Dalai Lama und die armen Tibeter

Anmerkung
Mit der Formulierung

„Ein so verstandener Karmabegriff ist nichts anderes als ein apersonalisierter und in pseudo-wissenschaftliche Begriffe von Ursache und Wirkung übersetzter Christengott“

meinte ich natürlich kein zeitliches Vorausgehen des christlichen Gottesbegriffs vor dem Karmabegriff, sondern die Übersetzbarkeit von Christengott in Karma unter den genannten Gesichtspunkten.

Moin,

Nach den menschenrechtlichen Maßstäben, wohlgemerkt. Nach
traditionellen christlichen Maßstäben ist das nicht so schwer,
da hier ein ähnliches Denken vorherrscht in dem Sinne, dass
Gutes mit Gutem und Böses mit Bösem vergolten wird, und zwar
seitens von Faktoren, über die der Mensch keine unmittelbare
Kontrolle hat (Gott, Karma).

Sorry, aber du hast vom buddhistischen Karmabegriff leider überhaupt nichts verstanden, deshalb kommst du auch zu so unsinnigen Schlussfolgerngen weiter unten.

und die Zufriedenheit des Einzelnen aus. So hat man
festgestellt, das Glück und Zufriedenheit in Ländern wie
Bangladesh größer ist, als in westlichen Industrienationen.
Aus Sicht der Bangladeshis sind wir also die armen Schweine.

Hmm, leider sieht die soziale Realität dort aber sehr trübe
aus.

Dein Vergleich hinkt ungefähr so, wie wenn ein Bangladeshi einen zufriedenen Bauern in Bangladesh mit den Insassen einer psychiatrischen Anstalt in Berlin vergleichen würde.

Der Buddhismus hat sich nun der dritten (einzig logischen)
Erklärungsmöglichkeit angeschlossen: Ursachen und Wirkungen,
die wir nicht erkennen können.

Und genau das ist, wie ich schon Ralf schrieb, nicht von einer
höheren Macht (z.B. Gottes Ratschluss) zu unterscheiden.
Beides (die Karmalehre und die Gotteslehre) ist empirisch
unüberprüfbar und wunderbar geeignet, den Menschen das Leid
als „verursacht“ zu begründen und damit zu legitimieren.

Das ist Bullshit. Jeder praktizierende Buddhist kann dir versichern, dass das Einhalten buddhistischer ethischer Regeln (im Sinne des Karma) zu einem zufriedeneren, ausgeglicheneren und „glücklicheren“ Geist und weniger leidhaftem Erleben führt.

Worin liegt die eigentliche Parallele? Darin, dass die Frucht
des Karma (zumindest sofern die Ursachen in Vorleben zu suchen
sind) ja nicht auf ein kontinuierliches Selbst zurückzuführen
sind (wie Ralf betont), sondern auf die verursachenden Taten
eines vom frucht-erntenden Bewusstseins verschiedenen
Bewusstseins. Der erleidende Mensch hat also als Person ein
Karma abzutragen, dass er nicht selbst verursacht hat.

Ich nenne das den Zwillingsbruder vom „unerforschlichen
Ratschluss“. Beides ist für das Opfer unerklärlich und kommt
über es wie aus dem Nichts.

Und wieder falsch. Beim Karma geht es um Handlungen und Wirkungen, die das eigene Erleben betreffen. Zwei Menschen kann das gleiche Ereignis wiederfahren, aber sie können es trotzdem ganz unterschiedlich erleben und ein praktizierender Buddhist macht mindestens einmal am Tag nichts anderes, als das entstehen von z.B. Leid und die Ursachen dafür im eigenen Geist zu beobachten. Da wird das empfundene Leid dann schon nicht mehr ganz so unerklärlich.

Ein so verstandener Karmabegriff ist nichts anderes als ein
apersonalisierter und in pseudo-wissenschaftliche Begriffe von
Ursache und Wirkung übersetzter Christengott.

Das liegt wohl daran, dass du Karma eben nicht verstanden hast.

Es gibt eine schöne Geschichte eines hohen geistlichen
tibetischen Lama, der Jahrzehnte in einem chinesischen
Arbeitslager verbrachte, dort gefolter wurde und unter
unmenschlichen Bedingungen Schwerstarbeit verrichten musste,
schließlich entlassen wurde und dem die Flucht nach Indien
gelang. Auf die Frage, was die bedrohlichste Situation für ihn
gewesen wäre, antwortete er: „Ein Moment, in dem ich fast das
Mitgefühl für alle Lebenwesen verloren hätte.“

Sag das mal der tibetischen Nonne, die in den 90ern von
Chinesen mit einem Elektroschocker in der Vagina gefoltert
wurde, oder dem alten Mönch, dem ein solcher Schocker in den
Mund gesteckt wurde, worauf er durch den Raum flog und 20
Zähne ausspuckte.

Aber klar: diese Leiden waren ja die Frucht schlechten Karmas.

Nichts anderes bedeuten die Aussagen vom Dalai Lama und,
leider, wohl auch von Buddha.

Du hast es Karma noch nicht mal ansatzweise begriffen. Und da du offenbar nicht in der Lage bist, dir für 1 Cent ein Buch zu kaufen und auch zu lesen, möchte ich dir hier zitieren, was der Dalai Lama in dem an anderer Stelle verlinkten Buch sagt: „An alle, die traumatische Erfahrungen gemacht haben“

_"Mensche Menschen haben dramatische Dinge erlebt. Sie haben gesehen, wie ihre Eltern oder andere Menschen umgebracht wurden oder sie sind Opfer von Vergewaltigung oder Folter geworden. Noch Jahre danach verfolgen sie diese Bilder und oft ist es ihnen unmöglich darüber zu sprechen. Es ist nicht leicht, diesen Menschen zu helfen. Wie schlimm ein Trauma empfunden wird, hängt - wie auch die Heilung - stark vom sozialen und kulturellen Kontext ab. Auch die Religion kann dabei eine große Rolle spielen. Ich denke hier vor allem an Tibeter, die aufgrund ihres buddhistischen Glaubens von traumatischen Erlebnissen nicht so sehr aus der Bahn geworfen werden.

Wenn die Opfer die innere Offenheit mitbringen, um verzeihen zu können, und wenn jene, die vergewaltigt, gefoltert oder getötet haben, sichder Ungeheuerlichkeit ihrer Taten bewusst werden und sich bessern wollen, dann kann sich eine Begegnung zwischen den beiden Seiten als gewinnbringend herausstellen. Sie kann demjenigen, der sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat, die Gelegenheit geben, seine Fehler einzusehen und sein echhtes Bedauern ausdrücken und dem Opfer kann eine solche Begegnung die Chance geben, sich zumindest teilweise von seinem Trauma zubefreien. Und wenn es gelingt, eine gemeinsame Basis zu finden, auf der Versöhnung möglich ist - was will man mehr?
[…]
Wenn Sie ein traumatisches Erlebnis gehabt haben, machen sie sich bewusst, dass ihre Unruhe und ihre Sorgen nur ein zusätzliches Leiden darstellen, das eigentlich gar nicht notwendig ist. Sprechen Sie von ihrem Problem, werden Sie es los, behalten Sie es nicht aus falscher Scham oder Scheu für sich. Sagen Sie sich, dass dieses dramatische Ereignis jetzt der Vergangenheit angehört und dass es nichts bringt, es in die Zukunft mitzuschleppen. Versuchen Sie Ihren Geist positiven Aspekten Ihrer Existenz zuzuwenden.

Denken Sie darüber nach, wie ihr Leid zustande gekommen ist. Jene, die anderen Leid zufügen, werden von drei Giften beherrscht - Nichtwissen, Hass und Begierde - und sind nicht in der Lage, ihren Geist zu kontrollieren. Wir alle tragen diese drei Gifte in uns. Würden sienur ein bisschen mehr Einfluss über uns gewinnen, wir wären fähig, ebenso ein Verbrechen zu begehen. Umgekehrt ist es auch denkbar, dass ein Krimineller eines Tages seine negativen Gefühle unter Kontrolle bringt und ein guter Mensch wird. Man kann über niemanden ein definitives Urteil fällen.

