Ehemalige Mobbingopfer

Hallo,

ich hatte heute eine Diskussion mit einem Schulleiter, der meinte zu einem heftigen Mobbingfall:

„Das wird doch heute alles übertrieben, jeder Pippikram wird Mobbing bezeichnet, früher gab es das auch und da hat auch keiner geholfen.“

Daher nun meine Frage:

Wer, der zur seiner Schulzeit gemobbt wurde, kann kurz folgende drei Fragen beantworten:

  1. Wie hast du das damals erlebt, welche Erinnerungen hast du an früher?

  2. Wie ist das heute? Wie denkst du heute über Schule? Hättest du gerne jemanden gehabt, der dir damals geholfen hat? Mit welchen Gefühlen denkst du heute an die damalige Zeit?

  3. Wie ist deine Meinung zu der obigen Aussage des Schulleiters?

Liebe Grüße und vielen Dank.

Stefan

Hallo,

„Das wird doch heute alles übertrieben, jeder Pippikram wird
Mobbing bezeichnet, früher gab es das auch und da hat auch
keiner geholfen.“

Früher sind die Leute auch an Infektionen gestorben, da gab es halt keine Antibiotika und die Menschheit existiert immer noch. So what?

Daher nun meine Frage:

  1. Wie hast du das damals erlebt, welche Erinnerungen hast du an :früher?

Ganz kurz: Ich bin eine für mich unendlich lange Zeit ausgegrenzt worden, aber nie so richtig echt gemobbt worden. Anders als einige Mitschüler. Ich wurde nur deshalb nicht gemobbt, weil meine Mutter an meiner Schule Lehrerin war. Die Knallchargen, die andere Schüler drangsaliert habe, haben mich und meine Freundin, die sonst auch ein typisches Mobbingopfer gewesen wäre, in Ruhe gelassen, weil sie Angst vor direkten Konsequenzen hatten.

Ich habe vor ungefähr 10 Jahren einen dieser Arschlöcher von damals getroffen und mir wurde so schlecht, dass ich fast gekotzt hätte. Ich als gerade eben so Nichtmobbingopfer, selbstbewußt, mitten im Leben stehend und erfolgreich! Ich möchte nicht wissen, was die armen Figuren heute empfinden, die in Mülltonnen gelandet sind, denen die Hosen runter gezogen wurden, die verprügelt wurden… und anderes mehr.

Wir reden über einen kurzen Zeitraum in meinem Leben: 6. bis 7. Klasse Gymnasium, ungefähr Mitte der 70er. Dann haben mich meine Eltern in eine Parallelklasse versetzen lassen und das Paradies auf Erden brach an. In der neuen Klasse gehörte ich auch nicht zu den beliebtesten Mitschülern, aber man war nett und freundlich mit mir. Ich gehörte dazu!!!

  1. Wie ist das heute? Wie denkst du heute über Schule? Hättest du :gerne jemanden gehabt, der dir damals geholfen hat? Mit welchen :Gefühlen denkst du heute an die damalige Zeit?

Schule? Hör! Mir! Auf!
Ich gehe nur noch auf Abitreffen. Klassentreffen mit der ersten Gymnasium-Klasse sind tabu. Ehemaligentreffen mit der gesamten Schule auch. Nur Abi-Treffen, weil da auch auch die Leute kommen, mit denen ich mich gut verstanden habe und mit denen ich teilweise heute noch Kontakt habe. Schule: KOTZ! Ich habe die ersten 20 Jahre nach dem Abi gar nicht mehr daran gedacht. So langsam geht es wieder.

  1. Wie ist deine Meinung zu der obigen Aussage des Schulleiters?

Unterlassene Hilfeleistung und Beihilfe zu Schandtaten! Nett gesagt.

Boah, jetzt bin ich wütend. Lebensliebe weiter unten und hier das Kontrastprogemm. Mir reicht es für heute.

LG Barbara

Hallo,
ohne Wertung, nur aufgezählt:
In der Grundschule wurde ich öfters morgens auf em Scholhof empfangen mit sowas wie: „Hätst du zur Birgit oder zur Dagmar?“ Und man musste siche entscheiden, wenn man „drin sein wollte“. Birgit oder Dagmar hattenana dem Tag eben Pech.
Ich kenne Fälle von Mädchen, die beim Völkerball nie in eine Mannschaft gewählt wuren und immer am Ende noch da saßen und dann halt einer Mannschaft zugeteilt wurden (lange Gesichter bei dieser Mannschaft und diejenige kriegte garantiert nie einem Ball zum Wurfen!)
Ich weiß von einem Freund (nicht in meiner Schule), der relativ kleinwüchsig war und in Papierkörbe gesteckt oder am Kartenstäönder aufgehängt wurde.
Derartige Vorkommnisse waren, denke ich, an der Tagesordnung. Heute geht man zum Glück anders damit um.
Gruß Orchidee

Hi Stefan,

  1. Wie hast du das damals erlebt, welche Erinnerungen hast du
    an früher?

Zuviele. Definitiv zu viele. Ich wurde über den gesamten Zeitraum des Kindergartens, der Grundschule und bis zur 7. Klasse gemobbt, dann wieder ab der 11. Klasse auf einer neuen Schule in verminderter Form.

Ich weiß nicht mehr was es war, aber irgendetwas hatte mich an meinem ersten Kindergartentag sehr erschreckt, ich habe geweint und mich unter einer Bank versteckt. Damit fing alles an, ich war die Heulsuse, und die anderen Kinder zeigten mit dem Finger auf mich.

Ich hatte einen besten Freund, aber die Leute die mich nicht mochten, machten auch ihn fertig oder hetzten ihn auf, ich weiß es nicht. Irgendwann ist er mit einem abgebrochenen Spielzeugbesenstil auf mich los und hat ihn mir in den Rücken gerammt, was genäht werden musste. Ich habe ihm verziehen, aber ich durfte nie mit zu ihm nach Hause zum spielen, weil die anderen Kinder seiner Mutter sonst Streiche spielten.

