Der Grexit (oder auch nicht)

Moin auch,

als die griechenlandkrise zum erstenmal hochkam, war von Grecit die Rede. Selbiger wurde von seiten der Politik flugs dementiert, weil in den Euroverträgen eine Austritt aus dem Euroraum nicht vorgesehen ist und deswegen auch nicht durchgeführt werden kann.

Jetzt sind die Griechen wieder blank. Dieselben Leute, die vor ein paar Jahren den Grexit verleugneten sagen jetzt, Griechenland müsse den Euro verlassen. Ich habe aber gar nicht mitbekommen, dass die Euroverträge geändert wurden. Habe ich das etwas verpasst oder ist da eine 180-Grad-Politik-Kehrtwende passiert?

Ralph

Hallo!

Dass ein Austritt aus der Eurozone nicht geregelt ist bedeutet nicht er kann nicht erklärt werden.

Und wenn nicht, dann gäbe es ja den zulässigen Austritt aus der EU, der wiederum gleichbedeutend wäre den Euro aufzugeben. Denn ein Nichtmitglied kann ja nicht der Gemeinschaftswährung beitreten oder sie beibehalten.

MfG
duck313

Hallo Ralph!

… Ich habe aber gar nicht
mitbekommen, dass die Euroverträge geändert wurden. Habe ich
das etwas verpasst oder ist da eine
180-Grad-Politik-Kehrtwende passiert?

Griechen möchten sich nicht mehr wie bisher gängeln lassen. Sonst hat sich nichts geändert.

Zusammenfassung: Griechenland lebte lange Zeit über seine Verhältnisse, leistete sich eine ineffiziente Verwaltung und häufte bei diversen europäischen Banken Verbindlichkeiten an. Das Spiel kam irgendwann an Grenzen und damit die Kreditgeber nicht in allzu schwere Verdrückung kommen, gingen andere EU-Volkswirtschaften in die Haftung. Zunächst wurden auf diese Weise nur Banken gerettet, aber Griechenland und griechische Normalbürger bekamen Druck, den Gürtel enger zu schnallen.

Der Druck gestaltete sich in einer Weise, wie es vielerorts auch im Privatleben üblich ist: Der Schuldner wird von oben herab behandelt und gedemütigt. Waren Gläubiger bereits an der Entstehung der Probleme nicht ganz unbeteiligt - immerhin braucht’s für einen Kredit immer 2 Beteiligte (vom während der deutschen Besatzungszeit einfach genommenen Zwangskredit abgesehen) - mutieren manche Gläubiger bei Zahlungsproblemen des Schuldners zu hochnäsigen Arschlöchern. In der deutschen Presse waren Vorschläge zu lesen, Griechenland möge Inseln verkaufen und aus Regierungskreisen kamen Ideen, deutsche Finanzbeamte zu entsenden, auf dass sie den Griechen zeigen, wie man verwaltet. Dass es in deutschen Amtsstuben vermutlich kaum geeignete Leute gibt, schon gar nicht in ausreichender Zahl, spielt dabei keine Rolle, der Vorschlag an sich ist destruktives atmosphärisches Gift.

Es wiederholte sich, was wir bereits in D mit Neufünfland erlebten, nämlich die Fehleinschätzung auf der Zeitachse für grundlegende Strukturveränderungen und auch manchen Mentalitätswandel. Planungen in Monaten fahren dabei regelmäßig an die Wand. Eine Generation ist die eher passende Zeiteinheit. Wenn es keine ausreichende wirtschaftliche Basis gibt, ist das Ergebnis von über das Land herfallenden „Fachleuten“ in z. B. McPomm nicht anders als in Griechenland, Spanien oder Portugal: Über Altenresidenzen und Hotelanlagen für den Fremdenverkehr kommt das Spektrum der Ideen nur selten hinaus. Das ist mit Beton schnell hingeklotzt, aber für den Aufbau nachhaltig wettbewerbsfähiger Industrie nebst Zulieferern braucht es sehr viel mehr Grips, Ideen, Zeit und Geld und es reicht einfach nicht, französische und deutsche Banken vor Schaden zu bewahren.

