Die Physiker, meine Frau, mein Nachbar und ich

Leider (fast) alle daneben…
Hallo,

der Nachbar hat recht.
Unser alter Herr Lilienthal hat diese Zusammenhänge vermutlich als
erster genau untersucht und erklärt.
Eigentlich gar nicht so schwer, nur etwas komplex und ohne Tafel /
Graphik auch schlecht erklärbar.
Formeln bringen hier nichts, ich will mal eine
populärwissenschaftliche Erklärung versuchen. Hoffentlich klappts.

Um von einer bestimmten Höhe nach unten zu kommen, gibt es unendlich
viele Möglichkeiten. Die schnellste ist der senkrechte Sturz. Das hat
aber mit dem Fliegen und Aerodynamik nichts zu tun. Ich betrachte
jetzt die Möglichkeit, die ich in der Original-Frage sehe.

Vorausgesetzt ist :
Zwei baugleiche Flugzeuge. Gleiche Höhe. Gewichtsunterschied, eines
ist leicht, das andere schwer.
Jetzt setzten bei beiden die Triebwerke aus. Sie wollen beide die
zwangsläufige Landung so lange wie möglich hinauszögern.
Der Herr Lilienthal hat jetzt diese Zusammenhänge in einem
Auftriebs(Ca)- / Widerstands(Cw)- Diagramm, der Polare, dargestellt.

Will man den Auftrieb so groß wie das Gewicht halten, muß man einen
bestimmten Anstellwinkel der Tragfläche haben. Zu diesem Winkel
gehört ein bestimmter Widerstand. Da die Vortriebsleistung zum
Überwinden des Widerstandes fehlt, wird das Flugzeug langsamer. Damit
auch der Auftrieb bei diesem Winkel. Um die Flughöhe zu halten, müßte
der Anstellwinkel jetzt kontinuierlich mit Abnahme der
Geschwindigkeit vergrößert werden. Dies geht aber nur bis zu einem
bestimmtem Punkt, an dem dann die Luftströmung nicht mehr der
Tragflächenkontur folgen kann. Dann sagt man : die Strömung reißt ab.
Plumps.
Also kann ein Flugzeug ohne Energiezufuhr nicht die Höhe konstant
halten. (Energiezufuhr kann auch durch Thermik erfolgen =
Segelflugzeug)
Um jetzt solange wie möglich in der Luft zu bleiben, muß man einen
Anstellwinkel wählen, an dem der Widerstand im Verhältnis zum
Auftrieb am kleinsten ist. Das bedeutet, der Auftrieb ist jetzt
kleiner als das Gewicht und es geht abwärts. Aber langsam…
Wenn Cw zu Ca gleich minimum ist, dann hat man den Punkt des besten
Gleitens (max range). Aus der Polare des Tragflügels kann man jetzt
den dazugehörigen Anstellwinkel ablesen.
Wenn Cw gleich minimum ist, dann hat man den Punkt der größten
Flugzeit (max endurance). Aus der Polare des Tragflügels kann man
jetzt den dazugehörigen Anstellwinkel ablesen.
Daraus kann man entnehmen, daß bei einem schwereren Flugzeug der
Gleitwinkel flacher ist und es also länger in der Luft bleiben kann.

Man kann auch ganz einfach sagen, für ein schwereres Flugzeug
benötigt man mehr Energie als für ein leichtes, um es auf gleiche
Höhe zu bringen. Damit enthält das schwerere Flugzeug mehr
potentielle Energie, die man in längere Flugzeit oder auch größere
Reichweite umsetzen kann. Nur die geflogenen Geschwindigkeiten sind
dann eben unterschiedlich. Die potentielle Energie entspricht dann
einfach Kraftstoffenergie.

Deshalb nehmen Segelflugzeuge für Streckenflüge Wasserballast mit.
Und damit sie dann endlich mal landen können, wird der vor der
Landung abgelassen. :smile:

Verkehrsflugzeuge haben etwa eine Gleitzahl 25, die neuen Airbusse
etwa 30. Das heißt, aus der Reiseflughöhe von rund 10km kommen sie
bei Triebwerksausfall etwa 250 km weit und brauchen dafür rund eine
halbe Stunde.

Hoffe, ich konnte helfen
Gruß
TeeBird

Eine Frage bleibt noch…
Hi Teebird,

Daraus kann man entnehmen, daß bei einem schwereren Flugzeug der
Gleitwinkel flacher ist und es also länger in der Luft bleiben kann.

Warum werden Segelflugzeuge nicht aus Beton und Eisen, sondern aus Holz und Stoff gebaut? (heutzutage wohl eher aus GFK, aber darauf kommt’s nicht an).

Gruß Ralf

Segelflieger aus Beton mit Viagra
Hi,

auch wenn ich die ursprüngliche Frage gestellt habe (und ganz interessiert die Antworten lese) glaube ich, Deine Frage beantworten zu können.

