Hallo Mike,
in seltsamer Klarheit finden immer wieder eifrige Genies den Ausweg aus religiösen
in seltsamer Klarheit finden immer wieder eifrige Katholiken den Ausweg aus religiösen Differenzen, in dem sie das Hohelied ihrer alleinseligmachenden Religion und deren Dogmen singen - danach haben sich dann gefälligst alle Anderen zu richten.
Ist ein Kind, das gerade abgetrieben wird, froh um die Freiheit der Täter?
Das ist eine völlig unsinnige Frage.
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sind von einem Schwangerschaftsabbruch nicht Kinder, sondern Zygoten (bis 2. Schwangerschaftswoche), Embryonen (bis 8. Schwangerschaftswoche) oder Foeten betroffen. Nach Legaldefinition beginnt das Kindesalter mit der Geburt und endet mit Eintritt in das 14. Lebensjahr (nach UN-Kinderrechtskonvention mit 18 Jahren). Ich weiss natürlich, dass speziell katholische Abtreibungsgegner (auch so eine Nebelkerze - ich kenne eigentlich niemanden, der Abtreibungen befürwortet) grundsätzlich von ‚Kindern‘ sprechen, wenn sie Foeten meinen und von ‚Müttern‘, wenn es um ‚Schwangere‘ geht - diese gezielte begriffliche Unschärfe zielt natürlich auf Emotionen und nicht auf den Verstand.
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Ungeachtet dessen sind in Deutschland natürlich auch Foeten gesetzlich geschützt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist gem. §218 StGB grundsätzlich verboten, es gibt lediglich in §218a StGB einen eng definierte Ausnahmetatbestand, wo eine Missachtung dieses Verbots straffrei bleibt. Also gibt es hier auch keine „Freiheit“, lediglich eine an bestimmte Voraussetzungen gebundene Straffreiheit.
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Darf - neben anderen Voraussetzungen - ein Schwangerschaftsabbruch nicht später als 12 Wochen nach Empfängnis vorgenommen werden, um straffrei zu sein. Ein maximal 12-wöchiger Foetus ist aufgrund seiner neuronalen Entwicklung nicht fähig, Freude zu empfinden. Angeblich (nicht, dass ich diesen Blödsinn glauben würde) können ja selbst Kleinkinder nach der Geburt nicht einmal Schmerz empfinden, weswegen man ihnen aus religiösen Gründen ohne Betäubung am Genital herumschnippeln kann, ohne ihnen damit Leid zuzufügen.
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Ist ein maximal 12-wöchiger Foetus erst recht nicht in der Lage, ein Bewusstsein von abstrakten Konzepten wie „Täter“ oder „Freiheit“ zu haben - mithin auch nicht, sich über die Freiheit von Tätern zu freuen, wenn er denn Freude empfinden könnte.
- Oder etwas abstrakter: Gibt es eine „Neutralität“ ohne Opfer?
Dieses Abstraktionsniveau ist genau so sinnlos wie Deine erste Frage. Zumindest müsstest Du hier sowohl ‚Neutralität‘ als ‚Opfer‘ exakt definieren. Ich verstehe natürlich, was Du vermutlich meinst - um also trotzdem eine Antwort zu versuchen:
Es gibt Interessen, die aus gesellschaftlicher Konvention heraus als schutzwürdig betrachtet werden. Hier wird also erwartet, dass die Gemeinschaft den Einzelnen vor der Verletzung seiner Interessen schützt und für seine Rechte eintritt. Dabei ist immer abzuwägen, ob und wie sehr dieser Interessensschutz die Interessen anderer verletzt oder beeinträchtigt.
Dass nun Einzelne, die ihre Interessen nicht durch die Allgemeinheit hinreichend geschützt sehen, sich nicht nur als Opfer konkreter Täter, sondern auch als Opfer der Neutralität bzw. Untätigkeit der Gesellschaft bzw. deren staatlicher Organe empfinden, ist ein alter Hut. Auch, dass solche ‚Opfer‘ fast immer Fürsprecher finden. Wenn sich hinreichend Menschen finden, die den Schutz eines solchen Interesses durch staatliches Eingreifen für notwendig halten, dann werden die gesellschaftlichen Konventionen (i.d.R. in Form von Gesetzen) geändert. Dieser Prozess nennt sich demokratische Willensbildung. Die Alternative wäre die Durchsetzung von Interessen mit Zwangsmitteln. Dieser Prozess nennt sich dann Diktatur, Bürgerkrieg oder Terrorismus.
Kann es aus rein rationaler Sicht eine Gesellschft geben, die immer Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt?
Natürlich - auch wenn dies ein Ideal ist, so kann es zumindest theoretisch erfüllt werden. Dass man sich praktisch einem solchen Ideal nur annähern kann, entwertet es nicht und auch nicht die konkreten Anstrengungen zu solch einer Annäherung.
(Am Beispiel des Abtreibungsfalles: Sind eher zwei Mütter als gleich anzuschauen, von denen eine das Kind unbedingt will und die andere es unbedingt ablehnt, oder sind eher zwei Kinder als ungleich anzuschauen, die gerade im Mutterleib heranwachsen?)
Der Gleichheitsgrundsatz bezieht sich auf die Rechte - es geht um Gleichheit vor dem Gesetz. Und da ist die Schwangere, die Mutter werden will, den gleichen Gesetzen unterworfen wie die Schwangere, die nicht Mutter werden will. Genau wie die Foeten der beiden Schwangeren durch die gleichen Gesetze geschützt werden. Eine ungleiche Behandlung gibt es hier nur bei unterschiedlichem Entwicklungsstand, wobei die 12. Schwangerschaftswoche die Grenze ist. So, wie auch Kinder vom Gesetz anders behandelt werden als Jugendliche und die wiederum anders als Erwachsene.
- Wenn eine Gesellschaft sich davon fernhält, direkt Menschen zu opfern - beipielsweise indem sie von der Todesstrafe Abschied nimmt -, produziert sie nicht einfach indirektere, verborgenere Opfer?
Ich habe oben schon auf die Notwendigkeit der Abwägung der Schutzwürdigkeit von Interessen (bzw. Rechten) gesprochen und das Recht auf Leben wird nun einmal als ein Interesse von sehr hoher Schutzwürdigkeit aufgefasst, das in der Abwägung nahezu alle anderen Interessen überwiegt. Ob diese Abwägung gerecht oder sinnvoll ist oder nicht und daher geändert werden müsste, ist im öffentlichen Diskurs auszuhandeln. S.o. - demokratische Willensbildung.
Dies ist die Frage, ob es überhaupt ein theoretisches Gesetz einer Ethik oder (dies auch als Anfrage an Kreise innerhalb der römisch-katholischen Kirche:smile: einer natürlichen Moral geben kann, ohne dass wenigstens irgendeine substantielle (also nicht atheistische) Religiosität zwingend vorausgesetzt ist?
Nein, das ist eine ganz andere Frage. Und ja - natürlich lässt sich Ethik auch nicht-religiös begründen.
Ist also die durchgesetzte ethische Regel - etwa eines Tötungsverbots - völlig ohne Religiosität überhaupt rational begründbar?
Empfohlene Lektüre: Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und Arthur Schopenhauer, Die beiden Grundprobleme der Ethik. Selbstverständlich gibt es da noch sehr viel mehr, das sind meine persönlichen präferenzen. Wobei man an Kant in dieser Frage allerdings so oder so auch heute nicht vorbeikommt, ohne ihn sich gründlich anzuschauen.
Freundliche Grüße,
Ralf