Zugegeben, ich habe nicht jede Folge gehört. Aber Böhmermann und Schulz sind in ihrer Kombination einfach einzigartig in der deutschen Medienlandschaft (gewesen). Nun bleibt nur noch das Archiv…
"Die Moderatoren, Jan Böhmernmann und sein Co-Moderator Ralf Kabelka
beziehen sich am Beginn der Sendung auf den satirischen Song „Erdowie,
Erdowo, Erdowan“ aus der NDR-Sendung „Extra 3“ und betonten klar, dass
es Unterschiede zwischen Satire und „Schmähkritik“ gibt und Satire, wie
geschehen auf „Extra 3“, erlaubt sei.
So heißt es von Böhmermann: „Was die Kollegen von „Extra 3“ da
gemacht haben, also inhaltlich humorvoll mit dem umgegangen sind, was
Sie da quasi politisch unten tun, Herr Erdogan - das ist in Deutschland,
in Europa gedeckt von der Kunstfreiheit, von der Pressefreiheit, von
der Meinungsfreiheit.“
Dabei bezieht sich Böhmermann auf Artikel 5 und weist darauf hin, dass „sowas in Deutschland erlaubt ist“.
B. ist kommunikationstechnisch sicherlich nicht ganz unterbelichtet. Ich bin auch sehr sicher, dass er sich des groben Fehlers in seiner öffentlicher Funktion bewusst ist.
Seine Einleitung ist quasi eine Henkersmahlzeit. Ich tue dir noch was was Gutes, und danach verleumde ich dich final als Ziegenficker.
Zur Kommunikation gehören mindestens zwei. Und B., auch das ist sicher, wollte nicht kommunizieren, sondern nur beleidigen. Denn es war und ist klar, dass ein Erdogan nicht wegen Wortspielen Satire vs. Schmähkritik einen Botschafter einbestellt, sondern weil er sich beleidigt gefühlt hat. Vielleicht auch zu Unrecht, oder aus seiner arroganten Position und Haltung heraus. Das ist aber nicht relevant für die Kommunikation. Zu diesem Zeitpunkt.
Dass RBB nun reagiert, wird nicht die letzte Konsequenz sein.
Alle, die wir kommunikationstechnisch nicht unterbelichtet sind, erkennen bei B. mindestens drei Ebenen ineinander verschachtelt. Das ist weitgehend objektiv und ohne Wertung.
Ebene 1: das Gedicht selbst (quasi die innerste Schachtel)
Ebene 2: der Bezug auf Extra 3 und Erdogans Reaktion darauf (= bereits geschehen gewesen)
Ebene 3: der Bezug auf die Reaktion des ZDF, Erdogans und Merkels auf Böhmermann (= zu erwarten gewesen und von B. bereits antizipativ in seine Performanz eingearbeitet)
Nun subjektiver und wertender:
Wenn man 3 auf 1+2 reduziert, versteht man das Ganze noch als Satire, aber bringt sich um das Interessanteste. Das ist das Extra-3-Niveau.
Wenn man 2+3 auf 1 reduziert, dann versteht man logischerweise nicht, warum so ein dämliches Gedicht als Satire gelten soll und findet diese Aneinanderreihung von Infantilismen zu Recht furchtbar.
Wenn man alle drei Ebenen würdigt, dann ist diese Böhmermann-Aktion so ziemlich das Geilste, das wir die letzten Jahre im Bereich der ‚politische Satire‘ erleben durften. Und so ziemlich das Gegenteil von primitiv und infantil. Welcher politische Kabarettist kann schon von sich behaupten, Gesetzesartikel zu Fall und Kanzler(innen) in die Bredouille gebracht zu haben?
Aus meiner Sicht ist genau das eingetreten, was jedem guten und zynischen Satiriker irgendwann passieren kann: er verfasst eine Satire, die so gut gemacht ist, dass sie von Menschen, die intellektuell mit leichtem Gepäck reisen, nicht mehr als Satire erkannt wird.
Ähnliche Probleme hatten Satiriker schon in den letzten drei deutschen Diktaturen.
musste mir mal erklären, was Erdogan mit der Einstellung der Sendung zu tun hat. Ist Klein-Böhmi so traumatisiert von den Ereignissen, dass er unter diesem immensen Druck kürzer treten muss?
auch wenn ich Deine (Zahlen)Argumentation nachvollziehen kann, kann ich mich dieser Schlußfolgerung nicht anschliessen. Die Folgen empfinde ich eher als Desaster für unseren Rechtsstaat, der aus purem Populismus (Tagesstimmung) lange bestehende Gesetze wegwerfen möchte. Das zeigt wie kurzsichtig und fragil das pol. System ist, vor allem weil es damit argumentiert, dass so Grundrechte geschützt werden sollen. Grundrechte, die hier gar nicht bedroht sind.