Wenn man mal die Theorie von TeeBird/Nachbar als gegeben annimmt, wäre IN DER LUFT ein Beton-Segelflugzeug also besser als eins aus Pappmaché.

Aber, flapsig ausgedrückt : da wirst Du keinen hoch kriegen…

Gruss Hans-Jürgen
***

Hi,

Warum werden Segelflugzeuge nicht aus Beton und Eisen, sondern
aus Holz und Stoff gebaut?

Weil die dann so schwer würden, dass sie, vorausgesetzt man bringt sie überhaupt in die Luft, extrem schnell segeln würden. Von gemütlichem Fliegen wäre keine Rede mehr. Dies würde ganz andere Forderungen an den Piloten stellen. Das wäre kein Hobbylevel mehr.

Gruss,

Hallo,

zusätzlich zu den anderen Antworten würde ich noch vermuten, daß die Thermik beim Segelflug ganz wesentlich beteiligt ist und die nur von sehr leichten Seglern adäquat genutzt werden kann. Immerhin besteht ein wesentlicher Teil des Segelfliegens ja nicht nur im Sink-Gleitflug, sondern eben auch im „Thermikkreisen“ oder wie man das nennt.

Gruß
Jochen

Zweite Antwort
Hi Ralf,
shit - ich vergaß zu erwähnen, daß natürlich bei einem leichteren
Flugzeug der notwendige Ca auch kleiner ist und damit ebenfalls der
Cw. Oder hätte man das doch herauslesen können?
Das heißt mit anderen Worten, der Wirkungsgrad ist hier besser. Aber
die Gesamtenergie kleiner, heißt also kleinere Reichweite / Flugzeit.

Also Segelflugzeug :
Rekordweiten fliegen : Segler aus Beton mit Blei-, besser
Urangewichten bauen. Dann ist natürlich eine immense Energie
notwendig, um auf Höhe zu kommen. Energiezufuhr notwendigerweise
groß. Das bringt aber die Schönwetterthermik in der Regel nicht.
Zum Thermikkreisen nehmen wir also ein ganz leichtes Flugzeug, weil
uns der kleinste Thermikhauch ja in der Luft halten soll. Notwendige
Energiezufuhr wg. niedrigem Gewicht und besserem Wirkungsgrad jetzt
eheblich kleiner.

Verkehrsflugzeug :
Da kann man sich die günstigste Konfiguration leider nicht aussuchen.
Die Militärs könnten jetzt :smile: natürlich schnell einen Tanker an ein
in Luftnotlage geratenen Militärfrachter schicken und Sprit
nachfüllen. Durch die dann zugeführte potentielle Energie kann er den
Flughafen auch in 1000 km noch erreichen. :smile:)

Habe ich jetzt die letzten Unklarheiten beseitigen können?
Sonst bin ich leider erstmal ratlos und muß mir eine andere
Erklärensweise ausdenken.
Gruß
TeeBird

Hi Teebird,

Daraus kann man entnehmen, daß bei einem schwereren Flugzeug
der Gleitwinkel flacher ist und es also länger in der Luft bleiben
kann.

Warum werden Segelflugzeuge nicht aus Beton und Eisen,
sondern aus Holz und Stoff gebaut? (heutzutage wohl eher aus GFK,
aber arauf kommt’s nicht an).

Gruß Ralf

Hallo helge,
nicht nur weil es ungemütlich ist - es geht gar nicht. Der kleine
Thermikschlauch hält Dein schweres Flugzeug nicht oben.
Siehe noch meine Antwort von 11;23
Gruß
TeeBird

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

dann noch was…
Hi Ralf,

sondern aus Holz und Stoff gebaut? (heutzutage wohl eher aus GFK,
aber arauf kommt’s nicht an).

Dies ist der beste Weg. So kann man mit der leichten Maschine
wunderbar Thermikkreisen und bei Bedarf für die Langstrecke Wasser
auffüllen. (Obwohl Quecksilber dann besser wäre - aber dann haben wir
wieder Strukturprobleme (Grün nicht vergessen!)
Es ist wie alles im Leben also ein kompromiß.
Holm- & Rippenbruch
TeeBird

Hi,

Es befinden sich zwei baugleiche Flugzeuge in der Luft, in
derselben Höhe. Das eine ist doppelt schwer wie das andere.
Nun setzen bei beiden Flugzeugen gleichzeitig alle Triebwerke
aus. Welches bleibt (segelnd) länger in der Luft ?

Sehr interessantes Problem. Ich denke, das ist mit den gegebenen
Informationen nicht entscheidbar, da ungenannte Faktoren (wie
im Thread angesprochen, Auftrieb, totale Masse, Geschwindigkeit,
Luftwiderstand) das Resultat umkehren können.

