guten Tag Laika,

was der „Dalai Lama“ so sagt, weiss ich nicht; ist mir auch wurscht. Dass aber unser blauäugiger Blick viele Fehler hat, ist mir klar.

Wenn du mit dem Betreff in die Suche gehst, findest du viele Stellen, die dir zur Aufklärung hilfreich sein dürften.

  1. Gibt es „arme tibetische Bauern“?

Ja.

  1. Gibt es „feudalistisch herrschende Klöster und
    Landesherren“?

Ja, genau wie hier die Fürsten (weltlich wie klerikal)

  1. Hat der Dalai Lama das wirklich so gesagt?

Bei religiös motivierten Welterträumern ist nichts unmöglich, aber nichts glaubwürdig.

Gruß

Stefan

Moin Laika,

  1. Gibt es „arme tibetische Bauern“?

die gibt es und die gab es auch vor 1950.

  1. Gibt es „feudalistisch herrschende Klöster und
    Landesherren“?

Die gibt es nicht mehr (dafür eine herrschende Einheitspartei) - die gab es allerdings vor 1950. Etwa ein Drittel der Landwirtschaftsfläche gehörte den Klöstern, etwa ein Viertel ein paar wenigen Adelsfamilien. Dieses Land wurde von Leibeigenen bewirtschaftet. Der Rest von freien (lediglich steuerpflichtigen) Bauern. „Leibeigenschaft“ und „Feudalismus“ sind hier allerdings problematische Begriffe, da aus der europäischen Sozialgeschichte nur begrenzt auf Tibet übertragbar. Im Netz steht zur Vertiefung zur Verfügung:

http://www.case.edu/affil/tibet/booksAndPapers/Human…
http://books.google.co.uk/books?id=g0V5lV_M-SYC&
Ebenfalls lesenswert wenn auch mit großen Vorbehalten (Propaganda) zu behandeln ist dieser Bericht:
http://www.marxists.org/reference/archive/strong-ann…

  1. Hat der Dalai Lama das wirklich so gesagt?

Weiß ich nicht - aber ich bezweifle es sehr.

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin,

es gibt jede Menge Literatur und Quellen direkt vom Dalai Lama, in denen man nachlesen kann, was er tatsächlich gesagt hat, bzw. dies als Originalzitat belegen kann. Somit finde ich alles was mit:

angeblich hat der Dalai Lama (sinngemäß) gesagt,

anfängt erstmal völlig an den Haaren herbei gezogen und nicht diskussionswürdig.

Zudem hat kaum ein Thema im Buddhismus für mehr Missverständnis gesorgt als das Thema „Karma“, selbst unter Buddhisten.

Der tibetische Buddhismus ist vor allem von Mitgefühl geprägt, insbesondere auch für Menschen, die leiden, sei es an den Folgen von Armut oder warum auch immer. Allerdings sieht der Buddhismus Reichtum (der über die Grundsicherung der menschlichen Bedürfnisse hinaus geht) nicht unbedingt als verlässliche Quelle für dauerhaftes Glück an. „Armut“ wird somit nicht automatisch als Ursache für Leid angesehen (im Gegenteil, buddhistische Ordinierte verfügen traditionell über so gut wie keinen persönlichen Besitz und sind was ihre materielle Versorgung angeht immer auf andere angewiesen). Schon aus diesem Grund macht das, was du das angeführt hast, aus buddhistischer Sicht überhaupt keinen Sinn.

Ohne jetzt eine Diskussion über „Karma“ vom Zaun zu brechen, aber „karmisches Leid“ ist unabhängig von materiellem Besitz und kann den Reichen genau so treffen wie den Armen.

Hat es in Tibet Feudalismus gegeben? Ja klar, wie in fast jedem anderen Land der Welt auch. Allerdings war Landbesitz häufig an Ämter gebuden, deren Inhaber auch schnell mal wechseln konnten. Auch Klöster besaßen Land, wobei die Klöster (und damit der Zugang zu Bildung) allen (männlichen Personen) offen standen, so dass es kaum eine Familie in Tibet gegeben haben dürfte, die nicht mindestens einen Sohn im Kloster hatte.

Somit war die tibetische Gesellschaft vor dem Überfall der Chinesen ziemlich mobil, was die Gesellschaftsschichten anbelangt. Viele hochrangige Angehörige des tibetischen Klerus stammen aus Familien von Bauern und/oder Viehzüchtern (wie der Dalai Lama selbst ja auch).

Zudem ist und war Tibet nicht unbedingt ein Land, was von unbegrenzten landwirtschaftlichen Möglichkeiten geprägt war, sondern zu großen Teilen sehr unwirtlich. Die tibetische Gesellschaft hat es über die Jahrtausende zumindest geschafft ein System zu entwickeln, bei welchem Hungersnöte größtenteils unbekannt waren (die Tradition, Söhne in die Klöster zu schicken, wo sie zumindest materiell versorgt waren, war ein Teil davon).

Dieses Gleichgewicht wurde vor allem durch die Gewaltherrschaft der Chinesen in Tibet zerstört. Mit dem Vorwand, die tibetischen Leibeigenen und Bauern „befreien“ zu wollen, wurden die Menschen zu landwirtschaftliche „Modernisierungsmaßnahmen“ gezwungen, was zu großen Mißernten, und zu der ersten jemals verzeichneten Hungersnot in Tibet (1960-1962) führte, der 340.000 Tibeter zum Opfer fielen.

Leider werden wir niemals erfahren, was aus Tibet hätte werden können, wenn das Land und die Menschen aus eigener Anstrenungen den Weg vom Feudalismus zur Demokratie hätte machen können. Länder wie Bhutan, die von einer ähnlichen Gesellschaftsstruktur geprägt sind wie Tibet vor dem Überfall, zeigen uns aber, was möglich gewesen wäre.

Ich hoffe jedoch, dass wir noch erleben werden, wie aus Tibet (und auch China) Länder werden, die von Gewaltherrschaft und Diktatur befreit zur Demokratie finden. Den Tibetern und auch den Chinesen sei es gegönnt (Karma hin oder her).