Gleichzeitig war ich „Integrationsstation“ für andere Kinder, die Betreuerinnen setzten mich mit geistig zurückgebliebenen, sozial seltsamen Kindern zusammen und später mit den syrischen Auswanderern (Flüchtlingen?) die so gut wie kein Deutsch sprachen.
Während sie irgendwann den Absprung schafften und sich mit den anderen integrierten - unter der Voraussetzung nicht mehr mit mir zu reden - blieb ich zurück.

Auf der Grundschule wurde es dann langsam extremer. Ich war halt das einzige dicke Mädchen dort, und Dicksein war ansteckend, ähnlich wie die Pest oder Krätze, die ich angeblich hatte.
Damals war das Anti-Mobbing Verhalten das einem jeder sagte „Ignorier sie doch einfach!“

Das habe ich getan. Sie kamen mit Stöcken wieder. Ich ignorierte sie weiter, und sie kamen mit noch größeren Stöcken und Ästen zurück und droschen auf mich ein bis ich doch schrie.
Erst am Ende der 4. Klasse, auf der Abschlussfahrt, änderte sich das etwas. Die anderen stellten fest, dass ich ihnen Pflanzen und ähnliches auf dem Bauernhof/Land wo wir waren erklären konnte und irgendwie fanden sie das gut, so dass einige begannen mich vor den aggressiveren Deppen zu schützen.

Der Horror war dann die Realschule. Ich weiß nicht genau warum, aber die Klasse hat mich GEHASST. Die Klasse war generell schlimm und hat später drei Lehrer _verbraucht_.

Bei der Einschulung wurde ich gefragt ob ich in eine völlig neue Klasse möchte oder ob ich in die Klasse wolle, wo viele aus meiner Grundschule drin waren, ob ich ihnen „noch eine Chance geben“ wollte. Nach dem Satz hatte ich das Gefühl als gutes Kind natürlich noch eine Chance geben zu müssen, also kam ich dort hin.

Ich wurde in jeder Pause - auch fünf Minutenpausen - fertig gemacht und geschlagen, auf dem Heimweg verfolgt und verprügelt. Jeder Moment ohne Lehreraufsicht war gefüllt von Angst, ich wollte immer nur so schnell wie möglich nach Hause kommen und aufpassen, dass mich keiner sieht.
Die Leute ekelten sich vor mir, weil sie es zu tun hatten, sie sagten mir dass mein Anblick sie zum kotzen brächte, dass mein Atmen widerwärtig sei.

In der 7. Klasse hatte ich dann chronischen Husten, übergab mich wenn ich umkreist wurde von den gehässigen Mitschülern und wenn ich konnte dann rannte ich bevor der Kreis sich schloss.
Die Strafe für das Rennen aus der Schule (noch nicht einmal vom Gelände) bekam ich.
Was passierte da so? Neben unschönen Worten und Schlägen? Nun, es flog nicht nur der Tafellappen, auch Regalwinkel, Stühle und Tische wurden geworfen. Ich wurde auch auf Ausflügen oft zurückgelassen und einmal versuchte jemand mich vor eine U-Bahn zu schubsen.

Unser Klassenraum war im Keller, weit weg von den Lehrern und da es keine Aufsicht gab, waren die fünf Minutenpausen die schlimmsten. Ich weiß dass es ein Mädchen gab die mich nicht schlimm fand, doch sie erklärte mir, dass sie nichts machen könne, sonst würde die Klasse auf sie los gehen.

30 von 32 Leuten also übrig. Und diese Rotte begann aus der Jagd auf mich immer mehr einen Sport zu machen.
Drei Jungs ärgerten mich, ich rannte… ich war gerade auf dem Flur da sprang mir einer der Jungs in die Beine.
Ich fiel und der Großteil der Klasse sammelte sich um mich, trat mir immer wieder in den Rücken, in den Bauch, gegen den Kopf, bespuckte mich mit Essensresten.
Ich habe geschrien wie am Spieß aber erst nach einer gefühlten Ewigkeit kamen drei Lehrer und machten dem ein Ende.

Ich habe heute noch Alpträume von jenem Tag, nicht mehr so oft, aber ab und an.
Die Schuld wurde zunächst bei mir gesucht.
Dann ging ich 6 Wochen auf Ernährungskur, wo mir eine der Betreuerinnen erzählte ich hätte halt so eine „Schlag-mich Aura“, das waren ihre Worte und sie haben mich viel zu lange beeinflusst.

Endlich durfte ich die Klasse wechseln. Das erste Jahr war hart, aber insgesamt so viel besser. Ich war quasi verlost worden und diese Klasse hatte sich gemeldet, um mich aufzunehmen. Natürlich verstand man sich nicht mit jedem, aber es gab nette Menschen und es entwickelten sich Schulfreundschaften.
Die Leute aus der alten Klasse waren trotzdem gefährlich, einige wollten mich am liebsten tot sehen, sogar Leute aus anderen Klassen die ich gar nicht kannte bespuckten mich mit zerkauten Leberwurstbroten und riefen mir zu was ich für eine Schande für die Welt sei und dass ich gar nicht existieren sollte.
Bis zur 10. Klasse war ich dann Mitglied einer Clique, das war zwar die Außenseiter-Clique, aber das war was, die Zeit war gut.

Auf dem Gymnasium waren die Leute ziviliserter, aber auch alberner. Zu der Zeit war ich schon in der Phase Ihr-könnt-mich-alle-mal.
Wenn ich also zu Treffpunkten kam und noch mitbekam wie die anderen kichernd abhauten tat das nur einen Moment weh, aber ich hatte auch nichts anderes erwartet.
Einige Jungs versuchten mich zu dissen und fertig zu machen, das ging vom „Realschulabschaum“ (von einem total frommen Katholiken gesprochen) bis zur üblichen Aberkennung des Existenzrechts, weil ich dick war.
_Hier_ schritten die Lehrer aber ein und ich hatte später sogar mit diesen Jungs (abgesehen vom Katholiken) ein neutrales Verhältnis.