Die erste Sendung nach dem „Skandal“ fiel aus. Die 2. auch. Sonntag gab es nur ein „Best of“ welches Schulz moderierte weil „Jan heute nicht hier sein kann“ (es sind Aufzeichnungen die ein paar Tage vorher stattfinden). Kannst mir nicht erzählen dass das „nichts“ mit Erdo zu tun hatte.
a) evtl. hierauf keinen Bock mehr hat,
b) bei Spotify (bislang Gerücht) mehr Schotter bekommt,
c) er ohnehin den Formatwechsel zum TV hin wollte,
ist nicht vorstellbar? Vergiss bitte nicht, dass B für seine Handlung (Gedicht) eigenverantwortlich war und ist. Die Opferrolle hat er nicht verdient. Er ist hier der Täter.
Du bist doch sonst immer so auf korrekte Darstellung und Tatsachen bedacht. Warum nicht hier? Ich dachte, es sei klar, daß die Frage der strafbaren Handlung und damit der Täterschaft nun von einem Gericht geklärt wird und damit (sowohl) der politischen Diskussion (als auch)und damit einer Vorverurteilung entzogen wird. In dem Zusammenhang ein vielleicht erhellender Kommentar der WZ:
Im übrigen hat ja inzwischen sogar die Kanzlerin anerkannt, daß ihr Schnellschuß (d.h. ihre Wertung der Veranstaltung) etwas zu früh kam. Die Leute, die die Aktion von Böhmermann jetzt noch lautstark als Beleidigung verurteilen, hatte ich insofern bisher im eher uninformierten Teil der Bevölkerung vermutet.
natürlich ist es nun eine - vorerst der Staatsanwaltschaft - zu prüfende Rechtsangelenheit. Weswegen ich auch nicht nachvollziehen kann, dass Kasi sich bei Erdogan dafür „bedanken“ will, dass Böhmermann seine Sendung für mehr Geld bei Spotify unterbringt.
Merkel hat IMHO mit ihrer Randbemerkung lediglich auf den (Umfragen)Protest des „Stimmviehs“ reagiert. Ich kann beim allerbesten Willen kein Fehlverhalten bei ihr bemerken. Als BK war sie in der Pflicht eine Strafwürdigkeitsprüfung durchzuführen, damit der Rechtsweg überhaupt beschritten werden kann.
Sie hat ein Recht auf ihre Sichtweise und darauf, diese auch in die Öffentlichkeit zu tragen. Wie Du weisst, wird sich davon kein Gericht beeindrucken lassen. 0,0% Präjudiz.
Im Prinzip arbeitet der wutschäumende Michel nur seine Aggressionen ab. Und morgen lynchen wird dann mal jemanden, der uns auf den Senkel geht. Oder lassen einen Mörder per Volksentscheid frei, weil wir das Opfer nicht leiden können.
Emotional kann ich die gärende Wut auf Erdogan nachvollziehen. Das führt aber nicht zu einer abweichenden Einschätzung bzgl. angemessenen staatlichen (incl. juristischen) Handelns.
Ich bezog mich auf diese Passage Deines vorhergehenden Artikels:
Nun bin ich trotz Deiner Antwort weiterhin damit überfordert, herauszufinden, was nun genau die Erklärung dafür ist, daß Du dieses Urteil fällst, obwohl Dir der Kontext des Gedichtes bekannt ist.
Das - von ihr inzwischen eingestandene - Fehlverhalten bestand darin, etwas zu kommentieren, das sie entweder nicht (vollständig) gesehen/gehört oder nicht verstanden hat. Ich für meinen Teil tippe darauf, daß sie die ersten Presseberichte gelesen hat und glaubte, auf der Basis eine abschließende Beurteilung durchführen zu können. Meinungen des Stimmviehs gab es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht - zumindest keine, die ihr bekannt sein konnten.
Aber doch nicht zu diesem Zeitpunkt. Der Antrag der Türkei ging doch erst zwei Wochen später ein.
damit der Rechtsweg überhaupt beschritten werden kann.
Darum geht es nicht. Es ging um Deine Aussage (s.o.) und wenn es überhaupt um etwas im Zusammenhang mit der Bundeskanzlerin ginge, dann darum, daß ausgerechnet die Regierungschefin unseres Landes auf der Basis unzureichender Informationen voreilige Schlüsse zieht und diese auch noch voller Überzeugung in die mediale Landschaft hustet.
aus meinem Blickwinkel hat sich Böhmermann der Beleidigung strafbar gemacht. Er ist der Täter, Erdogan das Opfer dieser Beleidung. Ich kenne den Kontext und bin der Ansicht, dass ein Gericht der Behauptung, es wäre ja nur eine Belehrung für das Publikum gewesen, nicht folgen wird. „Herr Wachtmeister, eine Beleidigung wäre es, wenn ich sie einen ziegenf… etc. pp. würde. Das mache ich aber nicht!“ damit kommt man in D sicher keine fünf Meter weit vor einem Gericht. Hätte er im erzieherischen Sinne etwas darstellen wollen, so wäre das auch anhand einer hypothetischen Person möglich gewesen.
