Ethik 'ex Negativo'

Hallo Leute,

die traditionelle Ethik, wenigstens der meisten Religionen und abendländischen Philosophie, geht gewöhnlich von positiven, abstrakten Forderungen aus. D. h. sie macht Angaben, wie ich die richtigen Leitgedanken für mein Leben bekommen kann, wenn ich andere betrachte und sie mit mir vergleiche oder wenn ich abstrakt von mir auf andere und von andern auf mich schliesse.

Meine Frage geht nach der Begründung der Ethik aus dem Konkreten. D. h. kann ich eine Morallehre für mein Leben aus meinen konkreten Erlebnissen finden, ohne abstrakt auf mich bzw. von mir auf andere zu schliessen? Also etwa angenommen, ich treffe einen Verletzten an. Ich habe keine Ahnung, ob der Arzt kommt, ob die Polizei bald da ist und ob der gute Mann versichert ist. Was regt sich in mir, was muss sich in mir regen und was sollte sich in mir regen ausser Imperativen?

Gruss,
Mike

Hi Mike,

gewöhnlich von positiven,
abstrakten Forderungen aus.

Eben!

Das Abstrakte ist das Problem, weshalb heute, außer den Theoretikern, in der Ethik keinen wirklichen Nutzen für ihr Leben sehen, sie können keinen Vorteil für sich SELBST (!) erkennen.

die richtigen Leitgedanken für mein Leben bekommen kann

Muss immer wieder neu erklärt werden!

Meine Frage geht nach der Begründung der Ethik aus dem
Konkreten.

Konkret ist für alle „normalen“ Menschen das Überleben mit guten Gefühlen als ewig erstrebenswertes Lebensziel, was schon Aristoteles wusste.

D. h. kann ich eine Morallehre für mein Leben aus

meinen konkreten Erlebnissen finden, ohne abstrakt auf mich
bzw. von mir auf andere zu schliessen?

Es gibt in der Ethik und Morallehre die großen Vorbilder der Menschheitsgeschichte, an die man sich halten kann, wenn man es SELBST (!) will.

Also etwa angenommen,

ich treffe einen Verletzten an. Ich habe keine Ahnung, ob der
Arzt kommt, ob die Polizei bald da ist und ob der gute Mann
versichert ist. Was regt sich in mir, was muss sich in mir
regen und was sollte sich in mir regen ausser Imperativen?

Mitgefühl!

Es gibt meiner beschränkten Erkenntnisfähigkeit nach auch so etwas bei Tieren, insbesondere bei Elefanten, die besonders soziale Wesen sind und sich für andere Familienmitglieder engagieren, Hilfe anbieten und trauern. Es gibt aber nicht nur ein „Mitgefühl“, sondern auch ein „Selbstgefühl“, aus dem überhaupt erst das Mitgefühl resultiert. So ist ein Stein z. B. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem Mitgefühl fähig. Pflanzen wahrscheinlich auch nicht. Tiere aber begrenzt. Menschen als höchstentwickelte Lebenwesen auf der Erde am meisten!

Will heute die Philosophie in der Ethik einen modernen Beitrag leisten, sollte sie eine Begründung vermitteln, um Menschen dazu zu motivieren, ihr eigenes Selbstbewusstsein und Selbstgefühl zum eigenen Nutzen und damit auch gleichzeitig zum Nutzen der Gemeinschaft auszubilden. Denkbar wäre, dass man zum Beispiel Führungskräften aller gesellschaftlichen Ebenen die VORTEILE der Ethik und Moral erklärt bzw. vermittelt. Das ist allerdings bisher nicht sehr effektiv, wie man an vielen Negativ-Beispielen aus Wirtschaft, Kunst und Politik unschwer ersieht!

Gruß
C.

Hallo Claus,

das ist z. B. mit dem Ziel der Familien- oder Clanbildung zu schaffen. Ein Firmenchef, dessen Mitarbeiter seine Küken sind, wird sich an seinem Ansehen als „Retter“ lieber ergötzen als an dem bisschen Geld, dass er den Mitarbeitern durch Entlassungen abtrotzt.

Darum müsste empfohlen werden, die Mitarbeiter zu Küken zu machen.

Gruss
Mike

Gleich mal probieren! (owT).

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Mitarbeiter als Kücken?
Hi Mike,

das Problem bei der Ethik ist heute, dass das Geld stärker denn je zuvor die ganze Welt beherrscht und damit auch gleich gesetzt wird mit dem Überleben sowie ganz entscheidend mit der FÜHLBAREN Qualität des Lebens.

