Zweisprachigkeit
Hallo Michaela,
ich habe hier jetzt nicht alle Beiträge gelesen, das vorweg.
Ich bin selber in Berlin geboren, meine Eltern sprechen hochdeutsch, aufgewachsen bin ich aber in einem Mini-Dorf mitten in der Oberpfalz. Inzwischen habe ich einige Bundesländer durch (Meck-Pomm, Sachsen-Anhalt, Sachsen), bin jetzt in Oberfranken gelandet. Habe einen Sohn, der inzwischen 7 Jahre alt ist und hier in die Schule geht. Das zu meiner Qualifizierung, mich hier zu äußern
Ich weiß also recht genau, von welchem Dialekt Du sprichst, inzwischen muß ich zugeben, habe ich echte Schwierigkeiten, die Leute zuhause zu verstehen, wenn ich mal zu Besuch bin.
Ich bin aber recht unsicher,
wie ich das mal machen soll, wenn ich Kinder hab.
An diesem Punkt habe ich mir eins gegrinst: Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Du Deine Sprache umstellen wirst, sobald Du Kinder hast? Oder dass Du mit Deinen Kindern anders reden wirst als sonst den ganzen Tag? Klingt für mich einfach unrealistisch, den Vorsatz an sich und dass Du Dir über sowas Gedanken machst, nichtsdestotrotz sehr löblich.
Ach ja, dazu muß ich noch bemerken: Ich finde es meist ziemlich lächerlich, wenn man einen urwüchsigen Bayern hört, der sich (hörbar) bemüht, hochdeutsch zu „spreecheen“. Wenn, dann sollte das schon flüssig von den Lippen gehen.
Grundsätzlich zum Dialekt: Ob man ihn mag oder nicht, ist eigentlich nebensächlich, finde ich. Man lebt damit. Unser Kind sächselte schon nach 2 Wochen im Kindergarten in Sachsen, inzwischen fränkelt er - was nun besser ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Auf Nachfrage konnte und kann er (zum Glück) aber immer auch den hochdeutschen Ausdruck, insofern muß ich sagen: Ja, wir haben ihm wohl hochdeutsch richtiggehend „beigebracht“. Auch unser eigener Dialekt ist auf dem Weg durch die Republik fast gänzlich verschwunden.
Meine Schwägerin ist Grundschullehrerin und unterrichtete eine Zeit lang an einer Schule mitten im Fichtelgebirge. Die Aufsätze waren einfach grauenhaft, auf den ersten Blick natürlich lustig. Ich selbst habe auf der Berufsschule Sätze meiner Mitschüler gelesen, die ich für unglaublich hielt. „Nacha zwickt sa se“, Leider wurden die lustigsten Stellen schlicht als Fehler angerechnet.
Und da fängt das Problem an: Dialekt ja, aber das Hochdeutsch ist eben enorm wichtig, um in der Schule, später im Studium und auch im Beruf erfolgreich sein zu können. Deine potenziellen Kinder werden ja evtl. (oder wahrscheinlich) nicht immer im näheren Umkreis bleiben.
Wobei ich sagen muß: Ich finde das immer sehr schön, wenn man noch hört, wo der Gesprächspartner „von wech ist“. Aber die Verständigung sollte nicht drunter leiden. Und ich muß sagen: Wir wurden als Kinder häufig als „Preißen“ gehänselt, später ging mir aber auch das oberpfälzisch relativ leicht von den Lippen, aber ich habe (vor allem in der Schule) immer davon provitiert, dass meine Eltern hochdeutsch mit uns gesprochen haben. Wobei das eben natürlicher Weise so war, nicht -wie in Deinem Fall- bemüht oder künstlich (klingt negativ, so ist es nicht gemeint).
Fazit: Zum Wohle der Kinder ist es bestimmt wichtig, dass Sie hochdeutsch flüssig und sicher beherrschen. Sich selbst dafür zu „verbiegen“ wäre nach meiner Ansicht der falsche Weg. Eher eine Art „Zweisprachigkeit“ zu fördern: Gesprochen werden kann ruhig Dialekt (er gehört einfach dazu und ist ja durchaus erhaltenswert), aber es sollte klar sein, dass man das nicht so schreiben kann, wie man es spricht. Ich meine, Kinder können das ganz gut auseinanderhalten. Viel lesen und vorlesen ist dabei sicher eine sehr große Hilfe. Das Fernsehen würde ich da als eher weniger lehrreich empfinden (Obwohl, Meister Eder und sein Pumuckl würde ja gut ins Bild passen…).
Es gibt mit Sicherheit jede Menge schlauer Leute, die Dir erklären, wie schön und wichtig und von kultureller Bedeutung der Erhalt von Dialekten ist. Das mag schon alles prinzipiell richtig sein, für mich steht hier das Wohl des Kindes an erster Stelle und nicht der unbedingte Erhalt von sprachlichen Eigenheiten, den ich sowieso für ein wenig gekünstelt erachte. Das ist diskussionswürdig, ich weiß, aber das würde hier wohl zu weit führen.
Servus oder Pfiat’ de oder Ade, tschüssle oder ciao
kernig