Dass es „uns“ nicht schlecht geht, und dass viel „Hochniveaujammerei“ stattfindet, stimme ich zu.
Ich stör mich aber a bissl daran, „die Bonzen“ jetzt in eine Reihe mit den Projektionsbildern „die Ossis“ und „die Flüchtlinge“ zu stellen. Natürlich haben die sprichwörtlichen 45 Haushalte im kausalen Sinn nicht die unmittelbar Schuld an, was weiß ich, Hartz IV oder irgendwelchen working poor. Zwar diffus, aber kräftig in diesem Kausalnetz verwoben sind sie schon, jedenfalls keine bloßen „Projektionsbilder“, bei denen ökonomische Missstände auf mehr oder weniger beliebige Menschengruppen projiziert werden.
Ausbleibende 'Bonzenfeindlichkeit (und m.E. bleibt die völlig aus, wenn man von irgendwelchen harmlosen Steuerdiskussionen absieht) empfinde ich daher genauso irrational wie stattfindende Ossi- oder Ausländerfeindlichkeit.
Ich wollte eigentlich auf diese stumpfe Pauschalierung hinaus, die so wahnsinnig beliebt ist.
Ist das so?
Mal ganz sachlich betrachtet stimme ich Dir nur teilweise zu.
Wenn man sich die Liste namentlich anschaut, dann erkennt man Namen, die dafür bekannt sind, die Mitarbeiter auszubeuten, es tauchen aber auch nicht wenige auf, die ihren Reichtum in einer alten Weisheit von Robert Bosch begründet sehen.
Ich bin jetzt eine eher linke Socke, muss aber zugeben:
So sehr, wie die Jammerei gegen die Flüchtlinge im extrem rechten Flügel zum guten Ton gehört, gehört das, was Du als Bonzenfeindlichkeit bezeichnest doch durchaus zum guten Ton in der extrem linken Ecke.
Selbst, wenn man dort Leute wie Götz Werner oder den leider verstorbenen Heinz-Horst Deichmann als gutes Beispiel anführt, findet man eher selten Gehör …
plus Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Die kann man ja nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, denn beispielsweise der nicht berufstätige über 25jährige Student muss dafür auch in die Tasche greifen, der Arbeitnehmer muss sie zumindest hälftig (sogar etwas mehr als hälftig) selber tragen. Aber Fakten sind nicht so ihrs…
… was dann unter anderem den Unterschied von Brutto und Netto ausmacht, weshalb der Vergleich extrem hinkt.
Ich verstehe Euch Beide, allerdings hängt Ihr Euch imo auch beide viel zu sehr an den Details auf.
Bernd war es, der sachlich in die Schüssel gegriffen hat …
Übrigens:
Das ist eine Sache, die Du in dieser Form wohl nur im Süden Deutschlands finden wirst.
Im Norden genauso, Niedersachsen (VW), Bremen (Daimler), in Ossiland etwas abgemildert, da VW in seinen ostdeutschen Werken nur Flächentarif zahlt, aber das dürfte trotzdem reichen.
Naja, die mir bekannten ehemaligen Handwerker in Köln bei Toyota oder bei Opel in Bochum lagen weit unter den 50k.
Dass es noch VW gibt - ok, die hatte ich ganz vergessen
Du kannst aber auch die verbliebene Schwerindustrie im Ruhrgebiet zur Hand nehmen - da sind 50k für einen „normalen“ Handwerker oder Kaufmann auch nicht so einfach drin, zumindest nicht in den ersten 10 Berufsjahren.
In der Autoindustrie kann das natürlich auch schwanken, Zurzeit bekommen die Arbeiter bei Daimler oder bei VW ihren erstmal ganz ordentlichen Lohn, dazu Zuschläge, falls sie z.B. Spät- oder Nachtschichten arbeiten, ggf. noch Zuschläge für bestimmte Tätigkeiten, dann werden aufgrund hoher Auslastung Extraschichten gefahren, diese werden noch einmal mit Zuschlägen versüßt, dann gibt es die Gewinnbeteiligung. Falls der Mitarbeiter noch einen Pkw kauft, bekommt er auch noch den steuerpflichtigen Rabatt. Das Gesamtpaket ergibt dann das hohe Einkommen. Wenn die Autokonjunktur abflacht (oder wenn du bei Opel arbeitest), dann fallen Extraschichten weg, es wird nur noch Normalschicht gefahren, so dass Zuschläge wegfallen, die (zurzeit üppige) Gewinnbeteiligung wird weniger. Dann kann es sein, dass dieselben Mitarbeiter plötzlich 10.000 € weniger in der Tüte haben.