Ich verspüre, wie die meisten des Jahrgangs, kein großes Bedürfnis die andern je wieder zu sehen, mit wenigen Ausnahmen, aber es war eindeutig besser als auf den vorigen Schulen.

  1. Wie ist das heute? Wie denkst du heute über Schule? Hättest
    du gerne jemanden gehabt, der dir damals geholfen hat? Mit
    welchen Gefühlen denkst du heute an die damalige Zeit?

Ich leide bis heute unter jener Zeit und es macht mich sehr wütend zu wissen, dass die damaligen Mobber heute ein normales Leben führen und nicht viel dran denken, ignorant über den Schmerz den sie mir zufügten.
Ein Wirbel wurde bei einer Prügellei verletzt, der bis heute schmerzt, ich neige zu Angst- und Panikattacken, besonders wenn Menschen einen Kreis um mich bilden.

Aber das schlimmste ist: Ich kann nicht vertrauen. Eigentlich niemanden. Einfach in die Stadt zu gehen ist schlimm für mich, wenn jemand in meiner Nähe lacht, denke ich zuerst: Die lachen über mich! Bevor ich daran denke, dass es auch was anderes sein kann. Und dann fühle ich mich nicht gekränkt, wenn sie über mich lachen, ich habe Angst. Ich habe Angst, weil ich weiß, dass dieses Lachen schnell mit Gewalt gegen mich einhergeht.
Es fällt mir schwer Freundschaften aufzubauen und mich auf andere zu verlassen und ich würde es _so_ gerne tun.
Ich wünschte mir ich wäre nicht ständig zu gejagt, so ängstlich im Umgang mit anderen, ich wünschte mir ich könnte offener auf die Menschen zugehen, ich wünschte mir dass sich nicht immer Katastrophenszenarien in meinem Kopf abspielten sobald ich jemanden vertrauen muss.
Aber das ist nicht so, dass ist etwas was meine Mobber mir angetan habe, und das, das werde ich ihnen nie verzeihen können.

Ich denke rückblickend habe ich eine ganz gute Idee von Führern und Mitläufern und auch wenn ich die Mitläufer nicht toll finde, verachte ich die Führer wesentlich mehr.
Ich fühle Trauer, Angst und Wut wenn ich an die damalige Zeit denke.
Seit der Uni bin ich frei, habe ein Sozialleben, ich bin ein stärkerer, selbstbewussterer Mensch geworden.
Doch diese Stärke habe ich nicht durch das Mobbing bekommen , weil manche Leute gerne behaupten das „härtet ab“.
Das Mobbing hat mich gebrochen, es hat mich zu einem kranken, unglücklichen Menschen gemacht und erst durch die frontale Veränderung meiner Lebensumstände bin ich aus diesem Sumpf gekommen.

Ich würde keinen Amoklauf entschuldigen, v.a. wenn Unschuldige dabei ums leben kommen, aber ich kann die Leute, die mit einer Waffe in die Schule gehen um sich an ihren Peinigern zu rächen SO GUT verstehen.

Nicht Videospiele machen aggressiv, Mobbing macht aggressiv, und ich habe nicht selten Rachefantasien in meinem Kopf durchgespielt.
Es liegt an meiner Erziehung, dass ich es nicht getan habe.

Meine Eltern sind übrigens beide Schützen, so wie ich. Ich weiß wie man mit einer Waffe umgeht und ich weiß wie ich an eine dran gekommen wäre, auch wenn mein Vater sie vorschriftsmäßig wegschloss.
Das spielte aber keine Rolle, ich wollte niemanden umbringen oder mir mein Leben noch mehr versauen nur wegen diesen Flachpfeifen.
DAS ist die wichtige Erkenntnis, in die Schule gehen und um sich schießen? Das ist der Sieg der Mobber.

Mein Sieg?
Nunja, weiter oben schrieb ich von jemanden der mich mit einem Brot bespuckte und meinte ich dürfte nicht existieren.
Vor einiger Zeit traf ich sie wieder, zu der Zeit hatte ich meinen BA Abschluss mit Bestnote schon in der Tasche.
Sie? Sie putzte. Studieren? Hatte sie mal versucht, nicht geschafft, nach dem 3. Semester abgebrochen, keine Ahnung was jetzt, kein Geld von Eltern, also putzen. Und sie machte einen auf super freundlich und heititai. Ich habe leicht gelächelt, zugehört, und zum Abschied genickt.

Das war meine Genugtuung.

Zu den Lehrern:
Kindergarten - absolut nutzlos
Grundschule - noch viel nutzloser, sie taten einfach -gar nichts-
Realschule - aberwitzig, ICH, ja ICH wurde zum neuen Schulpsychologen geschickt, nicht die kranken Schweine die Leute am Boden zertreten oder vor U-Bahnen schubsen. Durch den Klassenwechsel hat sich das Problem ja zum Glück vermindert.
Generell gab es kaum Aufsichten, die Lehrer waren lieber im Lehrerzimmer, Kaffee trinken, oder wenn es kalt war drinnen - die Schüler durften ja nicht rein.
Ein junger Lehrer hat einen Typen der mich verfolgt hat mal mit ner Roten Karte nach Hause geschickt, ergebnis? Ne Viertelstunde später stand seine Mutter in der Klasse, hat den Lehrer zur Sau gemacht (richtig laut geschrien) und dann durfte der Knabe wieder in die Klasse als sei nichts gewesen.

Auf dem Gymnasium waren die Lehrer viel, viel engagierter, gerade die jüngeren. Sie gaben sich wirklich Mühe zu mediieren. Jeder konnte seine Argumente vorbringen, das wichtigste war dabei, dass die Lehrer mich als menschliches Wesen an die Mobber präsentierten, nicht wie ein Haustier auf das man Acht geben müsse, wie es vorher manchmal war.

SO müsste das laufen.

