Hallo,
Ich beziehe das jetzt nicht auf eine konkrete Aussage, sondern
es ist meine Quintessenz aus deinen Postings, die sinngemäß
lauten: wir leben „eigentlich doch“ im Paradies und den
allermeisten geht es sehr gut. Diejenigen, deren Stimmung
nicht gut ist, haben a) nicht verstanden wie gut es ihnen
geht, b) sind an ihrer Misere selber schuld oder c) sind nicht
motiviert sich zu verbessern und verlassen sich darauf, dass
ihnen im Schlaraffenland alles vorgesetzt werden müsste.
So wird es aber von vielen Menschen nicht erlebt.
das mag schon sein, aber es ist nicht ausgeschlossen, daß da am Maßstab etwas nicht stimmt. Ich kenne durchaus auch Menschen, denen es finanziell schlecht geht, nur höre ich da in den seltensten Fällen, daß daran Dritte (inkl. Staat) schuld sind.
Lebensverhältnissen allein schon um nicht unterzugehen. Es
geht nicht um Aufstieg, um sich mit Leistungen vom
Durchschnitt abzusetzen und sich zu verbessern, das ist oft
kaum zu schaffen.
Klar, nicht von heute auf morgen, aber wieso geht das generell und auf mittlere Sicht nicht?
Hier läuft gesellschaftlich etwas schief und das kann man
schlecht „zurechtargumentieren“. Die Spaltung zwischen arm und
reich wird größer, am Anfang dieses Threads wurde verlinkt,
dass DAX-Vorstände „mal eben“ 20% Gehaltssteigerung seit dem
letzten Jahr haben.
Daß die Einkommen der DAX-Vorstände im letzten und vorletzten Jahr teilweise drastisch gesunken sind, wurde allerdings ohne großen Protest von der Bevölkerung akzeptiert.
Die Bundestagsabgeordneten erhöhen ihre
Diäten - und der „kleine Mann“ siet sowas nicht unter dem
Aspekt, dass es eine moderate Lohnsteigerung von 1% ist und
Führungskräfte oft weit mehr verdienen, sondern die Denke ist:
Arbeitnehmer mit viel geringeren Löhnen haben seit Jahren
Reallohnverluste
Die Abgeordneten leben seit bald 20 Jahren mit Real"lohn"verlusten.
Der Vergleich einer Abgeordneten-Diät muss auch nicht immer
eine Führungskraft in der Wirtschaft sein, es gibt im Land
massenweise Unternehmer / Selbstständige und abhängig
Beschäftigte mit vergleichbarer Verantwortung aber wesentlich
geringeren Gehältern.
Und genauso gibt es Angstellte und Führungskräfte, die ein weitaus höheres Gehalt bekommen.
Die Ansicht, man verdiene im Bundestag
eher unterdurchschnittlich, kommt auf die Perspektive an. Man
kann es auch so sehen, dass dort fürstlich verdient wird.
Klar kann man das so sehen, nur ist halt die Frage, zu welchen Tätigkeiten der Abgeordnetenjob in Konkurrenz steht. Im Moment locken die Diäten vor allem Beamte und öffentlich Bedienstete ins Parlament. Die zweite große Gruppe sind Rechtsanwälte, die ihre Kanzlei nebenbei weiterlaufen lassen können, wenn sie denn groß genug ist, oder bei ausgebliebener Wiederwahl wieder relativ problemlos wieder einsteigen können.
Wenn das die Zusammensetzung des Parlamentes sein soll, das das ganze Volk vertritt, kann man die Diäten so lassen wie sie sind. Ich persönlich hätte gerne eine etwas andere Abgeordnetenstruktur, nur wird sich diese nicht einstellen, wenn die Diäten so bleiben wie sie sind und der Weg ins Parlament so langwierig und steinig bleibt.
Dazu kommen die unsicheren Verhältnisse am Arbeitsmarkt,
Du meinst die auf zunächst vier Jahre befristeten Beschäftigungsverhältnisse der Abgeordneten?
Praktikum" oder andere Dinge sind. Unter dem offiziellen
Deckmantel des Booms in Deutschland versteckt sich, dass am
unteren Ende und bis in die Mitte der gesellschaft hinein
nicht der Eindruck vorherrscht, alles sei doch prima, sondern
es zeigt sich oft Frust, Sorge und Überforderung.
Man kann das immer anhand irgendwelcher Argumentationen
negieren, aber das nützt wenig weil man solche Stimmungsbilder
halt nicht wegdiskutieren kann, es wird in weiten Teilen der
bevölkerung so empfunden. Und irgendwo muss es herkommen.
