Ich (Gatte einer Übersetzerin) find das eher sehr, sehr traurig: Haben denn diese Kasper überhaupt kein Gespür mehr dafür, was ihnen DeepL leisten kann (im vorliegenden Fall war es wohl eher Tante Gugel) und was nicht?
Ja Heilandzack, wofür haben wir denn das alles gemacht? Ein (ziemlich betagter) Freund, mit dem wir uns ohne Mühe einschließlich Witzen (das ist das Schwierigste beim Übersetzen) freundschaftlich bestens verstehen, hat uns bei unserem ersten Besuch in seiner Heimat Poitiers (die Demarkationslinie zwischen besetztem Frankreich und „Etat Francais“ verlief ganz in der Nähe) gezeigt: „In diesem Haus war die Kommandantur, wo ich meinen Passierschein holen musste, wenn ich meine Großeltern besuchen wollte“.
Meine Mutter hat im Krieg einen Verlobten und einen Mann verloren, meine beiden Goßväter haben vor Verdun gelegen. Der erste „kleine Freund“ meiner Mutter 1945 war ein Offizier aus dem Département Oran, im Zivilberuf Koranlehrer. Er hat schnell erkannt, dass er es mit einer Pfarrerstochter zu tun hatte, und umgeben von dem ganzen Scheißkrieg und -nachkrieg, geflutet von den Scheißhausparolen und dem blamablen Benehmen des ewiggestrigen Aristokraten de Lattre de Tassigny, haben sich die beiden eine kleine theologisch-philosophisch-romantische Insel außerhalb des Kriegs geschaffen. Mit Sprache, richtiger und gut beherrschter Sprache.
Und siehe da: Gut elfhundert Jahre nach dem unglückseligen Traité de Verdun kam Verständigung durchaus auch von Verstehen und nicht bloß von den beiden Oberkatholiken, die sich Jahre später im Elysée die Hände schüttelten.
Dass das heute unter (nicht vergessen: über Jahrhunderte zerstrittenen) Nachbarn relativ gut funktioniert, haben „wir“ gemacht - nicht mit Google Tränsleit oder irgendeinem Scheiß dieser Art: Mein älterer Bruder hat im zivilen Ersatzdienst 1976, als ganze Güterzüge mit Stroh aus Deutschland das Vieh in der Normandie am Leben hielten, bei Kleinbauern gearbeitet, unter anderem gehört: „Nein, Du bist kein Deutscher - ja, Du hast einen Akzent, vielleicht bist Du Kanadier oder Norweger oder Holländer oder irgendwas, aber Du bist kein Deutscher - ich habe sie erlebt, die Deutschen, ich habe sie kennengelernt - die sind anders!“
In den späten 1990er Jahren haben wir unweit Cavaillon mit einem alten Bauern den Wein seines Juniors getrunken; er hat uns erzählt, dass er in seinem Leben ein einziges Mal weiter als 80 Kilometer von seiner Heimat weg gekommen ist: Das war, als 1941 im Désastre miserabel ausgerüstete und schlecht ausgebildete Reserven ins Elsaß geworfen wurden, als sich zeigte, dass die Maginot-Linie sinnlos war und dass die Wehrmacht ganz wo anders vormarschierte, als man geglaubt hatte. Er lag mit seiner Einheit irgendwo im Elsaß in einem geräumten Bauernhof, war ziemlich perplex ob des blitzsauberen Kuhstalls und war - zusammen mit seinen Kameraden - sicher, sowas gäbe es ganz bestimmt nur in Deutschland, und man befände sich bereits im Gegenangriff in Richtung Berlin…
All das sind Sachen, die mit Sprache funktionieren. Genau wie das Ultimatum zum 31.10.1939, genau wie die Emser Depesche.
Und all das, was wir - jeder an seinem Ort - versucht haben, ganz im Ernst als Lebenswerk wieder zusammenzubringen, wo es zusammen gehört, wird jetzt von diesen unsäglichen „Ganzeinfach - Dumusstnur“ mit zwei-drei Wischern weggefegt.
Man denkt unwillkürlich an Friedrich August III von Sachsen…
In diesem Sinne
MM