Die durchgeführten Sparmaßnahmen waren dramatisch und zerstörerisch. Auf der anderen Seite stehen Interessengruppen, die an den bestehenden Verhältnissen in Griechenland nach Möglichkeit nichts ändern wollen. Manche Veränderungen brauchen Zeit für die Ausbildung geeigneten Personals und Geld. Hierzulande findet man in Stellenanzeigen immer noch den Hinweis auf geforderte Kenntnisse im Umgang mit Office-Software, obwohl solche Kenntnisse seit Jahrzehnten selbstverständlich sein sollten. Wer diesbezüglich in Griechenland von jetzt auf gleich die Umstellung erwartet, erwartet Unmögliches. Wer solche Erwartungshaltung dann auch noch von oben herab äußert, erntet Widerstand. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass sich das griechische Wahlvolk noch nicht auf breiter Front radikalisierte.

Die Gemeinschaftswährung ist mehr als nur Geld, es ist ein starkes Symbol europäischer Zusammengehörigkeit - zu schade, um in den Händen erbsenzählender Beamter und hochnäsiger Touris kaputt gemacht zu werden. Man hätte fragwürdige Wertvorstellungen, wollte man nur wegen Geld ein Land aus der Zusammengehörigkeit komplimentieren. Deshalb wurde solcher Schritt lange Zeit strikt ausgeschlossen. Mittlerweile mehren sich aber Stimmen, man müsse den Druck auf Athen verstärken und so kommt „Grexit“ ins Gespräch.

Damit wäre aber Griechenland nicht geholfen. Natürlich ließen sich mit eigener abgewerteter Währung mehr Billigtouristen ins Land holen. So könnte man einige Leute für Hungerlöhne beschäftigen, aber keine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft aufbauen.

Letztlich führt wohl kein Weg daran vorbei, die Staatsschulden Griechenlands, soweit nicht griechische Bürger Gläubiger sind, zins- und tilgungsfrei zu stellen, damit das Land die finanzielle Luft für Investitionen bekommt.

Gruß
Wolfgang

Hi,

Damit wäre aber Griechenland nicht geholfen

Ich kann mir auch vorstellen, daß Tsipras und Kollegen den Euro-Austritt sogar herbeiführen möchten.

Griechenland wäre mit einem Schlag komplett schuldenfrei (indem die bestehenden Schulden per Dekret auf 0 gesetzt werden), wäre jede Form der Bevormundung los, und Tsipras und sein Kumpel Varoufakis könnten ohne jede Einmischung ihr Utopia aufbauen.

Die Schuld auf alles könnten die dann Schäuble in die Schuhe schieben, wodurch sie den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung für den müsamen Weg nach Utopia bekämen.

Gruß Eva

Hi duck,

da gab es auch schon den Vorschlag, wie man das technisch lösen könnte:

Griechenland müßte für 1 Sekunde aus der EU austreten und dann sofort wieder eintreten. Übrig bliebe ein EU-Mitglied ohne Euro.

Wahnsinn, was sich Bürokraten so alles ausdenken :smile:

Gruß Eva

Ei Servus,

noja, bei Island, Montenegro und der Türkei dauert der Beitritt herich auch ein bissle länger als eine Sekunde - ganz so wahnsinnig ist das Verfahren nicht ausgedacht.

Wie genau sollte denn eine Garantie für Griechenland aussehen, dass sein Beitritt sofort angenommen wird?

Schöne Grüße

MM

Hoi,

Island hat ja aber bisher weniger Lust gezeigt, in die EU zu kommen. ^^

Gruß,

Hanzo

Wikinger
Servus,

hatte es aber vor Februar 2014 eine ganze Weile, sogar rischdisch konkret.

Bloß dann nicht mehr, halt.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

Griechenland wäre mit einem Schlag komplett schuldenfrei
(indem die bestehenden Schulden per Dekret auf 0 gesetzt
werden)

Ich hoffe doch, dass auch dieser Teil Deines Beitrags satirisch gemeint war. Diese inter national gültige Rechtskompetenz per Dekret gibt es nicht für ein Gläubigerland.