Unter dem Einfluss unserer inneren Neigungen oder gewisser Umstände sind wir in der Lage, Dinge zu tun, die uns normalerweise undenkbar scheinen. Beeinflusst von so fragwürdigen Konzepten wie Rassismus oder Nationalismus können Menschen, die nicht a priori Kriminelle sind, äußerst gewalttätig oder grausam werden. Daran sollten wir denken, wenn andere uns weh zun. Wir müssen dann zu dem Schluss kommen, dass unser Leid veschiedene Quellen hat und man nicht ein einziges Wesen, eine einzige Ursache dafür verantwortlich machen kann. Dann werden wir das Problem aus einem neuen Blickwinkel betrachten_
"

Im Übrigen führt die buddhistische Ethik zu einem Leben, in dem Gewaltlösigkeit und Mitgefühl als Ziele angestrebt werden. Dafür muss man nichtmal der Überzeugung sein, dass die Folgen eigener (karmischer) Handlungen irgendwann auf einen zurück fallen werden (aber es hilft). Dieses „apersonalisierte“ System, wie du es nennst, führt nämlich zu einem Verantwortungsgefühl über den eigenen kleinen Horizont hinaus.

Um das zu verstehen, muss man aber, wie Ralf dir schon vergebens zu versuchte zu erklären, verstanden haben, dass im Buddhismus die Vorstellung von einem von allem anderen getrennten „selbst“ als falsche Vorstellung oder Illusion abgelehnt wird. Erst wenn man dies im Zusammenhang sieht, macht der buddhistische Karmabegriff überhaupt Sinn.

Gruß
Marion

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Hallo Ch’an,
wie du weisst, habe ich mit der tibetischen Spielart des Buddhismus allgemein und mit dem Dalai Lama speziell wenig am Hut. Ich bezweifle nicht, das auch ein Dalai Lama oder ein Dr. Berzin durchaus in der Lage sind, kräftig Unsinn zu verzapfen. Über das Karmaverständnis des Dalai Lama kann ich nichts sagen; ich lese seine Bücher nicht. Ich halte ihm zugute, dass es wahrscheinlich über das hinaus geht, was er in diversen (auf ein möglichst breites, d.h. auch nicht-buddhistisches Publikum gezielten) Erbauungsbüchlein so schreibt oder schreiben lässt.

Möglicherweise sagt Dir der Begriff upayakausalya etwas - es bezieht sich auf die Art und Weise, wie die buddhistische Lehre übermittelt wird. Grob gesagt geht es dabei darum, auf das Fassungsvermögen des Publikums Rücksicht zu nehmen. Dieses Prinzip finden wir schon in den Lehrreden des Palikanon - aus gutem Grund wird dort regelmäßig angegeben, zu wem Buddha sprach. Zu ungebildeten Bauern und Viehhirten sprach er anders als zu Adligen, Kaufleuten oder Brahmanen. Und zu den Mönchen seines Ordens sprach er nochmals anders.

Die buddhistische Lehre hat unterschiedliche hermeneutische Ebenen - mit jeweils dieser Ebene angepassten didaktischen Mitteln, eben den angesprochenen upayakausalya (‚geschickten Mitteln‘). Begünstigt wird diese Art der Lehrvermittlung durch eine sehr stark reduzierte verbindliche Dogmatik - die Doktrinen solcher unterschiedlicher Ebenen dürfen sich daher durchaus widersprechen; keine Inquisition wacht da über die Orthodoxie.

Ich habe oben geschrieben, ich lese solche Bücher vom Dalai Lama nicht. Auch nicht die Bestseller von Thich Nhat Hanh (um nur ein weiteres Beispiel zu nennen). Ja, das ist mir zu banal, es spricht mich nicht an. Und wenn ich versuche, ein Verständnis des Buddhadharma zu vermitteln, dann kann ich gar nicht so banal sein. Dafür verstehen mich auch weniger Menschen und wenn ich Bücher schreiben würde, wären mit sie Sicherheit keine Bestseller (falls sie überhaupt jemand kaufen und lesen würde).

Die Fähigkeit zur Banalität ist ein großes Plus - sie kann Anderen Zugänge öffnen, die sonst verschlossen blieben. Das persönliche Verständnis der so Angesprochenen muss ja nicht für alle Zukunft auf einer solch banalen Ebene bleiben …

Ja gut, aber welchen gehaltvollen Schluss kann man daraus
ziehen? Dass alle Opfer des WK die negative karmische Frucht
von früheren Verursachern ernteten, mit denen sie nicht
identisch sind?

Die karmische Frucht, die man erntet, ganz banal als die eigene, ‚selbst-geschaffene‘ zu betrachten und anzunehmen kann ein hilfreiches Provisorium sein, so lange man zur Einsicht in anatman (‚Nicht-Selbst‘) nicht fähig ist. In dieser Einsicht und Erfahrung erschließt sich das Nicht-Getrennt-Sein von allen Wesen der drei Zeiten (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Dies ist die existentielle Erfahrung der ‚Leere von einem Eigensein‘, Svabhava-sunya. Ins Positive gewendet: von der abhängigen Existenz alles Seins aus miteinander verknüpften Ursachen und Bedingungen heraus, die sich mit eben diesen Ursachen und Bedingungen permanent wandelt. Ein permanenter ‚Recyclingprozess‘, bei dem ein individueller Tod nur scheinbar eine Zäsur darstellt - nämlich für den, der der Sichtweise eines ‚atman‘ unterliegt, einer unabhängigen individuellen Existenz. Der (nicht-bewusste, ‚unwissende‘) Wille (cetana) ist der Motor dieses Prozesses, die ihn treibende Kraft. Seine stetig aktualisierte Gestalt erhält der Prozess durch Objektivationen des Willens, die samskara. Cetana und samskara - das ist es, was Buddhisten unter ‚karma‘ verstehen. cetanaham bhikkave kammam vadami (A VI,63). „Den Willen, ihr Mönche, nenne ich karma“.

Der Erzeuger der karmischen Frucht und der, der sie erntet, sind nicht identisch, sie sind aber auch nicht getrennt voneinander. Sie sind kausal miteinander verbunden. Aus der Leerheitserfahrung heraus ist tatsächlich jede karmische Frucht (phala) ‚selbst geschaffen‘. Nur wird aus dieser Erfahrung heraus ‚selbst‘ auf ganz andere Weise verstanden als auf konventioneller Ebene.

Ist das nicht trotzdem ein (zumindest
indirekte) Legitimierung ihres Leids?

Eben nicht. Der Buddhismus ‚legitimiert‘ Leiden gerade nicht - er erklärt vielmehr seine Natur und seine Entstehung und weist Wege zu seiner Überwindung durch eine Lebenspraxis, die aus ethischem Verhalten, geistiger Disziplin und Einsicht in die Natur des Seins besteht. Hier liegt der Hauptunterschied zum hinduistischen Karmabegriff, bei dem tatsächlich die karmische Frucht im konventionellen Sinn ‚selbst erzeugt‘ ist - die Verbindung zwischen Erzeuger und dem, der die karmische Frucht erntet, sind hier nicht Willensimpulse, die durch weitere Ursachen und begleitende Bedingungen Form annehmen, sondern ein reinkarniertes personales Substrat, der ‚atman‘ (das ‚selbst‘). Im buddhistischen Kontext sind „Erzeuger“ und „der, der die karmische Frucht erntet“ rein konventionelle sprachliche Hilfskonstruktionen - tatsächlich existiert beides nicht, lediglich das Wirken (karma) und die gewirkte Frucht (phala).

Indem man das Leid als
verursacht und damit als begründet darstellt, wenn auch nicht
von den Opfern?

‚Verursacht‘ ist noch lange nicht ‚begründet‘ (im Sinne von gerechtfertigt). Um es nochmals zu wiederholen - hier spielt Dir die spezifisch abendländische Notion ‚Schuld‘ einen Streich. ‚Begründet‘ oder ‚legitimiert‘ wäre das Leid ja nur dann, wenn es schuldhaft von dem Erleidenden erzeugt wäre und nun als Sühne erfahren würde. Das ist eine völlig andere Baustelle.

Entlastet das nicht die Täter, die dieses Leid
faktisch zufügten, indem es sie zu Vollstreckern des negativen
Karma funktionalisiert? Ich empfinde das jedenfalls so.

_"Keinen Täter sieht er hinter den Taten, keinen Erleidenden getrennt von der Frucht des Handelns. Und mit voller Einsicht versteht er klar, dass die Weisen lediglich konventionelle Begriffe verwenden, wenn sie in Bezug auf das Stattfinden einer Handlung von einem Täter sprechen oder wenn sie von einem Erleidenden der karma-Ergebnisse bei deren Reifen sprechen. Daher haben die alten Meister gesagt:

Kein Täter der Taten wird gefunden
Niemand erntet jemals ihre Früchte
Leere Erscheinungen pflanzen sich fort:
diese Sicht alleine ist richtig und wahr.

