Herkunft der Israeliten und Jahwe vs. El / Baal
Hi FraLang.
Der entsprechende Text datiert etwa um 1000 v.u.Z. Welche Vertreibungsproblematik soll er reflektieren?
Abraham in Ägypten, Auswanderung jüdischer Stämme nach Äthiopien, …Es kann noch vieles gegeben haben, das uns nicht überliefert wurde.
„Es kann“ ist kein Argument. (Der mythische) Abraham wurde nach Ägypten nicht vertrieben, sondern zog von Kanaan mit seiner Sippe dorthin, weil ihn eine Hungersnot dazu veranlasste. Ursprünglich lebte er in Ur/Chaldäa, wo eine „göttliche Eingebung“ ihn bewogen hatte, nach Kanaan zu ziehen. Das spielte sich, wenn überhaupt, so um die 1500 v.u.Z. ab. Mit der besagten Vertreibungs-Story hat das alles überhaupt nichts zu tun, erstens weil das aktive Vertreibungs-Element fehlt und zweitens auch andere wichtige Elemente fehlen, die eine Analogie nahe legen könnten.
Was die eigentliche ethnische Herkunft der Israeliten betrifft, besteht Unklarheit. Möglicherweise gehen sie auf die „Habiru“ zurück (daher Hebräer), die in jenen Zeiten eine ethnisch uneinheitliche Gruppe von Söldnern und Arbeitern waren, von denen viele auch in Ägypten im Frondienst standen. Um 1250 v.u.Z. fand die „Landnahme Kanaans“ möglicherweise durch diese „ägyptische“ Gruppe statt. Wahrscheinlich waren auch Überlebende der Zerstörung von Ugarit (im heutigen Libanon) sowie zahlreiche Nomadenstämme aus der Wüste in Kanaan einzogen, wo sich dann nach und nach so etwas wie eine ethnische Einheit ausbildete (die Israeliten).
Der Götterglaube war dort zunächst durch den Glauben an das Götterpantheon um den Obergott El geprägt. Noch das erste Genesis-Kapitel steht stark unter diesem Einfluss. Der reine Jahwe-Monotheismus setzte sich erst im 8. Jhd. v.u.Z. durch, wobei Jahwe viele Züge von El angenommen hatte (man nennt das Synkretismus).
Die ersten Deportationen durch das assyrische Großreich geschahen im 8. Jhd. v.u.Z.,
Entstand der Bericht über Adam und Eva wirklich davor?
Genaue Textanalysen legen nahe, dass das 1. Buch der Genesis frühestens um 1000 v.u.Z. datiert, aber nicht wesentlich später. Mit Sicherheit nicht nach der ersten Deportation. Übrigens wäre es schon inhaltlich witzig, diese Deportation als Vorlage des Vertreibungsmotivs zu betrachten.
Es gibt im Gilgamesch-Epos eine Handlung, die dem biblischen Mythos wahrscheinlich Pate stand
Das meine ich ja, es gibt weitere Mythen aus denen geschöpft wurde. Aber niemand wurde dabei vertrieben. Die Vertreibung kommt nur in der Bibel vor.
In dieser Art sicher ja. Aber die Pointe dieses Mythos ist die Unterwerfung der Menschen unter den Willen eines Gottes. Das ist kaum die mythische Reflektion eines historischen Vorgangs, sondern viel eher ein „ideologisches“ Konstrukt, ein theologisches Programm, das den „neuen Gott“ installieren soll. Diese neue Gott ist streng und pocht auf Gesetz. So steht er in starkem Kontrast zu den Hauptgöttern Kanaans, nämlich dem gutherzigen El und dem orgiastischen Baal, beide von sexuell sehr freizügiger Natur.
Ich denke, dass der Vertreibungsmythos eine Art theologische Selbstfindung der Jahwe-Anhänger ist, die ihren Gott in Anziehung und Abstoßung zu anderen mächtigen Göttern konzipieren, und im Fall der Vertreibung ganz klar unter dem Aspekt der Abstoßung („unser Gott ist nicht wie El und Baal“).
Chan