Merkel verwies darauf, dass der TV-Beitrag aus der Mediathek entfernt wurde. Das war offensichtlich der Versuch, den Brand schnell zu löschen. Der Passus „bewusst verletzend“ ist keine Einschätzung darüber, ob das noch durch die Kunst-/Meinungsfreiheit abgedeckt ist. Wer behaupten wolle, dass Böhmermann sich gar nicht verletzend äußern wollte, müsste IMHO schon unter Drogen stehen.
Auch innerhalb der Bundesregierung wird von einem höchst wahrscheinlich strafbaren Vergehen ausgegangen. Zu diesem Schluss kommt das Auswärtige Amt (AA) in einer internen juristischen Prüfung, die nach Informationen des Tagesspiegel noch vor dem Telefonat von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu am Sonntag in Auftrag gegeben wurde.
Damit bezog ich mich auf ihre am 22.04.2016 nachgeschobenes „Eingeständnis“. https://www.youtube.com/watch?v=o7yUIknJsWg ab 01:00. Vom Wortlaut her auch nur, dass nicht der Inhalt falsch war, sondern der dadurch entstandene Eindruck. Also, dass sie sich hätte klarer (via Seibert) ausdrücken können.
Offiziell ja. Aber das Kind (die Tat) lag ja bereits im Brunnen. Es ist ja auch ihr Job, die Außenbeziehungen des Landes auf gutem Niveau zu halten. Und wenn das Thema Böhmermann in einem Telefonat mit dem türk. Ministerpräsidenten auch aufkommt, dann wissen wir beide immer noch nicht, ob sie agierte oder reagierte.
Mehr als eine Kommunikationspanne bzgl. der PR im Inneren Ds kann ich beim besten Willen nicht erkennen.
Ein übereiltes Hinaushusten kann ich nicht erkennen. So dämlich ist Merkel nicht, dass sie sich allein auf irgendein Geschreibsel aus der BLÖD oder dem Spiegel verlässt. Und ihr Stab an Mitarbeitern - incl. nachgeschalteteter Ministerien - hat die Sendung ratzfatz zur Verfügung. Die sind nicht auf die öfftl. ZDF-Mediathek angewiesen, sondern werden sich den File vom ZDF-Chef direkt besorgt haben. Der hatte ja ebenfalls am Folgetag (04.04.) gleich noch seine Entschuldigung beim türk. Botschafter abgeliefert. Wahrscheinlich war es ihm „nahegelegt worden“.
Ich kenne den Text aus anderer Quelle. Er spricht für meine Position:
Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf,
Das Gedicht ist eine Ansammlung von Unwahrheiten. Keine Satire.
Oder:
Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden.
Satire beschäftigt sich mit Personen und Sachverhalten. Hierzulande jedoch sind die Personen B., in zweiter Instanz Merkel/Regierung, nicht Erdogan!
Und der Sachverhalt ist nicht das Gedicht hierzulande, sondern Erdogan. Über den unwahren Inhalt des Gedichtes.
Tucholskys " Satire darf alles", dieses „alles“, ist nur im Rahmen der Satire zu verstehen. B. bewegt sich nicht innerhalb Satire.
Eine gelungene Argumentation für die „globale Betrachtung“ des Vorgangs. Diese Betrachtung wird häufig gebraucht, aber meist nicht oder nur kläglich begründet.
Allerdings bleibt die Frage, ob man über (unzulässige) Reduktionen argumentiert oder über (notwendige) Differenzierung. Ersteres machst du, zweiteres ich.
Stillstand. Oder Patt.
Daher will ich deinen letzten Absatz ebenso wertfrei, D.H. unkommentiert lassen.
Aus meiner Sicht ist es falsch, nur das Gedicht als einzelnes zu sehen. Das ist genau die Engstirnigkeit, die ich Merkel und Konsortien vorwerfe. Erst mit dem Vorgeplauder und dem Nachwort ergibt das Gedicht einen Sinn und der ist dann Satire. Natürlich nicht auf dem platten Niveau eines Dieter Nuhr. Und schon gar nicht so infantil wie zum Beispiel ein Mario Barth.
Niemand kann doch wirklich glauben, dass Böhmermann wirklich so bescheuert ist, ein Gedicht zu schreiben, dessen verbales Niveau einem pubertärem Pennäler entspricht.
Man könnte sogar soweit gehen, dass diese völlige geschmackliche Entgleisung innerhalb der Satire eine intellektuelle Falle war. Und auf Grund ihrer geistigen Umnachtung ist nicht nur Frau Merkel darauf herein gefallen. Dass Erdogan keinen Humor hat, dürfte jedem schon deutlich vorher klar gewesen sein.
So ganz ergeben diese Sätze für mich keinen Sinn.
Aber zu ersten Satz: der Sachverhalt, um den sich die Satire des Böhmermann dreht, ist die Einmischung der türkischen Präsidentschaft in das deutsche Rechtssystem, in die Freiheiten, die in Deutschland gesetzlich verbrieft sind.