Das Böse

Hi ihr Lieben!

Anders Behring Breivik macht offensichtlich auch vor der Philosophie nicht Halt (oder vielleicht auch umgekehrt). In meinem Praktische-Philosophie-Kurs entbrannte heute eine Diskussion über ihn. Passte ganz gut, da das eigentliche Thema „Das Böse“ ist.

Was ich dabei festgestellt habe, ist, dass es scheinbar „das Böse“ in unserer Vorstellung heutzutage gar nicht mehr gibt, da Breivik von meinen Schülern nicht ein Mal als böse, sondern direkt als „(psychisch) krank“ bezeichnet wurde.

Da es sich um Schüler einer 6. Klasse handelt, wollte ich sie nicht überfordern mit einer Diskussion darüber, ob wir es uns damit nicht zu leicht mit unserer Bewertung machen. Daher gebe ich die Fragen hiermit an euch weiter:

Gibt es so etwas wie böse Menschen, oder ist das eine Wertung, die sich heutzutage in naturwissenschaftlich-medizinischen Erklärungen verloren hat?
Ist die Wertung „psychisch krank“ vielleicht nichts anderes als unsere Unfähigkeit, das Böse zu fassen? Dient es uns als Ausflucht dafür, dass wir nicht begreifen können, dass ein Mensch so unaussprechliche Taten begeht? Müssen wir uns davon überzeugen, dass er eigentlich gar nichts dafür kann, weil er ja „krank“ ist? Können wir eine tatsächliche Verantwortlichkeit für solche Taten nicht ertragen? Oder liege ich damit ganz und gar falsch?

Ich bin gespannt auf eure Antworten.

Gruß
Dine

Soziopathen

Was ich dabei festgestellt habe, ist, dass es scheinbar „das
Böse“ in unserer Vorstellung heutzutage gar nicht mehr gibt,

Richtig. Die moderne Einteilung ist:

  • nützlich (für die Gesellschaft)
  • neutral (für die Gesellschaft)
  • schädliche (für die Gesellschaft)

da Breivik von meinen Schülern nicht ein Mal als böse, sondern
direkt als „(psychisch) krank“ bezeichnet wurde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Soziopathie

Gibt es so etwas wie böse Menschen, oder ist das eine Wertung,
die sich heutzutage in naturwissenschaftlich-medizinischen
Erklärungen verloren hat?

Yepp. „Böse“ ist bei uns ein primär religiöser Begriff.

überzeugen, dass er eigentlich gar nichts dafür kann,
weil er ja „krank“ ist?

Ja, er wird deswegen weggesperrt.

Können wir eine tatsächliche Verantwortlichkeit für solche Taten nicht ertragen?

Den Satz verstehe ich nicht.

Gruß

Stefan

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Hi.

Ist die Wertung „psychisch krank“ vielleicht nichts anderes
als unsere Unfähigkeit, das Böse zu fassen?

Wir sollen die Antworten auf unsere Fragen von dort holen wo wir sie Finden.
Und für deine interessante Vermutung wohnt sie klar in der Physik.

Angenommen es gibt eine auch wie geartete von außer (Böse) kommende Einwirkung auf unsere Verhalten, dann stellt sich zwangsläufig die Frage auf welcher Weise die benötigte Informationsübertragung vonstatten geht.
Nun bisher ist keinen einzigen Bit Info zeigbar und denkbar, nicht mal hypothetisch was ohne Träger existiert und sie für auf einen anderen Träger überzutragen Energie notwendig ist.
Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre: wenn das Böse existiert, dann ist es so hinterfotzig, dass uns vorgaukeln kann zu wissen wie die Welt funkt also wir glauben nur, und die die an das Böse glauben sind die wahre Wissende.
Eine dritte Möglichkeit ist ausgeschlossen.

Damit natürlich alles ohne Ausnahme was wir täglich benutzten nur ein raffinierter Trick von deinem Bösen zwecks uns zu Narren zu halten.