Gruß
M.

Der problematische Karmabegriff des Dalai Lama
Hi Laika.

angeblich hat der Dalai Lama (sinngemäß) gesagt, dass „die
Armut und Not der tibetischen Bauern von ihrem schlechten
Karma herrührt.“
3. Hat der Dalai Lama das wirklich so gesagt?

Ich fürchte, in einem sinngemäßen Sinne hat er das. Ich will unsere buddhistischen Brett-ExpertInnen jetzt wirklich nicht ärgern (warum auch?), aber es gibt vom DL einige gedruckte Äußerungen, die man nach unseren westlichen Ethikmaßstäben als fragwürdig einstufen muss. Ich zitiere:

  1. Dalai Lama: “Mein Leben und mein Volk” (Seite 52)

“Ein armer Tibeter hatte wenig Ver­an­lassung, seinen reichen Gutsherrn zu beneiden oder anzufeinden, denn er wusste, daß jeder die Saat aus seinem früheren Leben erntet.”

  1. Troemel, Hank (Hrsg.), Theosophie und Buddhismus, Seite 37 f.:

(Interview mit dem DL)

“Interviewer: Karma, als Kurz­formel, bedeutet, in Ihren eigenen Worten, daß “wir die Früchte unserer eigenen Taten ernten”. … Bestürzend und schwierig zu akzeptieren ist sie [diese Definition] … im Hinblick auf Kriegszustände, wenn … Millionen Menschen einen gewalt­samen Tod erleiden. Wie erklären Sie diesen Aspekt des Karma­gesetzes?

Dalai Lama: „ … all diese Menschen haben … dieselbe Art und denselben Umfang negativen Karmas erreicht. Ihnen allen gehört das gleiche Karma, … jedes einzelne Wesen, ist Teil dieses kumulierten negativen Karma, und so kommt es zu gemeinsamem Leid.”

Interviewer: Ja, aber, Eure Heiligkeit, diese furchtbare Ballung von millionenfachem gewaltsamem Tod in den Jahren des zweiten Weltkriegs…

Dalai Lama: Ich verstehe die Frage sehr wohl. Der Hauptgrund ist das Karmagesetz…”

Zitat Ende.

Chan

Armut vs. Reichtum bei Exil-Tibetern
Hier ist ein Anhang zum Thema „Armut tibetischer Exilanten vs. Reichtum der Exil-Klöster“, zitiert von der sehr unverdächtigen Seite „tibet.de“ (Tibetisches Zentrum, unter der Schirmherrschaft des DL übrigens):

"Auch die Ausschmückung der Tempel mit Fresken und Statuen aus vergoldeter Bronze verschlingt enorme Summen. Eine überlebensgroße, feuervergoldete Statue etwa kostet umgerechnet 18.000 EUR, eine der großen Buddha-Statuen im Kloster Sera 30.000 EUR.

(…)

Frau Ngawang Lhamo, Mitglied des tibetischen Exil-Parlamentes, meinte, auf diese Problematik angesprochen: „Die großen Rinpoches, die so viel Geld haben, sollten Krankenhäuser bauen, Schulen und Altersheime, das muss man heute von ihnen erwarten. Die Klöster im Exil sind wieder so wunderbar mit riesigen Statuen, Holzarbeiten, Fresken, alles ist vergoldet, geschnitzt, bemalt. Das Geld ist alles dahinein gegangen, nichts ist geblieben für die Armen, Alten und Kranken, für die Kinder. Sie geben nichts. Wo ist da soziale Verantwortung? Verantwortung für die tibetische Gemeinschaft?“ Und der Dalai Lama sagt zu dem Thema in seinem Buch der Freiheit: „Ich habe den Eindruck, dass buddhistische Mönche und Nonnen viel über Mitgefühl reden, ohne jedoch konkret dafür etwas zu tun.“

Früher unterhielten die Laien durch ihre Arbeit die Klöster. Heute scheinen die Klagen tibetischer Siedler, dass die reichen Klöster nichts für die Laien in ihrer Umgebung übrig haben, im Großen und Ganzen zu Recht zu bestehen, wenn wir auch von manchen Fällen gehört haben, wo einzelne Lamas individuellen Familien helfen."

http://www.tibet.de/zeitschrift/newsdetail/article/8

Chan

Hallo Ch’an

Ich will
unsere buddhistischen Brett-ExpertInnen jetzt wirklich nicht
ärgern (warum auch?), aber es gibt vom DL einige gedruckte
Äußerungen, die man nach unseren westlichen Ethikmaßstäben als
fragwürdig einstufen muss.

zur Verärgerung besteht in der Tat kein Anlass. Was nun Ethikmaßstäbe angeht, so kann (und soll) man solche zunächst an ein bestimmtes Handeln anlegen, nicht an religiöse Überzeugungen. Wenn unethisches Handeln aus religiösen Überzeugungen abgeleitet wird - erst dann sind letztere in der Tat fragwürdig.

Ansonsten kann ich persönlich mit der Auffassung von Karma, wie sie Deine DL-Zitate scheinbar belegen, wenig anfangen. Das klingt mir eher nach einem hinduistischen Karmaverständnis als nach buddhistischem, wofür mehrere Ursachen denkbar sind. Neben einem „problematischen Karmabegriff“ z.B. auch aus dem Kontext gerissene Zitate oder ein (durchaus verfehltes) Bemühen des Herrn, ein so komplexes Thema wie den buddhistischen Karmabegriff (der eng mit ‚Willen‘ verbunden ist, nicht mit ‚Schicksal‘) einem ahnungslosen Publikum mit einfachen Worten näher zu bringen.

Was von Seiten westlicher Rezipienten vor allem immer wieder zu grotesken Missverständnissen führt, ist der ihnen eigene Reflex, das Thema Karma nahezu automatisch mit dem Thema ‚Schuld‘ in Verbindung zu bringen. Das hat sehr viel mit christlichen Prägungen zu tun - mit Buddhismus hingegen nicht das Geringste. Dieser Reflex entgeht vielen asiatischen buddhistischen Lehrern, wenn sie über ‚karma‘ sprechen und provoziert so die angesprochenen Missverständnisse.

