Adoption, Präexistenz, Trinität
Hi.
Welcher gott ist der gott von Jesus Christus, wenn Gott in Jesus Christus Mensch wurde?
Am historischen Anfang des Christusglaubens stand mit einiger Sicherheit nicht der Glaube an einen Mensch gewordenen Gott (Präexistenzlehre), sondern an einen zum Gott erhobenen Menschen (Adoptionismus).
Die Umwandlung der Jesus-Figur vom zum Gott erhobenen Menschen (Adoptionismus) zum seit Beginn der Zeiten existierenden (präexistenten) Sohn Gottes, der bei seiner (ersten) Ankunft vom Himmel kam, um durch Maria im Jungfrauenmodus als Mensch geboren zu werden, etablierte sich, wenn auch in Ansätzen schon früher vorhanden, als christliches Dogma im Kampf gegen den andersdenkenden Arianismus erst mit dem Konzil von Nizäa 325 CE. In Röm 1,3-4 z.B. heißt es noch ganz adoptionistisch:
… über seinen Sohn, der aus dem Samen Davids geboren wurde nach dem Fleisch, der bestimmt wurde zum Sohne Gottes in Kraft nach dem Geiste der Heiligkeit seit der Auferstehung von den Toten: Jesus Christus, unser Herr…
Eine präexistente Gottessohnschaft ist also nicht als ursprüngliche Lehre anzusehen. Sie hat sich vielmehr nachträglich in die Christologie hineingeschlichen, z.B. durch die Adaption der Logoslehre des Philon von Alexandria im Johannesevangelium. Durch die kaiserlich forcierten Entschlüsse des Konzils von Nizäa wird Jesus Christus nun endgültig als vollwertiger Gott etabliert, d.h. als Gott ´von Geburt´ her, nämlich durch den Vatergott, mit dem er nunmehr weseneins (homousios) ist. Erst das ermöglicht die Anbetung der Jesus-Figur als genuinen Gott, statt als zum Gott erhobenen Menschen.
Das Dogma der Trinität versucht zwei sich gegenseitig widersprechende Perspektiven auf die Jesusfigur unter einen konzeptuellen Hut zu bringen. Die Jesusfigur war in der ursprünglichen Lehre (z.B. bei den Ebioniten, die Ende des 2. Jh. als Ketzer verdammt wurden) ein Mensch, der nach seinem Kreuzestod von Gott ´adoptiert´ wurde. Geht man (hypothetisch) von der Historizität des Jesus aus, dann ist es ausgeschlossen, dass ein jüdischer Wanderprediger in einem Umfeld, das jede Menschenvergottung rigoros ablehnt, sich eine Anhängerschaft nennenswerten Ausmaßes zulegen kann, die von ihm als wirklichem, also vom Himmel gekommenen Sohn des Jahwe überzeugt ist. Mit einer solchen Lehre wäre dieser Jesus sicher gescheitert. Daraus folgt (seine Historizität, wie gesagt, vorausgesetzt), dass diese Anschauung erst nach seinem Tod aufkommen konnte. Ein wichtiges Vehikel für diese Modifikation war die Logoslehre von Philon von Alexandria.
Der wichtigste Teil der Trinität, die Binität, wurde nach langen, z.T. physisch brutalen Auseinandersetzungen zwischen Athanasiern und Arianern in Nicäa in eine Formel gepresst. Sie ist ein Produkt der Hellenisierung des Christentum durch die Adaption des Neuplatonismus von Plotin (der paradoxerweise ein Gegner des Christentums war). Plotin lehrte, angeregt durch Platon, das absolut Eine (Hen), aus dem stufenweise abwärts Emanationen hervorgehen, zunächst der Nous (Vernunft, Geist), dann die Weltseele und dann last and least das Materielle. Mehrere Kirchenväter, z.B. Ambrosius, Eusebius und Kyrill, hatten Plotin rezipiert, auch im Hinblick auf eigene trinitätstheoretische Spekulationen.
Unschwer ist zu erkennen, dass das Hen dem Gottvater, der Nous dem Christus und die Weltseele dem Heiligen Geist zugeordnet werden können, auch wenn das klassische Trinitätskonzept von dem neuplatonischen Muster etwas abweicht. Das Hen ist das Alleshervorbringende, der Nous ist die weltdurchspannenden Vernunft (im Sinne des Logos = Christus im Joh-Ev) und die Weltseele die Kraft, die das Göttlliche (das Hen) mit dem Materiellen in Beziehung setzt, also innerlich belebt. Letztere Funktion entspricht in etwa der des Heiligen Geistes, welcher freilich nicht, wie bei Plotin, alles materielle Leben durchdringt, sondern als erleuchtendes Eindringen des Göttlichen in das menschliche Bewusstsein zu verstehen ist.
