Exoterische vs. esoterische Religion
Hi joejac.
Nirgendwo werden die Menschen dicker belogen und betrogen als
wie auf dem Gebiet der Religion - sie ist ein
Geschäft wie jedes andere auch, wie die Musikindustrie
vielleicht mit dem Vorteil, dass man nichts „Handfestes“
bräuchte, um daraus Geld zu machen.
Auf dieses Statement mit der gebührenden Gründlichkeit einzugehen, würde einen eigenen Thread erfordern, wegen der Komplexität des Themas. Ich kann an dieser Stelle nur ein paar Andeutungen machen.
Man sollte unterscheiden zwischen exoterischer und esoterischer Religion. Exoterische Religion ist ein System aus Mythen, Dogmen und Ritualen, das von den Menschen Unterwerfung und Gehorsam einfordert. Esoterische Religion ist eine Praxis, die die Menschen befreit, indem sie ihnen spirituelle Einsicht vermittelt.
Exoterische Religion dient(e) in hohem Maße der Legitimation politischer Herrschaft. Das lässt sich anhand von beispielsweise alten sumerischen Inschriften belegen, wo es sinngemäß heißt, dass das Königtum dem Herrscher Soundso durch den Gott oder die Göttin Soundso verliehen wurde. Ähnlich lief es in Ägypten. Exoterische Mythologie diente immer der Legitimation und Stabilisierung politischer Herrschaft. Ich zitiere ein Beispiel aus dem israelitischen Bereich (Psalm 72, der nach Ansichten mancher Fachleute als Inthronisationshymne für den 8jährigen Josia im Jahr 639 vuZ diente):
1 Des Salomo. Gott, gib dein Gericht dem König und deine Gerechtigkeit des Königs Sohne, 2 daß er dein Volk richte mit Gerechtigkeit und deine Elenden rette. 3 Laß die Berge den Frieden bringen unter das Volk und die Hügel die Gerechtigkeit. 4 Er wird das elende Volk bei Recht erhalten und den Armen helfen und die Lästerer zermalmen. 5 Man wird dich fürchten, solange die Sonne und der Mond währt, von Kind zu Kindeskindern. 6 Er wird herabfahren wie der Regen auf die Aue, wie die Tropfen, die das Land feuchten. 7 Zu seinen Zeiten wird erblühen der Gerechte und großer Friede, bis daß der Mond nimmer sei.
Diese Hymne stand aber, wie gesagt, in jahrtausendealter altorientalischer Tradition.
Nun stellt sich die Frage, in welchem Maße die Autoren solcher Hymnen bzw. religiöser Mythologie in bewusster Weise versuchten, damit ein politisches Machtsystem zu begründen oder zu bestärken. Was du andeutest (die „Priesterbetrugshypothese“), muss in dieser allgemeinen Form sicher verneint werden. Vielmehr muss man von Mischformen ausgehen, bei denen religiöse Überzeugung und machtorientiertes Kalkül in unterschiedlichen Anteilen zusammenspielten. Sicher stand der Kalkül-Faktor oft im Vordergrund, also dann, wenn ein Herrscher „auf die Schnelle“ eine Legitimation brauchte, um z.B. einen Eroberungsfeldzug zu begründen. Dafür gibt es Belege z.B. im alten Sumer.
Über die esoterische Seite der Religion will ich mich jetzt nicht auslassen, weil das über Seiten ginge Nur so viel: Mit Lug und Trug hat sie nichts zu tun, ganz im Gegenteil.
Chan
PS. Wenn wir das Thema fortsetzen sollen, eröffne doch bitte einen neuen Thread.
PS. Wenn ich in der vorigen Antwort schrieb, dass Jahwe den Kosmos aus den Händen von El erhielt, dann war das metaphorisch gemeint in dem Sinne, dass ursprünglich El für die Israeliten als Schöpfergott galt und diese Kompetenz erst später auf Jahwe überging.
PS. Mit den Professoren gehst du eindeutig zu hart ins Gericht. Ich habe den Eindruck, du hast ihr Anliegen nicht verstanden. Sie sind doch keine Theologen, die den Theismus verteidigen, sondern Wissenschaftler, die ihn analysieren.