Dazu noch einige Anmerkungen.
Man kann dann
leichter gehen und hat damit eine wichtige Grundlage für eine
gute Wiedergeburt gelegt.
Der Glaube an eine ‚Wiedergeburt‘ ist in allen Kulturen (auch unserer westlichen) mehr oder weniger stark verbreitet - im deutschsprachigen Kulturraum bei mehr als einem Viertel der Bevölkerung (Inglehart, Ronald ; Basañez, Miguel ; Moreno, Alejandro: Human values and beliefs : a cross-cultural sourcebook : political, religious, sexual, and economic norms in 43 societies : findings from the 1990 - 1993 World Values Survey ISBN 0472108336 Buch anschauen). Dieser Glaube ist auch im Westen geistesgeschichtlich tief verankert (vgl. z.B. auch /t/religionen-im-mittelmeerraum-und-wiedergeburt/260…
‚Buddhistisch‘ ist ein solcher Glaube nicht - da nach buddhistischer Lehre kein dauerhafter Persönlichkeitskern (Seele o.ä.) existiert, existiert auch nichts, das wieder -geboren werden kann. Die buddhistische Lehre von punarbhava, dem ‚wieder-werden‘ im Kreislauf des Samsara, unterscheidet sich daher zwangsläufig stark vom vulgär-populären Verständnis von Wiedergeburt. Sowohl dem im Westen als auch im Osten.
Eine gute Wiedergeburt wiederum ist
wichtig für eine gute Entwicklung in der Zukunft. (Daher wird
Sterbebegleitung auch als sehr wichtig angesehen.)
Die Bedeutung der Sterbebegleitung liegt eher darin, dass auch (und gerade) im Prozess des Sterbens in die Befreiung eingetreten werden kann, wenn die Auflösung der psycho-physischen Komponenten, deren Zusammensetzung das empirische ‚Ich‘ ausmacht, bewusst und analytisch erlebt wird.
Die sterblichen Überreste werden nicht allzu wichtig genommen.
Sie waren lediglich die Hülle.
Hülle für was? Eine solche Aussage widerspricht buddhistischer Lehre. Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem westlichen Verständnis des Todes und dem buddhistischen. In der abendländischen Kultur wird der Tod zumeist als ein Ereignis verstanden, das zu einem genau definierbaren Zeitpunkt eintritt. Dieses Verständnis wurzelt in der Auffassung von der Doppelnatur des Menschen als einem vergänglichen Körper („Hülle“) mit einer ewigen, unzerstörbaren Seele, wobei der Tod die ‚Loslösung‘ der Seele vom Körper ist. Man war und ist noch heute in der Regel der Auffassung, diese Trennung sei eindeutig anhand körperlicher Merkmale feststellbar.
Als typisch für diese Auffassung kann hier folgendes Zitat stehen:
„Im Bereich der christlichen Anthropologie ist es wohlbekannt, daß der Augenblick des Todes für jede Person im endgültigen Verlust der konstitutiven Einheit zwischen Leib und Seele besteht. Jeder Mensch ist nämlich insofern lebendig, als er oder sie »corpore et anima unus« ist (Gaudium et spes, 14), und er oder sie bleiben es, solange diese substantielle Einheit in der Ganzheit besteht. Im Licht dieser anthropologischen Wahrheit wird deutlich, daß, wie ich bei früheren Gelegenheiten bereits betont habe, »der Tod des Menschen, in diesem radikalen Sinn, ein Ereignis ist, das durch keine wissenschaftliche Technik oder empirische Methode direkt identifiziert werden kann« (vgl. Ansprache vom 29. August 2000; in O.R. dt., Nr. 37, 15.9.2000, S. 7,4).
Aus klinischer Sicht jedoch ist es der einzig korrekte – und auch der einzig mögliche Weg –, den Tod eines Menschen festzustellen, die Aufmerksamkeit und Forschung auf die Identifizierung jener angemessenen »Zeichen des Todes« zu konzentrieren, die an ihren physischen Symptomen im Individuum zu erkennen sind.“
( Johannes Paul II., Botschaft an die päpstliche Akademie der Wissenschaften, 01. Februar 2005, Libreria Editrice Vaticana)
Traditionell wurde der Herzstillstand und das Einstellen der Atmung als Merkmal des Todeseintritts angesehen - mittlerweile ist das Kriterium des sog. ‚Hirntodes‘ an seine Stelle getreten. Das buddhistische Menschenbild hingegen unterscheidet sich stark vom christlich geprägten Bild eines beseelten Körpers („sterblicher Überreste“ als „Hülle“ für irgend etwas). Der Mensch ist nach buddhistischer Auffassung eine Einheit psychischer und physischer Faktoren, wobei keinem dieser Faktoren die Rolle eines ‚Persönlichkeitskernes‘ oder einer Seele zugewiesen werden kann. Eine Person existiert demnach nur durch das Zusammenwirken dieser grundsätzlich gleichwertigen Faktoren, als ihre Funktioni.
Der Tod ist nach diesem Verständnis daher nicht der Eintritt eines bestimmten Ereignisses – etwa der Ausfall eines bestimmten Organs – sondern wird prozesshaft begriffen als die allmähliche Auflösung eben dieses Funktionszusammenhanges der die Person ausmachenden Faktoren. Da keiner dieser Faktoren für sich als Träger des Ich begriffen wird, kann auch keiner von ihnen allein ein Kriterium für den Eintritt des Todes, also für einen abgeschlossenen Sterbeprozess, liefern.
In traditionell buddhistischen Ländern wird daher in der Regel großer Wert darauf gelegt, diese Erfahrung des Sterbeprozesses, sein ‘Erleben’, zeitlich weit über das Verlöschen wahrnehmbarer körperlicher Funktionen hinaus möglichst frei von jeglichen störenden Einflüssen zu halten. Dies betrifft emotionalen Stress (z.B. durch Angehörige, die in unmittelbarer Nähe des Sterbenden ihrer Trauer allzu deutlich Ausdruck geben) und selbstverständlich auch physische Störungen, wobei ein Eingriff in die körperliche Integrität des Sterbenden oder Toten (z.B. bei einer Organentnahme oder Autopsie) sicher deren extremste Form ist.
Sowohl in Tibet als auch in Japan (um hier eine auffällige Koinzidenz zweier geographisch und kulturell voneinander deutlich getrennter buddhistisch geprägter Kulturen zu nennen) werden die ‚sterblichen Überreste‘ nach Einstellen körperlicher Funktionen (Herz-/Atemstillstand) 49 Tage lang mit größter Rücksicht behandelt, bevor sie einer Bestattung zugeführt werden. Die ‚Luftbestattung‘ in Tibet (vergleichbar der parsischen Tradition) ist wiederum keine speziell buddhistische Eigenheit. ‚Normalfall‘ ist die Feuerbestattung.
Bei uns im Westen hat man die
Möglichkeit Organe zu spenden, wenn die noch einigermaßen
taugen.
Diese Möglichkeit hat man nicht nur im Westen. In buddhistisch geprägten Ländern mit vergleichbaren medizinischen Standards wie im Westen (z.B. Japan oder Südkorea)wird allerdings sehr viel weniger als im Westen Gebrauch davon gemacht - eben wegen der genannten 49-Tagefrist (im tibetischen als ‚Bardo‘/Zwischenzustand bekannt), die der Sterbeprozess nach buddhistischer Auffassung auch nach Aufhören wahrnehmbarer Lebenszeichen noch andauert.
Freundliche Grüße,
Ralf