Nun entscheide dich welcher Gruppe du angehören möchtest:smile:

Ich bin gespannt auf eure Antworten.

Ja,Ja, klar.

Gruß
Dine

Balázs

Hallo!

Ich denke, dass uns sehr bald eine Ethik-Diskussion ins Haus steht. Zum Teil hat diese Diskussion schon begonnen. Ich glaube aber, dass der tatsächliche Paradigmenwechsel noch bevorsteht. Je mehr wir verstehen, wie das menschliche Bewusstsein auf physiologischer Ebene funktioniert, umso mehr werden Kategorien wie Freier Wille, Schuld, das Böse, … in Frage gestellt. Damit wird die Frage einher gehen, wie mit Straftätern (nicht nur solchen extremen Fällen wie Breivik sondern ganz generell) zu verfahren ist.

Denkbar ist, dass der Schuldbegriff (und damit die Notwendigkeit der Bestrafung, „Sühne“) ganz fallen gelassen wird, und dass Menschen nicht mehr bestraft, sondern nur noch therapiert werden.

Denkbar ist auch, dass der Begriff des Freien Willens geopfert wird. Dann wird die Strafe gegenüber allen angewandt, die die Regeln verletzen - die Beweggründe für eine Tat sind dann nicht mehr wichtig für die Bewertung, wie groß die Schuld ist, die sich der Täter aufgeladen hat.

Wie das ausgehen wird, weiß ich nicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in 100 Jahren ein völlig (und ich meine: VÖLLIG) anderes Verständnis von Gerechtigkeit haben als heute.

Dass irgendwas nicht stimmt, merkt man schon an der Art und Weise wie wir Verbrecher heute bestrafen: Die Haftstrafe ist die einzige Form der Bestrafung, die wir für schwere Vergehen in Deutschland kennen. Wie kreativ!?! Körperliche Züchtigung wird generell als „unmenschlich“ abgelehnt. Aber ich weiß nicht, warum es humaner ist, einen Menschen für Jahrzehnte einzusperren, als ihm den Hintern zu versohlen. Noch extremer bei der Hinrichtungspraxis in den USA. Zwar glaubt man dort, dass es Verbrechen gibt, die so schlimm sind, dass sie nur mit dem Tod des Angeklagten gesühnt werden können. Aber anscheinend ist kein Verbrechen schlimm genug, dass der Angeklagte dabei Schmerzen empfinden darf. Deswegen werden die Delinquenten dort nicht mehr aufgeknöpft, sondern nur noch eingeschläfert - wie kranke Hunde.

Man darf gespannt sein, was die Zukunft bringt!

Gruß, Michael

empfehlung

Ist die Wertung „psychisch krank“ vielleicht nichts anderes
als unsere Unfähigkeit, das Böse zu fassen?

hierzu empfehle ich einen experten, der zu fassen versucht:

http://www.zeit.de/kultur/literatur/2011-08/reinhard…

e.c.

Hallo Dine,

Ist die Wertung „psychisch krank“ vielleicht nichts anderes
als unsere Unfähigkeit, das Böse zu fassen? Dient es uns als
Ausflucht dafür, dass wir nicht begreifen können, dass ein
Mensch so unaussprechliche Taten begeht? Müssen wir uns davon
überzeugen, dass er eigentlich gar nichts dafür kann, weil er
ja „krank“ ist? Können wir eine tatsächliche
Verantwortlichkeit für solche Taten nicht ertragen? Oder liege
ich damit ganz und gar falsch?

Ich bin gespannt auf eure Antworten.