Natürlich sind ungerechte und bedrückende soziale Verhältnisse verursacht und gewollt - mithin nach buddhistischem Verständnis karmisch begründet. Auch kaum ein Nichtbuddhist wird dies bestreiten (mal von Leuten abgesehen, die das für ‚gottgewollt‘ halten), und es ist absolut nichts ethisch oder sonstwie Verwerfliches an dieser Feststellung. Mit dem „selbst“ sollte man im Kontext mit ‚verursacht‘ („selbst verursacht“) allerdings als Buddhist äußerst vorsichtig umgehen - genau da passieren dann nämlich die eigenartigen Vermengungen mit hinduistischen Karma- und Reinkarnationsvorstellungen. Und zwar in den Köpfen westlicher Zuhörer, die dann prompt noch einen draufsetzen: „selbst verursacht“ = „selbst schuld“.

Karma beschreibt einen Ursache-Wirkungszusammenhang. Ein korrektes Verständnis von Karma dient nicht dazu, irgendwelche Mißstände (oder deren Beibehaltung) zu rechtfertigen, es bringt vielmehr Menschen dazu, sich rücksichtsvoll und mitfühlend zu verhalten. Karma richtig zu verstehen bedeutet, zu wissen, dass das eigene Tun und Lassen Folgen hat - heilsame oder unheilsame. Und es bedeutet, eben danach sein Tun und Lassen auszurichten. Dass auch buddhististische Amts- und Würdenträger dies nicht immer tun, mag und kann ich freilich nicht abstreiten.

Ansonsten - es ist mir nicht sonderlich wichtig, was für Weisheiten der Dalai Lama verkündet. Er ist kein buddhistischer Papst. Wenn er meint, die Tibeter hätten sich die Annektion ihres Landes durch die Han-Chinesen ‚karmisch‘ verdient - meinetwegen. Irgendwie glaube ich aber nicht so recht, dass er das mit dem Karma so meint …

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hi

Das muss dich überhaupt nicht wundern, dass dir die Zitate komisch vorkommen.
Besagtes Zitat (aus dem „Theosophie“ Buch) stammt nämlich aus der Trimondi Gruppierung.

Für die nicht „Eingeweihten“:

Victor und Victoria Trimondi (was natürlich absolut keine Pseudonyme sind) haben ein absolut grottiges, polemisches Buch über die Schreckensherrschaft und Welteroberungspläne des Dalai Lama geschrieben. Darum hat sich eine kleine Gruppierung gesammelt, die zur „kritischen Auseinandersetzung mit dem Buddhismus“ aufruft. Und damit meinen sie vor allem Verschwörungstheorien.

lg
Kate

Karma vs. ‚unerforschlicher Ratschluss Gottes‘
Hi Ralf.

Wenn unethisches Handeln aus religiösen Überzeugungen abgeleitet wird - erst dann sind letztere in der Tat fragwürdig.

Ich denke, dass bereits im Aussprechen bzw. Niederschreiben bestimmter Überzeugungen ein Handeln vorliegt, das die Hörer/Leser aktiv zu beeinflussen versucht. Die Folgen können im vorliegenden Fall durchaus konkreter Natur sein, z.B. Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden anderer („die haben´s doch sowieso verdient“). Man könnte z.B. die moralische Ignoranz der reichen Exilklöster auf ein solches Karmaverständnis zurückführen. Auch im Esoterikbereich hat dieses in alten Traditionen wurzelnde Karmaverständnis eine sehr ungute Wirkung ausgeübt (z.B. bei der Steiner´schen Anthroposophie).

Neben einem „problematischen Karmabegriff“ z.B. auch aus dem Kontext gerissene Zitate…

Nun, durch welchen Kontext ließe sich DL´s Äußerung über das negative Kollektivkarma der Opfer von WK II auch nur annähernd relativieren?

oder ein (durchaus verfehltes) Bemühen des Herrn, ein so komplexes Thema wie den buddhistischen Karmabegriff (der eng mit ‚Willen‘ verbunden ist, nicht mit ‚Schicksal‘) einem ahnungslosen Publikum mit einfachen Worten näher zu bringen.

Im Vermitteln eines vulgären Karmabegriffs ist er jedenfalls unermüdlich. Ich zitiere aus „Der Friede beginnt in dir“:

„Das Unglück, das uns heute widerfährt, ist die karmische, auf Ursache und Wirkung beruhende Vergeltung eines Unrechts, das wir anderen zugefügt haben. Unsere eigenen negativen Handlungen in der Vergangenheit schaffen die Bedingungen für unser jetziges Leiden.“

Zitat Ende. So einfach ist das also. Nicht inhaltlich, aber in seiner Funktion als (zumindest indirekte) Rechtfertigung für jedes Leid steht dieser Karmabegriff auf einer Stufe mit dem „unerforschlichen Ratschluss Gottes“. Last not least ist jener ebenso wenig empirisch nachweisbar wie dieser, ist also eine perfekte, weil nicht widerlegbare Demutsrhetorik.

Natürlich sind ungerechte und bedrückende soziale Verhältnisse verursacht und gewollt - mithin nach buddhistischem Verständnis karmisch begründet.

Karmisch heißt aber u.a. (wie du selbst sagst): selbst-verursacht (z.B. im Vorleben). Karmische Begründung „ungerechter sozialer Verhältnisse“ bedeutete dann, dass diese Verhältnisse durch die Opfer im Vorleben selbst verursacht sind. Mir leuchtet jetzt nicht ein, wie sich das von den Aussagen des DL abhebt.

Chan

Unwissenschaftliche Stimmungsmacherei
Hi Kate.

Das muss dich überhaupt nicht wundern, dass dir die Zitate komisch vorkommen.
Besagtes Zitat (aus dem „Theosophie“ Buch) stammt nämlich aus
der Trimondi Gruppierung.