Und während die Taten und ihre Folgen
Sich fortpflanzen, alle auf Bedingungen gestützt,
Kann keine erste Ursache gesehen werden
So, wie es mit dem Samen und dem Baum ist."_

(Visuddhimagga XIX)

„Der wesentliche Punkt ist hier, dass ich aufgrund meines
persönlichen Karmas zu einem bestimmten Zeitpunkt Lust
bekommen habe, in die Berge zu gehen, und dass es aufgrund des
kollektiven Karmas, das ich mit zahlreichen anderen Wesen
gemeinsam habe, geregnet hat, als ich dort war. Ferner bin ich
aufgrund meines persönlichen Karmas voll in den Regen
geraten.“

ich finde das eher unfreiwillig komisch.

In der Tat, das ist Blödsinn. Karma ist aus Willensimpulsen entstandenes Handeln / Wirken. Ich bezweifle sehr, dass selbst Dr. Berzin - und sei es im Kollektiv „mit zahlreichen anderen Wesen“ - aus einem Willensimpuls heraus Regen bewirken kann.

Was zweifellos mit karma in Verbindung steht, das ist, dass Menschen sich durch ihr willensgetriebenes Handeln selbst konditionieren und so ihre Erfahrungswelt selbst (mit-)gestalten. Nicht, dass ich bei einem Bergausflug in einen Regen gerate, ist karmisch bewirkt. Dass ich ggf. auf den Regen enttäuscht oder gar wütend reagiere und mit meinem Schicksal hadere - oder aber ihn gleichmütig als unvermeidlich hinnehme und die durch ihn gereinigte Luft genieße, hingegen schon …

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin,

Ein echter Buddhist pfeift aber auf Goldstatuen, vielleicht
sogar überhaupt auf Statuen. Jeder ins Gold investierte Cent
ist unbuddhistisch. Jeder klassische Zen-Meister hätte über
diesen Zirkus gelacht.

Oder etwa nicht?

Für manche Buddhisten mag das so sein, für andere eben nicht. Im übrigen ist nach buddhistischer Auffassung nicht Materielles per se unbuddhistisch, sondern das Anhaften daran.

Oder anders gesagt: Vor einigen Jahren wurden die Buddhastatuen von Bamiyan in Afghanistan, an denen vermutlich unzählige Buddhisten sehr lange gearbeitet haben, von Taliban gesprengt. Ich wurde mal gefragt, ob ich, wenn ich den betreffenden „Sprenger“ erschossen hätte, wenn ich die Sprengung dadurch hätte verhindert hätte. Meine Antwort ist definitiv: „Nein“. (Trotzdem hab ich geheult, als ich Photos der Trümmer sah).

Wenn du meinst, die tibetischen Klöster im Exil würden nicht genug für die Armen tun, dann muss ich dich enttäuschen. Ein Großteil der Tibeter im Exil lebt in Klöstern und die Einnahmen wichtiger Lehrer z.B. durch Publikationen, Belehrungen, Reisetätigkeiten usw. gehen in die Versorgung der in den Klöstern lebenden Mönche, sowie in unzählige Hilfsprojekte.

Einen Einblick in die Aktivitäten des Dalai Lama diesbezüglich bietet z.B. der Dalai Lama Trust: http://www.dalailamatrust.org/ Ein anderes wäre http://karuna-shechen.org/, nur um mal zwei aus einer Vielfalt an Engagement zu nennen. Fast jedes tibetische buddhistische Zentrum irgendwo auf der Welt unterstützt Hilfsprojekte (meistens im Zusammenhang mit z.B. dem Ort oder Kloster, aus dem der jeweilige Lehrer kommt).

Die Projekte umfassen Dinge wie das Errichten von Schulen, Krankenstationen, oder auch so spezielles wie den Erhalt wichtiger buddhistischer Schriften.

Gruß
M.

Nein, ich meinte damit den Hinduismus, der die Theosophie
mitprägte, aus der Steiner hervorging. Du sagtest ja selbst,
dass das (hier zur Debatte stehende mutmaßliche)
Karmaverständnis des DL, wie es aus den Zitaten hervorzugehen
scheint, an den Hinduismus erinnert.

Der Unterschied ist ein grundlegender, den du offenbar hartnäckig übersiehst.

Ich schreibe es nochmal ganz deutlich:
Die Theosophen gehen davon aus, dass „Selbst“, „andere“, „Kollektiv“ tatsächlich etwas voneinander getrenntes bezeichnet.

Der Buddhismus geht jedoch davon aus, dass die Unterscheidung in „selbst“, „andere“ und „kollektiv“ lediglich eine Verwirrung des Geistes ist. Die Art und Weise, wie wir unser Leben erfahren, beruht aber auf dieser Verwirrung. Somit benutzen buddhistische Erklärungen, die das individuelle Erleben zum Gegenstand haben, eben entsprechende Begriffe, auch wenn jedem gebildeten Buddhisten klar ist, dass es sich dabei lediglich um Hilfskonstruktionen handelt.

Problematisch wird es erst, wenn Lehrtexte, die an sich für Buddhisten gedacht sind, bei denen man einen bestimmten Wissenshintergrund erwarten kann, von allen möglichen Leuten im Internet gelesen werden, die diesen Hintergrund eben nicht haben, und auch prompt falsch (entsprechend ihrem völlig anderen Hintergrund) interpretiert werden.

Gruß
M.

Karmaverständnis
Moin,

nur mal so interessehalber: Wieso meinst du zu wissen, was in den Büchern des Dalai Lamas steht, wenn du sie nicht ließt? Gibts da vielleicht eine Praxid des Handauflegens auf ein Buch, das einem den Inhalt erschließt, ohne dass man das Buch lesen muss, oder ähnliches?

Die Fähigkeit zur Banalität ist ein großes Plus - sie kann
Anderen Zugänge öffnen, die sonst verschlossen blieben. Das
persönliche Verständnis der so Angesprochenen muss ja nicht
für alle Zukunft auf einer solch banalen Ebene bleiben …

Nun ja, menschliches Erleben ist nunmal banal. Daran ändern auch hochgeistige Höhenflüge nichts. Der Mensch wird geboren, erlebt Leid und Glück, Veränderung, Kranheit, Altern und schließlich Tod. Alles ziemlich banal, aber genau darum geht es im Buddhismus.

Die karmische Frucht, die man erntet, ganz banal als die
eigene, ‚selbst-geschaffene‘ zu betrachten und anzunehmen kann
ein hilfreiches Provisorium sein, so lange man zur Einsicht in
anatman (‚Nicht-Selbst‘) nicht fähig ist.

Also für so ziemlich jeden.

Cetana und samskara - das ist es, was Buddhisten unter ‚karma‘
verstehen. cetanaham bhikkave kammam vadami (A VI,63). „Den
Willen, ihr Mönche, nenne ich karma“.

Wichtiger Hinweis. Karma wird häufig als das missvertanden, was einem wiederfährt.

Der Erzeuger der karmischen Frucht und der, der sie erntet,
sind nicht identisch, sie sind aber auch nicht getrennt
voneinander. Sie sind kausal miteinander verbunden. Aus der
Leerheitserfahrung heraus ist tatsächlich jede karmische
Frucht (phala) ‚selbst geschaffen‘. Nur wird aus dieser
Erfahrung heraus ‚selbst‘ auf ganz andere Weise verstanden als
auf konventioneller Ebene.

Dafür braucht man keine Lehrheitserfahrung. Es dürfte so ziemlich jedem klar sein, dass man z.B. nicht mehr mit der Person identisch ist, die man zum Zeitpunkt seiner Geburt war, aber eben auch keine von dieser Person getrennte Person.

die
Verbindung zwischen Erzeuger und dem, der die karmische Frucht
erntet, sind hier nicht Willensimpulse, die durch weitere
Ursachen und begleitende Bedingungen Form annehmen, sondern
ein reinkarniertes personales Substrat, der ‚atman‘ (das
‚selbst‘). Im buddhistischen Kontext sind „Erzeuger“ und „der,
der die karmische Frucht erntet“ rein konventionelle
sprachliche Hilfskonstruktionen - tatsächlich existiert beides
nicht, lediglich das Wirken (karma) und die gewirkte Frucht
(phala).

Soweit die Theorie. In der Praxis wird es aber anders erlebt, somit macht es auch Sinn mit den Erklärungen damit anzufangen, wie etwas tatsächlich erlebt wird (auch wenn es in deinen Augen banal ist), ansonsten bleibt das ganze doch nur ein theoretischen Konstrukt das stimmen kann, oder auch nicht und unseren eigenen Erfahrungen nunmal zunächst zuwider läuft.