Interessante Fragen und ich verweise da gerne auf Arno Gruen und seine Bücher, besonders „Der Wahnsinn der Normalität“.
Ja - wir können /wollen unsere Verantwortung nicht wahrnehmen und ertragen. Im Grunde ist jeder Mensch zur Gewalt fähig, aber nicht jeder geht seinen Fantasien nach und lebt sie dann aus. Da müssen ja Mittel beschafft werden - und diese Mittelbeschaffung ist in unserer Gesellschaft eben leicht. Es ist überhaupt kein Problem Waffen und Sprengstoff sich anzuschaffen und soweit ich las, „wusste“ das auch die Mutter von Breivik. Das Ausmaß dieser Tat(en) ist eben sozial bedingt und nur in Gesellschaften, die den Waffenbesitz in diesem Maße ermöglichen, ist dann damit zu rechnen, dass einer, ganz allein, seinen Privatkrieg führt.
Also - um es nochmal zu sagen - Breivik hat seine Waffen ganz legal besessen.
Was ihn als Täter so heraushebt und dann auch zur Nachahmung einlädt, ist die Freimütigkeit, mit der er sich als Krieger darstellt.
Darin liegt die Pathologie der Gesellschaft, die er nur angenommen hat und als Einzelner auslebt.
Und so isolieren wir solche Menschen, in der Hoffnung, dass sie den Rest nicht anstecken. Dabei ist es umgekehrt - sie sind bereits angesteckt worden und bei ihnen ist die soziale Krankheit nur ausgebrochen.

Do

Hoi,

Gibt es so etwas wie böse Menschen, oder ist das eine Wertung,
die sich heutzutage in naturwissenschaftlich-medizinischen
Erklärungen verloren hat?

Das Böse ist, wie du es definierst.

Ist die Wertung „psychisch krank“ vielleicht nichts anderes
als unsere Unfähigkeit, das Böse zu fassen?
Dient es uns als
Ausflucht dafür, dass wir nicht begreifen können, dass ein
Mensch so unaussprechliche Taten begeht?

Ich denke es ist ein Mix aus Erklärung und Wertung. Also man denkt er ist böse und versucht es mit einer „psychischen Krankheit“ zu erklären…eine Art „Synonym“…

Müssen wir uns davon
überzeugen, dass er eigentlich gar nichts dafür kann, weil er
ja „krank“ ist?

Hmm…soll man jetzt sagen: „Er kann doch garnichts dafür, das er Kinder umgebracht hat. Er war einfach krank!“…ich denke nein. Auch wenn Menschen psychisch oder physisch „krank“ sind, bedeutet es nicht, dass sie anders behandelt werden sollen. Sie brauchen zwar Hilfe in einigen Dingen, aber doch sind wir alle Menschen und sollten auch alle gleich gerichtet werden.

mfg,

Hanzo

Das GUTE und seine Vorbilder
Böse ist nur, wer gegen das Gesetz verstößt, wer hingegen gegen die religiös-politische „Moral“ (Christentum und Sozialismus) verstößt, ist GUT. Dazu vergleiche die heutigen Vorbilder unserer Gesellschaft aus Wirtschaft, Kunst und Politik (vor allem die Bank-Manager und so genannten Finanzberater!). Deshalb haben die Schüler oft die moderne bzw. postmoderne „Moral“ besser drauf als ihre Lehrer, die vielfach noch an die Märchen vom Klapperstorch, Weihnachtsmann und Osterhasen glauben und an die dogmatische Scholastik aus dem Mittelalter (hinter der Schulphilosophie steckt oft immer noch die alte Theologie, die die Kreativität der Menschen und die Dynamik des wirklichen Lebens massiv blockiert).

Überließe man der Theologie wieder die absolute Macht, wäre Schluss mit lustig! (Es gibt wahrlich ein Buch mit diesem Titel eines deutschen Theologen :smile:

CJW

Hallo,
„das Böse“ gibt es in jedem Märchen. Die Geschichten bauen darauf - die Stiefmutter bei Schneewittchen ist böse und sie bleibt böse. Es gibt keine Entwicklung, keine Einsicht und keine Nuancen, genauso wie der Teufel in der Religion, Darth Vader in Star Wars oder Zurg in Toy Story.