Liebe Kate, du bringst da einiges durcheinander. Besagte Zitate stammen aus nicht-Trimondischen Büchern, die ich mit ihren Titeln genannt habe, z.B. „Theosophie und Buddhismus“, erschienen im esoterischen Verlag Adyar Edition, der mit den Trimondis nichts zu tun hat.

Bloß weil ich die Zitate (in der Tat) von Trimondi-Seiten kopiert hatte, heißt das nicht, dass diese von den Trimondis gefälscht sind. Bevor du also den Trimondis (mit denen ich gewiss nicht sympathisiere) oder mir unkorrektes Zitieren vorwirfst, solltest du dich vergewissern, ob die Zitate in den angegebenen Quellen wirklich nicht zutreffen. Solange du das nicht tust, ist dein Post an Ralf nur unwissenschaftliche Stimmungsmacherei.

Chan

Moin,

Äußerungen, die man nach unseren westlichen Ethikmaßstäben

vor allem ist es wohl äußerst schwierig, dies nach unsern westlichen Maßstäben überhaupt zu verstehen.

Zunächst: Lebensumstände sagen erstmal wenig über das Glück und die Zufriedenheit des Einzelnen aus. So hat man festgestellt, das Glück und Zufriedenheit in Ländern wie Bangladesh größer ist, als in westlichen Industrienationen. Aus Sicht der Bangladeshis sind wir also die armen Schweine. Was aus unserer Sicht natürlich überhaupt nicht zu verstehen ist, da wir ja der Meinung sind, dass Reichtum und Besitz auch glücklich macht, dies zu unserer Lebensmaxime erhoben haben, mit dieser Lebensmaxime die Welt ausplündern und zerstören und uns wundern, warum wir trotzdem nicht glücklicher werden sondern die Zahl der Menschen mit z.B. psychischen Störungen und die allgemeine Unzufriedenheit kontinuierlich steigen.

Zum zweiten: Der Mensch hat immer schon das Bedürfnis gehabt, ihn betreffende Katastrophen zu deuten. Warum kommt einer bei einem Flugzeugabsturzs ums Leben, während der andere zu spät am Flughafen ankommt, seinen Flieger verpasst und am Leben bleibt. Warum wird bei einem Tsunami die eine Familie audgerottet, wärend eine anderen Familie überlebt usw.

Im Grund kommen dafür nur 3 Erklärungsmöglichkeiten in Betracht: Zufall, Wille einer „höheren Macht“ oder Ursachen und Wirkungen, die wir nicht erkennen können.

Der Buddhismus hat sich nun der dritten (einzig logischen) Erklärungsmöglichkeit angeschlossen: Ursachen und Wirkungen, die wir nicht erkennen können. Wir könne hier lediglich Mutmaßungen anstellen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Vorstellung, dass Wirkungen auch eintreten können, die ihre Ursachen in einer nicht mehr zugänglichen Vergangenheit haben, wobei es wichtig ist festzustellen, das etwas nie eine einzige Ursache hat, sondern immer ein Geflecht aus Ursachen, das für den normalsterblichen Menschen nicht zu durchschauen ist.

Vielleicht sollten wir an dieser Stelle mal den Buddha selbst zu Wort kommen lassen und führe dafür die Culakmmavibhanga Sutta an:

http://www.palikanon.com/majjhima/m135n.htm

Harter Tobak könnte man meine, und wohl nicht weit von den angeführten Zitaten des Dalai Lama entfernt. Aber was lehrt das nun einen Buddhisten?

Es lehrt, dass an der Vergangenheit nicht mehr zu rütteln ist. Was jedoch in Zukunft geschieht, liegt ganz in unserer Hand. Wir alle haben das Potenzial zu Glück und „Erleuchtung“. Und zugleich rüttelt es uns auf und legt die Ursachen für Mitgefühl mit allen leidenen Wesen, dann, wer könnte schon von sich sagen, dass er immer ein nach buddhistischem Sinne einwandfreies ethisches Leben geführt hat? Solange wir im Samsara verweilen, also noch nicht „erwacht“ sind, ist alles samsarische Glück, aller Wohstand und alle Gesundheit (genau wie alle Armut, Krankheit und Leid) nicht von Dauer. Während heute unser Nachbar leidet, könne morgen wir an seiner Stelle sein und froh sein über jede Geste des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft.

Man muss Karma nicht verstanden haben, um das zu akzeptieren, ja man muss noch nicht mal ein Buddhist sein. Man muss sich nur ein wenig umschauen in der Welt. Und so mancher wohlhabende Westeuropäer fand sich plötzlich nach einen Schlaganfall in einem Pflegeheim abhängig von der Freundlichkeit der philippinischen Krankhenschwester, deren Leben er noch kurz vorher als unerträglich arm empfunden hätte.

Natürlich will man sowas ungerne hören. Vielleicht passt das bei einigen auch nicht in das Bild eines unablässig grinsenden Kuschelbuddhismus. Aber letztendlich muss ich sagen, dass mir die Vorstellung, dass wir aktiv an unserem Glück (oder auch Leid) mitwirken können, lieber ist, als die Vorstellung von „Zufall“ oder dem Willen einer „höheren Macht“, auch wenn es einem einiges abverlangt.

Entfällt jedoch der Aspekt des Mitgefühls und dreht sich das ganze wie schon von Tychiades ansgesprochen in Richtung „eigene Schuld“, dann wird es tatsächlich brutal. Aber so etwas hab ich noch bei keinem praktizierenden Buddhisten erlebt, im Gegenteil, hier steht im Umgang mit dem anderen das Mitgefühl an erster Stelle, während Karma hauptsächlich für die eigenen Handlungen relevant ist.