Ich denke die Lehrer sind heute etwas besser geschult was Mobbing angeht.
Ich glaube nicht, dass Mobbing heute häufiger ist als früher, aber es ist mit sicherheit aggressiver geworden.
Ich hatte ja schon mit Horror-Tyrannen zu tun, aber andere werden nackt an Zäune gefesselt oder mit Benzin übergossen und angezündet (letztes Jahr an einer Schule hier passiert). Das ist doch nur noch abartig, wie kann sowas sein? Ich versteh es nicht.

Ich verurteile, dass Lehrer abschalten und einfach nur noch weggucken. Ich kann aber auch die Angst im Umgang mit solch aggressiven Schülern verstehen.
Neue Systeme müssen geschaffen werden um damit umzugehen, die Ideallösung habe ich dafür nicht. Zu zweit vorgehen würde schonmal helfen, oft habe ich erlebt, dass nur ein Lehrer aktiv gegen einen Mobbingfall vorging.

  1. Wie ist deine Meinung zu der obigen Aussage des
    Schulleiters?

Den Juden hat damals auch keiner geholfen!
Was sagt uns dass? Arschlöcher gabs auch damals schon und der Mensch redet sich sooooo gerne aus seiner sozialen Verantwortung raus, siehe das besagt „Das macht die härter!“ Argument.

lg
Kate

Hi,

viel möchte ich nicht schreiben, nur das:
ich wurde ncht verprügelt. Einmal glaub ich, ja, aber das war nicht das Mittel der Wahl in meinem Fall. Ich wurde ausgelacht, ausgeschlossen, ich gehörte nie dazu. … Die Tatsache, dass mich meine Eltern und die Lehrer immer unterstützt haben, hat mir sicherlich nicht geholfen. Meine Eltern haben immer mit den Lehrern zusammengearbeitet, ich habe mich da nicht alleingelassen gefühlt - aber ich hätte mir so manches mal gewünscht, man hätte mich in Ruhe gelassen. Die ERwachsenen meine ich, mit ihrer Hilfe. Das machte alles immer nur noch schlimmer.
Gegen Schule hab ich nichts, sonst hätte ich ja nicht den Beruf, den ich habe. Aber ich habe kaum Selbstwertgefühl. Und ich mobbe mich selber weiter. Ich bin perfekt. Aber ich arbeite daran, zu vergessen, wie das geht :smile:

die Franzi

puhhh

Hallo Kate und auch hallo Stefan

Ich musste grad heulen, als ich deinen Artikel laß. Bei mir war das ganze zwar, im Vergleich zu dir, gradezu harmlos, aber grad die Sache mit den Freundschaften kann ich SO gut verstehen. Das Problem hab ich heute auch noch.

Bei mir ging das so in der 7. Klasse los, als meine damals beste Freundin (! und wir sind wirklich durch dick und dünn gegangen) plötzlich anfing, mich fertigzumachen (wegen Übergewicht und was weiss ich noch) und dabei unsere gemeinsame Freundin und einen Teil der Klasse mitzog.
Etwas besser wurde es, als ich dann freiwillig die 8. Klasse wiederholte und dort eine meiner zwei auch heute noch besten Freundinnen kennenlernte. Allerdings blieben gleichzeitig auch einige der Mitläufer sitzen, und machten auch ohne ihre Rädelsführerin munter weiter. Das hat sich auch bis zum Abitur nicht großartig geändert, ich war und blieb immer der Außenseiter im gesamten Jahrgang.
Das ganze gipfelte dann darin, das auf dem obligatorischen Abi-Tshirt, auf dem alle namentlich aufgeführt waren, mein Name fehlte. Das ist dem Orgateam natürlich erst am Tag des Abischerzes bei der Ausgabe aufgefallen und statt so fair zu sein und zu sagen, ok, sorry, wir geben die Dinger zurück und haben dann heute eben keine Shirts, nein, es kamen nur fadenscheinige Endschuldigungen und das Versprechen, das ich selbstverständlich ein „vollständiges“ T-Shirt bekommen würde und das auch nicht bezahlen müsste (bzw. das Geld wiederkriegen würde).
Rate mal, was bis heute passiert ist. (In unserem Jahrbuch erschien übrigens die vom Design und Aufbau identische Liste, seltsamer Weise vollständig…)
Zu Klassentreffen kriegen mich keine zehn Pferde hin…

Seid dem hab ich nie wieder richtige Freundschaften geschlossen, meine damaligen beiden besten Freundinnen sind es auch heute noch, und weitere Freunde kann ich an einer Hand abzählen.

So hab ich den großteil meiner Teen-und Twenjahre (ich werd 32) ohne großartige soziale Kontakte verbracht, hab mich immer sehr zurückgezogen und natürlich kein Selbstvertrauen entwickelt.

Und grade vor einem Jahr hab ich es wieder erlebt, ich lerne jemanden kennen, wir verstehen uns großartig, ich versuche, meine Unsicherheit aufzugeben und denke, es könnte mal eine sehr gute dauerhafte Freundschaft werden. Tja, das ganze hielt dann nur einige Wochen, heute werde ich von ihr komplett ignoriert und teilweise von Aktivitäten rund um ein gemeinsamen Hobbys ausgeschlossen, ohne das ich weiss, was ich ihr eigentlich getan hab.

Erst in den letzten Monaten hat sich das etwas geändert, als ich durch eine depressionsbedingte Therapie neue Leute kennelernte und sich daraus inzwischen eine sehr sehr gute Freundschaft und mehrere weitere Freundschaften entwickelt haben. Und ich habe gelernt, das die Depressionen auch durch das Thema mit entstanden sind. Nur, ich kann diese Freundschft immer noch nicht wirklich annehmen…

Ach ja, und ich kenn das Gefühl, dass man sofort denkt, es wird über einen geredet/gelacht wenn man unterwegs ist. Hab ich, zum Glück, nicht so oft, aber es kommt durchaus vor.

Soo, ich hab jetzt bestimmt noch tausend Kleinigkeiten vergessen, aber der Text ist eh schon viel länger geworden als ich wollte.