Geht man in die real konstruierten (fiktiven) Geschichten über das Böse, dann entblösen sich Facetten - die Kreatur ist nicht durch und durch Böse, sondern ein Opfer. Manchmal entsteht sogar etwas wie Mitgefühl, trotz der gewaltsamen Haltung oder Handlungen - sei es weil der/die „Böse“ Figur alleine ist, gefangen in etwas, was sich durch eine schmerzhafte Erfahrung entwickelt hat oder weil es gut für einem selber ist, daran zu glauben, dass irgendwo ein guter Teil im Bösen existieren muss, weil niemand böse auf die Welt kommt.

Das „Böse“ ist spirituell und in der Kunstgeschichte ein Konstrukt, um eine Kreatur zu konstruiieren, die Spannung erzeugt. Wir alle wollen das: es gibt keinen Thriller ohne das Böse.

„Das Böse“, das ist beim Menschen die verantwortungslose Handlung, die anderen Schadet. Und diesen Persönlichkeitszug hat (vorausgesetzt, sie ist von zeitlicher Dauer und in unterschiedlichen Situationen vorhanden) einen Namen: Soziopathie, besser bekannt als Psychopathie. Viele solcher Menschen gibt es nicht - man geht von einem Prozentsatz unter 5 aus. Geht man aber nicht von der Grundgesamtheit der Weltbevölkerung aus, sondern von einzelnen Gruppen, dann liegt der Prozentsatz weitaus höher. Und zwar im Gefägnis und in den oberen Manageretagen.

Mit dem Begriff „böse“ kann kein Psychiater oder Richter etwas anfangen, denn es gibt dafür keine wissenschaftliche Definition, was zu einer Diagnose oder einem Urteil führen kann. Eine schwere Persönlichkeitsstörung und somit Unzurechnungsfähigkeit ist wohl das was der Typ aus Norwegen nicht möchte. Er meint er sei bei vollem Bewusstsein - vielleicht ist er auch das aus seiner Perspektive. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass jemand eine Persönlichkeitsstörung hat und dennoch bewusst (im Rahmen seiner Realität) gehandelt hat.

Viele Grüße

Hallo,

Gibt es so etwas wie böse Menschen, oder ist das eine Wertung,
die sich heutzutage in naturwissenschaftlich-medizinischen
Erklärungen verloren hat?

böse ist und bleibt eine moralische Wertung.
Es bezeichnet i.A. das „freie“ Wollen (anderen) zu schaden.
Erkenntnisse „heutzutage“ über das freie Wollen werden nur
differenzierter betrachtet als früher oder teils anders.
Gruß VIKTOR

Panta rhei - Ich hoffe …
… das ist nicht nur mir ein Sternchen und eine weitere Diskussion wert.

Gruß

Stefan

Hallo,

Was ich dabei festgestellt habe, ist, dass es scheinbar „das
Böse“ in unserer Vorstellung heutzutage gar nicht mehr gibt,
da Breivik von meinen Schülern nicht ein Mal als böse, sondern
direkt als „(psychisch) krank“ bezeichnet wurde.

„Böse“ ist die Erscheinung.
„Krank“ eine vermutete Ursache der Erscheinung.

Die jeweilige Betrachtung Ursachen/Ergebnis stellt den Betrachtenden in ein entsprechendes Verhältnis zu dem Betrachteten.

„Böse“ geht einher mit Angst und Wut und Aggression.
„Krank“, mit Verständnis, Hilfebereitschaft und Entschuldigung.

Gibt es so etwas wie böse Menschen, oder ist das eine Wertung,
die sich heutzutage in naturwissenschaftlich-medizinischen
Erklärungen verloren hat?

Das kommt darauf an in welchem Kontext so etwas betrachtet wird und ob es überhaupt für Wert befunden wird eine Erklärung zu suchen. Für die Bildzeitung ist es z.B. meist klar welche Betrachtung ihre Leser bekommen sollen.

Ist die Wertung „psychisch krank“ vielleicht nichts anderes
als unsere Unfähigkeit, das Böse zu fassen?