Die „Meinungen“ (Physiker, Frau, Nachbar) im obigen Posting
entsprechen ja verschiedenen Grenzfällen in der Parametrisierung
der ballisischen Modellvorstellung.

Man sollte also Grenzfälle definieren. Wodurch ist die
restliche Flugbewegung dominiert? Erst dann kann man
eine Antwort geben.

Aus einem Grenzfall könnte man eine vereinfachte Frage-
stellung für das Problem gewinnen:

Es werden zwei Artilleriegranaten gleichen Kalibers und
gleicher Hüllform mit gleicher v0 = 500m/s in gleichem Winkel
(0°, horizontal) von einer Anhöhe (h0 = 100m) abgefeuert. 
**Die eine Granate ist doppelt schwer wie die andere**.
Welche Granate bleibt länger (t1) in der Luft bis zum Aufschlag.

In diesem Grenzfall ist die Anzahl der Parameter, die die
Flugbahn dominieren, reduziert.

Das sollte mein Senf zum Thema gewesen sein :wink:

Euer CMБ

Hallo,

Andererseits, wenn das „Flugzeug“ extrem ungünsig gebaut ist
(z.B. kugelförmig), dann fliegt das weiter, das den größten
Impulsvorrat hat. Sprich: dasjenige, das am schwersten ist.
Deshalb fliegt ein mit Wasser gefüllter Tischtennisball ja
auch weiter als ein leerer - wurde unten auch schon gesagt.

das kann so nicht hinhauen. Die Frage war, welches länger in der Luft bleibt.
Klar, wenn ich eine Stahlkugel mit Dynamit senkrecht nach oben schiesse, bleibt die länger als ein geworfener Tischtennisball. Gleiche Geschwindigkeiten aber mal vorausgesetzt, ists eindeutig der leichtere, der aufgrund des Auftriebs länger oben bleibt.

Gruß

Gleiche Geschwindigkeiten aber mal
vorausgesetzt, ists eindeutig der leichtere, der aufgrund des
Auftriebs länger oben bleibt.

Im Falle der unterschiedlichen schweren Tischtennisbälle ist doch die Abwurfgeschwindigkeit gleich, trotzdem fliegt die schwerere weiter.
Wie gesagt, gilt das wenn durch die Form der Auftrieb zu vernachlässigen ist…

Lieber CM?
die finde ich lustig

Es werden zwei Artilleriegranaten gleichen Kalibers
und gleicher Hüllform mit gleicher v0 = 500m/s in
gleichem Winkel (0°, horizontal) von einer Anhöhe
(h0 = 100m) abgefeuert.
Die eine Granate ist doppelt schwer wie die andere.
Welche Granate bleibt länger (t1) in der Luft bis
zum Aufschlag.

Selbstverständlich die leichtere.
Soll ich Dir schreiben weshalb?

Also, unter realen Bedingungen!

Dein TeeBird

Hallo TeeBird!

die finde ich lustig

Es werden zwei Artilleriegranaten gleichen Kalibers
und gleicher Hüllform mit gleicher v0 = 500m/s in
gleichem Winkel (0°, horizontal) von einer Anhöhe
(h0 = 100m) abgefeuert.
Die eine Granate ist doppelt schwer wie die andere.
Welche Granate bleibt länger (t1) in der Luft bis
zum Aufschlag.

Selbstverständlich die leichtere.
Soll ich Dir schreiben weshalb?

Selbst wenn das Semjon nicht interessieren sollte: Mich interessiert’s. Also immer her mit der Begründung.

Danke
Martin

Na gut
Hallo Martin,

Zuerst stellen wir uns dieses Experiment im Vacuum vor.
Dann kommen beide gleichzeitig am Boden an. Dieses entspricht dem
klassischen Experiment aus dem Mittelalter und wird dieser Tage
eventuell gekippt. Die Versuche laufen noch. Aber bisher ist das so.
Man kann auch eine Granate abschiessen und die andere dann
gleichzeitig daneben einfach fallen lassen. Ändert nichts. Kommen
immer noch gleichzeitig an, nur mit horizentalem Abstand.

Da wir aber reale Bedingungen haben, also

  • Artilleriegranaten, die mit Drall fliegen (gezogenes Rohr mit
    Feldern und Zügen oder Glattrohr und dann Leitflächen an der Granate)
    (geht nicht anders, da sonst keine stabile Lage und sie fangen an
    zu taumeln)
  • Atmosphäre
    passiert folgendes :
    Beide Geschosse haben mit gleicher Pulverladung und gleicher Erhöhung
    den gleichen Anfangsimpuls mitbekommen. Das schwerere Geschoß dürfte
    jetzt eine niedrigere Vo haben. Aber das spielt hier keine Rolle.
    Wichtig ist der Magnus-Effekt. Beide Geschosse haben den gleichen
    Drall und damit den gleichen Auftrieb und Widerstand Ca / Cw. Das
    leichtere Geschoß wird also durch den Auftrieb länger und höher
    getragen als das schwerere. Bleibt also länger oben.

