Ich arbeite in einem recht neuen Service-Desk-Center. Bis jetzt haben wir von 7:15 bis 15:45 gearbeitet. Gestern bekamen wir aus dem nichts die Anweisung ab heute 6:30 zu arbeiten.
Ist das Arbeitsrechtlich erlaubt, so kurzfristig die Arbeitszeiten zu ändern?
Ich finde man sollte schon mindestens 24h haben sollte, sich auf so eine Arbeitszeitänderung einzustellen.
Und: soll das „von jetzt bis in alle Ewigkeit“ so gelten oder „bis Weihnachten“ (oder ähnliches)? Ist das Überzeit oder habt Ihr dann auch ne Stunde früher Feierabend?
Warum? Und was meinst Du mit „so eine“? Eine Dreiviertelstunde ist ja nun nicht wirklich erheblich, wenn man nicht gerade morgens Kinder irgendwo verstauen muß oder in eine Zeit gerät, in der der Nahverkehr noch nicht angelaufen ist.
Was heißt das denn in Zahlen?
Also: Wie lange schon?
Gibt es einen Dienstplan?
Existiert ein Betriebsrat?
Ist etwas zur Arbeitszeit im Arbeitsvertrag geregelt?
Wenn ja, was genau?
Existiert in anwenbarer Tarifvertrag?
Existiert eine Betriebsvereinbarung zu den Einsatzzeiten?
Mangels anderer gesetzlicher Regelungen wurde in der Vergangenheit schon mal der § 12 Abs. 2 TzBfG bei Urteilen zum Thema Dienstplanänderungen herangezogen, welcher 4 Tage als Vorlaufzeit vorschreibt.
Nur ist dieser § ausdrücklich keinesfalls als „Alheilmittel“ zu sehen, deshalb die Fragen weiter oben.
der Paragraf ist doch für Personen gedacht, die auf Abruf arbeiten und die über keine festen Arbeitszeiten verfügen. Die Regelung zielt darauf ab, noch ein geregeltes bzw. planbares Leben führen zu können und nicht einen Tag im voraus zu erfahren, ob nun Früh-, Spät- oder Nachtschicht angesagt ist. Hier reden wir aber von einer Vorverlagerung um 45 Minuten, was bei Arbeitnehmern mit Gleitzeit zur normalen Schwankungsbreite z.B. aufgrund der Verkehrslage gehört. Da kann man m.E. kaum argumentieren, daß der AN zur Planbarkeit seiner Tagesabläufe einige Tage Vorlauf benötigt.
Ich finde eine kurzfristige Änderung morgens, wo in den meisten Familien ein genau druchgetakteter Ablauf herrscht, auch keine Kleinigkeit.
Auf jeden Fall ist es kein familienfreundliches Vorgehen.
Aber wenn du damit Probleme bekommst, wäre doch der erste Weg, den Chef anzusprechen und ihm zu erklären, dass du einen oder mehrere Tage Vorlaufzeit brauchst, um deine morgendliche Oranisation zu ändern. Vielleicht lässt sich das Problem ja tatsächlich ohne den Ruf nach rechtlichen Regelungen lösen?
Das ändert nichts an der Tatsache, dass unsere Gerichte sich beim Thema Dienstplanänderung auf diesen § bezogen haben (ArbG Berlin 28. Kammer | 28 Ca 10243/12).
da geht es aber um die Einteilung zu einer anderen Schicht - also um eine Verschiebung der Arbeitszeit um wenigstens sechs, eher acht Stunden. Daß hier § 12 TzBfG angewendet werden kann, ist vollkommen einleuchtend, was ich ja auch schon schrieb. Hier reden wir aber um eine Verschiebung von einer Dreiviertelstunde.
darauf will ich ja gerade hinaus. Es handelt sich aufgrund der marginalen Änderung der Arbeitszeit nicht um einen Fall, in dem der Dienstplan so bedeutsam geändert wurde, daß man den entsprechenden Paragraphen heranziehen könnte, obwohl es sich nicht um eine Beschäftigung auf Abruf handelt.
Genau deshalb fragte ich (unter anderem) ja auch, ob ein Dienstplan existiert.
Hänge Dich bitte nicht an dem § auf!
Es war lediglich die Feststellung, dass man ihn eventuell (!) heranziehen könnte.
OK, ich habe versäumt auf § 306 GewO hinzuweisen, aber ich erhebe auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit - vor allem dann nicht, wenn der UP nicht auf Rückfragen antwortet.