Einigen wir uns einfach darauf, dass diese nicht unbedingt repräsentativ für das Einkommmen von Handwerkern oder Kaufleuten im Allgemeinen herangezogen werden kann?
Aber das ändert doch nichts daran, dass auch die ihr Milliardenvermögen unmöglich mit eigener Arbeitskraft angehäuft haben können, sondern praktisch vollkommen durch Ausbeutung anderer erlangt haben und bewahren. Und auch die sind zweifelsohne wichtige Akteure im „Kausalnexus“, das zu diese Polarisierungen der Vermögen führt.
Es stimmt aber natürlich, dass diese Listen sehr heterogen sind, besonders international. Da finden sich „humanitäre Wohltäter“ genauso wie Leute, die ihr Vermögen auf direkte Weise für repressive Politik einsetzen (z.B. die Koch-Brüder).
Wow, ich fürchte, unsere Definitionen von „Ausbeutung“ gehen diametral auseinander.
Anders: Würden etliche dieser 45 auf ihr Geld und damit natürlich auch auf ihr Engagement verzichten, gäbe es keine Ausbeutung und die Mitarbeiter müssten sich einen anderen Job suchen.
Verstehe mich nicht falsch! Ich finde nicht, dass es sich um Wohlwollen handelt es ist schlicht ein Geben und Nehmen.
Sobald jemand die richtige Idee hat und seine Existenz für etwas aufs Spiel setzt, was ihm dann irgendwann mal Milliarden bringt, dann sei es ihm gegönnt, sofern er niemandem Schaden zufügt - und im Schnitt gut bezahlte Jobs für eine normale Tätigkeit sind nicht wirklich schadhaft.
Ich habe absichtlich auf die internationale Geschichte verzichtet, da man schon innerhalb Deutschlands mit zu vielen Variablen spielen kann.
Ja Geben und Nehmen, aber die eine Seite nimmt notwendigermaßen (weil sich dieses Verteilungsergebnis gar nicht anders herstellen könnte) extrem überproportional viel, damit sie einen Reichtum anhäufen kann, für den ein Durchschnittsmensch ein paar Tausend Leben lang arbeiten müsste.
Ich kann die Positionen von C. oder RotAlge nachvollziehen, die diese Extreme verteidigen, weil es um ihnen um das „Gesamtpaket Wirtschafts- und Gesellschaftsweise“ geht.
Du scheinst die Extreme aber irgendwie als „die habens auch verdient, immerhin geben sie Arbeit und hatten (bzw. deren Vorfahren) irgendwann mal eine gute Idee“. Das kann ich in mir einfach nicht mehr nachvollziehen.
Nun, man kann es auch umkehren.
Sie geben das, was man allgemein als angemessen bezeichnet (mir fallen Beispiele ein, wo wesentlich mehr, also zum normalen Tarif überproportional, gezahlt wird) und haben schlicht trotzdem einen enormen Mehrertrag, weil der Markt das halt hergibt.
An anderer Stelle hier im Thread ist von der Automobilindustrie die Rede - bei VW hört die tarifliche (!) Bezahlung erst bei knapp unter 100.000,-€/Jahr auf …
Eigentlich sage ich nichts anderes als Christian.
Das, was ich mit „guter Idee, Existenz aufs Spiel setzen, etc.“ betitelt habe, ist das, was man allgemein als Unternehmertätigkeit bezeichnet.