In der Tat, das ist Blödsinn.

Wenn man Zitate aus dem Zusammenhang heraus reißt, klingt das häufig wie Blödsinn.

Was zweifellos mit karma in Verbindung steht, das ist, dass
Menschen sich durch ihr willensgetriebenes Handeln selbst
konditionieren und so ihre Erfahrungswelt selbst
(mit-)gestalten. Nicht, dass ich bei einem Bergausflug in
einen Regen gerate, ist karmisch bewirkt. Dass ich ggf. auf
den Regen enttäuscht oder gar wütend reagiere und mit meinem
Schicksal hadere - oder aber ihn gleichmütig als unvermeidlich
hinnehme und die durch ihn gereinigte Luft genieße, hingegen
schon …

Darüber gibt es auch innerhalb des Buddhismus unterschiedliche Meinungen. Wenn man die Sutren anschaut, dann wird ganz deutlich gemacht, dass Lebewesen aufgrund von karmischen Wirkungen in bestimmten (besseren oder schlechteren Bereichen) geboren werden. Es legt die Vermutung nahe, dass alle Geburten in diesem Bereichen Früchte ähnlicher karmischer Wirkungen sind (das wäre das kollektive Element). Einfluss darauf, wie wir eine bestimmte Situation erleben, haben nur die wengisten Lebewesen, nämlich die, die zu Geistesschulung imstande sind. Ein Tier hat diese Möglichkeit wahrscheinlich nicht und leidet trotzdem. Und dieses Tier leidet auch ohne wahrscheinlich eine bewusste Vorstellung von „selbt“ oder „atman“ zu haben. Somit hat die Umgebung, in der wir leben, auch einen gewissen Einfluss darauf, welcher Art von Leiden wir ausgesetzt sind und ob wir überhaupt die Möglichkeit haben, unseren Geist entsprechend zu schulen. Die Umgebung ist also ein wichtiges Element und es wäre in der Tat seltsam, wenn es nun auf reinem Zufall (oder göttlichem Willen?) beruhen sollte, in welcher Art von Umgebung wir uns wiederfinden, auch wenn du natürlich recht hast damit, dass letztendlich entscheidend ist, was wir daraus machen.

Gruß
Marion

Moin Marion,

nur mal so interessehalber: Wieso meinst du zu wissen, was in
den Büchern des Dalai Lamas steht, wenn du sie nicht ließt?

ich kann da natürlich nur nach Zitaten wie den von Ch’an beigebrachten urteilen. Wie ich schon andeutete bin ich allerdings durchaus der Meinung, dass jemand, der wie der DL mehrtägige Vortragsreihen z.B. zu Aryadevas Catuhshataka halten kann, auch durchaus zu tiefgründigeren Aussagen fähig ist.

Die karmische Frucht, die man erntet, ganz banal als die
eigene, ‚selbst-geschaffene‘ zu betrachten und anzunehmen kann
ein hilfreiches Provisorium sein, so lange man zur Einsicht in
anatman (‚Nicht-Selbst‘) nicht fähig ist.

Also für so ziemlich jeden.

Nun - das gilt nicht für Menschen, die Reinkarnation fur ausgemachten Humbug halten. Für die ist ein solches ‚Provisorium‘ nicht annehmbar und daher auch nicht hilfreich. Glücklicherweise auch nicht notwendig.

Freundliche Grüße,
Ralf

‚Buddha in Auschwitz‘ - ein Sketch
Ein Schlafsaal im KZ Auschwitz. Der alte Jude Joseph erwacht eines Nachts und sieht eine leuchtende männliche Gestalt neben seinem Bett stehen.
„Wer bist du?“, flüstert Joseph ehrfürchtig.
„Ich bin Buddha“, sagt die Gestalt. „Ich möchte dir helfen.“
„Bei der Flucht?“ Josephs Herz hüpft vor Freude.
„Nein“, sagt Buddha. „Beim Verstehen, warum du hier bist und leiden musst.“
„Ach so.“ Josephs Herz schaltet zwei Gänge zurück.
„Ich möchte“, sagt Buddha, „dich etwas über das Karma lehren.“
„Karma?“
„Ja. Alle Menschen erfahren Freude und Leid. Diese sind das Ergebnis von Handlungen im gegenwärtigen und in vorigen Leben. Das Gesetz, das die Handlungen mit den Folgen verbindet, ist das Karma.“
„Verstehe ich nicht.“ Joseph versucht sich vergeblich an ein voriges Leben zu erinnern.
„Das musst du auch nicht. Du musst die Karmalehre nicht verstehen, es reicht, wenn du darauf vertraust.“ Buddha räuspert sich. „Das sagt jedenfalls meine Schülerin Pendragon im Wer-weiß-was.“
„Ach so.“ Joseph ist beeindruckt.
„Schildere mir“, fährt Buddha fort, „das Leid, das du gestern erfahren hast.“
Joseph graut es.
„Es ist nicht zu ertragen. Ich musste schwer arbeiten, obwohl ich keine Kraft mehr habe, und ich wurde grausam geschlagen, mit Fäusten, mit Steinen und mit Stöcken.“
„Weißt du“, fragt Buddha, „warum du dies erleiden musst, Joseph?“
„Nein“, sagt Joseph. „Ich bin ein rechtschaffener Mann. Ich habe das nicht verdient. Ein Jude zu sein ist doch kein Verbrechen.“
„Natürlich nicht.“ Buddha lächelt gütig. „Der Grund ist ein ganz anderer. Wenn du erlaubst, erkläre ich es dir ungefähr auf die Weise, wie es im Majjhima Nikaya geschrieben steht.“
Joseph holt tief Luft.
„Ich bin ganz Ohr.“
„Da behandelt, Joseph“, sagt Buddha, „ein Mann die Menschen heftig und qualvoll und geht mit Fäusten, mit Steinen, und mit Stöcken gegen sie vor. Da lässt ihn solches Wirken nach dem Tode in die höllische Welt geraten, oder er wird neugeboren.“
Josephs Mund steht offen.
„Und?“
„Das ist der Übergang, Joseph, der dazu führt, dass dieser Mann qualvoll behandelt wird, dass man mit Fäusten, mit Steinen und mit Stöcken gegen ihn vorgeht.“
Dann schweigt Buddha.
Joseph ist verwirrt.
„Du willst damit sagen, dass ich dieser Mann bin? Dass ich in einem vorigen Leben Menschen schlug und deswegen in diesem Leben geschlagen werde?“
„So, Joseph, ist meine Rede.“
Joseph überlegt .
„Nun, das klingt logisch. Wenn es denn so ist, wie du sagst.“
Buddha macht eine abwägende Handbewegung.
„Es ist so, wie ich sage, es ist aber auch nicht so.“
Jetzt ist Joseph noch verwirrter.
„Es ist nämlich auch so“, fährt Buddha fort, „dass der Mann im früheren Leben nicht derselbe ist wie im jetzigen Leben. Die Handlungen des früheren Mannes tragen Früchte, die ein anderer Mann im jetzigen Leben erntet. Es gibt nämlich kein Selbst.“
Joseph runzelt die Stirn.
„Eben sagtest du noch, dass es der gleiche Mann ist. Du sagtest, der Mann schlägt andere Menschen, stirbt, wird neugeboren und wird dann selbst geschlagen. Genau das sagtest du.“
Buddha lächelt wieder gütig.
„Ja. Aber es ist nicht wirklich so. Der Mann wird ein anderer Mann, der für die Taten des vorherigen Mannes die negativen Folgen erntet.“
Joseph seufzt resigniert.
„Das verstehe ich nicht. Ist das wirklich ein Gesetz?“
Buddha nickt.
„So ist es, Joseph. Du musst leiden, weil ein anderer Mann böse Taten vollbrachte. Das ist Karma, und das Karma ist immer gerecht.“
Dann löst sich die Gestalt in Nichts auf.
Sofort ertönen von allen Seiten Rufe.
„Joseph! Joseph! Du träumst im Wachen… Was ist los?“
Joseph sieht die anderen um sein Bett stehen.
„Ich hatte eine Vision. Ich sah eine Gestalt.“
„Welche? Uriel? Gabriel? Raphael?“
„Nein, Buddha.“
„Was sagte er denn?“
„Dass ich hier leiden muss, weil ein anderer Mann in einem früheren Leben Menschen quälte.“
„Häh?“
„Na ja, eigentlich war ich dieser Mann, aber irgendwie auch nicht. Er starb, und jetzt bin ich. Er tat Böses, und ich muss deswegen leiden.“
„Und glaubst du, was die Gestalt dir sagte?“
Bevor Joseph antworten kann, wird die Tür aufgerissen, und ein Wärter stürzt herein. Er zeigt wütend auf Joseph.
„Du da, du verdammter Ruhestörer. Komm mit. Ich werde dir Manieren beibringen.“
Joseph erhebt sich.
„Nein“, sagt er laut. „Ich glaube es nicht.“
Dann verlässt er mit dem Wärter den Raum.