Gerade so eine Erklärung wäre doch der Versuch „das Böse“ zu fassen.

Dient es uns als
Ausflucht dafür, dass wir nicht begreifen können, dass ein
Mensch so unaussprechliche Taten begeht?

Gerade so eine Erklärung macht die Tat ja begreifbar.
Du bist halt nur mit der Erklärung nicht zufrieden. :o)

Da hängt vielleicht auch damit zusammen, das jede Erklärung scheinbar ein kausales Gebilde aufbaut welches das Ergebnis als Zwangsläufig erscheinen lässt und damit den Täter aus der Verantwortung nimmt.

Müssen wir uns davon
überzeugen, dass er eigentlich gar nichts dafür kann, weil er
ja „krank“ ist?

Nein. Man kann in alle möglichen weiteren Erklärungs-Tiefen tauchen …
Z.B. ist B. ja Teil der Gesellschaft - er ist nicht aus dem Nichts gekommen. Er trägt gesellschaftliche Ideen und Vorstellungen in sich.
Und unseren kulturellen Errungenschaften haben - auch wenn es hier zynisch klingt - eine immense Produktivitätssteigerung des Einzelnen möglich gemacht. So kann ein einzelner Mensch in kürzester Zeit unglaublich viele Menschen ermorden. Das heißt das - zvilisationsbedigt - kleine „Verrücktheiten“ zu riesigem Schaden führen können.

Können wir eine tatsächliche
Verantwortlichkeit für solche Taten nicht ertragen? Oder liege
ich damit ganz und gar falsch?

Wenn man sich in das philosophisch Spiel einlässt gibt es diese beiden Extrema: Auf der einen Seite der absolute freie Wille - auf der anderen Seite die absolute Vorbestimmtheit mit der reinen Illusion des freien Willen. Für beide Positionen gibt es gute und scharfsinnige Gründe …

In der Praxis ist es aber so das B. sehr wohl zur Verantwortung gezogen wird. Und selbst wenn er als krank und „unverantwortlich“ erklärt wird, wird er faktisch die gesellschaftliche Strafe für sein Handeln bekommen.
Auch wenn die „Strafe“ juristisch nicht als „Strafe“ sondern als Unterbringung in eine geschlossene Psychiatrie bezeichnet wird.

Grüße
K.

Hallo Klaus,

„Böse“ ist die Erscheinung.

diese Aussage ist die Sicht des Betrachters und deshalb nicht
verifizierbar wie auch dies:

„Krank“ eine vermutete Ursache der Erscheinung.
Die jeweilige Betrachtung Ursachen/Ergebnis stellt den
Betrachtenden in ein entsprechendes Verhältnis zu dem
Betrachteten.

„Böse“ kann aber „real“ nur aus Sicht des Verursachers dargestellt
werden.
„Beweis“: (wenn man diesen Begriff hier mal verwendet)
Gleiche Verhaltensweisen werden in unterschiedlichen Kulturen,
unterschiedlichen Gesellschaftsformen oder von verschiedenen
Menschen mal als gut oder als böse bezeichnet.
Sicher gibt es auch gesellschaftliche Normen, welche bestimmte
Verhaltensweisen sanktionieren oder tolerieren oder begrüßen.
Doch wenn wir dem Begriff „böse“ irgendeine objektive Sicht
zuordnen wollen, dann ist dies unmöglich allein aus der Sicht eines
Betrachters, ob dieser nun als Individuum oder als „Gesellschaft“
auftritt.
Wohlgemerkt - wir sind hier im Brett Philosophie, nicht Soziologie.
Sogar in der christl. Religion wird „Sünde“ dem nicht angerechnet
welcher sie als solche nicht erkennt, auch wenn „das Böse“ dort
teils personifiziert wird.
„Gesellschaftliche“ Ungerechtigkeit, also das Böse in einer
Gesellschaft ist ja nur die Summe von individueller Ungerechtigkeit
welche sich durchsetzt oder geduldet wird.
Gruß VIKTOR

Hallo,

Hallo,

Was ich dabei festgestellt habe, ist, dass es scheinbar „das
Böse“ in unserer Vorstellung heutzutage gar nicht mehr gibt,
da Breivik von meinen Schülern nicht ein Mal als böse, sondern
direkt als „(psychisch) krank“ bezeichnet wurde.