Gruß
vdmaster

Hi,

Diese international gültige Rechtskompetenz per Dekret gibt es nicht

Folgendes Szenario: Griechenland führt die Drachme wieder ein, diese wertet sofort stark ab, die Schulden Griechenlands wachsen auf Drachmenbasis ins astronomische, der Staatshaushalt bricht zusammen,… usw.

Nun verkündet Tsipras und sein Kumpel Varoufakis die Nichtigkeit der Staatsschulden.
Begründung: ->Können das eh nicht zahlen und Schuld an unserer Misere seid eh ihr

Hi,

Servus

Griechenland wäre mit einem Schlag komplett schuldenfrei
(indem die bestehenden Schulden per Dekret auf 0 gesetzt
werden), wäre jede Form der Bevormundung los, und Tsipras und
sein Kumpel Varoufakis könnten ohne jede Einmischung ihr
Utopia aufbauen.

Tun wir mal so, als gäbe es diese Möglichkeit wirklich: glaubst du wirklich, irgendeine Firma, Bank oder Staat würde in dem Fall Griechenland in absehbarer Zeit Geld leihen oder dort investieren?

Gruß Eva

Lg,
Penegrin

Hallo,

Säbelrasseln! Und natürlich vor der Wahl der
Versuch die Wähler zu beeinflussen.

Lass mich in die Glaskugel schauen:

Sie werden einen lahmen Kompromiss finden
und in einem halben Jahr geht das Spiel von
vorne los.

Aber die Wahrscheinlichkeit eines Gexit wird immer größer.
Entsprechende Massnahmen wurden ja schon installiert,
(ESM) Die Finanzexperten sind sich da ziemlich einig,
dass ein Austritt ein relativ geringes Risiko für die
Reststaaten bedeuten würde. Anders noch als vor
ESM.

Alles andere ist reines Rechtsgeschäft.
Mit mir wird es keinen Atomausstieg geben.
Mit mir wird es keine Maut geben.
Die Griechen bleiben…

Du meinst die selbige standhafte Dame?

Gruß
Junktor

Hallo,

passieren könnte:

  1. Klage vor einem zuständigen internationalen Gericht.
  2. Keine Stellung weiterer Kredite. Verlust des Vertrauens anderer Kreditgeber.
  3. Beschlagnahme griechischen Auslandsvermögens.
  4. Wirtschaftl. und pol. Isolation.

Die Griechen würden bitter büssen und ihre Schulden irgendwann (zzgl. Zinsen) dennoch zurückzahlen müssen (in Euro).

Gruß
vdmaster

Hallo,

Tun wir mal so, als gäbe es diese Möglichkeit wirklich: glaubst du wirklich, irgendeine Firma, Bank oder Staat würde in dem Fall Griechenland in absehbarer Zeit Geld leihen oder dort investieren?

Also in Utopia wäre das zweifellos so.

Grüße

Hallo Wolfgang,

Der Druck gestaltete sich in einer Weise, wie es vielerorts
auch im Privatleben üblich ist: Der Schuldner wird von oben
herab behandelt und gedemütigt.

Griechenland mit den privaten Gläubigern in einen Topf zu werfen, die durch Überschätzung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, durch Leichtsinnigkeit oder durch Inkompetenz in finanziellen Fragen in eine Überschuldungssituation geraten sind, wird der Sachlage nicht gerecht. Griechenland hat vor dem Beitritt zum Euro systematisch Gläubiger und Politik in Bezug auf die finanzielle Situation getäuscht und dafür die Kreativität US-amerikanischer Investmentbanken genutzt, ist wissentlich Verpflichtungen eingegangen, die es nicht erfüllen konnte und hat die meisten vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt, die es im Zusammenhang mit den Rettungspaketen eingegangen ist. Einem solchen Schuldner würde in Deutschland genauso sicher die Restschuldbefreiung verweigert wie ihm der Prozeß gemacht werden würde.

Insofern war der Umgang - von einigen Ausrutschern in die populistische Ecke abgesehen - der Sachlage durchaus angemessen. Insbesondere, wenn man die Reaktionen des Schuldners berücksichtigt, die letztlich auch darauf hinausliefen, daß eigentlich alle anderen schuld sind nur nicht der Schuldner selber.