Liebe Grüße
diemaus

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Hallo,

ich bin zwar nicht selbstbetroffen, aber ich habe häufig mit Seniorengruppen zu tun und kann Dir sagen, dass gab es auch früher schon.
In einer Gruppe hat eine Frau erzählt, wie sehr sie drunter gelitten hat, als „Kommunistenkind“ von ihren Eltern den BdM verboten zu bekommen. Sie ist dann heimlich hin. Natürlich hatte sie keine Uniform (man hatte wohl eine „Kletterweste“, was immer das sein mag) und hat versucht, irgendwas anzuziehen, was so ähnlich aussah. Allerdings haben die anderen Mädchen das wohl sofort durchschaut und sich grausam über sie lustig gemacht. Sie muss echt über Jahre fertiggemacht worden sein. Der Clou an der Geschichte ist auch noch, dass in dieser Gruppe zwei Leute waren, die aus der gleichen Kleinstadt wie sie waren und sofort schrien: „Aaaach, ganz vergessen: Das Kommunistenkind!“ und sich drüber schlapplachten, während die arme Mobbingopfer-Oma auch 60 Jahre später fast noch heulte.
Mir schien diese ganze Kletterwesten/Kommunistenvater Sache als ganz schön merkwürdig, aber eigentlich sind das die Gründe, aus denen Leute gemobbt werden, ja immer. Ich stand übrigens der nun entstandenen Gruppendynamik echt etwas hilflos gegenüber: Was macht man mit Leuten, die so alt sind wie die eigenen Großeltern und plötzlich anfangen, sich gegenseitig fertigzumachen? Zumal sie gar nicht mehr damit aufhören wollten.

Mobbing entsteht dort, wo eine Atmosphäre von Gewalt herrscht. Ich finde es ziemlich gewalttätig, Menschen zu Humankapital zu degradieren. Und seien wir mal ehrlich, dass sind Kinder heutzutage. Sie sollen möglichst schnell und stromlinienförmig durch Schule/Ausbildung/Uni gequetscht werden und gute Arbeitnehmer werden. Die Generation der „Kommunistenkind“-Oma sollte Kanonenfutter sind, diese eben Humankapital. Gnade wird nicht gegeben.

Dein Direktor klingt für mich, als würde er versuchen, seine eigene Führungsschwäche und Unfähigkeit, einen Raum zu schaffen, der wenigstens etwas Schutz schafft, wegzureden.
Ich würde von einer Schule erwarten, dass sie es schafft, dafür zu sorgen, dass Gemeinschaft wachsen kann, dass jeder und jede dort als Teil begriffen wird, ohne den/die es eben nicht geht.

Mit absolutem Ekel erinnere ich mich bis heute an die 1./2. Klasse, als die Lehrerin, wann immer sie den Raum verließ, jemand aus der Klasse an die Tafel stellte, um alle, die schwätzten, aufzuschreiben. Schon mit 7 kam mir das einfach wie sinnlose Schikane und Mittel, um Gemeinschaft zu zerstören vor (wenn schließlich hätte es gestört, wenn jemand in ihrer Abwesenheit geredet hätte?). Solange es nicht gelingt, gemeinsam sinnvolle Regeln aufzustellen, gemeinsam zu entscheiden, wie über die Einhaltung der selben geachtet wird und was passieren soll, wenn sie gebrochen werden, solange bereitet man den Boden für Mobbing.

Ich kenne durchaus Beispiele, wo es Leuten gelungen ist, ihre Klasse/Schule/Betrieb zu einem für alle angenehmen Ort zu machen. In meiner Erfahrung waren diese Leute allesamt selbstsicher, brauchten keinerlei Insignien von Macht, waren nicht angewiesen auf ein Herrschaftsgefälle zu ihren Gunsten.
Vielleicht sollte Dein Direktor sich mal mit positiven Beispielen befassen, statt Probleme wegzureden.

Viele Grüße

eins noch
raue Späße hat es auch immer gegeben und wird es immer geben. Dagegen spricht aus meiner Sicht auch überhaupt nichts, wenn völlig klar ist, dass diese Späße in alle Richtungen funktionieren: Raufen, sich necken, Spitznamen vergeben, usw., alles gebongt, solange klar ist, dass es eben unter Gleichen geschieht.

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Hallo Kate!

Vielen Dank für deinen mutigen, offenen Bericht! Er bestärkt mich darin als Lehrer, das es kein Verhätscheln sondern richtig ist, bei uns in der Grundschule wachsam auf das soziale System unserer Schüler zu gucken und sich einzumischen.

Richtig gemobbt wurde ich als Kind zwar nicht, aber das Gefühl des Außenseiters und Wut über die antidemokratischen brutalen Sozialstrukturen unter Kinder und Jugendlichen kenne ich auch.

Ich möchte unter allen Umständen verhindern, dass sich in meiner Klasse solche Dinge etablieren!!

Ksrl

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Hi,

dein Nachtrag ist viel wichtiger als der Haupttext:

solange klar ist, dass es eben unter Gleichen geschieht.

Gleiche werden ja auch nicht gemobbt - gemobbt wird und wurde, wer nicht gleich ist. Das mögen aus der Sicht des Beobachters Nichtigkeiten sein - für die Beteiligten sind es Wichtigkeiten. Es wird nicht gemobbt um des Mobbens willen, sondern um Gemeinschaft herzustellen - und Gemeinschaft stellt sich her über Abgrenzung zu anderen.

