Absolute Ästhetik, relative Moral
Hi.
Ich finde das alles widernatürlich und ätzend.
Erstens mal ist ´Widernatürlichkeit´ kein Argument, weil die menschliche Kultur darauf beruht, von der Natur abzuweichen bzw. ihr entgegenzuwirken, und zweitens, weil nichts dafür spricht, dass Homosexualität ´widernatürlich´ ist. Sie wäre es nur dann, wenn plötzlich alle Menschen homo würden und auf Heterokontakte verzichteten, was das Aussterben des Menschen zur Folge hätte. Da aber nur ein kleiner Teil der Menschen konsequent homo ist, besteht diese Gefahr nicht, und es gibt somit keinen Verstoß gegen das ´Natürliche´.
Zudem ist die Tabusierung der Homosexualität eine Erfindung des Judentums, die vom Christentum übernommen wurde. Die Gründe dafür haben vielleicht weniger damit zu tun, dass man in der HS etwas Widernatürliches sah (auch wenn man das vordergründig behauptete), sondern liegen eher darin, dass sich das Judentum seinerzeit von konkurrierenden Religionen konsequent abgrenzen wollte. Dazu gehörte zwangsläufig auch die Abgrenzung von den sexuellen Praktiken und Riten, die von jenen Religionen toleriert wurden. Wenn die anderen „weiß“ sagten, musste man eben „schwarz“ sagen, um sich abzugrenzen, und umgekehrt.
Ohne diese Abgrenzung wäre die Monotheisierung des israelitischen Glaubens längst nicht so effektiv gewesen, wie es letztlich der Fall war. Die Konkurrenzreligionen wurden quasi pauschalverdammt, wozu eben auch gehörte, ihre Positionen in Sachen Sex zu verdammen.
Hinter der Verdammung der Homosexualität steckten also rein strategische Gründe im Kampf der Israeliten um ihre politische Identität, und nicht etwa moralische oder ästhetische Motive. Dass man das Thema moralisierte, ist ein reiner Oberflächeneffekt, auch wenn das den Herren damals nicht bewusst war.
Dass du die HS „ätzend“ findest, ist ein ästhetisches Motiv. Dagegen kann man mit Worten nicht argumentieren. Du vergisst dabei, dass Sex auch im heterosexuellen Bereich meistens alles andere als ästhetisch anspruchsvoll zu nennen ist und von neutralen Betrachtern duchaus als „ätzend“ empfunden werden könnte. Der einzige Fall, wo Sex wirklich als ästhetisch anspruchsvoll bezeichnet werden kann, ist - meiner und nicht nur meiner Ansicht nach - der Verkehr zwischen zwei oder mehreren schönen Frauen. Das ist auch der Grund dafür, dass solche Praktiken heutzutage kaum noch tabuisiert sind und in vielen Sexfilmchen im TV zum Standardszenario gehören.
Chan