Es gibt eine schöne Geschichte eines hohen geistlichen tibetischen Lama, der Jahrzehnte in einem chinesischen Arbeitslager verbrachte, dort gefolter wurde und unter unmenschlichen Bedingungen Schwerstarbeit verrichten musste, schließlich entlassen wurde und dem die Flucht nach Indien gelang. Auf die Frage, was die bedrohlichste Situation für ihn gewesen wäre, antwortete er: „Ein Moment, in dem ich fast das Mitgefühl für alle Lebenwesen verloren hätte.“

Ich weiß nicht, ob diese Geschichte stimmt, aber sie sagt etwas über den Kern des tibetischen Buddhismus aus.
Gruß
M.

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Moin,

"Auch die Ausschmückung der Tempel mit Fresken und Statuen aus
vergoldeter Bronze verschlingt enorme Summen. Eine
überlebensgroße, feuervergoldete Statue etwa kostet
umgerechnet 18.000 EUR, eine der großen Buddha-Statuen im
Kloster Sera 30.000 EUR.

Die Vorstellung von „enormen Summen“ relativiert sich ziemlich schnell, wenn man sich vor Augen hält, dass im oben genannten Kloster Sera in Indien mehr als 4000 Mönche leben. Auch bei einem selbst für Indien geringen Satz von 1 Euro pro Tag für Nahrung, Unterkunft, Kleidung usw. könnte man in Sera für 18.000 Euro diese Mönche gerade mal für 4,5 Tage ernähren.

Zudem kann ich dir nurmal empfehlen, „Entwicklungshilfe“ in von Buddhisten bewohnten Teilen der Welt zu machen. Die Überzeugungsarbeit, dass es sinnvoller sein könnte, Krankenstationen zu bauen, statt zerstörte Klöster und Tempel wieder aufzubauen, ist fast nicht zu schaffen. Vielleicht ist es eben auch nur aus unserer westlichen materiellen Sichtweise heraus sinnvoller :smile:

Gruß
M.

Falls du mal Interesse hat, tatsächlich die Worte des Dalai Lamas zu lesen, statt nur in verleumderischem Sekundärliteratursumpf im Internet zu wühlen, empfehle ich dir das kleine Büchlein: „Ratschläge des Herzens“. ISBN-10: 3257063385 Buch anschauen Hier spricht der Dalai Lama verschiedene Menschengruppen an, z.B. An alle die in Arumut leben oder alle, die tramatische Erfahrungen wie Krieg usw. gemacht haben.

Von deinen eigenwilligen Interpretationen in Richtung „selbst Schuld“ wirst du da jedenfalls nichts finden.

Gruß
M.

Hi Ch’an,

Die Folgen können
im vorliegenden Fall durchaus konkreter Natur sein, z.B.
Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden anderer („die haben´s
doch sowieso verdient“).

genau das ist der auf der christlichen Schuldideologie beruhende Reflex westlicher Rezipienten, den ich angesprochen hatte. „selbst verursacht“ = „selbst schuld“ = „verdient“. Neben dem hier völlig verfehlten Begriff ‚Schuld‘ ist es vor allem der Begriff ‚selbst‘, der hier Missverständnisse und Fehldeutungen verursacht - weil Buddhisten unter einem ‚Selbst‘ etwas völlig anderes verstehen als Westler, die das für das Substrat einer Person halten, das womöglich auch noch in einer anderen Person wiedergeboren wird.

Auch im Esoterikbereich hat
dieses in alten Traditionen wurzelnde Karmaverständnis eine
sehr ungute Wirkung ausgeübt (z.B. bei der Steiner´schen
Anthroposophie).

Diese „alte Tradition“ ist überhaupt nicht alt - es handelt sich um die Theosophen (insbesondere Olcott und Blavatsky), die meinten, den Buddhismus ‚verbessern‘ zu müssen, indem sie ihm u.a. ihren eigenen, hinduistisch geprägten krausen Karmabegriff aufpropften. Steiner kam ja von der Theosophie. Um mit Lichtenberg zu sprechen: wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, liegt das nicht unbedingt am Buch …

Was im Esoterikbereich so an ‚Karmaverständnis‘ herumspukt, hat mit dem buddhistischen Karmabegriff in aller Regel nichts zu tun. Meistens nicht einmal mit einem ‚Verständnis‘ irgendeiner Art …

Nun, durch welchen Kontext ließe sich DL´s Äußerung über das
negative Kollektivkarma der Opfer von WK II auch nur annähernd
relativieren?

Wie schon angedeutet - durch eine Klärung dessen, was die buddhistische Lehre unter „selbst“ versteht, welche Haltung sie zum Begriff der Schuld hat und vor allem dessen, was eigentlich „wiedergeboren“ wird, wenn es gar kein Selbst gibt.

Ohne nun die Stelle genauer zu kennen, vermute ich mal, dass auch der Begriff „Kollektivkarma“ hier völlig Fehl am Platze ist, wenn man darunter gemeinsames Karma bestimmter sozialer oder ethnischer Gruppen versteht. Auch dieses ‚Kollektivkarma‘ ist eine theosophische Erfindung. Ein ‚kollektives‘ Erzeugen von Karma und Ernten von dessen ‚Frucht‘ (phala) ist nicht auf Teilgruppen beschränkt - es umfasst die Gesamtheit fühlender Wesen. Es ist nicht ganz zufällig, wenn der DL in den Zitaten von ‚wir‘ und ‚uns‘ spricht …

„Das Unglück, das uns heute widerfährt, ist die karmische, auf
Ursache und Wirkung beruhende Vergeltung eines Unrechts, das
wir anderen zugefügt haben. Unsere eigenen negativen
Handlungen in der Vergangenheit schaffen die Bedingungen für
unser jetziges Leiden.“

Ich vermute mal: damit ist tatsächlich das (nicht ‚ein‘) ‚Kollektiv‘ gemeint - nicht lediglich die Summe einzelner Individuen.

Karmisch heißt aber u.a. (wie du selbst sagst):
selbst-verursacht (z.B. im Vorleben).

Wo bitteschön soll ich denn einen solchen Unsinn behauptet haben?