Nicht nur - aber das sind die definierenden Elemente bei Heranwachsenden (über Mobbing unter Erwachsenen mag ich jetzt nicht wirklich diskutieren, da kenn ich mich zu wenig aus). Bis zur Pubertätt definiert sich ein Kind über die Eltern - die sind die Welt, an denen orientiert man sich für Falsch und Richtig. Pubertät bedeutet, dass man sich seiner selbst, seines Ich, bewusst wird - und das bedeutet als llererstes mal, dass man NICHT wie die Eltern ist, sondern wie alle anderen - und alle anderen - das ist die peer group, sind die Gleichaltrigen, die Mitschüler. DA dazugehören ist alles, der Dreh- und Angelpunkt der Welt. Und wer d a nicht reinpast und reinwill, wird angefeindet. Ist ja auch klar - er ist ja anders, und er droht, die Gemeinschaft zu zerstören.
Gleichzeitig ist das aber auch ein Test: hat derjenige genügend Chuzpe, kann er sich Eindruck verschaffen, für sich selbst einstehen, dann bekommt er Respekt und wird aufgenommen. Kann er das nicht, oder braucht er sogar die Hilfe von Erwachsenen (die „Petze“, der „Lehrerliebling“), dann ist die Sache aber sowas von aus…

Das ist auch der Grund, warum Mobbing so schwer zu bekämpfen ist: die Betroffenen wollen keine Hilfe, und haben damit auch ziemlich weitgehend Recht. Sie brauchen schon Hilfe - aber eher in Form von Trost und Unterstützung hinter den Kulissen. Nicht jemanden, der ihnen die Arbeit abnimmt.

Aber ich fürchte, das ist gerade ganz unmodern.

die Franzi

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Eisberge
Hallo Karl,

Ich möchte unter allen Umständen verhindern, dass sich in meiner Klasse solche Dinge etablieren!!

Mit diesem Anspruch wirst du scheitern. Nicht, weil du unfähig wärst oder Schüler unbelehrbare Rowdies. Sondern deswegen, weil du als Lehrer - auch als engagierter Lehrer - immer nur die Spitze des Eisbergs siehst, wenn du auf deine Klasse blickst.

In Grundschulklassen, wo die Kinder naturgemäß noch stärker an Erwachsenen orientiert sind, ist der Wasserspiegel, der den Eisberg verdeckt noch ein ganzes Stück niedriger. Die Kinder sind noch deutlich bereiter, sich zu offenbaren und den Lehrer teilhaben und ordnen zu lassen - allerdings ist auch das bereits stark abhängig vom sozialen Umfeld. Wenn überall außerhalb das Faustrecht gilt, lassen auch Zweitklässler die Deckung nicht mehr fallen.

Heißt: Du kannst da intervenieren, wo du Unrecht wahrnimmstt. Das ist auch wichtig und bietet zumindest ein Gegengewicht zu dem, was unter der Oberfläche passiert. Zudem dient es dir dazu, Stellung zu beziehen und den Schülern zu vermitteln, was sie von dir zu erwarten haben. Auch das ist wichtig.

Trotzdem wirst du eine gewisse Schwelle niemals überschreiten können. Das wahre Ausmaß an Gewalt und Ausgrenzung passiert in einer Klasse niemals unter den Augen der Öffentlichkeit. Systeme schützen sich - und eine Klasse unterscheidet sich da nicht von anderen Systemen.

Um nicht missverstanden zu werden: Das bedeutet nicht, dass Lehrer nichts unternehmen brauchen - im Gegenteil: Schule ist immer auch ein Ort von Erziehung. Und nur mit Lehrern die bereit und fähig sind, Beziehungen zu ihren Schülern aufzubauen, kann Schule ihre Aufgaben auch erfüllen.

Ich warne nur davor, zu glauben, man könnte Ungerechtigkeit und Mobbing verhindern. Das erhöht die Gefahr immens, nur noch das zu sehen, was man sehen will. Und wenn man in einer Klasse viel an sozialer Energie investiert, wünscht man sich natürlich, dass diese auch Früchte trägt. Das tut sie auch - allerdings niemals in dem Maße, in dem man das als Lehrer gerne glauben würde.

Schöne Grüße,
Jule

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Hi Jule

Ich denke schon, dass die Grundschule ein guter Ort für Mobbing-Intervention ist.
Natürlich kann man nicht alles lösen… aber hey, jeder gelöste Fall ist eine Rettung.

Gerade weil, wie du gesagt hast, der Einblick der Lehrer noch tiefgehender ist als in späteren Jahrgängen, auch ihr Einfluss ist noch größer und die Kinder für moralische Einsichten offener.

Mit jeder Einsicht die ein mobbendes Kind vielleicht erhält, verlieren wir einen zukünftigen Mobber mehr und gewinnen vielleicht sogar jemanden, der sich später für Mobbingopfer einsetzt. Zumindest zwei davon habe ich peripher mitbekommen, die in jungen Jahren (allerdings schon nach der Grundschule) Teil des „Mobs“ waren, aber aus irgendwelchen Gründen - oder vielleicht auch nur aus Mitleid weil sie noch einen Funken Anstand im Leib hatten - sich gegen diesen stellten und das Mobbingopfer in Schutz nahmen.

Ich denke, wenn Kinder in der Grundschule schon lernen, dass Mobbing falsch ist, dann kann man die Fälle auf den höheren Schulen zumindest vermindern.

An meiner Grundschule wurde da nichts getan, darum haben die Mobber einfach durchgehend weiter gemacht - sie mussten ja nie Konsequenzen fürchten, wie das Beispiel an der roten Karte zeigte, aber auch die permanente Ignoranz.

Dabei kam dann am Ende eine vollkommen wilde Horrorklasse raus, ich war da dann zum Glück ja draußen… aber eine Lehrerin wurde so fertig gemacht, dass sie soviel man weiß in psychologische Behandlung musste. Zwei weitere Lehrer haben wegen dieser Klasse geschmissen, dass sich kein Erwachsener mit Tischen bewerfen lassen will ist mir zumindest klar.

Ich habe dafür zu wenig Einsicht in die Möglichkeiten an Schulen, aber ich frage mich wirklich wie es nur so weit kommen konnte.

Daher ist es gut zumindest auf moralischer Ebene schon möglichst früh anzusetzen.

lg
Kate

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Hallo Stefan,

ich bin ja nun bald 50 Jahre aus der Schule heraus und war zu meiner Schulzeit nie ein Opfer von Ausgrenzung und Verachtung - „Mobbing“ hieß das ja seinerzeit noch nicht - aber die Geschehnisse und die daraus resultierenden schulzeit- und oft lebenslangen Folgen für die davon Betroffenen sind mir durchaus bekannt und ich gehe heute noch - insbesondere, wenn mal wieder ein „Klassentreffen“ ansteht - mit mir ins Gericht, warum ich damals nicht geholfen, sondern sogar mitgemacht habe…

Der Nährboden aller unerfreulichen Geschehnisse war die explizite soziale Ab- und Ausgrenzung bereits in der 1. Volksschulklasse - aktiv betrieben von der Lehrerschaft, die sehr deutlich selektierte!