Deswegen ist bei fast allen Menschen das Geld ein vorrangiges Motiv ihres Lebens. „Gier ist gut!“ sagen viele Manager, nachdem der US-Schauspieler Michael Douglas in dem Film „Wall Street“ das coole Vorbild gab.

Danach haben diesen Satz „Gier ist gut!“ zahlreiche Manager-Bücher, Manager-Seminare, Manager-Zeitschriften und die Akteure selbst unzählige Male wiederholt. „Gier ist gut!“ entspricht dem LEBENSTRIEB, wie ihn die Philosophie Schopenhauers und Nietzsches lehrte, der diesen Satz wie die Manager vermutlich positiv gesehen hätte, Schopenhauer vermutlich negativ, weil er ähnlich dachte, wie nach ihm die französischen Philosophen Albert Camus und Cioran („Vom Nachteil geboren zu sein“).

Um zum Beispiel Manager und Unternehmer mit dem „Kücken-Argument“, das du als „neue Theorie“ erfunden hast, vom Motiv der Ethik und Moral zu überzeugen, damit sie wirklich danach HANDELN, müsste man nach deiner These ja die Mitarbeiter nicht mehr als selbstbewusste mündige Bürger sehen, sondern als hilflose Kücken, das wäre menschen verachtend und zynisch.

Hans-Olaf Henkel, ehemaliger BDI-Präsident und europäische Top-Manager bei dem Computer-Riesen IBM sowie Präsident der Wissensgemeinschaft des Philosophen Leibniz sowie Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, schreibt in seinem Buch „Die Ethik des Erfolgs - Spielregeln für die globalisierte Gesellschaft“ (Econ Verlag, 2002) Folgendes:

"In >Die Ethik des Erfolgs

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Guten Abend Herr Walz,

das ist wirklich ein guter Artikel. Das Sie dieses Thema weiter diskutieren möchten, ist der Beweis, dass die Philosophie nicht stagniert. Sie lassen niemanden im Irrtum gefangen. Das finde ich gut. So entsteht neues Wissen.

Besten Dank für diese Inspiration,

Claude

Hallo,

Was regt sich in mir, was muss sich in mir
regen und was sollte sich in mir regen ausser Imperativen?

Es regt sich das - was sich in dem Moment in Dir halt regt ?!?!

I.d.R. sind die Menschen ja über Emotionen miteinander verbunden. Und wenn jemand in Not ist, macht dieser Zustand es für den Beobachter auch schwer erträglich und er hilft …

Im sozialen Miteinander werden die Emotionen beherrscht. Das wird gelehrt und i.A. an-dressiert.
„Jungen weinen nicht!“ Verachtung als Bestrafung für emotionales Ausleben.

Es wird eine kontrollierende Instanz geschaffen, die sich zwischen die Emotion und die Handlung stellt.
Nicht die Emotion bewirkt direkt die Handlung - wie z.B. bei Babys - sondern die kontrollierende Instanz wirkt vermittelnd auf Emotion + Handlung ein.

Weil dem so ist, das das natürliche Handeln durch diese Instanz kontrolliert wird - bedarf es künstlichen Richtlinien die dieser Kontrollinstanz die Werte vorgibt. Das ist die Moral. Die versucht oft die gewünschten positiven, natürlichen Handlungsmotive nachzubilden.

Wenn Moralvorgabe und natürlicher Handlungsimpuls voneinander abweichen kommt es zum innerlichen Konflikt.

Wenn Moral-Unsicherheit herrscht genauso.

Deswegen helfen Menschen anderen die in Not sind i.d.R. eher wenn sie alleine sind.
In der Gruppe gaffen alle und keiner traut sich - oft weil jeder Angst hat nicht richtig zu handeln wenn er seinem natürlichen Handlungsdrang nachgibt.

Insofern werden sich bei Deinem Waldbeispiel definiv viele Dinge in Dir regen. Und unter, hinter, neben all den Imperativen wird eine „natürliche“ Emotion stehen die diese ganzen Imperative ja auch erst auslöst …

Grüße
K.

Uff

Deswegen helfen Menschen anderen die in Not sind i.d.R. eher wenn
sie alleine sind.
In der Gruppe gaffen alle und keiner traut sich

Danke.

