Dualismus in Christentum, Gnosis und Zoroastrismus
Hi FraLang.
Habe die Satansdebatte zwar ausgelöst, aber nicht mehr weiter verfolgt. Bin wieder zurück, um unserem „professionellen Philosophen“ als Zielscheibe für Tintenfasswürfe zur Verfügung zu stehen.
Im AT kennt man diese böse Macht nicht. Daher ist dort Gott alleine für alles Erschaffene verantwortlich, auch für die den Menschen nachteiligen Dinge.
Er kooperiert dort einvernehmlich mit Satan, seinem einfallsreichen Diener, der mit seinen Gehilfen einige von Jahwes Rachegelüsten in die Tat umsetzt. Erst durch den zoroastrischen und wohl auch essenischen Einfluss bildete sich im Judentum die dualistische Funktion des Satans heraus.
Jesus spricht von ‚seinem‘ Vater immer nur im Sinne von guten Dingen, vom stets verzeihenden Gott.
Stimmt so nicht. Einige Jesuszitate (natürlich nachträglich in den Mund dieser hypothetischen Figur gelegt) belegen das Gegenteil (außer man hält Brutalität für ein „gutes Ding“): z.B. in Lk 16,24, Mt 13,42, Mt 25,41, wo der angebliche Friedensbringer Jesus mit Gottes grausamem Zorn droht.
Die Vorstellung vom „guten Gott“ des NT ist nur ein Produkt der christlichen Propaganda, nicht mehr. Faktisch enthält der Text viele Gegenbeispiele.
Nun meine Schematisierung: Das Christentum bezieht sich hauptsächlich auf den guten Gott, der über Jesus aus dem Zoroastrismus kommt.
Ich sehe keinen wesentlichen Unterschied, was die Zwiespältigkeit des Gottes angeht, zwischen dem Gott des AT und des NT. In ersterem liebt Gott (im Prinzip) das erwählte Volk und verdammt (im Prinzip) alle Nichtjuden (die aber auch seine Geschöpfe sind…). In letzterem liebt er alle Gläubigen und verdammt alle Ungläubigen. Der Unterschied liegt nur in der Globalisierung der Zielgruppe (nicht mehr nur Israel, sondern alle Menschen). Das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ ist das gleiche.
Die Idee vom „guten Gott“ ist viel eher in der gnostischen Religion realisiert als im Christentum. Die Gnosis betrachtete Jahwe als „bösen Gott“ und als Demiurgen der Materiewelt und nannte ihn Jaldabaoth. Dessen Glaube, dass es keinen Gott über ihm gäbe, ja dass er der einzige Gott sei, das sei nur seinem Unwissen um seine Herkunft zu verdanken (von der gnostischen Obergöttin Barbelo ohne Paarungspartner geboren). Der „gute Gott“ dagegen ist transzendent und erinnert stark an die mystischen Konzepte der Antike und des Fernen Ostens.
Dass das Christentum den Dualismus von Gott und Satan konzipierte, war eine Weiterentwicklung des jüdischen Satanskonzepts, das sich bekanntlich dem Zoroastrismus verdankt. Das geschah literarisch etwa ab dem 3. Jh. v.u.Z. in den Chroniken.
Das Christentum ist nun einmal komplett synkretistisch: es hat nichts Eigenes entwickelt, alle Komponenten seines Systems stammen aus anderen Religionen.
In der vorzoroastrischen, also vedischen Zeit im Iran gab es erste Vorstellungen einer moralischen Weltordnung, die dann durch Zarathusthra zum rigiden Prinzip eines monotheistischen Systems wurde. In der sarmatischen und alanischen Lehre z.B. erscheint erstmals in der Religionsgeschichte das Motiv des Gerichts über die verstorbenen Seelen. Der Gott Rashnu entscheidet über das weitere Schicksal und schickt die Sünder in den hamestagan, die feurige Hölle, allerdings nur befristet, da alle Seelen am Ende der Zeit in ihren Leibern wiederauferstehen werden.
Was dem späteren dualistischen System des Zoroastrismus zu seinem gewaltigen Einfluss verhalf, waren auch die politischen Zeitumstände. Gerade entstand ein riesiges Reich mit einem unüberschaubaren Polytheismus, der keine klaren moralischen Strukturen erkennen ließ. Da kam Zarathustras Lehre gerade recht: ihre dualistische Struktur hob sie klar von der Struktur ihrer Konkurrenten ab und bot auch die Möglichkeit einer stärkeren moralisch-psychologischen Macht über die Menschen als die mit Opferritualen, starken Drogen und ultrabrutalen Orgien operierende vedische Religion. Nicht dass Zarathustra etwas gegen ekstatische Bewusstseinszustände gehabt hätte – er hatte seine Ideen auch in Trancezuständen entwickelt und bei den skythischen Schamanen das Haschischrauchen kennengelernt -, er hielt die vedischen Exzesse aber für maßlos übertrieben, was sie sicher auch waren.
Seelenheil oder Hölle – das waren nun die Alternativen, die nach dem physischen Tod auf die Menschen zukam. Das ist psychologisch sehr effektiv, wie auch die Geschichte des Christentums beweist, das mit diesem Dualismus lange Zeit das Denken der Menschen verdunkelte.
Chan