Hallo Ralph!
… Ich habe aber gar nicht
mitbekommen, dass die Euroverträge geändert wurden. Habe ich
das etwas verpasst oder ist da eine
180-Grad-Politik-Kehrtwende passiert?
Griechen möchten sich nicht mehr wie bisher gängeln lassen. Sonst hat sich nichts geändert.
Zusammenfassung: Griechenland lebte lange Zeit über seine Verhältnisse, leistete sich eine ineffiziente Verwaltung und häufte bei diversen europäischen Banken Verbindlichkeiten an. Das Spiel kam irgendwann an Grenzen und damit die Kreditgeber nicht in allzu schwere Verdrückung kommen, gingen andere EU-Volkswirtschaften in die Haftung. Zunächst wurden auf diese Weise nur Banken gerettet, aber Griechenland und griechische Normalbürger bekamen Druck, den Gürtel enger zu schnallen.
Der Druck gestaltete sich in einer Weise, wie es vielerorts auch im Privatleben üblich ist: Der Schuldner wird von oben herab behandelt und gedemütigt. Waren Gläubiger bereits an der Entstehung der Probleme nicht ganz unbeteiligt - immerhin braucht’s für einen Kredit immer 2 Beteiligte (vom während der deutschen Besatzungszeit einfach genommenen Zwangskredit abgesehen) - mutieren manche Gläubiger bei Zahlungsproblemen des Schuldners zu hochnäsigen Arschlöchern. In der deutschen Presse waren Vorschläge zu lesen, Griechenland möge Inseln verkaufen und aus Regierungskreisen kamen Ideen, deutsche Finanzbeamte zu entsenden, auf dass sie den Griechen zeigen, wie man verwaltet. Dass es in deutschen Amtsstuben vermutlich kaum geeignete Leute gibt, schon gar nicht in ausreichender Zahl, spielt dabei keine Rolle, der Vorschlag an sich ist destruktives atmosphärisches Gift.
Es wiederholte sich, was wir bereits in D mit Neufünfland erlebten, nämlich die Fehleinschätzung auf der Zeitachse für grundlegende Strukturveränderungen und auch manchen Mentalitätswandel. Planungen in Monaten fahren dabei regelmäßig an die Wand. Eine Generation ist die eher passende Zeiteinheit. Wenn es keine ausreichende wirtschaftliche Basis gibt, ist das Ergebnis von über das Land herfallenden „Fachleuten“ in z. B. McPomm nicht anders als in Griechenland, Spanien oder Portugal: Über Altenresidenzen und Hotelanlagen für den Fremdenverkehr kommt das Spektrum der Ideen nur selten hinaus. Das ist mit Beton schnell hingeklotzt, aber für den Aufbau nachhaltig wettbewerbsfähiger Industrie nebst Zulieferern braucht es sehr viel mehr Grips, Ideen, Zeit und Geld und es reicht einfach nicht, französische und deutsche Banken vor Schaden zu bewahren.
Die durchgeführten Sparmaßnahmen waren dramatisch und zerstörerisch. Auf der anderen Seite stehen Interessengruppen, die an den bestehenden Verhältnissen in Griechenland nach Möglichkeit nichts ändern wollen. Manche Veränderungen brauchen Zeit für die Ausbildung geeigneten Personals und Geld. Hierzulande findet man in Stellenanzeigen immer noch den Hinweis auf geforderte Kenntnisse im Umgang mit Office-Software, obwohl solche Kenntnisse seit Jahrzehnten selbstverständlich sein sollten. Wer diesbezüglich in Griechenland von jetzt auf gleich die Umstellung erwartet, erwartet Unmögliches. Wer solche Erwartungshaltung dann auch noch von oben herab äußert, erntet Widerstand. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass sich das griechische Wahlvolk noch nicht auf breiter Front radikalisierte.
Die Gemeinschaftswährung ist mehr als nur Geld, es ist ein starkes Symbol europäischer Zusammengehörigkeit - zu schade, um in den Händen erbsenzählender Beamter und hochnäsiger Touris kaputt gemacht zu werden. Man hätte fragwürdige Wertvorstellungen, wollte man nur wegen Geld ein Land aus der Zusammengehörigkeit komplimentieren. Deshalb wurde solcher Schritt lange Zeit strikt ausgeschlossen. Mittlerweile mehren sich aber Stimmen, man müsse den Druck auf Athen verstärken und so kommt „Grexit“ ins Gespräch.
Damit wäre aber Griechenland nicht geholfen. Natürlich ließen sich mit eigener abgewerteter Währung mehr Billigtouristen ins Land holen. So könnte man einige Leute für Hungerlöhne beschäftigen, aber keine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft aufbauen.
Letztlich führt wohl kein Weg daran vorbei, die Staatsschulden Griechenlands, soweit nicht griechische Bürger Gläubiger sind, zins- und tilgungsfrei zu stellen, damit das Land die finanzielle Luft für Investitionen bekommt.
Gruß
Wolfgang