Geld ist nicht das Problem
Hallo,

das Problem bei der Ethik ist heute, dass das Geld stärker
denn je zuvor die ganze Welt beherrscht

das halte ich für eine leere Worthülse.
Der Nachweis, für eine solche Behauptung, ist zu erbringen!

und damit auch gleich

gesetzt wird mit dem Überleben sowie ganz entscheidend mit der
FÜHLBAREN Qualität des Lebens.

Seit ewigen Zeiten ist uns als biologische Wesen immanent,
dass wir bei begrenzten Ressourcen ums Überleben kämpfen.

In früheren Zeiten gab es keine Grundsicherung. Um seine
Grundbedürfnisse fristen zu können (Nahrung, Bekleidung, Behausung)
mussten die meisten Menschen zu allen Zeiten mit allen ihnen
zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen.

Dabei ist es doch aber völlig egal, ob das durch Austausch von
Naturalien, Waren oder Geld realisiert.

Deswegen ist bei fast allen Menschen das Geld ein vorrangiges
Motiv ihres Lebens.

Motiv des Lebens ist schon immer und überall:

  1. mindestens überleben
  2. gut und möglichst komfortabel leben

Dass wir uns heute bei Überlebenskampf um Ethik und Moral
Gedanken machen können, und uns faktisch nicht mehr täglich
darüm Gedanken manchen müssen, wie wir die nächsten Tage
überleben ist also eine reine Wohlstandsproblematik.

„Gier ist gut!“ sagen viele Manager,
nachdem der US-Schauspieler Michael Douglas in dem Film „Wall
Street“ das coole Vorbild gab.

Freilich, wenn der Mensch viel mehr ergattern kann, als er selbst
braucht, dann wirken da eigentlich immer noch die ganz natürlichen
Antriebe. Diese „Gier“ ist also auch nur eine Wohlstandsproblematik,
von der wir nicht lassen können, weil wir eben genau so
programmiert sind.

Wer nix hat ist genauso gierig, hat nur leider keine Möglichkeiten
in der gleichen Weise Reichtum und Macht an zu häufen.

Aspekte von sozialem Handeln, Wohltätigkeit, Gleichberechtigung
usw. und können erst zur Geltung kommen, wenn Menschen nicht
mehr täglich um die Befriedung ihrer Grundbedürfnisse kämpfen müssen.

Ist also erst ein Thema, wenn hinreichender Wohlstand vorhanden ist.
Aber egal, statt den reinen Grundbedürfnissen kommen nun erweiterte
Bedürfnisse, die natürlich nur zu realisieren sind, wenn man
genügend Geld hat.

Danach haben diesen Satz „Gier ist gut!“ zahlreiche
Manager-Bücher, Manager-Seminare, Manager-Zeitschriften und
die Akteure selbst unzählige Male wiederholt. „Gier ist gut!“
entspricht dem LEBENSTRIEB, wie ihn die Philosophie
Schopenhauers und Nietzsches lehrte, der diesen Satz wie die
Manager vermutlich positiv gesehen hätte,
Schopenhauer vermutlich negativ, weil er ähnlich dachte, wie
nach ihm die französischen Philosophen Albert Camus und Cioran
(„Vom Nachteil geboren zu sein“).

Wie man als Einzelner diese ETHIK praktisch verwirklichen
kann, sagt Professor Hans-Olaf Henkel in seinem Buch leider
nicht. Deshalb sollten wir hier in diesem Brett über dieses
Thema weiter diskutieren, denn es ist ein wichtiges Thema der
Philosophie seit Jahrtausenden.

Ja, genau das ist das Thema.
Ziel muß es sein, dass Menschen durch Erziehung zu Bedürfnissen
kommen, die möglichst sozial verträglich sind.

Wenn wir unser Glück also darin sehen, dass die Gesellschaft uns
ein stabiles Umfeld zur Realisierung unserer erweiterten
Bedürfnisse liefert, so müssen wir daran interessiert sein,
dieses Umfeld zu schaffen und stabil zu halten.
Dazu ist aber auch erfolgreiches Wirtschaften notwendig und
damit beißt sich die Katze in den Schwanz.
Gruß Uwi

Geld ist kein Problem???

Hallo,

das Problem bei der Ethik ist heute, dass das Geld stärker
denn je zuvor die ganze Welt beherrscht

das halte ich für eine leere Worthülse.
Der Nachweis, für eine solche Behauptung, ist zu erbringen!

Vielleicht habe ich mich ja von dem Satz täuschen lassen, der da heißt:

„Geld regiert die Welt“???

