Hallo!
Ein Smart bringt leer 750 kg auf die Waage.
Man muss die verschiedenen Lebenssituation der Menschen berücksichtigen. Was für Großstädter ein Problem ist (z. B. Stau und endlose Parkplatzsuche), ist Bewohnern ländlicher Regionen unbekannt. Letzteren sind auch Car-Sharing, Pizza-Bringdienste, Taxis, öffentliche Verkehrsmittel und kurze Wege allenfalls vom Hörensagen und aus dem Fernsehen bekannt. Zum Amt, das in der Großstadt etwa einem Ortsamt entspricht, fährt man hin und zurück über 250 km. Einmal auf die andere Seite der Elbe ist per Fähre einschl. Anfahrt eine halbe Stunde, mit der Bahn (mit dem Auto zum Bahnhof) hin und zurück eine Tagesreise. Nirgends stellen sich Fragen von ein paar Kilometern Fußweg, vielmehr existieren die o. g. Segnungen eines Ballungsraums im Umkreis von zig Kilometern nicht. Ohne dauernd zur Verfügung stehendem Auto ist man verraten und verkauft. Das Auto muss lastentauglich sein, ohne Anhängerkupplung taugt es nichts. Und große Räder muss es haben, denn auf vielen ländlichen Straßen werden Schlaglochsuchgeräte vom Typ Smart nur von Leuten empfohlen, die nicht wissen, wovon sie reden. Schon gar nicht im Winter, wenn abseits von Bundesstraßen und viel befahrenen Landstraßen nichts geräumt ist. In Regionen, wo es außer Straßen (der unmittelbare Nachbarort ist nur über einen unbefestigten Waldweg erreichbar) nichts gibt (keinen Geldautomaten, nicht mal einen Zigarettenautomaten, keine Gastronomie, reinweg gar nichts), braucht man keine Gehhilfe und keine Nuckelpinne, sondern ein ausgewachsenes Auto, um Strecke zu machen und auch mal was wegzuziehen. Schließlich hat man kein Wohnklo mit Hausmeister, der alles erledigt, sondern ein Anwesen, für das man gelegentlich einige Balken, Pflastersteine, einen Rüttler oder einen Kubikmeter Kies braucht.
Merkst Du was? Wir können Bewohner und Bedürfnisse des Landes nicht über einen Kamm scheren. Unabhängig davon muss man über 500 kg leichte Gefährte (ein Goggomobil hatte 480 kg, ein Trabant 680 kg Leergewicht) gar nicht erst nachzudenken, es sei denn, wir reden über Liegefahrräder zur Benutzung in überdachten Bereichen.
In Großstädten kann ein Auto schnell zur Last werden. Es geht eng zu; Stellflächen sind Mangelware. Dafür gibt es Busse, U- und S-Bahnen und nötigenfalls kann man Autos per Carsharing nutzen. Bei irgend verträglichem Wetter kann man viele Wege auch per Fahrrad erledigen.
Es gibt Pendler, die täglich oder einmal wöchentlich große Strecken fahren und es gibt Pendler, die nur aus der Haustür fallen müssen und nach nur 20 km am Arbeitsplatz sind.
Schließlich ist zu beachten, dass sich die Hersteller von E-Autos mit Akku von den Gepflogenheiten der Autobranche infizieren ließen - Verbrauchsangaben haben wenig Realitätsbezug. Kannst gerne spaßeshalber Reichweitenangaben von Tesla für -10°C bei eingeschalteter Heizung erfragen. Uups, nur noch ein Drittel der Reichweite. Die Herrschaften können nämlich nicht zaubern, sondern unterliegen den gleichen Problemen wie Hersteller von E-Fahrzeugen in Europa seit über 100 (!) Jahren.
Ungeachtet dessen können E-Autos mit Akkus (E-Autos muss man nicht zwingend aus Akkus betreiben) für viele Anwendungen des Kurzstreckenverkehrs sinnvoll sein. Knackpunkt ist dabei die Lade-Infrastruktur. Täglich irgendwo längere Zeit zum Laden zuzubringen, ist realitätsferner Unsinn. Laden funktioniert nur an besonders gesicherten Orten (Privatgrundstück, Firmengelände, Tankstelle, private Tiefgarage) aber nicht im öffentlich zugänglichen Verkehrsraum, weil das Vandalismusproblem nicht beherrschbar ist. Eine nächtlich unbewachte Ladestation mit frei erreichbarer Strippe hat eine Lebensdauer von etwa einer Nacht. Danach sind Ladestation, angeschlossenes Fahrzeug und Kabel in ungefähr ähnlichem Zustand wie früher Telefonzellen.
Aus eigenem Erleben der innerstädtischen Situation in HH kann ich sicher beurteilen, dass nur ein winziger Anteil aller Pkw-Nutzer die Chance hat, einen geeigneten Ladeplatz einzurichten. Egal ob Eppendorf, Eimsbüttel, Barmbek, Rotherbaum, Altona … ausreichend gesicherte Plätze gibt es so gut wie keine. Für den Großteil der Bevölkerung anderer Städte wird es kaum besser aussehen.
Vor 3 Jahren war ich an der Planung einer Straßensanierung einer Stadt in McPomm beteiligt, zuständig für die Elektrik. Das Bauamt wollte Steckdosen an Lichtmasten haben. Ist für Stadtfeste praktisch und natürlich wussten die Behördenleute, dass solche Steckdosen in unerreichbarer Höhe liegen müssen, von wegen Vandalismus. Darüber hinaus wünschten die Zuständigen die Möglichkeit, E-Autos zu laden. Ich schenkte den Damen und Herren (naive Jungs und Mädchen) ein ausführliches Gutachten dergestalt, dass die städtische Infrastruktur für Beleuchtung und Ampeln u. a. hinsichtlich Verkabelung mit Ladeströmen von E-Autos überfordert ist und außerdem das Vandalismusproblem nicht beherrschbar sein wird. Weil es zum damaligen Zeitpunkt noch gar keine privaten oder städtischen E-Autos gab, schlug ich vor, zu gegebener Zeit etwa im eingezäunten städtischen Bauhof für Lademöglichkeiten zu sorgen. Kurz: Die blauäugig-naiven Vorstellungen (der Strom kommt aus der Steckdose) von Ladestationen propagierenden Leuten sind mir nur zu gut bekannt. Die Ideen taugen für das Häuschen im Grünen nicht weit weg von der Stadt.
Gruß
Wolfgang