Genau diesen Ansatz habe ich als missverständliche und völlig verfehlte Herangehensweise charakterisiert. Die buddhistische Lehre bestreitet die Existenz eines verschiedene Leben überdauernden Selbsts, ja selbst die einer den Tod überdauernden ‚Seele‘. Erzeuger einer karmischen Frucht und der, der sie erntet, sind nicht identisch - aber sie stehen in einer durch Ursachen und (begleitende) Bedingungen (hetupratyaya) bestimmten Beziehung zueinander.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hi

Bloß weil ich die Zitate (in der Tat) von Trimondi-Seiten
kopiert hatte,
heißt das nicht, dass diese von den Trimondis
gefälscht sind.

Das weißt du nicht. Und selbst wenn nicht, weißt du nicht, ob die in dem Originalbuch das du offenbar nie in den Händen gehalten hast, gefälscht sind. Nicht alles was geschrieben steht ist wahr, es kommt auf den Kontext an und vor allem auch auf die Intention des Autors. Das lernt man sobald man mit irgendeiner Art von Quellen oder Sekundärliteratur arbeiten muss.
Glaubst du, die Zitate stehen grundlos auf einer Trimondiseite?

erschienen im esoterischen Verlag Adyar Edition

Das sagt ja wohl dann alles.
Ich habe nichts gegen Esoterik und wenn du das toll findest ist das für dich super.

Aber meinst du jetzt im Ernst, dass DAS eine seriöse Quelle für Aussagen des und über den Dalai Lama ist?

Und du willst mir vorwerfen unwissenschaftlich zu sein?

Gib dir mehr Mühe.

lg
Kate

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Emotionaler Argumentationsstil

Bloß weil ich die Zitate (in der Tat) von Trimondi-Seiten
kopiert hatte,
heißt das nicht, dass diese von den Trimondis
gefälscht sind.

Das weißt du nicht.

Nach sekundären Quellen zu zitieren, ist legitim. Ich unterließ nur zu erwähnen, dass ich das Orgininalzitat nicht aus dem Buch, sondern nach der Trimondi-Seite zitiert hatte. Für diese formale Nachlässigkeit bitte ich um Verzeihung. Allerdings nimmt es damit kaum einer im www so genau. Verbindlich wäre das nur für eine wissenschaftliche Arbeit.

Und selbst wenn nicht, weißt du nicht, ob
die in dem Originalbuch das du offenbar nie in den Händen
gehalten hast, gefälscht sind.

Das Buch ist im Handel vergriffen und auch in der Münchner Stadtbibliothek nicht erhältlich, es ist nur noch über Internet zu erwerben.

Glaubst du, die Zitate stehen grundlos auf einer Trimondiseite?

Ich sehe bei dir etwas am Werke, das die Trimondis sinngemäß als mediale Manipulation des Bildes vom Dalai Lama bezeichnen. Der Dalai Lama hat heutzutage das Image des absolut guten Menschen wie kein anderer auf der Welt. Ein solcher Mensch kommt dem Bedürfnis des großen Publikkums sehr entgegen. Dementsprechend wird er von seinen (auch Laien-)Anhängern gegen jede Kritik immunisiert, indem Kritiker von vornherein als Verleumder abgestempelt werden. Genau so verfährst du, wenn du das Zitat unter den Generalverdacht der Lüge und Fälschung stellst. Belege dafür, dass es schon einmal einen Fall der Zitatfälschung durch die Trimondis gab, führst du nicht an.

Du bestätigst mit deinem Verhalten also eine wichtige These der Trimondis.

erschienen im esoterischen Verlag Adyar Edition

Das sagt ja wohl dann alles.

Erst moserst du über Trimondi, dann über einen esoterischen Verlag. Das zeigt doch, dass auch du einer Verschwörungstheorie anhängst (Es gibt eine verleumderische Verschwörung gegen den Dalai Lama). Seltsamerweise sind in dieser „Verschwörung“ so gegensätzliche Richtungen wie Sozialismus (Trimondi) und Esoterik munter vereint, was du gar nicht bedenkst.

Ich habe nichts gegen Esoterik und wenn du das toll findest…

Ich habe vor zwei Wochen im Esobrett in einer umfassenden Debatte (an der auch du teilnahmst) vieles an der Esoterik kritisiert. Dass du das hier ins Gegenteil verkehrst, demonstriert wieder mal deine unüberlegte Art des Argumentierens.

Aber meinst du jetzt im Ernst, dass DAS eine seriöse Quelle für Aussagen des und über den Dalai Lama ist?

Wenn hier etwas definitiv nicht seriös ist, dann dein Argumentationsstil. Das ging schon los, als du in deinem ersten Post (an Ralf) die simpelsten Fakten durcheinandergebracht hast: 1) den Buchtitel verstümmelt und 2) das Buch der „Trimondi Gruppierung“ zugeschrieben, was ganz falsch ist.

Du argumentierst auch nicht in der Sache, z.B. durch eine Widerlegung des Zitatinhalts durch einen Verweis auf eine Dalai-Lama-Stelle, die den (zitierten) Äußerungen des DL komplett widersprechen würde (z.B. durch Leugnung von Kollektivkarma).

Und du willst mir vorwerfen unwissenschaftlich zu sein?

Ja.

Chan

Das banale Karmaverständnis des Dalai Lama
Hi Ralf.

Zu Beginn ein Schmankerl mit Unterhaltungswert aus einem (mir gerade vorliegenden) Buch des Dalai Lama über Karma („Der Sinn des Lebens“, Herder, S. 74):

„Die Chinesen versuchen in Tibet, die Unterschiede innerhalb der Bevölkerung aufzuheben, indem sie Kommunen bilden und privaten Besitz beschränken. Dennoch wächst in manchen Gärten der Kommunen mehr Gemüse als in anderen, und einige Kühe geben mehr Milch. Dies zeigt, dass große Unterschiede zwischen den gesammelten Verdiensten Einzelner bestehen.“

Aha. Die Milchquote von Kühen ist also ein Indiz für gutes Karma des Bauern.

Kann ein Karmaverständnis noch banaler sein?