„Böse“ ist die Erscheinung.
„Krank“ eine vermutete Ursache der Erscheinung.

Böse ist ebenfalls eine Wertung, also eine Beurteilung einer Erscheinung, eines Phänomens, in Relation zu einer Ordnung, z.B. einer Rechtsordnung oder einer anderen, vor allem göttlichen Setzung.
Das gilt dann auch für „Krank“ - hier ist der Kontext nur ein anderer.

Das Problem bei diesen beiden Begriffen liegt darin, dass wir annehmen, Krankheiten heilen zu können, was aber eine Illusion ist, denn letztlich sterben wir doch an irgend etwas.
Beim Bösen wird diese Machbarkeitsillusion aufgedeckt. Genau das ist der Grund, weshalb dieser Begriff auch verschwindet - er verweist auf einen Bereich, der außerhalb unserer Handlungsmöglichkeiten liegt.

In diesem ganz konkreten Fall gibt es eben eine Kette von Verantwortlichen, die - aus welchen Gründen auch immer - sich ihrer Verantwortung entzogen haben.
Hier habe ich gestern eine ganz brauchbare Analyse entdeckt:

http://www.ursache.at/gesundheit/psychologie/280-das…

Unsere Kultur überlässt den Einzelnen seinen Leiden und Leidenschaften und im letzten Fall, werden die Leidenschaften ja ausgebeutet. Damit jeder alles ausleben kann liefert der Markt die jeweiligen Zutaten.
Es ist natürlich nun logisch, dass der Einzelne dann zur Verantwortung gezogen wird, wenn er seine Freiheit missbraucht und andere unter seinen Leidenschaften mit leiden lassen will. Das geschieht im Kleinen alltäglich und erst bei großen Taten wacht die vor sich hindösende Gesellschaft auf. Man muss schon große Geschütze auffahren - und es ist auch möglich.
Aber es ändert nur nichts - das Problem wird nur verschoben - in Gefängnisse oder andere geschlossene Anstalten.

Ich bin da nun schon interessiert, wie die Medien und das Gericht mit diesem „Sozialfall“ umgehen.

Do.

Lieber Viktor,

„Böse“ kann aber „real“ nur aus Sicht des Verursachers
dargestellt
werden.
„Beweis“: (wenn man diesen Begriff hier mal verwendet)
Gleiche Verhaltensweisen werden in unterschiedlichen Kulturen,
unterschiedlichen Gesellschaftsformen oder von verschiedenen
Menschen mal als gut oder als böse bezeichnet.
Sicher gibt es auch gesellschaftliche Normen, welche bestimmte
Verhaltensweisen sanktionieren oder tolerieren oder begrüßen.
Doch wenn wir dem Begriff „böse“ irgendeine objektive Sicht
zuordnen wollen, dann ist dies unmöglich allein aus der Sicht
eines
Betrachters, ob dieser nun als Individuum oder als
„Gesellschaft“
auftritt.

Da „Böse“ eine Relation ausdrückt - bezogen auf ein „Gut“ - zeigen kulturelle Vergleiche nur die Entwicklung dieser Relation bzw. die Kulturabhängigkeit auf.
Was das „Böse“ ist, muss immer konkret erkannt werden - und das braucht Einsicht in Zusammenhänge, die entweder bereits erfahren wurden oder erst erfahren werden müssen. Somit zeigt sich das Böse oftmals erst durch die Tat selbst, wenngleich die Tat bereits gedacht, geplant und ausgesprochen worden ist.