Das begann mit der Anlage des Klassenbuches und der öffentlichen Abfrage des Vatersnamens und seines Berufes.

Das schlimmste war wohl, keinen Vater nennen zu können - weiters war der „kaufm. / techn. Angestellte“ oder der „Beamte“ oder der „Meister“ dem „Arbeiter“ (und solche gab es in meiner Industrieheimat viele) deutlich in der Wertigkeit überlegen. Darunter rangierte eigentlich nur noch der „Invalide“ und/oder „Rentner“ und nach der Wertigkeit des Elternhauses wurde die Sitzordnung gestaltet…

Und so wurden Hierarchien geschaffen, die sich - mit wohlwollender Duldung des Umfeldes - miteinander verbündeten und Opfer zum Ausleben entweder der vermeintlichen Überlegenheit oder aber des angenommenen Stachels im Fleisch betreffs der eigenen Herkunft suchten und fanden…

Hier höre ich mal auf - aber ich bin überzeugt, daß sich im Grundsatz bis heute an den Ursachen und Wirkungen im Schulbereich so gut wie nichts geändert hat…

Herzliche Grüße

Helmut

Hallo,

kleinere Angriffe habe ich mein ganzes Schulleben lang immer wieder erlebt.
Ich bin ziemlich früh in die Pubertät gekommen. Das sorgte in der vierten Klasse für Hänseleien, weil man eben körperlich schon einiges sah. In der fünften Klasse dann wegen den Klamotten. Das regelte sich, als ich die Meute aufforderte, mir dann doch mal zu erzählen, was „in“ wäre. In der sechsten Klasse wurde ein Club gegründet, in den alle Mädels der Klasse eingeladen wurden, nur ich durfte nicht rein. Meine spätere beste Freundin erhob sich damals aus der Masse und erstattete unserer Klassenlehrerin vor versammelter Mannschaft Bericht, als diese fragte, was hier eigentlich los sei. Rechne ich ihr heut noch hoch an. Ihr Schneid sich hinzustellen und offen zu sagen, dass sie es nicht ok findet, dass hier eine ohne offensichtlichen Grund bewusst ausgegrenzt wird, hat den „Club“ sehr nachhaltig beeindruckt. Weiterhin erinnere ich mich an eine Englischstunde, in der das erste Mal Wörterbücher ausgeteilt wurden. Erster Akt von ein paar Jungs, war das Wort „pickelig“ nachzuschlagen und es mir die nächsten Tage um die Ohren zu hauen.
Ich war in der Schule zu diesen Themen immer relativ cool, innerlich hat es mich aber schon stark mitgenommen, nicht wirklich dazuzugehören. Hab viel mit meinem Vater drüber geredet, der aber auch nicht wirklich wusste, wie man das Problem am besten angehen konnte. Was mich gerettet hat, war wahrscheinlich, dass ich trotz allem immer ein paar Freunde hatte. Die restliche Zeit im Gymnasium gehörte ich zur Außenseitergruppe und strahlte wohl irgendwie auch aus, dass ich Hänseleien reichlich lächerlich fand. Gepaart damit, dass ich überall sehr gute Noten hatte und man es sich mit mir für den Ernstfall nicht verscherzen wollte, wurde ich weitgehend in Ruhe gelassen, was ich perfekt fand. Ich hatte meinen Streberstempel, trug den mit Stolz und damit kein Image mehr zu verlieren, was mir die Freiheit gab, mich ungehindert mit meinen Außenseiterfreunden zu umgeben und auch mal mit Lehrern zu quatschen. Ich hab mich relativ früh aus dem Thema Gruppenzwang gelöst, nicht zuletzt durch ein ellenlanges, wahnsinnig erleuchtendes (ich war damals 14) Gespräch mit einer Lehrerin, das mich so nachhaltig aufs Selbstvertrauensgleis setzte, das ich danach wirklich mit mir selbst im reinen war und nicht mehr das Gefühl hatte, mich anpassen oder verstecken zu müssen. Ich glaube, das hat es letztlich auch rausgerissen, diese auch nach außen getragene selbstbewusste „Uncoolness“.
Nach dem Abi bin ich fürs Studium umgezogen und heute ist alles prima. Bin auch ein sehr kontaktfreudiger Mensch und bin, denke ich, soweit ganz beliebt in meinem Umfeld.

@Kate: Unfassbar, deine Geschichte. Ich ziehe meinen Hut, dass du nicht Amok gelaufen bist, dir nichts angetan hast und das heute aufschreiben kannst! Solche Geschichten sollten jeden davor bewahren, Mobbing als Lappalie abzutun und „ignorieren“ für ein probates Bekämpfungsmittel zu halten!!

Gruß
Yvette

Hallo,

zunächst sei gesagt, dass ich den ganzen Tag über dieses Thema nachgedacht habe und dann mit Neffen Karlsson (13) drüber gesprochen habe.

Natürlich wollen Jugendliche sich selber finden und es ist illusorisch zu glauben, in irgendeinem Lebensalter oder an irgendeiner Stelle wären alle Leute bffs miteinander. Aber es besteht ein weiter Unterschied zwischen dem systematischen Fertigmachen, Ausgrenzen und Nachtreten gegen Einzelne und sich als Grupe/Clique/was auch immer zu definieren, in dem man sich durch was auch immer von anderen abgrenzt.
Sonst gäbe es ja keine Schulen/Klassen, an denen das nicht passiert. Neulich hatte ich mal eine Klasse vor mir, da war ein Junge, der war klein, dick, sonderbar und hatte eine der nervig schrillsten Stimmen, die ich je gehört habe. Eigentlich das perfekte Opfer. Eine wahre Goldmine an Scherzen, die nur drauf warten, gemacht zu werden. Allerdings schien das absolut niemanden seiner Mitschüler in irgendeiner Weise aufzufallen. Im Schnitt waren das alle typische Jugendliche, voll gestylt und cool, aber die schienen einfach nicht so, als würden sie sich groß an solchen Dingen stören. Ich habe öfters mit dieser Schule zu tun und habe noch nie erlebt, dass diese speziellen Schülern aufeinander rumgehackt hätten. Ich glaube also nach wie vor, dass die Rahmenbedingungen maßgeblich sind.