Je nachdem, was genau im Dienstplan steht, kann diese Änderung sehr wohl bedeutsam ganug sein - Du selbst hast den Fall mit den Kids am Morgen erwähnt.
zu pauschal. Ob etwas „marginal“ ist, entscheidet sich nicht nur an Deinem oder dem Gefühl irgendeines AG, sondern auch an den konkreten individuellen Lebensumständen bzw. zeitlichen Dispositionen der jeweiligen AN.
Und das diese 0:45 Std. sehr wohl erhebliche Auswirkungen haben können, haben ja schon andere hier beschrieben.
Und hierbei
solltest Du bitte einfach mal zur Kenntnis nehmen, was Dir schon Guido geschrieben hat.
Die Rechtsprechung hat die 4-Tage-Mindestfrist des § 12 TzBfG auf weitere Sachverhalte von kurzfristigen Änderungen der vereinbarten Arbeitszeit ausgedehnt - unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um Arbeit auf Abruf im engeren Sinne handelt.
Wenn also im vorliegenden Fall eine bereits angesagte Arbeitszeit geändert wird, hat der AG mit Ausnahme von echten Notfällen die 4-Tage-Frist idR mindestens einzuhalten. Und selbst bei echten Notfällen stellt sich noch die Frage, welche Kriterien der AG bei kurzfristiger Heranziehung zu beachten hat.
noch einmal: im einzigen bisher genannten Urteil ging es um die Frage, ob jemand kurzfristig zu einer anderen Schicht eingeteilt werden darf. In diesem Fall hat das Gericht den eigentlich gar nicht zutreffenden Paragrafen herangezogen, um eine angemessene Frist für die durchaus gravierende Veränderung im Tagesablauf festzulegen. Wenn Du noch andere Urteile zur Hand hast: nur zu.
Bei „normalen“ Arbeitnehmern, d.h. solchen, die übliche Arbeitszeiten verfügen, aber keinem Dienstplan im engeren Sinne unterliegen (z.B. mit Schichteinteilung), kann dieser Paragraf m.E. keine Anwendung finden, weil das einfach realitätsfremd wäre. Ein Vertriebsmitarbeiter, der seine Tätigkeit überwiegend im Büro ausübt, aber gelegentlich auswärtige Kundentermine wahrnimmt, kann sich sicherlich nicht auf die vier-Tages-Frist berufen, wenn er einen Kundentermin morgens um neun Uhr (normaler Arbeitsbeginn) reinbekommt und dafür zwei Stunden Anfahrtsweg einkalkulieren muß. Ein Arbeitnehmer, der normalerweise um halb neun im Büro ist, kann sich sicherlich nicht auf die vier-Tages-Frist berufen, wenn die Geschäftsleitung für acht Uhr einen Termin mit allen Mitarbeitern anberaumt. Ein Mitarbeiter, der normalerweise um halb neun anfängt, aber ausnahmsweise um acht Uhr eine Lieferung annehmen soll, kann sich sicherlich auch nicht auf den fraglichen Paragrafen berufen, wenn der Liefertermin erst einen Tag vorher durchgegeben wird.
Vorausgesetzt, daß es nicht zu Kollisionen mit anderen Regelungen aus dem Arbeitszeitgesetz o.ä. kommt, gehört das zu den üblichen Dingen, die man als Arbeitnehmer hinnehmen muß (Guido hat in dem Kontext auch schon §106 GewO genannt).
Die dramatischen Einschnitte bei einem um eine Dreiviertelstunde früherem Dienstbeginn bzw. späterem Dienstende, die angeführt wurden, kann ich hier nicht erkennen. Eine Kinderbetreuung wurde erstens nicht erwähnt und zweitens wäre es schon sehr ulkig, wenn der Fragesteller eine Kinderbetreuung für seinen normalen Dienstbeginn hätte, aber für eine Dreivierstunde früher nicht. Natürlich kann es sein, daß er sowohl bei Kita als auch beim Arbeitsplatz um die Ecke wohnt und so das Kind zwar um sieben Uhr abstellen kann, aber eben nicht um 6:15 Uhr, aber das wäre doch schon wirklich eine ganz spezielle Konstellation. Und selbst, wenn dem so wäre: Probleme bei der Kinderbetreuung hat jeder mal. Dafür hat man in der Regel Lösungen gefunden bzw. Vorkehrungen getroffen. Allein schon, weil es - ganz unabhängig von Arbeitszeitänderungen durch den Arbeitgeber - auch z.B. bei Hin- und Rückreise zu beträchtlichen und nicht vorhersehbaren Verzögerungen kommen kann (Vollsperrungen, liegengebliebene Züge, Feuerwehreinsätze usw.).