Einordnung
Hallo!

Ich denke, dass uns sehr bald eine Ethik-Diskussion ins Haus
steht. Zum Teil hat diese Diskussion schon begonnen. Ich
glaube aber, dass der tatsächliche Paradigmenwechsel noch
bevorsteht.
Denkbar ist, dass der Schuldbegriff (und damit die
Notwendigkeit der Bestrafung, „Sühne“) ganz fallen gelassen
wird, und dass Menschen nicht mehr bestraft, sondern nur noch
therapiert werden.

Ich erinnere mich dabei an einen kleinen Text des in Frankreich sehr einflussreichen Philosophen und Psychoanalytikers Jean Laplanche, der exakt dasselbe vorhersagte bzw. bereits in seinen Grundzügen beschrieb.
Allerdings war das bereits 1977 im Zuge der breiten Diskussion der Todesstrafe in Frankreich, die dann auch ein zentrales Thema im Mitterand-Wahlkampf war.

Der Text heißt „Les voies de la déshumanité“; vermutlich nicht auf deutsch übersetzt; erschienen im Nouvel Observateur; Anlass des Textes war die Beoachtungs Laplanches, dass Gegner und Befürworter der Todesstrafe letztlich immer nur „Nützlichkeitsargumente“ für ihre Positionen hervorgebracht haben, sich damit also im gleichen Denkrahmen bewegt haben.

Dieser „utilitaristische“ (so Laplaches Einordnung) Paradigmenwechsel (weg von Schuld und Sühne, hin zu Therapie und 'Schutz der Gesellschaft", sprich zu Nützlichkeitserwägungen) läuft also schon recht lange.
So richtig Fahrt aufgenommen hat er die letzten 30-40 Jahre, in meiner Sicht, aber dann doch nicht mehr.
Immer noch Stand 1977. Nicht viel vor, nicht viel zurück.

Aber generell teile ich deine Ansicht: dieser Paradigmenwechsel liegt in der Luft bzw. ist bereits seit langem eingeläutet.

Dass irgendwas nicht stimmt, merkt man schon an der Art und
Weise wie wir Verbrecher heute bestrafen: Die Haftstrafe ist
die einzige Form der Bestrafung, die wir für schwere Vergehen
in Deutschland kennen. Wie kreativ!?! Körperliche Züchtigung
wird generell als „unmenschlich“ abgelehnt. Aber ich weiß
nicht, warum es humaner ist, einen Menschen für Jahrzehnte
einzusperren, als ihm den Hintern zu versohlen.

Laplanche hat in diesem Artikel auch das angesprochen.
Er hat dabei den Stellenwert der Körperstrafe als „symbolisches Äquivalent“ der Tat hervorgehen, also die Tatsache, dass die Haftstrafe alle Taten nur quantifiziert, d.h. in Jahre umrechnet, während die Körperstrafe auch die Qualität der Tat erfassen kann.

Grusz
Tyll

Hallo,

„Böse“ ist die Erscheinung.

diese Aussage ist die Sicht des Betrachters …

Ja. So wars gedacht. „Wir“ finden (zu Recht. …) B.s Verhalten als Böse.

„Böse“ kann aber „real“ nur aus Sicht des Verursachers
dargestellt
werden.

Nun, wenn ich etwas/jemanden als „Böse“ empfinde - ist das völlig real. Genauso würde ich auch jedem anderen diese „Realität“ zu sprechen der etwas als Böse bezeichnet.

Doch wenn wir dem Begriff „böse“ irgendeine objektive Sicht
zuordnen wollen,

Ich halte nicht sehr viel von „Objektivität“ :o). Schon gar nicht wenn man einem Begriff wie „Böse“ eine immanente Bedeutung unterstellen will.

Ich halte den Begriff „Böse“ für äußerst subjektiv.
Anders als z.B. der Begriff „Krank“ gibt er sehr viel mehr über mich und mein Verhältnis zu dem Betrachteten preis - als das er das Betrachtete sinnvoll beschreibt.