(by Chan)

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Netter Versuch …
… aber bestätigt nur das, was ich sinngemäß schon angemerkt hatte: ein Verständnis des buddhistischen Karmabegriffs ist unmöglich ohne ein Verständnis von anatman (Nicht-Selbst) bzw. pratityasamutpada (Entstehen in Abhängigkeit). Letzteres geht Dir offensichtlich ab und Du versuchst, Karma isoliert von anatman zu definieren. Das kann nur in die Irre führen. Im Buddhismus sind karma-Doktrin und anatman-Doktrin wechselseitige Korrektive zur Vermeidung extremer Auffassungen. Man kann sie nur gemeinsam verstehen, nicht isoliert für sich. Deswegen - weil du das Korrektiv ‚anatman‘ ignorierst, bleibst du auch immer an einem hinduistischen Karmabegriff hängen. Bestenfalls.

Davon abgesehen - mit Sicherheit hätte Buddha mit dem Joseph in Deinem Sketch nicht so gesprochen, als hätte er einen jungen brahmanischen Studenten vor sich, dessen naiven Reinkarnationsglauben der Buddha für eine ethische Unterweisung nutzt - wie in dem von Dir genutzten Beispiel in M.135.

Vergleiche das einmal damit, wie er über dasselbe Thema zu seinen eigenen Studenten spricht, den buddhistischen Mönchen in M.2:

_Unweise denkt man: War ich in früherer Zeit oder war ich früher nicht? Was war ich früher? Wie war ich früher? Was wurde ich früher, nachdem ich vorher was gewesen war? Werde ich künftig sein oder werde ich künftig nicht sein? Was werde ich künftig sein? Wie werde ich künftig sein? Was werde ich künftig werden, nachdem ich was geworden sein werde?

Oder es steigen ihm Zweifel über die Gegenwart auf, und er denkt: Bin ich denn oder bin ich nicht? Was bin ich? Wie bin ich? Woher bin ich zu diesem Dasein gekommen? Wohin werde ich (nach dem Tode) gehen?

Wer so unweise nachdenkt, verfällt auf eine dieser sechs Theorien:

  1. Als wahr und feststehend erscheint ihm die Theorie
  2. oder ,
  3. oder die Theorie ,
  4. oder die Theorie ,
  5. oder die Theorie ,
  6. oder es bildet sich bei ihm folgende Theorie: .

Dies nennt man Theorien-Gestrüpp, Theorien-Gaukelei, Theorien-Sport, Theorien-Fessel. Mit dieser Theorienfessel gefesselt kann ein unkundiger Weltling nicht frei werden von Geborenwerden, Altern und Sterben, von Sorgen, Jammer, Schmerzen, von Kummer und Verzweiflung. Nicht wird er frei vom Übel, sage ich."_

So sehr ich persönlich meinen Spass an „Theorien-Sport“ habe, so sehr achte ich doch darauf, nicht von „dieser Theorienfessel gefesselt“ zu sein. Dies möchte ich auch Dir empfehlen, falls Du dich ernsthaft mit Buddhismus beschäftigen möchtest.

Ich bin nicht Buddha, also weiss ich nicht, was er Josef erzählt hätte. Mit Sicherheit hätte er ihm in dieser Lage keine Vorträge über Karma gehalten. Vermutlich hätte er ihn zur Erkenntnis der Allgegenwart von Leid gebracht - dazu, sein persönliches Leid zu transzendieren. So, wie er es mit der späteren Nonne Kisa Gotami tat, die über dem Tod ihres Sohnes wahnsinnig geworden war.

Was mich allerdings schon etwas ärgert, ist diese strunzdumme Aussage:

Das ist Karma, und das Karma ist immer gerecht.

  • weil ich Dir schon mehrmals in diesem Thread erläutert habe, dass es völlig sinnlos ist, Karma mit Schuld, Sühne und Vergeltung in Verbindung zu bringen. Aus diesem Grund hat es natürlich auch mit ‚Gerechtigkeit‘ nichts zu tun. Karma ist so wenig ‚gerecht‘ oder ‚ungerecht‘, wie es die Fallgesetze sind. Offensichtlich ist Dir nicht möglich, bei der Erörterung dieses Themas Deinen christlichen kulturellen Hintergrund aus dem Spiel zu lassen. Das wird allmählich ermüdend.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Karma = Aberglaube
Hi Marion.

Es gibt grundsätzlich zwei Weisen, den Buddhismus zu verwenden: 1) als philosophischen Werkzeugkasten und 2) als religiöses Gebetbuch. Ich ziehe 1) vor und habe den begründeten Eindruck, dass du es mit 2) hältst.

  1. bedeutet vor allem, dass Buddhismus als Dogmengebilde verstanden wird, das nicht hinterfragbar ist. Dogmen werden auch dann nicht hinterfragt, wenn sie mit Logik und Empirie komplett auf Kriegsfuß stehen.

Paradebeispiel „Karma“: hier vertrittst du den dogmatischen Standpunkt ganz offen. Im Unterschied zu manch anderen Dogmen des Buddhismus ist Karma empirisch (zumindest bezüglich Vorleben) absolut nicht verifizierbar (d.h. weder objektiv beweisbar noch subjektiv erfahrbar). Es ist eine reine Konstruktion ohne den geringsten Anhaltspunkt für empirische Indizien. Es ist ein Glaubenssatz, der sich formal von christlichen Glaubenssätzen wie Gottessohnschaft, Jungfrauengeburt, Trinität usw. nicht unterscheidet. Es hat darüber hinaus ein bedenkliches unethisches Potential.

Das logische Grundproblem in der Karmalehre ist die Frage der Kausalität. Faktisch gibt es in der Wirklichkeit eine unbegrenzte Anzahl und Größe von Kontexten eines Ereignisses. Die Reduktion der Ursächlichkeit auf ein bestimmtes Ereignis ist immer willkürlich und konstruiert. Z.B. hat das Ereignis „ein Fußball fliegt ins Tor“ nicht nur eine Ursache (den Tritt des Fußballers gegen den Ball), sondern unzählig viele. Die Zahl auf 1000 zu begrenzen, wäre schon eine krasse Reduktion. Und nähme man nur eine dieser 1000 Ursachen weg, würde der Ball nicht ins Tor fliegen. Man spricht hier auch von „transitiver Kausalität“, d.h. es gibt eine unbegrenzte Anzahl kausaler Faktoren für ein einziges Ereignis.

Die buddhistische Konstruktion einer „karmischen Ursache“ ist daher philosophisch unhaltbar. Sie ist reiner Aberglaube.

Natürlich bietet die Karmalehre noch mehr Logikprobleme. Sie setzt voraus, dass das Universum ein perfekt funktionierendes Uhrwerk ist, in dem alle Rädchen ineinander greifen. Das aber ist, philosophisch gesehen, ein veraltetes mechanistisches Denken. Bei diversen Aussagen des Dalai Lama, aber auch in dem von dir verlinkten Buddha-Zitat kommt dieses mechanistische Denken klar zum Ausdruck. Da mutiert die Welt zu einer erbarmungslosen Karma-Webmaschine, die perfekte Ursachen-Wirkungs-Netze strickt. Das ist ein Rückfall in eine magisch-mythische Denkweise, die alle Ereignisse von einer unsichtbaren Hand gesteuert sieht.

Ich sehe dieses Karma-Dogma also auf einer Höhe (oder Tiefe) mit den schon genannten christlichen Dogmen sowie esoterischen Dogmen wie die astrologische Mensch-Sternenhimmel-Synchronizität und das Tarot-System.

Chan

Moin,

Es gibt grundsätzlich zwei Weisen, den Buddhismus zu
verwenden: 1) als philosophischen Werkzeugkasten und 2) als
religiöses Gebetbuch. Ich ziehe 1) vor und habe den
begründeten Eindruck, dass du es mit 2) hältst.