Vielleicht ist ja auch der Satz des Herrn Dr. Josef Ackermann als höchst bezahlter Angestellter Deutschlands (Jahreseinkommen zwischen 13 bis 15 Millionen Euro) bloß eine leere Worthülse, wenn er im TV immer behauptet:

„Deutsche Bank, Leistung aus Leidenschaft“???

Und vielleicht haben sich ja auch die Philosophen Professor Adam Smith, Dr. John Stuart Mill und Dr. Karl Marx ganz fürchterlich über die Welt getäuscht???

Gruß
C.

Halt-là
Hallo Claus,

die Erkenntnisse der besagten Herren zeigen aber nicht auf, dass das Geld in früheren Zeiten schon bisweilen keinen ähnlichen Stellenwert erreicht hätte - und das war es, worum es ging.

Gruss,
Mike

Hi Mike,

die Erkenntnisse der besagten Herren zeigen aber nicht auf,
dass das Geld in früheren Zeiten schon bisweilen keinen
ähnlichen Stellenwert erreicht hätte - und das war es, worum
es ging.

Abgesehen von deinem schwer verständlichen Satz, der mit zwei Verneinungen um zwei Ecken herum operiert, haben die von mir „erwähnten Herren“ die Bedeutung des Geldes zu ihrer Zeit noch unterschätzt, weil damals die SOZIALWISSENSCHAFTEN noch gar nicht so weit entwickelt waren.

Ich will ein Beispiel nennen: Als Ulrich von Suntum, Professor für Ökonomie an der Universität Münster, im Jahre 1999 das Buch „Die unsichtbare Hand - Ökonomisches Denken gestern und heute“ veröffentlichte, wurde er von der Zeitschrift „Psychologie Heute“ kritisiert, weil er die These, die auf den englischen Philosophen Adam Smith zurückgriff, vertrat, die Ökonomie sei „die KÖNIGIN der Sozialwissenschaften“!!!

Durch den einen Satz von Prof. Urlrich von Sunthum fühlten sich die Psychologen in ihrem Wahrheitsanspruch herausgefordert. Ich sehe bei unserer Diskussion eine Ähnlichkeit, bleibe aber weiter bei meiner These.

Gruß
C.

Hallo,

das Problem bei der Ethik ist heute, dass das Geld stärker
denn je zuvor die ganze Welt beherrscht

das halte ich für eine leere Worthülse.
Der Nachweis, für eine solche Behauptung, ist zu erbringen!

Vielleicht habe ich mich ja von dem Satz täuschen lassen, der
da heißt:
„Geld regiert die Welt“???

Abgesehen davon, dass diese Aussage den Wert einer Bauernweisheit
hat, bemängele die Aussage in Bezug auf die chronologische
Bewertung.
heute und stärker den je
sind reiner Populismus und haben genau die gleiche Wertigkeit
wie ähnliche Wertungen zur Gegenwart wie z.B.
"Die Jugend von heute …" oder
"Früher war alles viel besser" usw.

Vielleicht ist ja auch der Satz des Herrn Dr. Josef Ackermann
als höchst bezahlter Angestellter Deutschlands
(Jahreseinkommen zwischen 13 bis 15 Millionen Euro) bloß eine
leere Worthülse, wenn er im TV immer behauptet:
„Deutsche Bank, Leistung aus Leidenschaft“???

Bewertest du auch Waschmittelwerbung philosophisch?

Und vielleicht haben sich ja auch die Philosophen Professor
Adam Smith, Dr. John Stuart Mill und Dr. Karl Marx ganz
fürchterlich über die Welt getäuscht???

Du bist zwar unendlich belesen, aber ich habe immer wieder den
Eindruck, dass du die Inhalte und Zusammenhänge nicht
verstehst und und dir ein etwas einseitiges und seltsam
vereinfachtes Bild von der Welt machst.
machst.
Gruß Uwi

Wie die Welt ‚wirklich‘ ist…

…aber ich habe immer wieder den
Eindruck, dass du die Inhalte und Zusammenhänge nicht
verstehst und und dir ein etwas einseitiges und seltsam
vereinfachtes Bild von der Welt machst.
machst.

Die Welt ist nicht so einfach für diejenigen, die keine Praktiker sind. Es gibt aber auch unter den großen Theoretikern positive Beispiele. Diese kann man bewusst auswählen. Wenn manche glauben, die Welt besser zu verstehen als andere, sollten sie ihre Interpretationen dagegen stellen. So könnte man sich auch von einer positiven Argumentation überzeugen lassen. Solange das nicht geschieht, und nur vorrangig mit persönlichen Angriffen gehandelt wird, hat das keinen Nutzen und ist unprofessionell.

