Gnosis vs. Christentum - Wissen vs. Glauben
Hi Thomas.
In den Evangelien und in den Wundertaten Jesu spielt der Glaube eine ganz entscheidende Rolle.
Das kannst du aber laut sagen…
In der Regel sagt Jesus „Dein Glaube hat dir geholfen“…
Ohne dem Sprachexperten dieses Bretts ins Handwerk pfuschen zu wollen, will ich doch auf die Problematik der Übersetzung hinweisen. Das deutsche „Glaube“ entspricht im Hebräischen einer Ableitung von „aman“, welches „tragen, stützen“ bedeutet. Daraus leitet sich auch das „Amen“ ab. Der Glaubensbegriff kommt im AT also am ehesten einem „Sichfestmachen“ (an Jahwe) gleich, was sich mit dem dt. „glauben“ nicht 100prozentig deckt.
Im Griechischen der Jesus-Texte entspricht das „glauben“ dem „pisteuôn“, was mit Treue und Vertrauen zu tun hat. Auch hier wirkt das dt. „glauben“, wie ich meine, etwas irreführend.
In unserer säkularen Gesellschaft gilt der Begriff „Glaube“… als Synomym für
„Selbstsuggestion“ oder „Träumerei“, aber auf jeden Fall als
„nicht der Wirklichkeit angemessen“.
Was nicht verwundern kann, da der Wissensbegriff in unserer Zeit weit über dem Glaubensbegriff steht. Und das völlig zu Recht.
Aber auch zur Zeit des frühen Christentums rangierte das Glauben für die mit der römischen Orthodoxie konkurrierende Gnosis weit unterhalb des Wissens.
Ich zeige das mal etwas genauer, weil der Unterschied zwischen Glauben und Wissen damals eine wichtige Rolle spielte, die erst durch die gewaltsame Elimination der Gnosis durch das römische Christentum an Bedeutung verlor - und zwar zugunsten des Glaubens.
Die gnostischen Lehren unterschieden drei Menschentypen: die Hyliker, die nur an das Materielle glauben und zur Erlösung unfähig, sind, die Psychiker, die glaubensfähig sind, ohne wissen zu können, und die Pneumatiker, die wissensfähig sind. Für letztere ist das Göttliche kein Objekt eines Glaubens (oder Vertrauens), sondern ein Objekt und Ziel des Wissens (Gnosis = Erkenntnis). Speziell in der Valentinianischen Gnosis entsprachen die Pneumatiker den Anhängern der Gnosis und die Psychiker den Anhängern der römischen Kirche.
Wissen und Erkenntnis bedeutete für die Gnostiker, das Licht des Göttlichen gesehen zu haben, und zugleich zu wissen, dass ihr eigener Geist Funken dieses Lichts enthält. Im folgenden gnostischen Zitat heißt es z.B., dass der Urgrund (Ur-Vater, das All-Eine), der den Logos hervorbringt, das „alleinexistierende Licht“ ist, welches „die Allheiten ist“.
Aus „Das Pleroma des Logos, in: Der dreiteilige Traktat“ (Bibel der Häretiker, hg.v.Lüdemann/Janßen):
Der, der entstanden ist in einem Bild des Lichtes, er ist ebenfalls vollkommen, insofern er ein Bild des alleinexistierenden Lichtes ist, welches die Allheiten ist.
Der Lichtbegriff ist hier übrigens absolut konkret gemeint und nicht „metaphorisch“, wie es eine These von Hans Blumenberg suggerieren möchte, die mir so vorkommt, als räsonniere ein Blinder über Malerei.
Ist es möglich, dem Begriff des Glaubens auch in einer
Gesellschaft, die im Zeitalter der scheinbaren reinen Vernunft
und der Naturwissenschaft steht, in der alles verstehbar,
messbar und kontrollierbar erscheint, einen Sinn und Platz
zuzuweisen, der diesen Begriff nicht in die Irrelevanz
abgleiten läßt?
Meine Antwort: Nein.
Chan