Und ich habe den begründeten Eindruck, dass du einfach keine Ahnung hast, weder von Buddhismus, und schon mal gar nicht von Karma. Da du aber auch nichts dazu lernen möchtest, weder von mir, noch von Tychiades, und das Lesen von Büchern ebenfalls ablehnst, ist eine Diskussion nach wie vor mit dir einfach nur unsinnig.

Du verbreitest hier einfach nur deine eigenen wüsten Interpretationen und Theorien, sonst nichts. Sorry.

Gruß
M.

Hallo Ch’an,
wie pendragon schon schrieb, hast Du keine Ahnung von dem Thema, über das Du da schreibst. Wenn Du Dich schon bemüßigt fühlst, den buddhistischen Karmabegriff zu kritisieren, solltest du dich erst einmal bemühen, ihn überhaupt kennenzulernen. Sonst kritisierst Du nämlich - wie hier exemplarisch vorgeführt - nur die ziemlich abstrusen und unbegründeten Vorstellungen, die Du selbst davon hast.

Zunächst einmal wurdest Du schon darauf hingewiesen, dass der buddhistische Karmabegriff nur als Komplement der Anatman-Lehre korrekt zu verstehen ist. Ob dieses Verständnis nun vorhanden ist oder nicht (bei vielen ‚Glaubensbuddhisten‘ ist das eindeutig nicht der Fall) - die Funktion der Karmalehre bleibt dieselbe. Sie ist Fundament der buddhistischen Ethik, die sich im Buddhismus nicht aus einer transzendenten Quelle speist, sondern aus der empirischen Beobachtung, dass Handlungen entweder leidvermindernde oder leiderzeugende Folgen haben. Entsprechend werden HANDLUNGEN (= karma) als heilsam (kusala) oder unheilsam (akusala) klassifiziert. Da ist keine Rede von Schuld, von Gerechtigkeit, von Legitimierung leidhafter Verhältnisse oder sonstigem Blödsinn. Die Karmalehre besagt zunächst einmal nicht mehr, als dass heilsames Handeln ausschließlich dazu geeignet ist, Leiden zu überwinden und dass unheilsames Handeln ausschließlich dazu geeignet ist, Leiden zu erzeugen. Anders gesagt: aus ethisch verwerflichem Handeln kann nichts Gutes entstehen, aus ethisch begründetem Handeln nichts Schlechtes.

Dass leidvolle Zustände aus unheilsamem Handeln entstanden sind, rechtfertigt sie natürlich nicht - eine solche Erklärung ist vielmehr ein Aufruf, sie durch heilsames Handeln zu ändern. Das erkläre ich Dir jetzt aber wirklich zum letzten Mal. Dass unheilsames Handeln einer Person auch über deren Tod hinaus leidhafte Wirkungen erzeugen kann, ist ebenfalls empirisch nachvollziehbar. DAS und nicht mehr besagt nach buddhistischem Verständnis das karmische Gesetz. Mit ‚Aberglauben‘ hat das nicht das Geringste zu tun.

Nun hat dieses Karmagesetz im Buddhismus eine Funktion - das wurde bereits angesprochen. Es wird gelehrt, um zu einem ethisch verantwortungsvollen, einem heilsamen Handeln anzuleiten. Wie Dir schon gesagt wurde, ist der Buddhismus gerade KEIN"philosophischer Werkzeugkasten" und natürlich auch kein „religiöses Gebetbuch“, sondern eine ganzheitliche Lebenspraxis (yoga). Diese Praxis wird Menschen mit den unterschiedlichsten geistigen und intellektuellen Voraussetzungen gelehrt - mit entsprechend unterschiedlichen theoretischen Ansätzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese theoretischen Ansätze widerspruchsfrei miteinander vereinbar sind - lediglich, ob sie zu einer buddhistischen Praxis motivieren. Im Gegensatz zu anderen Religionen geht es im Buddhismus nicht um Orthodoxie, sondern um Orthopraxie. Letztere führt auf natürliche Weise zu einer ‚rechten Sicht‘ (samyak drsti, Pali samma-ditthi) - einem Verständnis, das in Worten nur näherungsweise wiedergegeben werden kann, und zwar auf unterschiedliche Weise. Dies sind dann die sog. ‚geschickten Mittel‘ (upayakausalya) - ‚Wahrheiten‘ von begrenzter Gültigkeit, Mittel zum Zweck. ‚Rechte Sicht‘ ist eine existentielle Erfahrung, keine intellektuelle Einsicht oder philosophisches Verstehen. Deswegen ist Orthodoxie allenfalls ein sehr nachrangiges Kriterium bei buddhistischen Lehrtexten. Entscheidend ist vielmehr deren didaktische Eignung für die jeweilige Zielgruppe. Das geht von ziemlich naiven Märchen und Wiedergeburtslegenden (jatakas) bis hin zu hochphilosophischen Erläuterungen (shastras).

Leuten, die an eine Reinkarnation oder Wiedergeburt (punarjati) glauben, wie dies schon zu Buddhas Zeiten der weitaus größte Teil der Bewohner Indiens tat, kann man das Karmagesetz und seine Wirksamkeit über die Existenz des Individuums hinaus auf der Folie eben dieses Reinkarnationsglaubens lehren, wie es Buddha in M.135. mit dem jungen Brahmanen tat. Menschen, die in solchen Fragen im Zweifel sind, kann man lehren, dass es völlig unerheblich ist ob es z.B. Wiedergeburt gibt oder nicht gibt. Sie sollen einfach die Praxis des Buddhas in ihrem eigenen Leben empirisch prüfen und danach beurteilen. So im berühmten Kalamer-Sutta A.III.66. Menschen, die sich intensiv um eine buddhistische Praxis bemühen, lehrte Buddha sich intellektueller Spekulationen über vergangene und zukünftige Leben zu enthalten (so im schon genannten M.2) und sich stattdessen um ein Verständnis von bedingtem Entstehen (pratityasamutpada) zu bemühen. Da geht es eben nicht um punarjati (Wiedergeburt), sondern um punarbhava (Wieder-Werden).

Die Auffassung von karma, die Du hier aus blanker Unkenntnis der buddhistischen Lehre unterschieben willst, hat Buddha hingegen gegenüber seinen Schülern ausdrücklich verworfen - und zwar nicht aus philosophisch-theoretischen, sondern aus didaktischen Erwägungen:

_"Jene Asketen und Priester nun, die da behaupten und der Ansicht sind, daß alles bedingt sei durch frühere Tat, diese habe ich aufgesucht und also gefragt:

»Ist es wahr, Verehrte, daß ihr, wie es heißt, behauptet und der Ansicht seid: was auch immer der Mensch empfindet, sei es Wohl oder Wehe oder weder Wohl noch Wehe, daß dies alles bedingt ist durch frühere [vorgeburtliche] Tat?« Derart von mir befragt, stimmten jene mit »Ja« bei. Ich aber sprach zu ihnen: »Demnach also, Verehrte, würden die Menschen infolge früherer [vorgeburtlicher] Tat zu Mördern, Dieben, Unkeuschen, Lügnern, Zuträgern, Schimpfbolden, Schwätzern, Habgierigen, Gehässigen und Irrgläubigen?« Wahrlich, ihr Mönche, denjenigen, die sich auf frühere Tat als das Entscheidende berufen, fehlt es an Willensantrieb und Tatkraft und [an einem Anlaß] dieses zu tun oder jenes zu lassen. Weil sich nun aber hieraus wirklich und gewiß keine Notwendigkeit ergibt für ein [bestimmtes] Tun oder Lassen, so verdienen solche geistig Unklare und unbeherrscht Lebende nicht die Bezeichnung als Asketen. Dies ist mein erster begründeter Vorwurf gegen jene Asketen und Priester, die solches behaupten, solcher Ansicht sind."_
(A.III.62)

  • es handelt sich dabei übrigens um eine Auffassung, die von den zeitgenössischen Jaina vertreten wurde und noch heute vertreten wird.

