Die neue Grundsteuer und die Aufkommensneutralität

So, nun trudeln allmählich bei den Steuerzahlern die neuen Grundsteuerbescheide ein.

Dass es aufgrund der Neubewertung der Immobilien teurer werden würde, dies hatte ich schon vorausgesehen. Aber irgendwie hatte ich gehofft, dass der Betrag etwas abgemildert werden würde durch eine entsprechende Senkung des Hebesatzes, um die irgendwann mal geäußerte „Aufkommensneutralität“ (https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2019/07/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-1-grundsteuerreform.html) zu erreichen. Stattdessen wurde bei uns (eine kleine Kreisstadt in Brandenburg) zusätzlich der Hebesatz angehoben - so dass normale Eigenheimbesitzer nunmehr fast das Dreifache des vorherigen Betrages berappen dürfen.
In meiner (zugegebenermaßen nichtrepräsentativen) Umfrage unter Nachbarn, Bekannten und Verwandten gab es nicht einen Steuerzahler, der durch die Grundsteuerreform weniger zahlen muss.
Wenn ich das ganze juristische Kostrukt richtig verstehe, kann man als „kleiner Mann am Ende der Zahlkette“ auch gar nicht dagegen vorgehen, denn das Ziel der Aufkommensneutralität ist nicht Bestandteil des Gesetzes. Somit können die Gemeinden machen, was sie wollen. Ich verstehe ja, dass diese meist finanziell auch eher klamm sind und daher ihre Einnahmen erhöhen wollen, wo es geht, aber das ist wieder mal so typisch - das Erhöhen klappt immer, und anderweitige Aussagen spielen am Ende keine Rolle mehr.

Ein besseres Beispiel scheint Berlin zu sein - obwohl bekanntlich finanziell auch nicht gerade üppig ausgestattet, wurden hier die Hebesätze vorbildlich gesenkt!

Wie ist es denn so in anderen Gegenden?

Die gilt nicht für jeden Steuerpflichtigen, sondern je Gemeinde/Stadt. Und nun haben wir das Problem, dass die Realität leider kein Labor ist. Mit anderen Worten:

  • Die Menschen, deren Grundsteuerbelastung nun gesunken ist, traben nicht ins Internetz und zu ihren Nachbarn, Verwandten, Freunden und Kollegen und beklagen sich darüber, dass die Grundsteuer gesunken ist. Es gibt also eine ganz erhebliche Verschiebung der Wahrnehmung.
  • Von einem eventuellen Anstieg betroffen sind vor allem Menschen, die in neueren Immobilien wohnen, was wiederum tendenziell jüngere Menschen sind, die ebenfalls eher Zugang zum Internet haben und diesen dafür nutzen, sich aufzuregen.
  • Die Städte/Gemeinden haben nicht nur auf die Aufkommensneutralität zu achten, sondern auch auf ihren Haushalt. Da die Zeiten gerade nicht rosig sind, erhöhen viele Städte/Gemeinden ihre Hebesätze (was letztlich die wenigen steuerlichen Stellschrauben sind, die sie haben) und natürlich erhöhen sie die Grundsteuerhebesätze als den Gewerbesteuerhebesatz, weil die wenigsten Hausbesitzer ihr Haus nehmen und in eine andere Stadt/Gemeinde tragen können, Unternehmen sich aber sehr wohl umsiedeln können.

Das hat aber auch damit zu tun, dass Berlin vom Bundesmodell besonders profitiert, weil natürlich alle Faktoren, die da eine Rolle spielen, in den letzten 30 Jahren förmlich explodiert sind. Deswegen kann man den Hebesatz reduzieren, ohne auf Einnahmen im Vergleich zu vorher verzichten zu müssen.

Gruß
C.

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Hallo,
wir wohnen in Hessen - ich weiß zwar nicht genau, wie und warum, aber es scheint hier anders zu laufen als in vielen anderen Bundesländern. Bei uns ist es so, dass wir zu denen gehören, die nun weniger zahlen als vorher und dies, obwohl der Hebesatz unserer Stadt auf 850 angehoben wurde, also wesentlich höher als in 2024 ist. Allerdings wurde unser Messbetrag durch das Finanzamt gesenkt, sodass es eben zu einer Senkung insgesamt kam, zwar „nur“ 11,00 €, aber Kleinvieh macht auch Mist.
Gruss
Czauderna

Bei uns auch weniger. Gemeinde hat Hebesätze nicht verändert. Bürgermeister will gerne wieder gewählt werden und Gemeinde ist relativ schuldenfrei.