Auch im Esoterikbereich hat
dieses in alten Traditionen wurzelnde Karmaverständnis eine
sehr ungute Wirkung ausgeübt (z.B. bei der Steiner´schen
Anthroposophie).

Diese „alte Tradition“ ist überhaupt nicht alt - es handelt sich um die Theosophen (insbesondere Olcott und Blavatsky),

Nein, ich meinte damit den Hinduismus, der die Theosophie mitprägte, aus der Steiner hervorging. Du sagtest ja selbst, dass das (hier zur Debatte stehende mutmaßliche) Karmaverständnis des DL, wie es aus den Zitaten hervorzugehen scheint, an den Hinduismus erinnert.

Was im Esoterikbereich so an ‚Karmaverständnis‘ herumspukt,
hat mit dem buddhistischen Karmabegriff in aller Regel nichts
zu tun. Meistens nicht einmal mit einem ‚Verständnis‘
irgendeiner Art …

Das treibt dann tolle Blüten wie z.B. bei Rüdiger Dahlke, der irgendwo behauptet, dass man sich einen Schnupfen einfängt, weil das Karma es so will. Auf Wunsch werde ich die Stelle in einem Dahlke-Buch suchen.

Nun, durch welchen Kontext ließe sich DL´s Äußerung über das
negative Kollektivkarma der Opfer von WK II auch nur annähernd
relativieren?

Wie schon angedeutet - durch eine Klärung dessen, was die
buddhistische Lehre unter „selbst“ versteht, welche Haltung
sie zum Begriff der Schuld hat und vor allem dessen, was
eigentlich „wiedergeboren“ wird, wenn es gar kein Selbst gibt.

Ja gut, aber welchen gehaltvollen Schluss kann man daraus ziehen? Dass alle Opfer des WK die negative karmische Frucht von früheren Verursachern ernteten, mit denen sie nicht identisch sind? Ist das nicht trotzdem ein (zumindest indirekte) Legitimierung ihres Leids? Indem man das Leid als verursacht und damit als begründet darstellt, wenn auch nicht von den Opfern? Entlastet das nicht die Täter, die dieses Leid faktisch zufügten, indem es sie zu Vollstreckern des negativen Karma funktionalisiert? Ich empfinde das jedenfalls so.

Ohne nun die Stelle genauer zu kennen, vermute ich mal, dass
auch der Begriff „Kollektivkarma“ hier völlig Fehl am Platze
ist, wenn man darunter gemeinsames Karma bestimmter sozialer
oder ethnischer Gruppen versteht. Auch dieses ‚Kollektivkarma‘
ist eine theosophische Erfindung.

Die dann von westlich-tibetorientiert-buddhistischer Seite übernommen worden wäre. Ich zitiere aus einer auf Tibetbuddhismus spezialisierten Seite (Quellenangabe ganz unten):

„Der wesentliche Punkt ist hier, dass ich aufgrund meines persönlichen Karmas zu einem bestimmten Zeitpunkt Lust bekommen habe, in die Berge zu gehen, und dass es aufgrund des kollektiven Karmas, das ich mit zahlreichen anderen Wesen gemeinsam habe, geregnet hat, als ich dort war. Ferner bin ich aufgrund meines persönlichen Karmas voll in den Regen geraten.“

ich finde das eher unfreiwillig komisch.

Chan

http://www.berzinarchives.com/web/de/archives/sutra/…

Das Risiko einer Verleumdung durch Falschzitate
Ich füge noch den Text des Verleumdungsparagraphen an, gegen den die Trimondi-Seite bzw. das Buch aus dem Adyar-Verlag verstoßen hätte, wäre das Weltkriegsopfer-Zitat wirklich gefälscht. Ich glaube nicht, dass die eine und die andere Partei das Risiko in Kauf genommen hätte, eine entsprechende Anzeige einzufangen (die jeder stellen könnte, da es sich um ein Offizialdelekt handelt).

§ 187 StGB

Verleumdung

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Materialistisches Insistieren auf Gold
Hi Marion.

feuervergoldete Statue etwa kostet umgerechnet 18.000 EUR, eine der großen Buddha-Statuen im Kloster Sera 30.000 EUR.

Die Vorstellung von „enormen Summen“ relativiert sich ziemlich
schnell, wenn man sich vor Augen hält, dass im oben genannten
Kloster Sera in Indien mehr als 4000 Mönche leben.

Ein echter Buddhist pfeift aber auf Goldstatuen, vielleicht sogar überhaupt auf Statuen. Jeder ins Gold investierte Cent ist unbuddhistisch. Jeder klassische Zen-Meister hätte über diesen Zirkus gelacht.

Oder etwa nicht?

Es geht außerdem nicht um die Mönche, sondern um die Laien-Exilanten. Ich zitiere nochmals von der tibet.de-Seite:

„Die Klöster im Exil sind wieder so wunderbar mit riesigen Statuen, Holzarbeiten, Fresken, alles ist vergoldet, geschnitzt, bemalt. Das Geld ist alles dahinein gegangen, nichts ist geblieben für die Armen, Alten und Kranken, für die Kinder. Sie geben nichts. Wo ist da soziale Verantwortung?“

Ich hebe hervor: Nichts ist geblieben für die ArmenSie geben nichts.

Zudem kann ich dir nurmal empfehlen, „Entwicklungshilfe“ in von Buddhisten bewohnten Teilen der Welt zu machen.

Ok, ich guck mal in meinen Terminkalender.

Die Überzeugungsarbeit, dass es sinnvoller sein könnte,
Krankenstationen zu bauen, statt zerstörte Klöster und Tempel
wieder aufzubauen, ist fast nicht zu schaffen.

Siehe oben. Muss es denn Gold sein?

Vielleicht ist es eben auch nur aus unserer westlichen materiellen Sichtweise heraus sinnvoller :smile:

Sorry, aber gerade das Insistieren auf Gold bei den Tempelaufbauten ist materialistisch.