Selbstverständlich lehrt der Buddhismus nicht, dass Alles monokausal karmisch bedingt ist. Um dies speziell an Hand des Abhidharma der Theravada-Schule zu erläutern: zunächst einmal ist karma nicht das einzige kausale Wirkungsprinzip, sondern lediglich eines von fünf neben anorganisch-physikalischen Kausalzusammenhängen, organisch-biologischen, geistig-psychischen und soterologischen. Zudem spielen für das ‚Reifen‘ karmisch potentiell wirksamer Handlungen begleitende Bedingungen eine entscheidende Rolle. Ich erspare es mir, hier nun die 24 Kategorien von Bedingungen im Einzelnen aufzuzählen, Du findest sie im Patthana des Abhidhammapitaka. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass karma ggf. mangels notwendiger Bedingungen auch folgenlos bleiben kann, sog. ahosi-karma. Das ist jetzt nur eine schulmäßige Ausgestaltung des Karmabegriffs im Buddhismus (die der Theravadin) - es gibt noch diverse andere analytische Zugänge. Sie unterscheiden sich z.T. erheblich, aber alle haben das oben in Absatz zwei und drei Beschriebene zur Grundlage.

Nochmals: was Du kritisierst, ist nur das, was Du für den buddhistischen Karmabegriff hältst - offenbar ohne Dich überhaupt damit wirklich beschäftigt zu haben.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Wo kann ich unterschreiben? :smile:

Gruß
Marion

Wo kann ich unterschreiben? :smile:

Ich schick’ Dir ein Aufnahmeformular der DBU:wink: - falls Du da nicht eh schon Mitglied bist.

Gruß,
Ralf

Zu spät, ich bin da seit 93 oder 94 (wenn man meinen gesammelten Ausgaben der Lotosblätter/Buddhismus-aktuell Glauben schenken darf) banales Einzel-Förder-Dingsbums-Mitglied :smile:

Gibts eigentlich bei 20 jähriger Mitgliedschaft ein goldenes Räucherstäbchen oder sowas?

Übrigens noch herzlichen Glückwunsch nachträglich zu deiner Wahl. Ich hoffe, es bringt auch ein wenig Freude.

Gruß
Marion

Mische mich doch nochmal ein …
Hallo Ch’an,

eigentlich wollte ich nur mal wissen, ob der DL sowas gesagt hat oder nicht, habe damit dann eine Lawine von Hin-und-her-Antworten losgetreten.
Sehr lehrreich alles! Aber - ich gebe es zu - mein philosophisches (theologisches?) Verständnis ist zu gering, all das zu begreifen. Es kommt mir weitgehend auf das nackte Verständnis dessen an, was gesagt wird. Exegetische Deutungen, die alles relativieren, ja manchmal sogar ins Gegenteil verkehren, gehen mir ab, lehne ich ab.
Ich stimme dir zu, dass das ganze Gedankengebäude des Karma einfach eine religions-artige Konstruktion ist, ähnlich wie die in anderen Religionen, die dem Menschen nicht wirklich helfen. Mir hat auch mal ein strenggläubiger Christ gesagt, „wenn du dich zu Gott nicht hinwendest, kannst du es auch nicht begreifen“ …
Tychiades hat sich ja meist in seiner Ausdrucksweise zurück gehalten, Pendragon war da weniger zimperlich. Und wenn Antworten kommen wie „unsinnigen Schlussfolgerngen“, „das ist Bullshit“, „Du hast es Karma noch nicht mal ansatzweise begriffen“, „nicht in der Lage bist, dir für 1 Cent ein Buch zu kaufen und auch zu lesen“, „hast Du keine Ahnung von dem Thema, über das Du da schreibst“, „die Du hier aus blanker Unkenntnis … unterschieben willst“, dann würde ich die Diskussion abbrechen, das ist unter der Gürtellinie.

Gruss
Laika

Moin laika

dann würde ich die
Diskussion abbrechen, das ist unter der Gürtellinie.

Du kannst gewiss sein, dass sowohl Tychiades, als auch ich, seit Jahren auf jede mögliche erdenkliche Weise (höflich, sachlich, freundlich oder auch weniger) versucht haben darauf hinzuweisen, dass seine mangelnden Kenntnisse des Buddhismus einfach nicht ausreichend sind, um bei solchen Themen mitzureden, was ihn aber ebenfalls seit Jahren nicht davon abhält, seinen Senf dazu zu geben.

Dies wäre insofern kein Problem, wenn er das auch einfach nur als seinen Senf kennzeichnen würde. Leider behauptet er jedoch immer wieder fälschlich, das wären Aussagen entsprechend der buddhistischen Lehre. Und da hier auch Leute mitlesen, die von Buddhismus keine bis wenig Ahnung haben, besteht immer die Gefahr, dass ihm das auch irgend jemand abnimmt.

Wenn du irgend eine Art und Weise kennst, wie man sowas (insbesondere die Irreführung von Mitlesenden) abstellen kann, ohne „drastische Worte“ zu verwende, dann wäre ich um jeden Hinweis dankbar.

Gruß
M.

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Ich bitte um bessere Argumente
Hi Ralf.

wie pendragon schon schrieb, hast Du keine Ahnung von dem Thema, über das Du da schreibst.

Solche rhetorischen Tricks ziehen bei mir nicht.

Wenn Du Dich schon bemüßigt fühlst, den buddhistischen Karmabegriff zu kritisieren, solltest du dich erst einmal bemühen, ihn überhaupt kennenzulernen.

Erstens wird der Karmabegriff, auch der buddhistische, von vielen Leuten kritisiert. Das ist also keine Marotte von mir. Zweitens gibt es genug Anlass, ihn zu kritisieren. Die diversen Äußerungen vom Dalai Lama z.B. gehören dazu. Es geht in diesem Thread um die Frage, ob es in Vorleben verursachte karmische Wirkungen gibt, die konkrete äußere Situationen eines Menschen determinieren, wie z.B. Armut oder die Milchquote von Kühen oder das Geschlagenwerden mit Fäusten, Steinen und Stöcken.

Um d i e s e Frage geht es. Nur darum, denn nur diese Frage stellt sich im Kontext des UP von Laika.

Und ich habe klar dazu gesagt: N e i n, solche Wirkungen sind blanker Aberglaube.

Der Dalai Lama aber sieht das anders, und Buddha in besagter Rede auch. Da gibt es nichts zu beschönigen.

Zweitens kenne ich den buddhistischen Karmabegriff auch in den Feinheiten, die du erläuterst. Ich habe z.B. Govindas „Die Dynamik des Geistes“ komplett durchgelesen, und da steht all das drin, was du in deinem Post aufführst. Soweit also alles gebongt, du erzählst mir gar nichts Neues.

Sonst kritisierst Du nämlich - wie hier exemplarisch vorgeführt - nur die ziemlich abstrusen und unbegründeten Vorstellungen, die Du selbst davon hast.

Wenn hier etwas abstrus ist, dann der Gebrauch des Karmabegriffs durch den Dalai Lama sowie die Auge-um-Auge-und-Zahn-um-Zahn-Rhetorik des Buddha in der Textstelle, die ich aus dem Majjhima Nikaya zitierte.

Sie ist Fundament der buddhistischen Ethik, die sich im Buddhismus nicht aus einer transzendenten Quelle speist, sondern aus der empirischen Beobachtung,

Ich schrieb im vorigen Post, dass es mir in der Frage der Empirie vor allem um das in Vorleben entstandene Karma geht. Interpretationen von Handlungsfolgen in gegenwärtigen Leben können gewiss auf Empirie gründen. Allerdings hat der Buddhismus nicht das Patent auf diese Erkenntnis. Wenn du sagst,

dass Handlungen entweder leidvermindernde oder leiderzeugende Folgen haben,

dann ist das, mit Verlaub, keine sehr tiefschürfende Feststellung. Das weiß eigentlich, mit Verlaub, jedes Kind. Brauchen wir dafür eine buddhistische Karmalehre?

Die Karmalehre besagt zunächst einmal nicht mehr, als dass heilsames Handeln ausschließlich dazu geeignet ist, Leiden zu überwinden und dass unheilsames Handeln ausschließlich dazu geeignet ist, Leiden zu erzeugen.

Das sind alles schöne, aber oberflächliche Worte mit null Inhalt. Was heißt „heilsames Handeln“? In einer bestimmten Situation mit mehreren Entscheidungsmöglichkeiten ist nicht immer klar, welche Entscheidung die „richtige“ oder, in deinem Sinne, die „heilsam(st)e“ ist. Kategorien wie „heilsam“ und „unheilsam“ sind viel zu grobe Kriterien und können auch nicht zuverlässig verifiziert werden. Wie will man bewerten, ob eine Handlung „heilsam“ ist oder nicht? An den Folgen? Eine Handlungskonsequenz kann sich z.B. zunächst als „gut“ herausstellen, dann entdeckt man später, dass negative Folgen eintreten. Oder umgekehrt.

