aion - und ewiges Leben
Hi,
Begriffe wie „ewig“ oder „Ewigkeit“ gibt es weder in der hebräischen Sprache … noch in
der griechischen Sprache …
mit diesem Schnellschuß liegst du leider voll daneben, obwohl man dir zugute halten kann, daß du dich wahrscheinlich von den Fragestellungen
- um den nicht unproblematischen griech. Begriff αιωνιοϛ aionios bzw αιων aion in den ntl. Schriften hast dazu verleiten lassen. Und
- um den hebr. Begriff עלם olam, der ein enorm weites Bedeutungsspektrum hat mit zeitlichen räumlichen und qualitativen (als Intensivum) Varianten, der aber fast an allen Stellen des Tanach in der LXX mit aion bzw aionios wiedergegeben wird.
Das alles auseinanderzuklamüsern, ist aufwändig, und ich täte das hier nur, wenn es für jmd von Interesse ist. Hier nur erstmal zwei spärliche Bemerkungen:
- dt. „ew-“ ist unmittelbar etymologisch verwandt sowohl mit griech. „aio-“ (zoe aionion" ζωη αιωνιον („ewiges Leben“) z.B. in Joh. 17.3 mit gotisch „aiwaino libains“. Und die Variante „… eis ton aiona“ (… (bis) „in das Ewige“) mit „du aiwa“. Also nicht nur wörtlich, sondern Buchstabe für Buchstabe analog. Ob es im Gotischen die Bedeutungsvariante aiwa = „Lebenszeit“, „Zeitalter“, „langer Zeitraum“ wie im Griech. gab, weiß man nicht. Aber im Dt. gibt es sie sogar umgangssprachlich: „Das dauert ja eine Ewigkeit!“.
Jedenfalls sind im griech. aionios wie auch im dt. ewig die Begriffsintensionen „anfangslos“, „endelos“, „zeitlos = immer jetzt“, „ununterbrochen“, „immer“. Jedenfalls ist in allen Bedeutungsvarianten in der gesamten europäischen Philosophiegeschichte, von Heraklit, Platon, Aristoteles, Augustinus, Boethius, Eriugena, Thomas, Cusanus usw. bis incl. Hegel, (um nur einige von die zu nennen, bei denen es Ausführungen über dieses Thema gibt) fast ausnahmslos immer ein Gegensatz zu zeitlichen Bestimmungen („endlos fortgesetzte Zeit“) impliziert. Auch Nietzsche spricht in seinem berühmten Zitat („denn alle Lust will …“) von „tiefer“ Ewigkeit und nicht von „endloser“.
- Der neutestamentliche Begriff „ewiges Leben“, die zoe aionion, ζωη αιωνιον, ist ein spezieller Terminus bzw. Theologoumenone der johanneischen Texte. Von da aus kommt er in die frühe christliche Theologie und Anthzropologie. Er kommt in zwei Varianten im Joh.-Ev. 30 mal vor, im 1.Joh. 7 mal. Zum Vergleich: In den Synoptikern genau je 1 mal, die Wiederholung desselben Satzes nicht eingeschlossen. Er bezieht sich dort auf eine Szene, in der der Begriff von einem Fremden erwähnt wird. Im Römerbrief kommt er 4 mal vor und das ist dann schon im Wesentlichen alles in der ntl. Briefliteratur.
Im AT gibt es ihn z.B. in Gen. 3.22 ואכל וחי לעלם ("… und essen und leben ewig"). Mindestens hier ist „olam“ analog zu „aionios“ gebraucht, und zwar im sinne von „ewig“ als Attribut göttlichen Seins. Ansonsten hat dieses Theologiumenon im Tanach keinen expliziten Platz. Sehr wohl aber in der vorchristlichen jüdischen Apokryphik: Im äth. Henoch ist er explizit ausgeführt. Damit steht die johanneische Literatur ja eh in einem engen Zusammenhang. Vom Henoch geht die Spurensuche dann
- in die griechische Orphik, in der zoe aionion der erhoffte, durch die Initiation erreichte Ausstieg aus dem als Elend empfundenen Kreis der Wiedergeburten (kyklos geneseos) bedeutet: Ebenfalls hier aionios als Ausstieg aus der Zeitlichkeit in die Dimension göttlichen Lebens, genauso wie in der johanneischen Theologie des Joh.-Ev.
- in die awestische Religion des Zarathushtra, in der der „zruvan akarano“, die „ungeschaffene (=anfanglose) Zeit“ eine wesentliche Rolle spielt.
Ansonsten, sofern im NT aion (wie übrigens auch das hebr. olam) in der Bedeutung „Kosmos“, „Weltalter“ verwendet wird (so jedenfalls explizit in den Synoptikern und in der Briefliteratur), redet die (ursprüngliche, antike) christliche Theologie in diesem Zusammenhang von einem Übergang von diesem, jetztigen Aion in ein zukünftiges (aion mellon), in welchem das durch Christus vermittelte Heil des Menschen realisiert werde. Dieses aion mellon ist allerdings als העןלם הבא auch im Tanach ein Terminus der Erwartung des Moschiach.
Dies nur ein paar wenige Anmerkungen zu den vielen Details über den antiken aion(ios)-Begriff. Die Forschungen dazu sind umfangreich und füllen Bibliotheken.
Gruß
Metapher