Chan

Die Karmalehre - ein urbuddhistisches Problem
Hi Marion.

vor allem ist es wohl äußerst schwierig, dies nach unsern westlichen Maßstäben überhaupt zu verstehen.

Nach den menschenrechtlichen Maßstäben, wohlgemerkt. Nach traditionellen christlichen Maßstäben ist das nicht so schwer, da hier ein ähnliches Denken vorherrscht in dem Sinne, dass Gutes mit Gutem und Böses mit Bösem vergolten wird, und zwar seitens von Faktoren, über die der Mensch keine unmittelbare Kontrolle hat (Gott, Karma).

und die Zufriedenheit des Einzelnen aus. So hat man
festgestellt, das Glück und Zufriedenheit in Ländern wie
Bangladesh größer ist, als in westlichen Industrienationen.
Aus Sicht der Bangladeshis sind wir also die armen Schweine.

Hmm, leider sieht die soziale Realität dort aber sehr trübe aus. Ich zitiere (Quelle ganz unten):

„Steine schleppen, Bleche biegen, T-Shirts bleichen: Für Millionen Kinder in Bangladesh ist das der Alltag… „Aber das Projekt läuft weiter“, sagt er - das Thema ist von wachsender Aktualität, trotz vieler politischer Versprechen, etwas zu ändern für die etwa sieben bis neun Millionen betroffenen Kinder in Bangladesh… „Irgendeine Besserung habe ich in den vier Jahren nicht gesehen“, sagt Akash. Im Gegenteil: Für Reis und Gemüse zahlen die Menschen doppelt so viel wie 2006. Die Familien, die ihre Kinder in die Ziegel- und Textilfabriken schicken, seien mehr denn je auf das Geld ihrer Jüngsten angewiesen.“

Zitat Ende. Darüber haben die Macher der von dir angedeuteten Untersuchung aber großzügig hinweggesehen. Ich erinnere auch an Ausbeutung von Frauen z.B. in Betrieben des H&M-Kleiderunternehmens, wo Frauen nicht nur einen Hungerlohn kassieren, sondern von Vorarbeitern sexuell missbraucht werden.

mit dieser Lebensmaxime die Welt ausplündern…

Z.B. Bangladesh. Aber das ist ja nicht so schlimm, die Einheimischen sind nämlich (wie du behauptest) sehr glücklich damit.

Im Grund kommen dafür nur 3 Erklärungsmöglichkeiten in
Betracht: Zufall, Wille einer „höheren Macht“ oder Ursachen
und Wirkungen, die wir nicht erkennen können.

Der Buddhismus hat sich nun der dritten (einzig logischen)
Erklärungsmöglichkeit angeschlossen: Ursachen und Wirkungen,
die wir nicht erkennen können.

Und genau das ist, wie ich schon Ralf schrieb, nicht von einer höheren Macht (z.B. Gottes Ratschluss) zu unterscheiden. Beides (die Karmalehre und die Gotteslehre) ist empirisch unüberprüfbar und wunderbar geeignet, den Menschen das Leid als „verursacht“ zu begründen und damit zu legitimieren.

Worin liegt die eigentliche Parallele? Darin, dass die Frucht des Karma (zumindest sofern die Ursachen in Vorleben zu suchen sind) ja nicht auf ein kontinuierliches Selbst zurückzuführen sind (wie Ralf betont), sondern auf die verursachenden Taten eines vom frucht-erntenden Bewusstseins verschiedenen Bewusstseins. Der erleidende Mensch hat also als Person ein Karma abzutragen, dass er nicht selbst verursacht hat.

Ich nenne das den Zwillingsbruder vom „unerforschlichen Ratschluss“. Beides ist für das Opfer unerklärlich und kommt über es wie aus dem Nichts.

Das gleiche gilt für das „gute Karma“.

Ein so verstandener Karmabegriff ist nichts anderes als ein apersonalisierter und in pseudo-wissenschaftliche Begriffe von Ursache und Wirkung übersetzter Christengott.

Ich halte viel von indischen Lehren, mache aber bei der starken Variante des Karmabegriffs (wie sie beim Dalai Lama und auch in deinem Buddha-Link erscheint) eine Ausnahme. Ich halte diesen Karmabegriff für puren Aberglauben mit bedenklichem amoralischem Potential.

Es gibt eine schöne Geschichte eines hohen geistlichen
tibetischen Lama, der Jahrzehnte in einem chinesischen
Arbeitslager verbrachte, dort gefolter wurde und unter
unmenschlichen Bedingungen Schwerstarbeit verrichten musste,
schließlich entlassen wurde und dem die Flucht nach Indien
gelang. Auf die Frage, was die bedrohlichste Situation für ihn
gewesen wäre, antwortete er: „Ein Moment, in dem ich fast das
Mitgefühl für alle Lebenwesen verloren hätte.“

Sag das mal der tibetischen Nonne, die in den 90ern von Chinesen mit einem Elektroschocker in der Vagina gefoltert wurde, oder dem alten Mönch, dem ein solcher Schocker in den Mund gesteckt wurde, worauf er durch den Raum flog und 20 Zähne ausspuckte.

Aber klar: diese Leiden waren ja die Frucht schlechten Karmas. Nichts anderes bedeuten die Aussagen vom Dalai Lama und, leider, wohl auch von Buddha. Ich zitiere aus deinem Link:

„Da behandelt, Brahmane, irgendein Weib oder ein Mann die Wesen heftig und qualvoll, geht mit Fäusten, mit Steinen, mit Stöcken, mit Waffen gegen sie vor. Da läßt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts geraten, … Das ist der Übergang, Brahmane, der zu Gebresten führt, daß man da die Wesen heftig und qualvoll behandelt, mit Fäusten, mit Steinen, mit Stökken, mit Waffen gegen sie vorgeht.“

Das ist nicht akzeptabel. Man kann solche unbeweisbaren Konstruktionen nicht zu einer der Grundlagen einer ethisch anspruchsvollen Philosophie machen.

Chan

http://www.fr-online.de/panorama/das-drama-der-kinde…

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