Das Judentum kennt dieses Konzept unter dem Namen ´ruach´, was ´Gottesatem´ bedeutet, aber mit ´Wind´ konnotiert ist. Das bezieht sich eine Art der übernatürlichen Erfahrung, die sich zumeist in exzessiven Licht- und Farbwahrnehmungen äußerte, welche als Manifestion eines Gottes interpretiert wurden. Solche Erfahrungen ware im ganzen Alten Orient (und dem Rest der Welt) verbreitet und wurden entweder durch genetische Disposition, also ein angeborenes Vermögen, oder die gezielte Anwendung psychotroper Pflanzen ermöglicht. Die Experten auf diesem Gebiet bezeichnet man religionswissenschaftlich als ´Ekstatiker´. Allerdings umfasst das christliche Verständnis des Heiligen Geistes auch moderatere Phänomene wie religiöse Inspiration und das (vermeintliche) Gefühl der Gottesnähe. Die Formel des nicäanischen Konzils lautet, dass der Heilige Geist „aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“ und „durch die Propheten (gesprochen) (hat)“.
Die offizielle katholische Deutung der Trinität hat sich erst nach einer Korrektur der Binitätslehre von Nicäa herausgebildet, nämlich 382 auf der Synode von Konstantinopel. Bekanntlich hatte Konstantins Sohn und Nachfolger Constantius II. das nizäischen Dogma der Wesenseinheit von Vater und Sohn außer Kraft gesetzt, weil er an dessen Logik zweifelte. Nach seinem Tod wollte Kaiser Julian wieder die römische Religion einführen, was sein früher Tod auf einem Feldzug aber verhinderte. Ab 380 gelang es dem Athanasius-Anhänger Theodosius I., das alte nicäanische Modell durchzusetzen, freilich runderneuert: Die Trinitätslehre wurde verfeinert durch die Differenzierung zwischen Ousia und Hypostase. Ousia ist das Wesen Gott, also die Ganzheit des Göttlichen. Hypostasen sind die drei Aspekte, unter denen sich dieses Göttliche offenbart. Das stellt sich in etwa so dar:
´Gott´ ist das Ganze, das sich offenbart als: 1) Gott-Vater = Schöpfer, 2) Gott-Sohn = Erlöser und 3) Heiliger Geist = vom Vater und vom Sohn ausgehende Inspiration. Diese Formen sind von personhafter Individualität (theologisch abstrakter: sie sind Hypostasen) und zugleich untrennbar aufgehoben im Ganzen des Gottes.
Wie kann man sich das vorstellen? Ich versuche eine simple Analogie: Die drei Lichter einer Verkehrsampel sind klar voneinander unterschieden. Ihre Bedeutung (ihr Wesen) ergibt sich aus der ´Ganzheit´ des Systems, innerhalb dessen sie so definiert sind, dass das Wesen eines Lichtes mit dem Wesen der anderen Lichter untrennbar verbunden ist: Rot bedeutet nur deshalb Stop, weil Grün Fahren und Gelb Aufpassen bedeutet. Grün bedeutet nur deshalb Fahren, weil Rot Stop bedeutet usw. Die drei Lichter definieren sich wechselseitig. In diesem Sinne ist das Wesen jedes Lichtes im jeweiligen Wesen der anderen Lichter enthalten. Die drei Lichter bilden also eine Ganzheit (die Ampel), die in drei funktionale Aspekte zerfällt, die nur im Rahmen der Ganzheit Sinn machen. Die Lichter sind also relationale Größen, ihr Wesen besteht in ihrer wechselseitigen Bezogenheit.
Ob das nun die Trinität verstehbarer macht oder (vermutlich eher) nicht - die Binität innerhalb der Trinität ist und bleibt heikel, solange das Verhältnis zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn nicht geklärt ist. In Nicäa heißt es, dass Jesus aus dem Vater gezeugt wurde und daher das gleiche göttliche Wesen wie der Vater hat. Problematisch daran ist, dass Jesus von alles hervorbringenden Gott, bei gleicher Wesenhaftigkeit, nicht zu unterscheiden ist, was seiner Herkunft aus diesem Gott widerspricht, denn als Sohn ist er kein Alles-Erzeugender. Die Synode von Konstaninopel versucht dieses Dilemma durch die Hypostasenlehre zu lösen, indem die göttliche Ganzheit (ousia) das Wesen aller seiner Hypostasen (Vater, Sohn, Geist) bildet. Vater, Sohn und Geist haben als Hypostasen also teil am umfassenden Wesen Gottes (ousia).
Chan