Letztlich führt wohl kein Weg daran vorbei, die Staatsschulden
Griechenlands, soweit nicht griechische Bürger Gläubiger sind,
zins- und tilgungsfrei zu stellen, damit das Land die
finanzielle Luft für Investitionen bekommt.

Ich meine Du gehörst auch immer zu denjenigen, die betonen, daß nicht Staaten investieren sollten und Arbeitsplätze schaffen können, sondern nur Unternehmen bzw. Unternehmer.

Gruß
Christian

Hallo vdmaster,

Die Griechen würden bitter büssen und ihre Schulden irgendwann
(zzgl. Zinsen) dennoch zurückzahlen müssen (in Euro).

wie hätte da meine Oma gesagt: „Lang mal einem nackten Mann in die Tasche!“

Schon jetzt soll die letzte Tilgung 2057 erfolgen.
Das sagt eigentlich alles, es wird bis zum St.Nimmerleinstag hinausgeschoben.
Selbst die BRD ist ja nicht wirklich in der Lage ihre Schulden
zurückzuzahlen. Man ist ja schon froh, wenn man alle paar Jahre
einen ausgeglichenen Haushalt hinkriegt, wie sollten das das
wirtschaftsschwache Griechenland je schaffen, so hoffnungslos
wie die überschuldet sind?

Man lebt mit Schulden, bis es irgendwann nicht mehr geht.
Und dann Schnitt,…ob 2057 oder 2100 oder…

Gruß
Junktor

Moin auch,

trotzdem denke ich, dass die Verlängerung des Vertrags, wie jetzt vereinbart, das richtige Vorgehen war. Und ich bn auch ziemlich überzeugt davon, dass, wenn Griechenland jetzt wenigstens guten Willen zeigt, im Juni eine weitere Verlängerung vereinbart werden wird.

De facto hat sich ja nichts geändert: Die Schulden können nicht in absehbarer Zeit zurückgezahlt werden. Da halte ich es für vernünftig, die Rückzahlbarkeit vom Staatshaushalt abhängig zu machen und den Herren Tsipras und Varoufakis auf die Füße zu stehen, dass verschiedene Reformen endlich mal angegangen werden. Ich rede von Reformen, nicht unbedingt von weiteren Einsparungen.

Ralph

Hallo Junktor,

bei einem nackten Mann gibt es natürlich Probleme … allein schon wegen der Sterblichkeit :wink:. Staaten sind kaum totzukriegen, weswegen sie auch in 30 oder 40 Jahren noch ihre Schulden löhnen müssen.

Gruß
vdmaster

Hallo,

vor allem müsste GR seine völlig marode Finanzverwaltung endlich mal ausmisten. Will Tsipras ja machen, so wie alle vor ihm. Zusätzlich sollte er mal die Schlupflöcher für bspw. Reeder schliessen (falls das noch nicht gemacht wurde). Wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass es in GR vor 5 Jahren nur einen einzigen Amtsposten in der Verwaltung gab, der systematisch Subventionsbetrug/Vetternwirtschaft aufdecken sollte und dieser dann auch noch abgebaut wurde, dann kann ich gar nicht soviel kotzen …
(aus der Erinnerung, ich kanns nicht belegen.

GR bedient sich zudem besonders großzügig aus Fördergeldern, die zu versichern scheinen. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-125966653.html
Da müsste man auch mal der EU-Kommission gehört in den Allerwertesten treten.

Gruß
vdmaster

Hi vdmaster,

weswegen sie auch in 30 oder 40 Jahren noch ihre
Schulden löhnen müssen.

theoretisch schon, nur werden die bis dahin im finanziellen
Nirwana liegen.

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/167459…

Äh, nur zur Erinnerung, 2011, wo dieses Bälklein so schön runtergeht,
war dieser kleine Schuldenschnitt von 100 Milliärdchen:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-h…

Aber man soll die Hoffnung nie aufgeben, vielleicht
bin ich ja auch nur ein „hoffnungsloser“ Pessimist! :wink:

Trotzdem schönes WE
Junktor