Diese Theorie basiert worauf genau? Ich glaube kaum, dass man das so pauschal behaupten sollte.

Unsere (zugegebenermaßen bisher ziemlich niedrige) Grundsteuer hat sich fast verdreifacht, Haus Baujahr 1859. Bekannte von uns, selber Ort, Haus max. 30 Jahre alt, zahlen 20-25 % weniger als vorher. Ein Kollege von mir, Haus noch neuer als das von den Bekannten, hat zwar noch keinen Bescheid bekommen, zahlte aber bisher über 1000 Euro/Jahr. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es da noch teurer wird.

Wow.:scream:

Auf den Berechnungsmethoden und was in diese einfließt.

Bei uns ca. ein Drittel teurer geworden - älteres Haus.

Du kannst die Hebesätze nicht als Anhaltspunkt zum Vorher-Nachher-Vergleich heranziehen.

Ab 2025 gilt in NRW für Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungseigentum:
Grundsteuerwert * 0,31‰ * Hebesatz%

Bis 2024 galt für ein Einfamilienhaus für die ersten 75000 DM Einheitswert:
Einheitswert * 2,6 ‰ * Hebesatz %
Für den 75000 DM übersteigenden Wert:
Einheitswert * 3,5 ‰ * Hebesatz %

Du hast also bereits eine rund zehnmal höhere Messzahl gehabt.
Nun hast du realistischere Grundsteuerwerte (höher), eine geringere Grundsteuermesszahl und daraus eben andere Hebesätze.

Jede Gemeinde sollte am Ende dasselbe Geld im Topf haben. Wer zuvor von einem unrealistisch niedrigen Einheitswert profitierte, wird nun deutlich mehr bezahlen.

Es ist aber den Gemeinden erlaubt, den Hebesatz auch so anzupassen, dass mehr als früher in der Stadtkasse landet.

Servus,

hier in vorgeschobenem Posten, äußerster Nordwestzipfel von Baden-Württemberg, zahle ich ungefähr halb so viel wie bisher - nach wie vor ein Betrag, den ich unter Hintergrundrauschen subsumieren täte, weil es zich andere Faktoren gibt, die viel stärkeren Einfluss drauf haben, was eine Eigentumswohnung im laufenden Betrieb kostet.

Dass das noch weniger geworden ist, scheint mir mit dem strikten Bezug der neuen Berechnung des Messbetrags auf anteilige Grundfläche zu tun zu haben: Das ist anteilig halt nicht besonders viel, wenn auf dem Grundstück ein Haus mit sechzehn Wohnungen drinne steht.

Die frühere Berechnung mit einem vereinfachten Ertragswertverfahren war m.E. besser dafür geeignet, den Wert des Objektes darzustellen.

Schöne Grüße

MM

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stimmt so allgemein nicht. Ich bezahle nun ca. 100 Euro weniger im Jahr und ich weiß, dass ich da nicht alleine bin.

Ich zahle jetzt stark 1/3 weniger :woman_shrugging:t3: es war aber auch vorher schon nicht wirklich teuer (Einfamilienhaus Baujahr 2004 auf einem winzig kleine Grundstück) in einer kleinen Gemeinde zwischen zwei Großstädten im badischen Nirgendwo - die scheinen kein Geld zu brauchen.

hat unser noch-Bundeskanzler Olaf Scholz damals in seiner Rede als Bundesminister der Finanzen zum Grundsteuer-Reformgesetz vor dem Deutschen Bundestag am 27. Juni 2019 in Berlin in seiner gewohnt undurchsichtigen schwammigen Art, die ihn nicht dem Vorwurf der Vergesslichkeit aussetzen wird, analog einem Norbert Blümschen „Die Rente ist sicher“ im Wortlaut wie folgt charakterisiert:

Aus meiner Sicht ist aber auch klar: Das Steueraufkommen insgesamt soll dadurch nicht steigen.

Damit ist ja wohl alles gesagt.

Ich habe sowohl eine Erhöhung des FA-Messbetrags als auch des gemeindlichen Hebesatzes zu tragen, in Summe ca. + 33%. Was ich wie folgt kommentieren möchte:

  1. Die Erhöhung ist seit 20 Jahren die zweite, die erste war sehr sehr gering ==> quasi über die gesamte Laufzeit betrachtet inflationstechnisch ein Schnäppchen.
  2. Die Tatsache, dass ich für ein bereits aus steuerreduziertem Einkommen gekauftes Eigentum Tag für Tag erneut Steuern zahlen muss, ist grundsätzlich nicht nachvollziehbar. Eben so gut könnte man ähnliche Steuern auf Möbel, KFZ, Bodenbeläge oder die Atemluft im Haus verlangen.

Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich.

Auf KFZ werden Steuern verlangt, auf den für deren Betrieb erforderlichen Sprit auch, genauso wie wahrscheinlich auf das Heizmaterial für die heiße Luft in deinem Haus …es sei denn, du hast eine wie auch immer geartete Steuerbefreiung für das alles

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Was hätte er denn sonst sagen sollen? Darf nicht? Wie soll er das sicherstellen? Die Städte legen die Hebesätze fest und die Länder das Verfahren. Der Bund hat damit eher wenig zu tun. Außerdem - und das erwähnte ich eingangs - ist die Welt ja kein Labor, in dem man einfach mal einen kleinen Parameter ändert und dann schaut, was passiert. Außerdem finden auch ohne die Neuregelung der Grundsteuer Änderungen der Hebesätze statt. Vergleiche zu vorher sind dann auch von eingeschränkter Aussagekraft.

Merkste selbst, oder?

Man zahlt übrigens auch Steuern auf Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften - also z.B. von Wertpapieren, Immobilien usw. Die Besteuerung von Substanz findet auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer statt.

Deine Aussage lautet letztlich „ich will keine jährlichen Steuern auf meine Immobilie bezahlen“. Deine Begründungen, warum ausgerechnet eine Steuer auf Immobilien falsch oder ungerecht oder was auch immer ist, sind nicht stringent. Weder die jährliche Besteuerung eines Vermögensgegenstandes noch die Besteuerung von etwas, das man aus versteuertem Einkommen gekauft hat, ist etwas besonderes.

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Stimmt, KFZ-Steuer hatte ich gerade nicht auf dem Schirm. Bei den anderen sehe ich den Vergleich jetzt nicht so, deren Besitz wird imho nicht weiter besteuert.

Wie gesagt: Du erzeugst mutwillig eine Besonderheit der Grundsteuer, die so nicht existiert. Es gibt andere Steuern auf die Substanz, es gibt andere Steuern, bei denen versteuertes Geld wieder besteuert wird, es gibt jährliche Steuern auf Vermögensgegenstände. Und es ist eben auch nicht so, dass die Grundsteuer ein spezifisch deutsches Thema wäre. Es gibt sie praktisch in jedem westlichen Land.

Im Klartext hat Berlin 2023 3,8 Milliarden Finanzausgleich kassiert. Da kann man natürlich großzügige Regelungen praktizieren.
Udo

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, nämlich immerhin das, dass Du weder von der Grundsteuer selbst (und den mit ihr zusammenhängenden Kompetenzen), noch von den früheren, bisherigen und jetzigen Bewertungsverfahren - d.h. vom gesamten hier besprochenen Thema - irgendeine Ahnung hast.

Das wäre anompfirsich nicht schlimm - aber diese Ahnungslosigkeit als der Weisheit letzten Schluss zu verkaufen, ist ganz schön dreist.

Findet

MM

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Das ist doch der eigentliche Kern des Themas: Die nicht umsonst schwammige Aussage des Bundeskanzlers hätte er sich besser gleich sparen sollen, weil es schlicht und ergreifend nicht in der Kompetenz des Bundes liegt, was der Immobilieneigentümer am Ende des Tages zu zahlen hat. So war das eine nur schlecht vertuschte Augenwischerei. Die richtige und ehrliche Formulierung wäre gewesen, dass aufgrund der neuen Regelungen die steuerliche Bewertungen von Immobilien zwar für sich genommen zu einem theoretisch vergleichbaren Steueraufkommen führen könnte, die Bundesregierung aber keine Kompetenz und keinen Einfluss darauf hat, wie sich die tatsächliche Grundsteuerlast entwickeln wird.

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Hei jo, nun ist es aber natürlich schon so, dass der Bund nicht einfach die Änderung des Grundsteuergesetzes beschlossen hat und das aus dem einfachen Grunde, weil der Bundesrat am Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist und da hat es sich halt bewährt, wenn man sich vorher mit den Länderfürsten vorher auf eine gemeinsame Linie einschwingt, die da besagt: * Das Steueraufkommen insgesamt soll dadurch nicht steigen.*

Also hat Scholz genau das gesagt, auf das man sich in der großen Runde vor gut fünf Jahren geeinigt hat.