Hallo,
Was ich dabei festgestellt habe, ist, dass es scheinbar „das
Böse“ in unserer Vorstellung heutzutage gar nicht mehr gibt,
da Breivik von meinen Schülern nicht ein Mal als böse, sondern
direkt als „(psychisch) krank“ bezeichnet wurde.
„Böse“ ist die Erscheinung.
„Krank“ eine vermutete Ursache der Erscheinung.
Die jeweilige Betrachtung Ursachen/Ergebnis stellt den Betrachtenden in ein entsprechendes Verhältnis zu dem Betrachteten.
„Böse“ geht einher mit Angst und Wut und Aggression.
„Krank“, mit Verständnis, Hilfebereitschaft und Entschuldigung.
Gibt es so etwas wie böse Menschen, oder ist das eine Wertung,
die sich heutzutage in naturwissenschaftlich-medizinischen
Erklärungen verloren hat?
Das kommt darauf an in welchem Kontext so etwas betrachtet wird und ob es überhaupt für Wert befunden wird eine Erklärung zu suchen. Für die Bildzeitung ist es z.B. meist klar welche Betrachtung ihre Leser bekommen sollen.
Ist die Wertung „psychisch krank“ vielleicht nichts anderes
als unsere Unfähigkeit, das Böse zu fassen?
Gerade so eine Erklärung wäre doch der Versuch „das Böse“ zu fassen.
Dient es uns als
Ausflucht dafür, dass wir nicht begreifen können, dass ein
Mensch so unaussprechliche Taten begeht?
Gerade so eine Erklärung macht die Tat ja begreifbar.
Du bist halt nur mit der Erklärung nicht zufrieden. :o)
Da hängt vielleicht auch damit zusammen, das jede Erklärung scheinbar ein kausales Gebilde aufbaut welches das Ergebnis als Zwangsläufig erscheinen lässt und damit den Täter aus der Verantwortung nimmt.
Müssen wir uns davon
überzeugen, dass er eigentlich gar nichts dafür kann, weil er
ja „krank“ ist?
Nein. Man kann in alle möglichen weiteren Erklärungs-Tiefen tauchen …
Z.B. ist B. ja Teil der Gesellschaft - er ist nicht aus dem Nichts gekommen. Er trägt gesellschaftliche Ideen und Vorstellungen in sich.
Und unseren kulturellen Errungenschaften haben - auch wenn es hier zynisch klingt - eine immense Produktivitätssteigerung des Einzelnen möglich gemacht. So kann ein einzelner Mensch in kürzester Zeit unglaublich viele Menschen ermorden. Das heißt das - zvilisationsbedigt - kleine „Verrücktheiten“ zu riesigem Schaden führen können.
Können wir eine tatsächliche
Verantwortlichkeit für solche Taten nicht ertragen? Oder liege
ich damit ganz und gar falsch?
Wenn man sich in das philosophisch Spiel einlässt gibt es diese beiden Extrema: Auf der einen Seite der absolute freie Wille - auf der anderen Seite die absolute Vorbestimmtheit mit der reinen Illusion des freien Willen. Für beide Positionen gibt es gute und scharfsinnige Gründe …
In der Praxis ist es aber so das B. sehr wohl zur Verantwortung gezogen wird. Und selbst wenn er als krank und „unverantwortlich“ erklärt wird, wird er faktisch die gesellschaftliche Strafe für sein Handeln bekommen.
Auch wenn die „Strafe“ juristisch nicht als „Strafe“ sondern als Unterbringung in eine geschlossene Psychiatrie bezeichnet wird.
Grüße
K.