Anders gesagt: aus ethisch verwerflichem Handeln kann nichts Gutes entstehen, aus ethisch begründetem Handeln nichts Schlechtes.

Auch das ist nur eine schöne Phrase. Erstens mal lässt sich nicht immer genau bestimmen, ob eine Handlung ethisch verwerflich ist oder nicht. Darüber scheiden sich die Geister oft. Ist Tiere essen verwerflich oder nicht? Buddha sagt in mehreren Reden „ja“, aber die meisten Buddhisten essen trotzdem Tiere. Was nun? Ja oder nein?

In der Politik gibt es sowieso zahllose Beispielfälle für das Auseinanderdriften ethischer Positionen. Wer will in jedem Fall bestimmen, was ethisch ist und was nicht?

Und zweitens können theoretisch und praktisch auch negative Handlungen (relativ) positive Folgen haben. Beispiel: Ein Terrorist ist auf dem Weg zu einem Attentat. Unterwegs wird er überfallen und getötet (Raubmord). Das rettet Hundert Menschen das Leben. Eine unethische Handlung kann somit positive Folgen haben.

Deine obige Aussage ist also inhaltsleer.

Dass unheilsames Handeln einer Person auch über deren Tod hinaus leidhafte Wirkungen erzeugen kann, ist ebenfalls empirisch nachvollziehbar.

In der Vorstellung nachvollziehbar, aber doch nicht empirisch. Hier verwendest du den Empiriebegriff ganz unpassend. Und genau aus dieser rein imaginären „Nachvollziehbarkeit“ wird dann der grobe Karmabegriff gestrickt, der zu Äußerungen wie jenen des Dalai Lama führen.

DAS und nicht mehr besagt nach buddhistischem Verständnis das karmische Gesetz. Mit ‚Aberglauben‘ hat das nicht das Geringste zu tun.

Ich sehe meinen Vorwurf des Aberglaubens durch deine Argumente nicht im Geringsten angekratzt, da du auf den springenden Punkt (Können Handlungen im Vorleben konkrete, d.h. äußerliche Folgen im jetzigen Leben haben?) überhaupt nicht eingehst.

Ich bezog den Vorwurf auch auf die Nichtverifizierbarkeit des Verhältnisses von Vorleben-Ursachen zu Jetztleben-Wirkungen. Auch dazu hast du nichts Entkräftendes beigetragen.

Ich will meine Auffassung auf den Punkt bringen:

  1. Handlungen und Absichten haben psychologische Folgen. Die Einschätzung und Bewertung dieser Folgen aber muss bei jedem Menschen individuell erfolgen. Ob z.B. Aggressivität heilsam oder unheilsam ist, hängt von der Situation und der Person ab.

Man kann das unmöglich in grobe Kategorien in der Art von „Aggressivität ist unheilsam“ und „Friedfertigkeit ist heilsam“ hineinzwängen. Das Leben und die Menschen sind nicht so simpel. Es gibt Situationen, da ist Aggressivität heilsam und Friedfertigkeit unheilsam.

Auch wenn das vielleicht einem buddhistischen Dogmatismus widerspricht.

  1. Ich sehe keinen Grund für die Annahme, Handlungen in Vorleben könnten konkrete, d.h. äußerliche Wirkungen im Jetztleben haben. Diese Annahme kommt aber in Äußerungen wie denen des Dalai Lama und des Buddha klar zum Ausdruck.

Als reine Hypothese halte ich die Annahme, dass Vorleben-Handlungen im Jetztleben einen psychologischen Einfluss haben, für vertretbar und sogar logisch. Aber konkrete Folgen wie Armut, Milchquoten und körperliche Züchtigungen usw. als „karmische Folgen“ halte ich für abergläubische Phantasien.

Ich halte es auch für Unsinn, dass jemand, der im Vorleben negativ handelte (wie gesagt ein relativer Begriff), im Jetztleben Negatives „anzieht“. Auch das ist ja eine typische Konstruktion von Karmagläubigen.

Wenn du also Klärendes zu diesem Punkt beisteuern würdest, wäre der Debatte sehr gedient.

Chan

Hallo
Hi Laika.

eigentlich wollte ich nur mal wissen, ob der DL sowas gesagt
hat oder nicht,

Hat er wohl.

habe damit dann eine Lawine von Hin-und-her-Antworten losgetreten.

Das ist die Karmadebatten-Variante von „Stirb Langsam“. Wir sind jetzt bei der Version 4.0.

Ich stimme dir zu, dass das ganze Gedankengebäude des Karma
einfach eine religions-artige Konstruktion ist, ähnlich wie
die in anderen Religionen, die dem Menschen nicht wirklich
helfen.

Ich versuche meinen Kontrahenten klarzumachen, dass es Aberglaube ist, dass karmischen Wirkungen, die in Vorleben verursacht seien, im gegenwärtigen Leben konkrete äußerliche Folgen haben können.

Ich nenne das „Aberglaube“, weil es nicht beweisbar und auch nicht erfahrbar ist. Es ist also reine Phantasie, die von manchen Buddhisten geglaubt wird, offensichtlich auch vom Dalai Lama.

Mir hat auch mal ein strenggläubiger Christ gesagt,
„wenn du dich zu Gott nicht hinwendest, kannst du es auch
nicht begreifen“ …

Wie soll sich jemand zu etwas hinwenden, an das er nicht glaubt? Soll er es vor sich hinphantasieren?

Tychiades hat sich ja meist in seiner Ausdrucksweise zurück
gehalten, Pendragon war da weniger zimperlich.

Och, das kenne ich von ihr. Ich bin da schon abgehärtet.

Und wenn Antworten kommen wie „unsinnigen Schlussfolgerngen“, „das ist
Bullshit“, „Du hast es Karma noch nicht mal ansatzweise
begriffen“, „nicht in der Lage bist, dir für 1 Cent ein Buch
zu kaufen und auch zu lesen“, „hast Du keine Ahnung von dem
Thema, über das Du da schreibst“, „die Du hier aus blanker
Unkenntnis … unterschieben willst“,
dann würde ich die
Diskussion abbrechen, das ist unter der Gürtellinie.

Man nennt solche Argumente „ad hominem“, d.h. der dies Äußernde will den Gegner persönlich abqualifizieren. Meistens greifen Leute dann zu diesem Mittel, wenn sie das Gefühl haben, dass die eigenen Argumente zu schwach sind.

Chan

Auch Experten haben Schwächen
Hi Marion.

Auf Laikas Frage im UP kamen von dir und Tychiades doch nur Null-Aussagen. Das meine ich gar nicht unhöflich, sondern ganz sachlich. Ohne mich wäre die Frage ganz im Sande verlaufen, ich war der erste und einzige, der nachweisen konnte, dass man dem Dalai Lama wirklich eine solche Aussage zuschreiben kann.

Die Top-Experten aber glänzten durch Nichtwissen bzw. Ausweichen vor der peinlichen Wahrheit, dass der bekannteste Buddhist der Welt auch mal komisches Zeug reden kann.

Zunächst deine Antwort an Laika:

Somit finde ich alles was mit: „angeblich hat der Dalai Lama (sinngemäß) gesagt“ anfängt erstmal völlig an den Haaren herbei gezogen und nicht diskussionswürdig.

Und basta. Mehr hattest du zu der Frage nicht zu sagen. Das ist schwach.

Und unserer Top-Experte Tychiades? Er schrieb:

  1. Hat der Dalai Lama das wirklich so gesagt?

Weiß ich nicht - aber ich bezweifle es sehr.

Ziemlich lasch also, was da aus der Expertenecke kam.

Hier ist ein Dalai-Lama-Zitat, das eine Karma-Auffassung verrät, die sich mit Tychiades´ Karma-Erklärung gar nicht gut vereinbart. Tychiades betont, dass Karma nichts mit Schuld und Strafe zu tun hat.

Vielleicht hat er recht. Vielleicht auch nicht.

Der bekannteste Buddhist unserer Zeit sieht das nämlich ganz anders. Er schreibt:

„Auf die gleiche Weise, in der jemand, der eine kriminelle Tat begeht und dabei von der Polizei beobachtet wird, gefangen genommen und bestraft wird, so müssen wir die Konsequenzen für die negativen Handlungen aus der Vergangenheit tragen. Diese Handlungen sind unumkehrbar; wir müssen uns ganz einfach ihren Konsequenzen unterziehen.“

(Dalai Lama in „Kindness, Clarity and Insight)

Wer hat recht? Tychiades - oder der Dalai Lama?

Soviel also zu den Buddhismus-Topexperten des Bretts.

Chan

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