In einem Mütterforum lese ich immer wieder, dass das Kind stillt:
„Meine Tochter will dann immer stillen“ oder „Mein Sohn stillt noch jeden Abend“.
Für mich klingt das grässlich!
Ich kenne es so, dass stillen aktiv ist (Die Mutter stillt das Kind), der Infinitiv doch auch „j-n stillen“ heißt, und damit kann es ja nicht korrekt sein zu sagen „Das Kind stillt“.
Nun habe ich in dem Forum mal nachgefragt, ob sich dieser Ausdruck bei Müttern bereits so eingeschliffen hat, dass er als richtig gelten kann (ähnlich wie bspw. Hauptsatzkonstruktion nach „weil“), und das hat jemand bejaht mit dem Argument, dass ihr Kind dabei der aktivere Part sei, weil es sich die Brust quasi selbst holt und sie als Mutter dabei nur noch stillhalten muss.
Wie ist das nun sprachlich gesehen? Gilt das inzwischen als korrektes Deutsch - und wer legt das fest?
bin zwar keine Germanistin, antworte dennoch.
Im Duden steht:
a) (einen Säugling) an der Brust Muttermilch trinken lassen
Beispiel
ein Kind stillen
b) einen Säugling durch regelmäßiges Stillen (1a) ernähren
Beispiele
sie stillt
stillende Mütter
Zu sagen, dass das Kind stillt, finde ich persönlich albern. Das Kind trinkt an der Brust, es stillt aber nicht, es sei denn, man benutzt das im Sinne der zweiten Bedeutung im Duden, „(ein Bedürfnis) befriedigen, zum Aufhören bringen“ (das Kind stillt seinen Hunger).
Du hast allerdings geschrieben, das Stillen sei aktiv, und DAS sehe ich nun anders. Dem Argument, dass das Kind der aktivere Part ist, stimme ich zu. Die Mutter hält das Kind an der Brust, aber die Saugtätigkeit führt ja das Baby aus.
Dem Duden nach nicht, und ich glaube, dass auch die meisten Germanisten das ebenfalls so sehen.
Für mich auch. Ob das nun korrektes Deutsch ist, oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich denke eher, das hier eine neumodische Redensart entstanden ist, aus welchen Gründen auch immer.
Die Aussage der Mutter, sie muss nur stillhalten als Begründung ist doch absurd. Stillen nimmt doch Bezug auf Befriedigung eines Bedarfs (Hunger). Was hat denn „Stillhalten“ bitte damit gemein?
Eine andere, ebenso neumodische Redensart ist. „Wir sind schwanger“. Ebenfalls völliger Blödsinn.
ich habe das noch nie gehört, allerdings haben meine vor 6 Jahren letztmalig gestillt
ganz sicher (noch) nicht.
und wer legt das fest?
das Volk. Sprache ist nahezu rein arnachisch, natürlich von Presse und LIteratur beeinflusst.
Wenn sich diese Verwendung verbreitet, so wird sie vom Duden beschrieben und damit „erlaubt“ und früher oder später auch Eingang in die Verwaltungssprache halten.
Aber dann würde man ja sagen „Das Kind stillt seinen Hunger“ und nicht „mein Kind hat gestillt“.
Um letztere Art der Formulierung geht es aber.
Kannst du Grammatikregeln anders sehen?
„Stillen“ ist tatsächlich aktiv. Die Passivform heißt „gestillt werden“.
Was genau siehst du daran anders???
Dann bleibe aber bitte bei der Bedeutung des Wortes „stillen“: Wer wird denn beim Stillen still gemacht? Doch das Baby? Aber durch die Brust/Muttermilch der Mutter, also doch wieder passiv.
Was du beschreibst - die Saugtätigkeit des Babys - kann man, wenn man nun die Aktivität des Babys unbedingt betonen möchte, als trinken bezeichnen: Das Baby trinkt. Warum man da nun „Das Baby stillt“ draus macht, ist mir bis jetzt ein Rätsel.
Am meisten nervt mich die Ungenauigkeit beim Umgang mit Sprache. Das ist eigentlich die größte Pest.
Entschuldige, ich habe mich falsch ausgedrückt, bzw. eigentlich habe ich meine Gedanken nicht zu Ende formuliert.
Grammatikalisch hast du Recht, ich wollte eigentlich sagen, dass es im Grunde genommen paradox ist: stillen ist sprachlich/grammatikalisch aktiv, aber praktisch ist es insofern passiv, als das Kind beim Stillen die „Haupttätigkeit“ ausführt. Die Mutter ist eher passiv, während das Kind aktiv saugt.
Mir allerdings auch, und das wollte ich mit meinen Erklärungen auch gar nicht begründen, denn in der Hinsicht bin ich ganz bei dir.
Was ich mir als Erklärung vorstellen könnte, auch wenn ich das genauso albern finde, ist, dass das als „Abkürzung“ benutzt wird. So wie viele sagen „Ich habe Rücken“ statt „Ich habe Rückenschmerzen“ (da könnte ich die Wände hochgehen!), könnte ich mir vorstellen, dass „Das Kind stillt“ seinen Ursprung in „Das Kind stillt seinen Hunger“ haben könnte, aber ich gebe zu, es ist an den Haaren herbeigezogen.
Ja, genauso wie „gewunken“. In meinem ersten Duden von 1990 stand explizit „gewunken“ noch als falsch drin, mittlerweile ist es „salonfähig“ geworden. Ich warte noch darauf, dass „ebend“ und „einzigste“ Einzug finden, aber in der Online-Version steht schon bei „einzige“ „wird normalerweise nicht gesteigert:“
Du hast größer als wie ich vergessen. Da bekomme ich graue Haare. Genau so wie bei Antibiotikas und Praktikas. Übrigens, bei der Landesgartenschau in Bad Lippspringe hat ein Aussteller eine Kaktee ausgestellt, warum nicht? Bin ja schon froh, dass da nicht noch ein Apostroph verbraten wurde
Ich unterrichte ja in der Erwachsenenbildung und bin regelmäßig erschüttert, was mit der Sprache angestellt wird.
Na, warum hat er nicht gleich zwei genommen, dann würden sich die Kaktusse nicht so einsam fühlen!
Antibiotika kenne ich neuerdings als Singular. Ich habe ein Antibiotika bekommen. Ups. Konsequent wäre, wenn man eine Antibiotika bekommen hätte. Auf „a“ endend ist ja meist weiblich.
Genitiv-Apostroph wird definitiv überhandnehmen, man kennt es ja aus dem Englischen.
Dass aber nun auch oft beim Plural ein Apostroph gesetzt wird, ist bah.
Inzwischen findet sogar die Steigerung von voll Gnade vor dem Duden. „Zur vollsten Zufriedenheit“ soll demnach kein Fauxpas sprachlicher Ignoranten sein.
Ich hege aber den Verdacht, dass frühere wewewa-Praktikanten in der Duden-Redaktion Unterschlupf fanden.