Ihre Aussagen werden als klare Kritik und als Aufforderung an Schäuble gewertet, im Bundestag härter durchzugreifen. MdB Curio hatte die laxe Vergabe doppelter Staatsbürgerschaften angeprangert und überdies die Integrationsbeauftragte als ein „Musterbeispiel misslungener Integration“ kritisert.
Ihre implizite Aufforderung muss verwundern. Nach welchen Kriterien soll den der Bundestagspräsident ihrer Meinung nach tätig werden? Beliebig wirft sie Geschäftsordnung und „Meinungsfreiheit“ durcheinander. Klar ist die Meinungsfreiheit ein hohes Gut, wir alle können uns auf sie berufen, sie hat aber auch ihre Grenzen. Sie als langjährige Vizepräsidentin sollte jedoch wissen, dass Artikel 5 GG auf Reden im Bundestag schlicht nicht anwendbar ist (vgl. etwa Heintz). Die Grundsätze der Meinungsfreiheit gelten nicht, denn das Grundgesetz geht klar darüber hinaus: „Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen“ (Art. 46 Abs. 1 GG). Grundsätzlich gilt das freie Mandat, das besagt, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen unterworfen sind (Art. 38 Abs. 1 GG).
Wenn überhaupt, dann müssten die von ihr herbeigesehnten Maßnahmen auf Basis der Geschäftsordnung erfolgen. Diese bleibt jedoch unbestimmt: „Der Präsident kann den Redner, der vom Verhandlungsgegenstand abschweift, zur Sache verweisen. Er kann Mitglieder des Bundestages, wenn sie die Ordnung oder die Würde des Bundestages verletzen, mit Nennung des Namens zur Ordnung rufen“ (§ 36 Abs. 1 BTGO).
Woran soll sich auf Basis der Geschäftsordnung die Forderung erkennen lassen, dass Redner die leichtfertige Vergabe von doppelten Staatsbürgerschaften nicht kritisieren dürfen? Ihre Aussagen suggerieren, es sei zwingend anzuerkennen, dass Menschen mit doppeltem Pass eine deutsche Identität hätten: „Selbstverständlich gehören auch sie zu Deutschland!“
Und worauf basiert ihre implizite Forderung, man müsse die Integration der Integrationsministerin als gelungen bezeichnen? Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Özuguz zum Beispiel Heimatreisen von Personen mit bestimmtem Staus als normal betrachtet oder bei Razzien gegen Islamisten das notwendige „Augenmaß“ vermisst, erscheint Roths Ansatz, sie vor jeglicher Kritik zu schützen, befremdlich.
Seitdem sich in Deutschland Kritik an der Politik bemerkbar macht, Migration pauschal als alternativlos und als positiv darzustellen - viele benutzen für diesen urdemokratischen Vorgang die Slogans „Rechtsruck“ oder „Erstarken von Pegida und AfD“ -, werfe ich die Frage auf, wie weit diejenigen, die um die Meinungshoheit fürchten, in ihren Versuchen zur Einschränkung demokratischer Freiheiten gehen würden. Das wurde meist abgetan. Ist eine Neubewertung erforderlich?