Grüße
K.

Hallo,

Böse ist ebenfalls eine Wertung, also eine Beurteilung einer
Erscheinung, eines Phänomens, in Relation zu einer Ordnung,
z.B. einer Rechtsordnung oder einer anderen, vor allem
göttlichen Setzung.
Das gilt dann auch für „Krank“ - hier ist der Kontext nur ein
anderer.

OK. Kann ich auch so sehen.

Das Problem bei diesen beiden Begriffen liegt darin, dass wir
annehmen, Krankheiten heilen zu können, was aber eine Illusion
ist, denn letztlich sterben wir doch an irgend etwas.

Von Masern bis Schnupfen - sind bei mir schon eine Menge Krankheiten geheilt - und ich kenne auch andere die ähnliches erlebt haben - ich persönlich kann daher nicht bestätigen, das so eine Heilung von Krankheit eine Illusion ist :o).

Beim Bösen wird diese Machbarkeitsillusion aufgedeckt. Genau
das ist der Grund, weshalb dieser Begriff auch verschwindet -
er verweist auf einen Bereich, der außerhalb unserer
Handlungsmöglichkeiten liegt.

Verstehe ich nicht. Was ist die Illusion? Das gegen das „Böse“ was unternommen werden kann - oder das man das nicht kann?

Das geschieht im Kleinen alltäglich und erst bei großen Taten
wacht die vor sich hindösende Gesellschaft auf.

So? Vielleicht fällt sie ja in einen noch viel tieferen Schlaf…

Man muss schon
große Geschütze auffahren - und es ist auch möglich.
Aber es ändert nur nichts - das Problem wird nur verschoben -
in Gefängnisse oder andere geschlossene Anstalten.

„Neue Behandlungszentren bekämpfen die wirklichen Ursachen nie“ … ich war der goldene Reiter :o)

Grüße
K.

Hallo

da Breivik von meinen Schülern nicht ein Mal als böse, sondern direkt als „(psychisch) krank“ bezeichnet wurde.

Wie soll man den denn sonst bezeichnen? Das ist doch völlig ohne Sinn und Verstand was der macht und gemacht hat, wobei er aber anscheinend extrem viel und lange darüber nachgedacht hat.

Jedem außer ihm selber ist doch klar, dass er auf diese Weise außer viel Leid zu erzeugen und sich selber ins Gefängnis bzw. in die Geschlossene zu bringen nichts erreichen kann. Natürlich ist der verrückt. Böse verrückt.

Viele Grüße

Hallo Klaus,

„Böse“ kann aber „real“ nur aus Sicht des Verursachers
dargestellt
werden.

Ich halte nicht sehr viel von „Objektivität“ :o). Schon gar
nicht wenn man einem Begriff wie „Böse“ eine immanente
Bedeutung unterstellen will.
Ich halte den Begriff „Böse“ für äußerst subjektiv.

dann kannst Du „philosophisch“ auch keine Aussagen darüber machen,
weder so noch so.
Philosophische Betrachtungen versuchen aber „objektive“ allgemein
gültige Aussagen zu formulieren.
Mit „real“ ist hier auch dem „Bösen“ keine Immanenz zugedacht und
den Begriff Objektivität hast Du eingebracht und die Zuordnung zu
„subjektiv“, also subjektives Empfinden des „Betrachters“, läßt
wirklich keine Aussagen zu welche ob „böse“ gegeben ist.
Böse ist der Befindlichkeit dessen zuzuordnen von dem das Böse
ausgeht. Wie schon gesagt - es ist eine moralische Zuordnung.
Wenn der Begriff „böse“ auch noch in anderem Zusammenhang gebraucht
wird - böser Löwe, böses Wetter, böses Gesicht u.a. - dann muß man
die jeweiligen Zuordnung jeweils voran stellen sonst kommt nur
Gequatsche heraus.
Gruß VIKTOR