Laut Nietzsche gibt es nicht nur eine Moral, sondern es gibt eine Sklaven-Moral und eine Herren-Moral, das macht den entscheidenden Unterschied!!!

Ich fühle mich nicht als Sklave, sondern als Führungskraft meines eigenen Lebens. Es interessiert mich sehr, wie die Welt „wirklich“ ist…

Gruß
C.

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Ethik in 100% Selbstverantwortung
Hi Klaus,

Es wird eine kontrollierende Instanz geschaffen, die sich
zwischen die Emotion und die Handlung stellt.
Nicht die Emotion bewirkt direkt die Handlung - wie z.B. bei
Babys - sondern die kontrollierende Instanz wirkt vermittelnd
auf Emotion + Handlung ein.

Genau diese pädagogischen Zusammenhänge lernt man unter anderem von der Schweizer Psychoanalytikerin Alice Miller - „Am Anfang war Erziehung“ (auch ein Diktator wie Adolf Hitler wurde nach dieser Pädagogik ja erzogen!).

Es gibt in der Philosophie meines Erachtens drei große Bereiche zum Lernen: 1) Naturerkenntnisse 2) Kulturerkenntnisse 3) Selbsterkenntnisse.

Sobald man als Philosophierender bereit ist, für die Ethik in seinem Leben selbst verantwortlich zu sein, kann man die Determiniertheit der Natur- und Kulturprägungen überwinden. Dazu sind auch die Erkenntnisse der modernen Psychologie zur inneren Persönlichkeitsentwicklung sehr effektiv.

Ethik in 100% Selbstverantwortung ist meiner Erfahrung nach am besten durch Meditation erreichbar. Der Amerikaner Dr. phil. Daniel Brown, Direktor für Psychologische Ausbildung am Cambridge Hospital, schreibt beispielsweise:

„Zu Beginn der Meditationspraxis wird das ungeschulte Subjekt, vielleicht zum ersten Mal, mit der weiten Welt seiner INNEREN Erfahrung bekannt…“

Gruß
C.

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Hallo,

Meine Frage geht nach der Begründung der Ethik aus dem
Konkreten. D. h. kann ich eine Morallehre für mein Leben aus
meinen konkreten Erlebnissen finden, ohne abstrakt auf mich
bzw. von mir auf andere zu schliessen?

Ich verstehe nicht so recht, auf was du hinaus willst?
Der Mensch ist ein „Gesellschaftstier“ und du willst wissen, was
er aus sich heraus tun sollte, wenn es keine Gesellschaft gäbe?

Oder der Mensch ist ein biologisches Wesen und jetzt fragst du,
was er tun sollte, wäre er kein biol. Wesen?

Also etwa angenommen,
ich treffe einen Verletzten an. Ich habe keine Ahnung, ob der
Arzt kommt, ob die Polizei bald da ist und ob der gute Mann
versichert ist. Was regt sich in mir, was muss sich in mir
regen und was sollte sich in mir regen ausser Imperativen?

Ja, wenn du keine philosophisch geschulter Mensch bist, so
tust du doch zumindest das, was deine genetische Programmierung
vorschreibt, was dir anerzogen wurde und was du gelernt hast.

Wenn du aber ein Mensch bist, der der planvoll handelt und der
soziale Prägung hat, weil du eben ein Mensch bist, dann kommst
du um die Imperative wohl nicht herum, oder?
Gruß Uwi

Hallo Uwi,

Gesellschaftstier

auf diesen Gedanken hat mich eben erst Klaus Anligen mit seiner Antwort gebracht. Es ist natürlich auch eine Facette meiner Frage, wäre mir aber ehrlich gesagt wieder mal nicht in den Sinn gekommen.

was er tun sollte, wäre er kein

Hier interessieren mich durchaus Realitäten.

was deine genetische Programmierung vorschreibt

also mehrere Möglichkeiten, z. B. dem Verletzten helfen, oder aber ihn erschlagen und ausrauben, oder ihn lassen - alles genetisch

anerzogen wurde

und wie steht es mit der „Erziehung“ in der grossen weiten Welt, angenommen ich bin zwar persönlich auch erzogen, höre aber nun von ferne irgendwelche Forderungen bzw. Ansprüche, z. B. aus der Zeitung, aus anderen Medien oder bei grossen Versammlungen. Es werden doch immer wieder ethische Ansprüche gestellt, sei es von der Caritas (und Ähnlichen), von politischen Parteien und Funktionären oder von intelligenten Philosophen, die wissen, was ich eigentlich tun soll, die aber leider nicht genau wissen, wie sie mir das kommunizieren sollen, damit es wirklich getan wird. „Anerzogen“ greift also entschieden zu kurz - ob zu Recht oder nicht.