Mal ganz abgesehen von Überstunden, die anfallen, weil ein begonnener Vorgang abgeschlossen werden muß o.ä. Die Vorstellung, man könne minutengenau zu einer bestimmten Uhrzeit anfangen und zu einer anderen bestimmten Uhrzeit den Griffel fallenlassen, ist unrealistisch und darauf zielt auch der genannte Paragraf nicht ab.
Aber wie gesagt: wenn Du andere Urteile zur Hand hast, die meiner Einschätzung widersprechen, nur raus damit.
Der § 106 GewO steht nicht im Widerspruch zu einer Vorankündigungsfrist von 4 Tagen.
Er regelt, dass der AG nach billigem Ermessen Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen darf, er regelt aber nicht, wie lange die Vorlaufzeit zu sein hat.
Es wurde ja schon erwähnt, dass es nicht auf den Umfang der Änderungen ankommt.
LAG Frankfurt/Main, Urteil vom 12.10.2005, AZ: 22 Ca 3276/05
Da geht es um eine Frau, die ursprünglich für eine Sonntagsschicht eingeteilt war und zwei Tage vorher durch eine andere Mitarbeiterin im Plan ersetzt wurde und selber einen anderen Arbeitstag zugewiesen bekam. Die Klage erfolgte - nota bene - weil die Sonntagsarbeit besser bezahlt wurde.
Auch da kann ich keinen Zusammenhang mit der Fragestellung erkennen. Es ist offensichtlich, daß die Verschiebung auf einen anderen Tag eine andere Qualität hat als eine Vorverlegung der Arbeitszeit um eine Dreiviertelstunde.
Dann schau mal in die Urteilsbegründung und nicht so sehr auf die Frau, denn es geht im Grundsatz nicht um den Umfang der Änderung der Arbeitszeit, es geht um die Änderung an sich, auch, wenn Du es
trotz mehrfacher Aufklärung anders siehst.
Du könntest Dich auch mit einem Kommentar begnügen oder halt die ganzen kurzen Abhandlungen von Arbeitsrechtlern im Netz durchforsten.
Ich sprach nicht von angeordneten Überstunden, sondern davon, daß es zum normalen Arbeitsalltag gehört, daß man - wenn noch etwas zu erledigen ist - nicht den Griffel fallenläßt, nur weil die wöchentliche Arbeitszeit geteilt durch die Zahl der Arbeitstage vorbei ist.
Was übrigens auch eine Sache des Gebens und Nehmens ist. Der handelsübliche AG hat auch nichts dagegen, daß bei entsprechender Unterauslastung oder privaten Terminen ein MA früher das Haus verläßt, wenn es die Beschäftigungslage zuläßt (bezieht sich auf zweiteres).
Neben der rechtlichen Beurteilung: das exzessive Herumgepoche auf Rechte seitens der AN führt seitens des AG auch gerne mal dazu, daß auch der anfängt, auf Rechte und Ansprüche zu pochen und das ist dann für beide Seiten dann im Zweifel eher unerquicklich. Das ganze ist (idealerweise) eine Sache des Gebens und Nehmens und zwar von beiden Seiten, was AN mitunter zu übersehen scheinen. Wir haben hier auch einige Kollegen, die ihrerseits ständig Flexibilität einfordern, wenn es um ihre Belange geht, aber auf die Barrikaden gehen, wenn sie ihre Interessen berührt sehen. Das paßt dann irgendwie nicht zusammen und reduziert die Bereitschaft des AG, auf die Wünsche der MA einzugehen. Aber das nur nebenbei.
Nur ging es hier weder um die einmalige Verschiebung der Arbeitszeit, es ging um eine generelle Änderung, die nicht einmal einen Tag Vorankündigungszeit hatte.
Man kann ja nur mutmaßen, aber bei dem Job tippe ich einfach mal darauf, dass der AG gemerkt hat, dass die Kunden andere Zeiten bevorzugen als es die ursprüngliche Planung berücksichtigte.
Da fände ich es persönlich schon etwas dreist, für morgen die Ankündigung zu treffen, dass man 45 Minuten vorzieht.
Smart wäre es gelöst, wenn man freundlich fragt, wer das denn schon morgen umsetzen kann und dem Rest ein paar Tage Zeit gibt.
Auch hier bin ich zu 100% bei Dir.
Aber hey - hier geht es nun einmal um die rechtliche Beurteilung (die nach wie vor nicht möglich ist <- wollte es nur noch einmal erwähnen).
Ein Vorsitzender beim ArbG sagte mir mal, dass man sich vermutlich unmöglich an alle rechtlichen Bestimmungen halten kann, aber man schon wenigstens wissen sollte, was man falsch macht …