Das ist richtig, wobei mein Eindruck nicht so ist, daß das eine flächendeckende Stimmung ist. Wie dem auch sei: die Frage stellst Du richtig. Wo kommt das her? Warum ist die Stimmung hier so schlecht, obwohl es Deutschland und den Deutschen vergleichsweise und überdurchschnittlich gut geht und die sozialen Sicherungssysteme die Menschen hier so gut absichern wie sonst nirgends?
Das ist übrigens keine neue Erkenntnis. Schon Mitte der 90er ging der Spruch um, daß die Menschen hierzulande jammern und leiden und das auf dem höchsten Niveau der Welt.
Ich weiß keine Antwort auf die Frage - allenfalls kann ich vermuten, daß unser komfortabler Lebensstil die Ansprüche hat in den Himmel wachsen lassen.
Ich lese zum Wochenende gerne das Gästebuch von
www.presseclub.de zur gleichnamigen Sendung in der ARD. Und da
wird mir klar wie das Stimmungsbild tatsächlich ist, denn da
äußern sich politisch Interessierte und zu 90% sehr kritisch.
Ja, genauso wie die Leserbriefseite im Sat.1-Text. Ich finde beides erschreckend, weil man vielfach schon auf den ersten Blick erkennen kann, daß die Leute nicht wissen, wovon sie reden, und die Fakten nicht kennen bzw. irgendwelche halbgaren Wahrheiten wiedergeben, die sie irgendwo aufgeschnappt haben. Aber warum sollte das da anders sein als hier (wobei ich damit jetzt nicht Dich meine; Du bist ja in der Regel gut informiert).
Mal abgesehen davon, daß ein erheblicher Unterschied zwischen
Mechatroniker und Automechaniker besteht: das hat natürlich
auch mit der Qualität des Outputs zu tun. Die Perlen zwischen
den Graupen zu finden, mutet sich mittlerweile kaum noch ein
Betrieb zu, so daß sich die Anforderungen in vielen
Ausbildungsberufen verschieben.
Aber gesellschaftlich gesehen bleibt damit auch eine große
Gruppe an Verlierern, für die es keine Zukunft gibt. Die
Frage, wo diese Jugendlichen bleiben sollen, wird einfach
nicht beantwortet.
Keine Frage.
Aus Sicht des einzelnen Betriebes ist das Vorgehen zwar
nachvollziehbar, aber gesamtgesellschaftlich müssen Antworten
her, die nicht gegeben werden. Es reicht nicht „fördern und
fordern“ zu postulieren, vor allem Letzteres zu tun und das
Scheitern der ganzen Veranstaltung dann darauf zu schieben,
dass die Leute nicht mitgemacht haben; die eigentliche Frage
ist eher, was an dem Lösungsansatz falsch war wenn er die
Menschen nicht erreicht.
Das ist Deine Sicht, die an sich auch verständlich ist. Meine ist eine andere: man nutze die angebotenen Möglichkeiten und wer das nicht macht, ist selber schuld.
Wie ich schrieb: das, was euphorisch in den Medien und von der
Politik verbreitet wird, ist bei vielen kleinen und mittleren
Unternehmen noch nicht angekommen.
Es wird aber auch nicht ankommen. In 3 Monaten (oder so…)
wird die typische konjunkturelle Wellenbewegung wieder zu
einem Abschwung führen und dann wird das Argument gegen
Lohnerhöhungen und Festeinstellungen sein, dass das in der
abschwächenden Wirtschaftslage natürlich unmöglich sei.
Kein Widerspruch von mir.
Wenn der Boom jetzt nicht zu den Beschäftigten durchdringt -
ja wann soll er es denn sonst tun? Das entlarvt oder bestätigt
diejenigen, die argumentieren, dass der Aufschwung einer für
die Oberschicht sei. Die macht aber den kleineren Teil der
Bevölkerung aus und deswegen können viele das Gerde vom
Aufschwung nicht mehr hören, denn die Lebensrealität der
mehrheitlichen Bevölkerung ist kein Aufschwung.
Das ist ja so nicht richtig. Es gibt Unternehmen und Branchen, denen es jetzt besser geht als 2008 und in denen das auch die Mitarbeiter spüren. Genauso gibt es Unternehmen und Branchen, in denen das nicht der Fall ist und in denen auch die Mitarbeiter nichts vom Aufschwung spüren.
Es ist auch nicht so, daß nur Millionäre und DAX-Vorstände jubilieren. Aufschwung ist nie flächendeckend wie es auch eine Konjunkturdelle nicht ist. Unternehmen bleiben auf der Strecke, andere nutzen Möglichkeiten und wieder andere werden neu gegründet, scheitern oder überleben.