Viele Grüße
Also bin ich nach wie vor der Meinung, dass

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Hi

@Kate: Unfassbar, deine Geschichte. Ich ziehe meinen Hut, dass
du nicht Amok gelaufen bist, dir nichts angetan hast und das
heute aufschreiben kannst! Solche Geschichten sollten jeden
davor bewahren, Mobbing als Lappalie abzutun und „ignorieren“
für ein probates Bekämpfungsmittel zu halten!!

Gruß
Yvette

*bows*
Es tat eigentlich ganz gut, dass mal so aufzuschreiben. In den letzten Jahren habe ich an verschiedenen Orten im Internet immer wieder kleine Ausschnitte davon preisgegeben, vor allem wenn Leute meinten, Mobbing sei gar nicht so schlimm.
Aber das Schreiben hat mich auch immer runtergezogen und für einige Tage deprimiert.
Auch gestern sind mir die Tränen in die Augen gestiegen als ich mich an jene Zeit erinnerte, und ich wollte es ja korrekt beschreiben. Aber sie sind nicht rausgekommen und mir ging es den Rest des Tages gut.
Das zeigt mir, dass ich gewonnen habe.

lg
Kate

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Hallo Jule,

Deine kritische Haltung ist sicher richtig - die Gewalt findet nicht öffentlich statt - nicht im Unterricht oder bei Veranstaltungen, wenn die Lehrer dabei sind, sondern wenn keiner hinsieht - in den Pausen, in den Zeiten, wo es keine Aufsicht gibt.

Ich hatte damals in der Grundschule einen Jungen, der am Anfang der Schulzeit im Unterricht einen Furz gelassen hat - danach wurde er bei jedem komischen Geruch oder Geräusch niedergemacht, keiner wollte neben ihm sitzen, er landete etliche Male in der Mülltonne oder er wurde so geärgert bis er ausgerastet ist. Und ausgerastet ist er oft - er galt als „Zappelphilip“ und war jähzornig. Wenn er mal wieder so richtig geärgert wurde, wurde er rot, ballte die Fäuste, brüllte, schlug wild um sich und manchmal warf er auch mit Sachen herum. Genau in diesem Moment kam dann meist ein Lehrer. Und er bekam den Verweis, die Verwarnung, Eintrag ins Klassenbuch etc.

Auch wenn es keine globale „Heilung“ gegen Mobbing gibt - die gemobbten Menschen sind unglaublich dankbar für jede noch so kleine Unterstützung, die sie bekommen - von Mitschülern, von den Eltern oder von den Lehrern - es reicht oft einfach nur zu wissen, dass es Menschen gibt, denen man sich anvertrauen kann. Das stärkt das Ego und das hilft beim täglichen Kampf.

Viele Grüße

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Hi,

  • die gemobbten Menschen sind unglaublich dankbar für jede noch so kleine Unterstützung, die sie bekommen - von Mitschülern, von den Eltern oder von den Lehrern -

Nein. Nicht jede.

es reicht oft einfach nur zu wissen, dass es Menschen gibt, denen man sich anvertrauen kann.

Das, ja.

Gemobbt werden viele, weil sie sich nciht selber verteidigen können, sondern sich Hilfe suchen. Sie werden gemobbt, weil sie schwach sind. Oder weil sie stark sind, aber sich nciht selbst verteidigen, sondern sich hilfe holen oder Hilfe bekommen.

die Franzi

Hi,

wichtig wäre dagegen, dass die Mobber eins sichtbar auf den Deckel bekommen. Dass eben beim Opfer nicht der Eindruck entsteht, dass die ganze Welt ggen ihn / sie ist - wie leicht das geht, haben wir ja an dem Beispiel mit dem „jähzornigen“ Jungen sehr schön gesehen. (Ich habe die Anführungszeichen sehr bewusst gesetzt)

die Franzi

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Hi Mieze,

hier muss ich mal einharken:

Mobbingopfer werden nicht schwach geboren, sie werden schwach gemacht.

Ein einziger Moment reicht als Auslöser für Mobbing vollkommen aus.
Diese Schlag-mich-Opferaura mit der jemand an einen Ort kommt gibt es nicht.

Durch das Mobbing wird aber verhindert, dass das Opfer soziale Fähigkeiten erlernt, die jeder andere selbstverständlich im Umgang mit Freunden, Bekannten, Fremden und in der Schule mitnimmt.
Um so sozial sonderbarer werden die Opfer, aber das ist nicht wer sie _sind_, sondern zu was sie _gemacht_ wurden.

Ich war als Kind recht selbstbewusst, vielleicht nicht genug. ich kenne andere die als Kinder sehr stark und selbstbewusst waren, die trotzdem später in die Mobbingfalle gerieten.

Wenn jemand selbstbewusst ist, wird halt so lange gemobbt, bis davon nichts mehr übrig ist. Bei sehr selbstbewussten Menschen löst eine solche ungerechtfertige Behandlung höchstens Aggression aus… wichtig ist dann zu wissen, dass es eine Welt außerhalb des Mobbingumfeldes gibt.

Bitte kein Determinus mehr, der ist doch seit dem 19. Jh. außer Mode. Er spielt aber denjenigen Händen, die meinen an Schulen Sozialdarwinismus betreiben zu müssen und sagen „Tja, die Stärkeren setzen sich halt durch und die Schwachen werden zu Recht ausgegrenzt.“

Das wolltest du sicher nicht sagen, aber dieses Argument da oben habe ich schon sooo oft gehört.

lg
Kate

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