gelernt hast

naja, ich habe ja dann noch das Gewissen und die eigene Verantwortung, die all diese Ansprüche anständig sieben sollten. Das mag ja dann wenn es mehrmals geschieht ein Lernprozess sein. Es könnte aber auch ein leeres Lernen durch den Nürnberger Trichter sein (staatlich bezahlter Ethik-Experte behauptet XY und ich habe es zu befolgen, wenn ich mich nicht längerfristig in Strafbarkeiten verstricken will)

planvoll handelt und der soziale Prägung hat

z. B. ein lieber guter Angehöriger eines Nomadenvolkes, der als Kind gehört hat, dass Stehlen kein Problem sei.

um die Imperative herum

naja, vielleicht ein Stückweit. Ich erwarte ja nicht, dass es völlig ohne geht. Die Frage geht dahin, ob es möglich ist, mich abstrakt von Imperativen zu entbinden und selber zu leben, oder ob das nicht eher (was ich vermute) letztlich nur im Konkreten geht und also jede eigenständige Änderung einer Moral (und wohl auch Ethik) in Erlebnissen gründet, die nur einer hat (was Imperative an andere Personen streng genommen als fragwürdig erscheinen lässt).

Gruss,
Mike

Möchte den Antwortenden schon mal bestens danken. Vielleicht geht die Debatte ja noch ein klein wenig weiter, wäre schön. Schon mal gut bis hierher.

Gruss an alle
Mike

Hallo,

meiner Frage, wäre mir aber ehrlich gesagt wieder mal nicht in
den Sinn gekommen.

so? Ist aber naheliegend, oder?

was deine genetische Programmierung vorschreibt

also mehrere Möglichkeiten, z. B. dem Verletzten helfen, oder
aber ihn erschlagen und ausrauben, oder ihn lassen - alles
genetisch anerzogen wurde

„genetisch anerzogen“ ?
Nein, Erziehung und genetische Prägung (Triebe) gehören nicht
direkt zusammen. Aber es wirkt immer beides in gewissem Verhältnis.

und wie steht es mit der „Erziehung“ in der grossen weiten
Welt, angenommen ich bin zwar persönlich auch erzogen, höre
aber nun von ferne irgendwelche Forderungen bzw. Ansprüche, z.
B. aus der Zeitung, aus anderen Medien oder bei grossen
Versammlungen. Es werden doch immer wieder ethische Ansprüche
gestellt, sei es von der Caritas (und Ähnlichen), von
politischen Parteien und Funktionären oder von intelligenten
Philosophen, die wissen, was ich eigentlich tun soll, die aber
leider nicht genau wissen, wie sie mir das kommunizieren
sollen, damit es wirklich getan wird. „Anerzogen“ greift also
entschieden zu kurz - ob zu Recht oder nicht.

Naja, Erziehung darf man ja nicht so eng sehen, als dass da nur
Mutter und Vater einen Anteil haben. Wenn du Radio hörst oder
in die Glotze duckst oder anderweitig durch deine Umwelt
geprägt wirst, so gehört das auch zum Erziehungsprozess.

Selbst wenn man das nicht direkt als Erziehung bezeichnen will,
so gehört es doch indirekt dazu, weil Eltern zum großen Teil
bestimmen, welche Sender zu welchen Zeiten gehört werden dürfen
und wie das gehörte im sozialen Kontext zu bewerten ist.

gelernt hast

naja, ich habe ja dann noch das Gewissen

„Gewissen“ kann auch nur Ergebnis des Zusammenwirkens einer
genetischen Programmierung und der Prägung durch die Umwelt
(Erfahrung) sein.

und die eigene Verantwortung, die all diese Ansprüche
anständig sieben sollten.

Was soll eigene Verantwortung sein?
Du bist immer zuerst für dich verantwortlich um zu überleben.