Jetzt könnte noch ein Mathe oder Phys Spezi kommen und das ganze dann
korrekt mit Formeln vorrechnen. Ich müßte erst wieder in 35 Jahre
alten Unterlagen kramen.

Bitte
TeeBird

2 Like

Hallo Martin,

Zuerst stellen wir uns dieses Experiment im Vacuum vor.
Dann kommen beide gleichzeitig am Boden an.

So weit so klar…

Kommen
immer noch gleichzeitig an, nur mit horizentalem Abstand.

Verstehe ich auch noch.

Beide Geschosse haben mit gleicher Pulverladung und gleicher
Erhöhung
den gleichen Anfangsimpuls mitbekommen. Das schwerere Geschoß
dürfte
jetzt eine niedrigere Vo haben. Aber das spielt hier keine
Rolle.

In der „Versuchsanordnung“ von Semjon sollten die beide die gleich v0 haben.

Wichtig ist der Magnus-Effekt. Beide Geschosse haben den
gleichen
Drall und damit den gleichen Auftrieb und Widerstand Ca / Cw.
Das
leichtere Geschoß wird also durch den Auftrieb länger und
höher
getragen als das schwerere.

Auch das ist mir jetzt klar. Weil aber Cw das Geschoss bremst und das schwerere einen grösseren Impuls hat sollte es zwar früher am Boden sein, aber dabei uU weiter geflogen sein, oder hab’ ich da jetzt schon wieder einen Denkfehler drin?

Jetzt könnte noch ein Mathe oder Phys Spezi kommen und das
ganze dann
korrekt mit Formeln vorrechnen. Ich müßte erst wieder in 35
Jahre
alten Unterlagen kramen.

Das darfst du dir gerne ersparen. Soooo wichtig ist es mir dann auch wieder nicht :wink:

Gruß
Martin

Hallo Martin,

den gleichen Anfangsimpuls mitbekommen. Das schwerere Geschoß
dürfte
jetzt eine niedrigere Vo haben. Aber das spielt hier keine
Rolle.

In der „Versuchsanordnung“ von Semjon sollten die beide die
gleich v0 haben.

Das hab ich glatt verschwitzt / nicht dran gedacht. Wenn ich das
jetzt betrachte, meine ich, am nachfolgenden Ergebnis ändert sich
aber nichts.

Wichtig ist der Magnus-Effekt. Beide Geschosse haben den
gleichen
Drall und damit den gleichen Auftrieb und Widerstand Ca / Cw.
Das
leichtere Geschoß wird also durch den Auftrieb länger und
höher
getragen als das schwerere.

Auch das ist mir jetzt klar. Weil aber Cw das Geschoss bremst
und das schwerere einen grösseren Impuls hat sollte es zwar
früher am Boden sein, aber dabei uU weiter geflogen sein, oder
hab’ ich da jetzt schon wieder einen Denkfehler drin?

Früher am Boden (wg. doppelter Masse und gleichem Ca)
und weiter geflogen (gleiche Vnull bei doppelter Masse)
sehe ich auch so.

Gruß
TeeBird

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datt Drampeltier hat Recht +G+
Betrachten wir den „Kräftehebel“ :wink: Luftfahrzeug und wenden uns Kanonenkugeln ab, stellen wir fest, dass das „fliegen“ immer damit verbunden ist, dass Gewichtskraft kleiner oder gleichgroß als Auftrieb ist.Ist die Gewichtskraft bei dem einen Lfz. größer, als beim anderen Lfz., bei gleichen Parametern und Bauweisen u.s.w.,muss das schwerere Lfz. mehr Auftrieb erzeugen, als das Leichtere !!

Also, da alle Parameter gleich bleiben muss der Pilot die Nase weiter drücken, damit er höhere Geschwindigkeit bekommt und den Auftrieb halten kann, wobei der Pilot des anderen Lfz. einen wesentlich flacheren Gleitwinkel fliegen kann.
Denn irgendwoher muss man die Energie ja holen, welche für ein weit-gleitendes Kräfteverhältnisses nötig ist.

Ich ticke doch richtig, oder :wink:
Gruss Alex

verwchselung und nicht nachgedacht
Hallo,
der

tan(?) = cw/cq

ist aber etwas anderes als der Gleitwinkel gamma
das ist nur bis zur Hälfte gedacht

Gruß
TeeBird

Vielen Dank an alle, sehr interessant owT
owT

Den Punkt hast du dir aber ehrlich verdient :smile: