Liebe Diskutantinnen und Diskutanten,
Liebe Leserinnen und Leser,
ich verfolge hier in diesem Astrologie-Forum die Beiträge schon seit einiger Zeit; verfasste aber bislang noch keinen Beitrag - was sich hiermit ändern soll. Ich nannte den Titel einfach mal „Die Astrologie und ihr Ansehen“, auch wenn hier nicht nur über das Ansehen der Astrologie, sondern auch über das Wesen und den Nutzen der Astrologie geschrieben werden soll. Es tut mir leid, wenn mein Beitrag etwas länger geraten ist, aber es handelt sich ja auch nicht um eine einfache Angelegenheit, die man pauschal beantworten könnte.
Was mir bislang auffiel, ist, dass es einige Leute hier gibt, die gute astrologische Diskussionen leider von vornherein unmöglich machen. Gut, das Diskussionsniveau ist hier in diesem Forum zugegebenermaßen nicht besonders hoch, das liegt meines Erachtens daran, dass sich hier eine Vielzahl astrologischer Laien aufhält und auch jede Menge Kritiker.
Ich selbst bin ja auch kein Astrologe, ich beschäftige mich nur mit Astrologie seit ca. 5 Jahren - aber natürlich interessiert mich nur die richtige, professionelle Astrologie und nicht die Unterhaltungsastrologie, wie man sie in Zeitungen etc. findet. Wenn man sich meinen Lebenslauf ansieht, würde wohl keiner vermuten, dass ich mich für Astrologie interessiere, denn ich komme ursprünglich aus einer ganz anderen Richtung. Ich habe Mathematik und Physik in Köln studiert - das ist schon mehr als 25 Jahre her, wollte danach in der Algebra forschen, habe es mir aber dann doch anders überlegt und verdiente mein Geld in der Wirtschaft. Ich arbeite momentan bei einer großen Bank im Bereich Risikomanagement. Selbstverständlich weiß ich, dass es für die Astrologie keine naturwissenschaftliche, insbesondere keine physikalische Erklärung gibt. Ich würde mich selbst als „vernünftig“ bezeichnen - und meine nahestehenden Bekannten und Verwandten tun dies auch. Was mich vor allem dazu bewogen hat, hier einen Beitrag zu verfassen, ist ein gewisser Frust in mir, weil man heutzutage in der Öffentlichkeit nicht mehr sagen darf, man interessiere sich für Astrologie ohne gleich in eine gewisse Schublade, die ihr sicherlich kennt und die ich hier nicht näher beschreiben brauche, gesteckt zu werden. Ich bilde mir das nicht ein, denn ich habe es schon des Öfteren erlebt!
Für mich sind Naturwissenschaft und Astrologie zwei Welten, die nicht viel miteinander zu tun haben. In der Physik geht es um die reine Beschreibung der unbelebten und belebten Natur durch Zuhilfenahme von Modellen, die man wiederum mathematisch formulieren kann. In der Astrologie hingegen geht es um den Verlauf des Schicksals und das Dasein des Menschen und wie man dies in einem Zusammenhang mit dem Lauf der Gestirne bringen kann. Wie man sehen kann, gibt es da nicht viele Berührungspunkte.
Man sollte Astrologie nicht als Banalität oder Unfug oder reine Unterhaltung abtun, auch wenn es heutzutage üblich ist. Früher wurde Astrologie an den Universitäten gelehrt und hatte ihre Daseinsberechtigung als Wissenschaft. Das ist heute nicht mehr so, denn das Denken der Menschen hat sich stark verändert und zwar dahingehend, dass man sich für die Schicksalshaftigkeit im Allgemeinen nicht mehr interessiert. Das spiegelt sich auch in der Philosophie wieder - das Schicksal ist wohl eines der Themen, das am wenigsten beleuchtet und hinterfragt wird. Ich weiß nicht, woher das kommt - vermutlich liegt es daran, dass der Mensch von heute sein Leben selbst in die Hand nehmen und gestalten will und eine höhere Macht, die sein Leben lenkt, nicht akzeptieren will (auch wenn vieles dafür spricht, dass es so eine Macht in Wirklichkeit gibt) - darum ist es nicht „in Mode“, über das Schicksal zu diskutieren.
Eines will ich noch sagen: Es wird immer wieder das Argument gebracht, dass es bislang noch keine glaubwürdige Studie gibt, die Astrologie „beweist“. Der Grund ist, dass es sehr schwierig ist, zu beweisen, dass Astrologie funktioniert. Dazu muss erst mal festgehalten werden, wie viele verschiedene Einflussfaktoren es in einem Horoskop gibt. Es gibt zehn Planeten in der Astrologie - diese sind in einem Horoskop auf zwölf Tierkreiszeichen verteilt. Zudem betrachtet man noch die Häuser, in denen die Planeten stehen - davon gibt es wieder zwölf verschiedene. Zudem können die Planeten untereinander Aspekte haben (Trigone, Quadrate, Sextile, Konjunktionen,…). Das heißt also, dass es eine Studie, die Menschen gleichen Horoskops miteinander vergleicht, praktisch nicht geben kann, weil die Wahrscheinlichkeit, zwei Menschen zu finden, die das gleiche Horoskop haben, sehr klein ist (bei Zwillingen sieht die Sache sowieso ganz anders aus). Das heißt wiederum, dass sich eine astrologische Studie beschränken muss auf eine Anzahl von astrologischen Einflussfaktoren, die kleiner ist als die Anzahl der tatsächlichen astrologischen Einflussfaktoren. Das heißt aber wiederum, dass die Studie dann ungenau wird, weil sie ja nicht das ganze Horoskop eines Menschen betrachtet. Eine andere Möglichkeit einer Studie könnte allerdings so aussehen: Man lässt einem professionellen Astrologen ein Horoskop einer Person erstellen und stellt ihm daraufhin Fragen über den Horoskopeigner (den er natürlich nicht persönlich kennen darf). Aber dann könnte es sein, dass der Astrologe im Prinzip etwas Richtiges sagt, nur derjenige, der die Antwort auswertet, das Gesagte als falsch interpretiert. Was ich damit sagen will, ist, dass Astrologie auf Symbolik beruht und in der Welt der Bilder und der Symbole gibt es kein richtig oder falsch. Insofern ist die Astrologie keine exakte Wissenschaft und sie wird es vermutlich auch nie werden (Frage hierzu: Sind Theologie und Philosophie exakte Wissenschaften?)
Es gibt allerdings astrologische Systeme bzw. astrologische Schulen, die zumindest versuchen, exakt und detailliert zu arbeiten (z. B. Hamburger Schule, Münchner Rhythmenlehre) - jede auf eine andere Art und Weise. Aber trotzdem haben sie noch kein „Axiomensystem“, keine klaren Definitionen. Ich habe den Eindruck, dass die Deutung immer irgendwie von demjenigen abhängig ist, der eben deutet. Das darf es aber nicht - wenn zwei verschiedene Astrologen derselben Schule ein Horoskop deuten, dann müssen sie zum gleichen Ergebnis kommen. Und da das offensichtlich nicht der Fall ist, sind die Systeme noch zu wenig ausgereift. Bei der Münchner Rhythmenlehre von Wolfgang Döbereiner habe ich den Eindruck, dass es ein System ist, welches schon über die Astrologie hinausgeht und zwar in Richtung Philosophie/Metaphysik. Trotzdem steht das System auf wackeligen Beinen, von den anderen Systemen (insbesondere der sog. „klassischen Astrologie“) ganz zu schweigen. In der Tat - die Astrologie steckt heute noch in den Kinderschuhen. Es ist das gleiche wie in der Mathematik: Wenn man mal die unbefangene Art, mit der man im 17./18. Jahrhundert noch Analysis trieb, betrachtet, dann staunt man nicht schlecht. Mit unendlichen Reihen wurde wie mit endlichen Summen gerechnet - über Konvergenz und Divergenz machte man sich keine großen Gedanken. Auch die Sichtweise, Potenzreihen als Polynome unendlichen Grades aufzufassen, war ganz üblich. Indem man formal dividierte, gewann man die Beziehung 1/(1+x) = 1-x+x^2-x^3±…und Prof. Grandi (1671-1742) setzte für x =1 und erhielt durch geschickte Beklammerung 0=1/2. Das war aber für ihn und für andere Denker damals kein Widerspruch, sondern er fasste es als Möglichkeit Gottes auf, die Welt aus dem Nichts zu erschaffen. Diesen Gedanken teilte er sogar Leibniz mit, und Leibniz war fasziniert und setzte noch eins drauf: Er sagte, da 1-1+1-1+1-+… die Teilsummen 0 und 1 ergeben würden, hätten die Werte 0 und 1 die gleiche Wahrscheinlichkeit, woraufhin er meinte, dass die goldene Mitte, nämlich 1/2, richtig sei. Auch Bernoulli und Euler spielten in diesem Sinne mit der Mathematik, sie hatten einen unbefangenen Umgang mit ihr. Natürlich muss man dazu sagen, dass das Genies waren. Es erscheint grotesk, aber, auch wenn sie formal falsch rechneten, kamen sie erstaunlicherweise (durch ihre überragende mathematische Intuition) oft zum richtigen Ergebnis. Was ich damit sagen will: Auch die Astrologie von heute ist noch genau so „unterentwickelt“ wie die Mathematik von damals. Wenn man allerdings betrachtet, was aus der Mathematik von damals geworden ist - eine überragende, exakte und abstrakte Wissenschaft - könnte das genauso gut mit der Astrologie passieren, auch wenn es heute keiner für möglich hält. Newton hätte es damals auch nicht für möglich gehalten, dass irgendwann einmal Quantenmechanik betrieben wird. Ich weiß intuitiv, dass das Potential in der Astrologie da ist - nur, es wird nicht ausgenutzt, da in der Astrologie heutzutage nicht mehr, zumindest von „offizieller“ Seite nicht mehr, geforscht wird.
Ich bin gerne für Diskussionen, die die Astrologie betreffen, offen. Ich fände es auch nicht schlecht, wenn sich an der Diskussionskultur im Allgemeinen hier etwas ändern würde und wenn auch das Ansehen der Astrologie in der Öffentlichkeit ein wenig besser wäre, was ich leider nur wenig beeinflussen kann.
Beste Grüße,
Edgar