Das mag ja dann wenn es mehrmals geschieht ein
Lernprozess sein. Es könnte aber auch ein leeres Lernen durch
den Nürnberger Trichter sein (staatlich bezahlter
Ethik-Experte behauptet XY und ich habe es zu befolgen, wenn
ich mich nicht längerfristig in Strafbarkeiten verstricken
will)

Natürlich muß auch dies Bestandteil von Lernen bzw. soziale
Prägung sein. Andernfalls wäre z.B. nicht verständlich, warum
Kinder üblicherweise genau die Religiösität ihrer Eltern annehmen.

planvoll handelt und der soziale Prägung hat

z. B. ein lieber guter Angehöriger eines Nomadenvolkes, der
als Kind gehört hat, dass Stehlen kein Problem sei.

Ja und? Gerade stehlen verlangt planvolles handeln.
Dumme Diebe werden ja sofort erwischt.

Du darfst planvolles handeln nicht mit ethischem oder
gesetzestreuem Handeln verwechseln.

um die Imperative herum

naja, vielleicht ein Stückweit. Ich erwarte ja nicht, dass es
völlig ohne geht. Die Frage geht dahin, ob es möglich ist,
mich abstrakt von Imperativen zu entbinden und selber zu
leben, oder ob das nicht eher (was ich vermute) letztlich nur
im Konkreten geht und also jede eigenständige Änderung einer
Moral (und wohl auch Ethik) in Erlebnissen gründet, die nur
einer hat (was Imperative an andere Personen streng genommen
als fragwürdig erscheinen lässt).

Also ich bin ja auch kein Philosoph und auch kein Psychologe
oder Evolutionsbiologe usw.

Ich denke, es gibt eine biologisch begründete Ethik, die darauf
beruht, dass wir eine innere Hemmung haben, Mitglieder der eigenen
Familie zu töten oder zu verletzen. Diese Hemmung kann man auf
einen Clan, Sippe oder ein Dorf erweitern.
Das macht Sinn, weil eine Gruppe (Familie, Sippe, Clan) stärker
ist als Einzelindividuen und sich somit evolutionär bewährt hat.
Unser ganzes soziales Zusammenleben beruht darauf, in solchen
sozielen Bindungen zu funktionieren.

Angehörige anderer Clans waren bei den Urmenschen nur
Nahrungskonkurrenten und konnten deshalb ohne Strafe getötet werden.

Deshalb haben die ersten Richtlinien zum Zusammenleben immer
zum Ziel, den sozialen Friedens innerhalb des eigenen Clans
zu gewährleisten und den Clan wirtschaftlich und militärisch
zu stärken und damit natürlich das Überleben zu gewährleisten.
Natürlich kommen dann noch ein paar abstrakte Normen dazu,
wie z.B. Anerkennung der Herrschenden und Alleinstellung
des/der eigenen Gottheiten.

Die religiösen Basis-Gebote sind IMHO eine Erweiterung dieser
biologischen Prägung und beziehen sich üblicherweise leider nur
auf Angehörige der eigenen Religionsgruppe :smile:

Angehörige anderer Religionen zu töten, zu bestehlen,
zu diskriminieren und zu unterdrücken ist ja nach wie vor üblich,
so wie Ausländer von Rassisten erschalgen werden oder man
gegen die Anhänger des revalisierenden Fussbalclubs mit dem
Knüppel vorgeht.

Die Funktion der Sippe/Clan wurden in der moderneren Gesellschaft
z.B. durch Religion und später durch Staatenbildung übernommen.
Im kleinen sind es z.B. Vereine, Parteien, Organisationen,
Arbeitsgruppen usw.

Dass man sich darüber hinaus in einer aufgeklärten Gesellschaft
dem kategorischen Imperativ beugt und dies nicht an einer
Religion oder sonstigen Gruppenzugehörigeit festmacht, ist
doch eine große kulturelle Leitung, sofern sich auch alle
dran halten wollen :wink:
Gruß Uwi

Klarstellungen
Hallo Uwi,

erst einmal danke für die Antwort. Sie ist übrigens in einigem richtig, aber in einigen Begründungen völlig unschlüssig bzw. leuchtet nicht ein.

Naja, Erziehung darf man ja nicht so eng sehen, als dass da nur
Mutter und Vater einen Anteil haben.

So eng hatte ich das auch nicht formuliert, aber Erziehung ist etwas, das auf den Erzogenen gerichtet ist. Wenn ich die ganze Menschheit mit meinen Weisheiten anspreche, ist das im Prinzip keine Erziehung, ich muss sie wenigstens selektieren und unterscheiden, wen ich erziehe; ohne Blick auf die erzogene Person gibt es keine Erziehung. Das ist eben auch (wie bei Ethik) so ein hinkender Vergleich, wenn ich meine, ich könne Frank genau wie Fritz und Franz erziehen, nur weil bei Fritz und Franz beidemale der gleiche Kniff funktionierte.