Ja, die Gefühle. Man fährt täglich über eine marode Brücke und schon ist die ganze Infrastruktur gefühlt im Eimer. Man bekommt nicht sofort einen Termin beim Endokrinologen, schon ist das ganze Gesundheitssystem gefühlt im Eimer. Der Steuerbescheid ist falsch, schon ist die ganze Finanzverwaltung gefühlt im Eimer. Es wird ein Skandal irgendwo aufgedeckt, schon ist das ganze System korrupt. Usw. usf.(*)
Das Gefühl trügt mitunter und es trügt auch beim Gefühl, daß mit der Ungleichverteilung irgendwie etwas nicht in Ordnung ist. Würde man das gesamte Vermögen der Milliardäre in Deutschland umverteilen, kämen für jede Person in Deutschland bestenfalls ein paar tausend Euro heraus - einmalig.
Bringt nix, außer daß auf einmal entweder hunderte von Unternehmen mit hunderttausenden von Arbeitsplätzen verschwinden oder auf einmal Arbeitnehmer die Geschicke von riesigen Unternehmen lenken. Dabei hat es ja einen Grund, daß viele Menschen Arbeitnehmer sind und die allerwenigsten Gründer und/oder Inhaber von großen, erfolgreichen Unternehmen sind. Die wenigsten von uns sind dafür nämlich geschaffen und noch viel weniger wollen das Risiko tragen, das damit einhergeht. Vom Streß und der langwierigen Aufbauarbeit ganz abgesehen.
Wenn man das Einkommen betrachtet, sieht die Sache ähnlich aus. Inhabergeführte Unternehmen haben in der Regel nicht die Möglichkeit, sich einfach mal so an der Börse neues Kapital zu besorgen. Die einzige Möglichkeit, an Eigenkapital zu kommen, um damit bspw. Wachstum und Investitionen (und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen) zu finanzieren, ist die Thesaurierung von Gewinnen. Natürlich wird auch etwas ausgeschüttet, aber das geht nur in wenigen Fällen über das hinaus, was benötigt wird, um die Steuerzahlungen finanzieren zu können. Und wenn sich ein Unternehmer ab und an mal ein neues Spielzeug in die Garage stellt, habe ich damit auch kein Problem.
Tauschen will ich mit dem so oder so nicht und ich bin mir sicher, wenn man den Leuten vor Augen führt, daß das Dasein eines Unternehmers nicht nur darin besteht, Geld zu verdienen und Geldspeicher zu bauen, am Ende der gleichen Ansicht sind. Regelmäßige Arbeitszeiten, garantierte Urlaubstage, gelbe Scheine bei Krankheit, regelmäßige Gehaltserhöhung durch das Engagement der Gewerkschaften, Vertretung der Interessen durch den Betriebsrat usw. Das sind alles Dinge, die man gerne so hinnimmt, weil sie einem eh zustehen. Das im Vergleich zum Einkommen einer Unternehmerfamilie eher geringe Gehalt gehört dann aber leider auch zum Gesamtpaket.
Gleiches gilt, um das noch aufzugreifen, für die Einkommen von Vorständen großer Unternehmen. Die Leute sind in diese Position nicht geboren worden. Bis man mit Anfang/Mitte 50 dort gelandet ist, hat man sich im Zweifel 20 Jahre krumm gearbeitet, die Familie vernachlässigt und sich die Nächte und Wochenenden mit Terminen um die Ohren geschlagen, die man freiwillig niemals wahrnehmen würde, wenn man nicht gerade zu dieser speziellen Sorte Leute gehört.
Ob mein oberster Chef nun 50 oder 100 mal so viel verdient wie ich, ist mir völlig egal und kann mir völlig egal sein und so sollte es jedem anderen eigentlich auch gehen. Zumal man ganz leicht ausrechnen kann, daß das auf alle Mitarbeiter verteilte Gehalt eines Vorstandes für jeden einzelnen nicht mehr als eine warme Mahlzeit ausmacht - im Jahr.
Kurz gesagt: ich sehe in der Ungleichverteilung kein Problem und rein objektiv betrachtet gibt es da auch keins. Am Ende bleibt nur die Frage, wie man den Leuten das klarmachen kann.
Gruß
C.
(*) Wobei ich mich immer frage, ob die Leute jemals sehenden Auges im Ausland gewesen sind.
