Hallo,
(A) das Urteil des BGH hält fest:
Auffassung des zuvor verhandelnden Landgerichts
RdNr. 5: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz habe es verboten, auf den Nebenkläger als „eine dritte Person“ [Anm. vdmaster: 100 Meter entfernter Sozius auf Krad] zu schießen, „mit dem Ziel, den dem Anhaltegebot nicht nachkommenden Fahrer zum Anhalten zu zwingen“.
Ansicht des BGH:
RdNr. 8: Demgemäß waren der Angeklagte und der Zeuge D. berechtigt, auch von den Soziusfahrern die Duldung der Kontrolle zu verlangen, und zwar unabhängig davon, ob diese zuvor die Grenze passiert hatten oder nicht.
RdNr.9: Die Anhalteverfügung durfte gegenüber Fahrer und Beifahrer durch unmittelbaren Zwang durchgesetzt werden, weil andere Maßnahmen ersichtlich nicht zum Ziel geführt hätten.
RdNr.10: In § 10 UZwG sind die an verschiedene Tatbestände geknüpften Voraussetzungen des Schußwaffengebrauchs gegen Personen im einzelnen festgelegt, insbesondere wenn strafbare Handlungen verhindert, Straftatverdächtige festgenommen und Geflohene wiederergriffen werden sollen. Keiner dieser Tatbestände liegt vor.
(…)
Geht man davon aus, so kommt eine Befugnis zum Schußwaffengebrauch allein nach der für den Grenzdienst geltenden Sondervorschrift des § 11 UZwG in Betracht.
Ich denke, dass damit schon mal geklärt wäre, dass § 11 dem § 10 nicht untergeordnet ist, sondern gleichrangig neben ihm steht. Somit scheint meine Auffassung zum Verhältnis von § 10 und 11 richtig zu sein .
RdNr.12: Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 UZwG können die in § 9 Nr. 1, 2, 7 und 8 UZwG genannten Vollzugsbeamten im Grenzdienst Schußwaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen.
RdNr.17: Dürfte nur geschossen werden, wenn der Vollzugsbeamte sicher sein könnte, die fliehenden Fahrer nicht lebensgefährlich zu verletzen, so dürfte auf ein mit hoher Geschwindigkeit wegfahrendes Motorrad niemals geschossen werden. Das müßte dazu führen, daß Terroristen, Schmuggler und andere Straftäter sich durch den Einsatz schneller Fahrzeuge im Schutz der Dunkelheit mit Erfolg den von Ort zu Ort wechselnden Grenzkontrollen entziehen könnten.
RdNr.18: Auch wenn die in den §§ 11 ff. UZwG umschriebenen Voraussetzungen für den Schußwaffengebrauch im Grenzdienst erfüllt sind, darf nicht ohne weiteres auf sich der Kontrolle entziehende Personen geschossen werden. Der Beamte muß vor dem Einsatz der Schußwaffe die in der jeweiligen Situation auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und der körperlichen Unversehrtheit des Fliehenden unter sorgfältiger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeneinander abwägen. Dabei darf er den Zweck des § 11 UZwG berücksichtigen, im Interesse einer wirksamen Grenzsicherung vor besonders gefährlichen Tätern den Schußwaffengebrauch über die sonst zu beachtenden einschränkenden Voraussetzungen des § 10 UZwG hinaus zu erleichtern.
(…)
Je gefährlicher der Schuß ist, desto höher muß die Gefahr sein, deren Abwehr er begegnen soll.
Der Verbotsirrtum wird hier nur für den Fall vermutet, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ausreichend berücksichtigt worden wäre. Der Grenzschützer wurde aber vollständig freigesprochen.
Der zweite Link - http://opinioiuris.de/entscheidung/758 - ist IMHO ziemlich uninteressant. Es geht dort um die „Beurteilung vorsätzlicher Tötungshandlungen von Grenzsoldaten der DDR an der Berliner Mauer“. Die Diskussion auf dieser Ebene des Vergleichs mit der DDR ist völlig sinnlos. Die DDR verstiess mit ihrer „Mauerpolitik“ und den Schüssen gegen die UN-Menschenrechtscharta, indem sie den eigenen Bürgern verwehrte außerhalb der DDR um Asyl nachzusuchen.
Btw: Dieses Menschenrecht verpflichtet hingegen keinen Staat, dem Bürger eines anderen Staates Asyl zu gewähren, geschweige denn ihm zum Zwecke der Suche die Grenzzäune zu überwinden und sich einer Kontrolle oder dem „Halt“ durch Flucht ins Landesinnere zu entziehen. Dies wäre aber eben das genaue Ziel des „Grenzverletzers“, der sein Anliegen nicht an den dafür vorgesehenen Grenzübergängen vorträgt.
Btw 2: Einem Bürger der DDR konnte man gar kein Asyl gewähren oder verweigen, weil er sich als Deutscher völlig rechtmäßig in D aufhielt. Ich weiß es nicht, bin aber ziemlich sicher, dass an der innerdeutschen Grenze ebenfalls ein § 11 UZwG oder gleichartige Regelung galt. Denn die Identität als Deutscher musste ja auch erst geklärt und kontrolliert werden. Ist ja nicht so, dass da nicht auch andere Brüder und Schwestern aus dem benachbarten Ausland die innerdeutsche Grenze überqueren wollten, bspw. KGBler o.a.
Gruß
vdmaster