Wenn allerdings Erzieher

zum großen Teil
bestimmen, welche Sender zu welchen Zeiten gehört werden dürfen
und wie das gehörte im sozialen Kontext zu bewerten ist

dann ist das natürlich sehr wohl Erziehung, da ist beizupflichten.

„Gewissen“ kann auch nur Ergebnis des Zusammenwirkens einer
genetischen Programmierung und der Prägung durch die Umwelt
(Erfahrung) sein

Hm, gibt es dafür Belege? Das kann man nicht wissen, es kann durchaus eine eigene Identität geben, die zwischen diesen Einflüssen auswählt.

Was soll eigene Verantwortung sein?

Alles Mögliche.

Du bist immer zuerst für dich verantwortlich um zu überleben

Meine Fragestellung geht dahin, was ist, wenn es eben um Ethik geht. Dass wir „irgendwie“ den Trieb zum Überleben spüren, ist wohl noch nicht so sehr ein Zeichen für „Ethik“. Es kann zwar Situationen geben, wo wir auch diese für nützlich zum Überleben anschauen; die Existenz einer Ethik widerlegt nicht etwa die Theorie, dass die meisten Handlungen von einem Überlebenstrieb gesteuert seien; jedoch braucht die Ethik nicht zwingend nur aus dem Überlebenstrieb zu kommen, sie könnte auch andere Wurzeln haben (und sei es nur genetisch gesprochen: z. B. nicht die immerwährende Vererbung, sondern etwa die irgendwann eingetretene Mutation). Also macht der Zusammenhang „verantwortlich um zu überleben“ wenig Sinn in Bezug auf die Begründung von Ethik.

Nürnberger Trichter

Andernfalls wäre z.B. nicht verständlich, warum
Kinder üblicherweise genau die Religiösität ihrer Eltern annehmen

Kopfschüttel. Wenn wir „Religiosität“ mal als „religiöse Ethik“ nehmen, so ist der Löwenanteil „Vormachen-Nachmachen“ bzw. „Gemeinschaftserlebnis“ und der Anteil von „Nürnberger Trichter“ wohl relativ gering, jedenfalls nicht ausschliesslich. Ich hoffe mal, Du kannst zwischen unseren unterschiedlichen religiösen Standpunkten einerseits und einer philosophischen Diskussion andererseits auch unterscheiden, selbst wenn religiöse Fragen dabei relevant sind (z. B. „freier Wille“, siehe oben, usw.).

planvolles Handeln nicht mit ethischem

verwechseln? Naja. Der Nomade, der stehlen gelernt hat, hat ja nicht einfach „keine Ethik“.

Natürlich kommen dann noch ein paar abstrakte Normen dazu,
wie z.B. Anerkennung der Herrschenden

um diese Normen geht es weitgehend in der Fragestellung;

Alleinstellung des/der eigenen Gottheiten

Ethik als Religion ist vorerst nicht mein Thema, das war mit der Fragestellung so nicht gemeint. Wir können eine Diskussion in Bezug auf Religion auch führen, sie ist aber von der Frage zunächst nicht erfasst.

beziehen sich üblicherweise leider nur
auf Angehörige der eigenen Religionsgruppe

auch wieder die Frage von Religion statt Ethik. Schon die Ethik der alten Römer und Griechen ging in Richtung auf Verallgemeinern (vgl. Platon).

Angehörige anderer Religionen zu töten, zu bestehlen,
zu diskriminieren und zu unterdrücken ist ja nach wie vor üblich

heisst noch nicht, dass die Ethik der Religion dies auch nur zuliesse

Die Funktion der Sippe/Clan wurden in der moderneren Gesellschaft
z.B. durch Religion und später durch Staatenbildung übernommen

Warum „später“? Religion und Staat führen doch ein altes und wechselvolles Nebeneinander (bisweilen Untereinander, Übereinander, Ineinander usw., und dann - ja klar - gibt es noch die, die meinen, Religion sei „überholt“ - dies ist aber einfach nicht meine Frage!)

eine große kulturelle Leitung

nein, eine lange Leitung, bis Du endlich verstehst, welche Frage ich überhaupt stelle!

Gruss,
Mike