Naja, allein schon die Top Ten ließen sich auf knapp 3.000 Euro pro Bürger aufteilen.
Da kommen dann noch weitere gut 150 Milliardäre dazu.
Ich hab aber eh ein paar mal im Thread geschrieben, dass es nicht so sehr um die Verteilungsfrage für sich allein geht, sondern um Machtkonzentration. Wer zahlt schafft an.
ich bin mir gerade nicht sicher, ob wir über die gleiche Gegend reden. Ich sprach von Deutschland. International Zahlen in den Raum zu stellen, halte ich für wenig hilfreich. Allein schon deshalb, weil man dann nicht bei der Umverteilung von einigen privaten Vermögen reden kann, sondern über das Vermögen insgesamt und dann sind wir ganz schnell dabei, daß jeder von uns auch einige zigtausend Euro in die Waagschale werfen muß, damit die Milliarden von Menschen, die nicht einmal ansatzweise in unserer Liga spielen, auf dem gleichen Niveau liegen.
Sowohl international als auch national ist es aber auch so, daß die Umverteilung von Vermögen und auch Einkommen nicht viel hilft. Ich versuchte das an anderer Stelle schon zu erläutern: Umverteilung löst keine Probleme, sondern schafft allenfalls neue - nämlich durch die Zerschlagung von Unternehmen, die vielen Menschen ein Einkommen verschaffen und durch den ausbleibenden Anreiz, neue Unternehmen zu gründen.
Und noch ein Punkt: nur weil die Familien Bosch, Quandt und Albrecht Milliarden besitzen geht es nicht einem von uns schlechter. Niemand verkauft Autos oder Lebensmittel ohne Gewinn zu machen und ob diese Gewinne am Ende bei einer Familie liegen und nicht bei einigen tausend Tante Emmas, deren Geschäfte von Discountern verdrängt wurden, macht am Ende keinen Unterschied. Im Gegenteil: weil Tante Emma praktisch rund um die Uhr allein hinter der Theke stand, während bei Feinkost Albrecht zig Leute arbeiten, ist der allgemeine Wohlstand dadurch eher größer als kleiner geworden.
Welche Macht haben denn die reichsten deutschen Familien wie ausgenutzt, um sich einen Vorteil zu verschaffen, der anderen zum Nachteil geworden ist?
Um noch konkreter zu werden: was genau stört Dich und wie willst Du es ändern?
Ich frage, weil mich das ganze sehr an ein Gespräch erinnert, das meine Frau neulich mit ihren Mitarbeitern führte. Einige von denen äußerten sich nämlich ähnlich; sie waren irgendwie unzufrieden mit irgendetwas, konnten aber nicht genau benennen, was sie störte, was sie gerne anders hätten und wie man den verbesserten Zustand denn wohl erreichen könnte.
Was also konkret stört Dich an der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen? Was sollte man wie ändern und was würde es bringen?
Da widerspreche ich dir gar nicht grundsätzlich.
Mir gehts in dem Thread schlichtweg um die Frage, warum sich an so krassen Ungleichverteilungen derzeit extrem wenig politischer Protest entzündet, und sei es nur in banaler symbolischer Form: z.B. haben wir Schuldenuhren als Protest gegen die Staatsverschuldung. Ich weiß von keiner Milliardärsuhr.
Können wir in einem Thread zu einem konkreten Thema diskutieren.
Bei diesem Thread gings mir schlicht darum, zu verstehen, weshalb Schlagworte wie „45 Haushalte besitzen so viel wie halb Deutschland“ so achselzuckend hingenommen werden.
Deine Antworten (die ich als „ist kein großes Ding und für niemanden negativ“ zusammenfassen mag; korrigier mich, wenn ich dich völlig missverstanden haben sollte) sind da durchaus hilfreiche Erklärungsansätze, die mit den verschiedenen anderen Antworten ein rundes Bild ergeben.
1 Mrd. für Mitarbeiter und Führungskräfte. Bei rd. 100.000 Mitarbeitern (und davon mal so über den Daumen gepeilt 50.000 außertariflichen) relativiert sich das wieder ganz schnell.