Die Mär vom alle glücklich machenden Aufschwung ist eine Erfindung der Politik und einiger Wirtschaftsforschungsinstitute. Wer so Erwartungen schürt, trägt damit dazu bei, daß Teile der Bevölkerung zu Recht fragen, wo denn ihr persönlicher Aufschwung bleibt.
Die aber dennoch primär in der hoffnungslosen Welt der längt
völlig Abgehängten stattfindet, jedenfalls was Randale auf der
Straße angeht. Wir haben es allerdings zu tun mit einem
Phänomen, das „von oben“ vorgelebt wird: natürlich prügeln
sich „die oberen Zehntausend“ nicht mehrheitlich, aber sie
demonstrieren, dass Ellenbogenmentalität, Egoismus,
Über-Leichen-gehen und Aus-dem-Weg-räumen was die eigenen
Gewinne behindert, offenbar erfolgreich sind. Fressen und
gefressen werden, letztlich, nur dass verschiedene Schichten
das unterschiedlich ausleben.
Das war aber vor 10 oder 50 Jahren nicht anders. Vielleicht ist der entscheidende Unterschied zu damals, daß heute RTL und Konsorten den ganzen Tag über die Welt der Reichen, Schönen und Idioten berichten und nicht wenige meinen, ihnen stünde auch ein Teil des Kuchens zu.
Oder aber es ist einfach so, daß wir uns in einer Zeit befinden, in der der Zentralstaat ausgedient hat und wir in eine Phase der Anarchie eintreten, weil jeder glaubt, er wüßte am besten, wie es richtig zu laufen habe, und daß er sich nehmen kann, was er haben will bzw. zu brauchen meint.
Schwer zu sagen.
machen, bestehen nicht nur aus arbeitslosen, unausgebildeten
Heranwachsenden ohne Perspektive, sondern auch aus Kindern von
gutsituierten Einwanderern der ersten und zweiten Generation.
Klar, das gibt es natürlich. Es stellt aber nicht die Mehrheit
dar. Randale auf der Straße ereignet sich vor allem in
sozialen Brennpunkten - Gegenden, in die nicht einzelne
Verlierer versprengt wurden, sondern Ghettos, wo sich die
Verlierer und Hoffnungslosen zusammenballen.
Randale entsteht hier eigentlich immer nur in der Altstadt, wo sich Besoffene und ein paar Anarchos einen Kick holen, indem sie sich mit 20, 50 oder 100 Leuten gezielt Polizeiwagen, Rettungsfahrzeuge und deren Besatzungen vornehmen.
Auch die klassische Mai-Randale in Hamburg und Berlin, die Chaostage und ähnliche Veranstaltungen werden von semi-professionellen Teilzeit-Gewalttätern geplant und besucht.
Mag sein, daß wir über verschiedene Dinge reden, aber die frustbasierte Gewalt findet eher in der Familie oder unter Nachbarn statt.
Wer da die Ursachen in den sozialen Verhältnissen sucht, ist
auf dem falschen Dampfer.
Es hängt stark zusammen. Wobei es zu einfach ist nur von Geld
zu reden. Es sind allgemein Verhältnisse, in denen einige
Wenige immer exorbitanter zulegen während die große Masse
trotz Arbeitswilligkeit und anfänglicher Motivation irgendwann
wahrnimmt, dass sie ackern können wie sie wollen, sie werden
es doch nie in angenehme, abgesicherte Verhältnisse schaffen.
Daß es eine Oberschicht gibt und ein Teil der Bevölkerung von der Hand in den Mund lebt, ist auch nicht neu und auch deren Anteile an der Bevölkerung hat sich nicht großartig verschoben - wohl aber die Wahrnehmung und ich frage mich immer noch, woran das liegt.
Aus meiner Sicht ist eine Ursache die Berichterstattung, die den Leuten vorgaukelt, in Deutschland lebten hunderttausende auf großem Fuß. Eine andere Ursache ist m.E., daß die Ansprüche gewachsen sind.
Wenn diese Ansprüche nicht erfüllt werden (oder deren Erfüllung dazu führt, daß am Monatsende der Kühlschrank leer ist), folgt daraus natürlich Unzufriedenheit. Wenn nicht absehbar ist, daß sich die Situation bessert, führt das genaus natürlich zu mehr Unzufriedenheit.
Aber da sind wir wieder bei unseren unterschiedlichen Ansätzen: der Staat kann da m.E. nicht viel machen. Er kann Möglichkeiten bereitstellen, aber nutzen muß diese Möglichkeiten jeder selbst. Der Staat kann die Menschen auch nicht irgendwo hintragen, Anträge ausfüllen oder sie mit Sprachkenntnissen impfen.
Er kann die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen schaffen und das macht er auch. Ab da hat es jeder selbst in der Hand.
Gruß
Christian