Guten morgen,
Genauso, wie man es mit Höchstpreisen und anderen Eingriffen
geschafft hat, den Wohnungsmarkt so weit zu ruinieren, daß man
nun vielerorts schon von Wohnungsnot spricht, wird es ganz
genauso gelingen, durch einen flächendeckenden Mindestlohn
Arbeitsplätze zu vernichten bzw. diese in die Schwarzarbeit zu
verlagern.
Umgekehrt kann man aber auch sagen, dass durch die Möglichkeit
des Aufstockens die Preisfindung am Arbeitsmarkt unterminiert
wird, was zu deutlich niedrigeren Löhnen führt als der Markt
eigentlich hergeben würde.
das ist vollkommen richtig. Die Gefahr besteht und ist sehr wahrscheinlich auch real. Die Möglichkeiten, das Problem zu lösen, sind aber eher spärlich gesäht. Ein zu großer Teil der betroffenen Arbeitskräfte ist ungelernt oder gering qualifiziert (will sagen: die Arbeitnehmer sind austauschbar, müssen nicht lange angelernt werden und leisten im Prinzip nicht mehr als ihre Präsenz bzw. Arbeitskraft), d.h. es handelt sich um einen Käufermarkt, in dem der Nachfrager den Preis bestimmt. Trifft diese Konstellation auch noch auf ein wirtschaftlich schwaches Umfeld (wie z.B. in weiten Teilen Ostdeutschlands und anderen strukturschwachen Regionen), sind niedrige Löhne die Folge.
Nun ist die Frage, wie man mit den (marktgerechten) Löhnen umgehen will. Zuzahlung durch den Staat (wie derzeit praktiziert) führt tendenziell zu dem von Dir skizzierten Problem mit der Folge, daß die Leute zwar in Lohn und Brot stehen, gleichzeitig beim Staat vorstellig werden müssen und die Allgemeinheit am Ende bezahlt.
Die andere Alternative ist die hier diskutierte, nämlich daß man den Marktpreis durch einen staatlichen kontrollierten ersetzt. Die daraus resultierenden Probleme sind hier schon rauf- und runterdiskutiert worden, so dass ich mir lange Ausführungen sparen will.
Wenn Arbeit teurer wird, verringert sich die Nachfrage.
Gleichzeitig erhöhen sich die Preise für die - nun mit höheren
Kosten - produzierten/erbrachten Waren und Dienstleistungen.
Wenn Arbeit billiger wird, werden dann die Preise niedriger?
Je nach Konkurrenzsituation, natürlich. Wer heute einen Haarschnitt in der brandenburgischen Provinz für 10 Euro anbieten kann, weil seine Mitarbeiter nur 5,80 die Stunde verdienen, wird den Preis sicherlich gerne auf 9 oder 9,50 Euro reduzieren, wenn die Arbeitnehmer billiger werden. Schließlich ist Polen und natürlich auch die deutsche Konkurrenz nicht fern.
Das mag Deine Meinung sein, ist aber kein Naturgesetz. Wenn
der Staat der Ansicht ist, daß Menschen über ein Einkommen von
umgerechnet 8,50 Euro verfügen müssen, dann soll er die
Einkommensdifferenz über Steuergelder ausgleichen, was zwar
auch Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt nach sich zöge, aber
das wäre allemal besser als die Mindestlöhne.
Warum über Steuergelder? Warum soll die Allgemeinheit dafür
aufkommen, dass ein Unternehmer nicht bereit ist,
„marktkonforme“ Löhne zu bezahlen, nur weil der AN ja
aufstocken kann?
Die Frage ist halt, wo die Einkommensdifferenz herkommen soll. Eines ist sicher: der Arbeitgeber bezahlt sie nicht. Bleiben der Staat über Transferleistungen und die Endkunden über den Preis. Tatsächlich besteht in der Wissenschaft weitgehende Übereinstimmung, dass direkte Transferzahlungen besser sind als regulierende Markteingriffe im Sinne von Preisobergrenzen, Einschränkung von Rechten der Marktteilnehmer usw. oder gar eine Kombination aus beidem. Auch hier wieder das Beispiel Wohnbau: es gibt Regulierungen bei den Mieten, es gibt Sozialwohnungen, bei denen es aber Fehlbelegungen und dann wieder Fehlbelegungsabgaben gibt bzw. gab, es gibt Wohngeld, Wohnungsbauförderung (für Käufer und Investoren) usw. also eine Vielzahl von Eingriffen und Transferleistungen. Besser wäre es, die Maßnahmen auf eine direkte Transferleistung zu reduzieren und ansonsten das Umfeld für Neubauten etwas attraktiver zu gestalten.
Analog gilt das für den Arbeitsmarkt: Umfeld für neue Arbeitsplätze verbessern und nur eine Transferleistung an Bezieher niedriger Einkommen.
trifft es schon sehr gut. Es geht darum, Arbeitsplätze zu
schaffen und zu erhalten. Wenn es um die Einkommensverteilung
geht, kann der Staat weiterhin den Gleichmacher spielen, nur
sollte er sich vom Arbeitsmarkt fernhalten, weil er dort nur
Sachschäden anrichtet.
Das tut der Staat jetzt auch, s.o. Löhne nach unten zu öffnen
ist also in Ordnung, sie nach unten zu begrenzen aber nicht?
Staatlicher Eingriff ist staatlicher Eingriff.
Nach unten und oben frei bewegliche Löhne stellen keinen staatlichen Eingriff, sondern den Normalzustand eines liberalen Marktes dar. Daß der nicht ganz aus dem Ruder läuft, zeigt der Umstand, daß a) ein Großteil der Bevölkerung weit jenseits des Mindestlohnes verdient und b) niemand für 35 Cent die Stunde arbeiten geht.
Das Problem liegt nicht im Markt an sich begraben, sondern einerseits darin, daß ein Teil der angebotenen Ware Arbeit in etwa dem Äquivalent zur KIK-Hose für 3,99 darstellt (wo, wie man hört, durchaus einige gerne mal zugreifen; sprich: ungelerntes oder niedrig qualifiziertes Personal) und andererseits die Nachfrage nicht da ist. Das ist wie Heiligabend im Supermarkt, wenn die Weihnachtsfeiertage auf Freitag und Samstag fallen: so billig hat man noch nie eingekauft. Bevor die Ware gar nicht mehr an den Mann gebracht werden kann, wird sie billig verschleudert.
Die entscheidenden Ziele müssen also sein, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und die Qualifikation zukünftiger Arbeitskräftegenerationen zu verbessern. Mehr Arbeitsplätze heißt mehr Konkurrenz um Arbeitskräfte und damit höhere Löhne und bessere Qualifikation heißt, daß es eben nicht mehr nur um die reine Präsenz bzw. Arbeitskraft (austauschbare) geht, sondern der potentielle Mitarbeiter auch die eigene Qualifikation in die Waagschale werfen kann, wie das bei allen anderen Arbeitnehmern auch der Fall ist.
Ein Schlachter, eine Blumenverkäuferin oder ein Friseur,
der/die bisher weniger als 8,50 erhielt, wird durch einen
Mindestlohn nicht zu einer besseren oder schnelleren
Arbeitskraft, sondern nur zu einer teureren. Es ist ja auch
nicht so, daß wir hier auf einer Insel der Glückseligen
wohnten.
Kommt jetzt wieder der internationale Wettbewerb ins Spiel,
wie bei der unsäglichen FDP-Hotelsubvention? Ich kann ja dann,
wenn ich zum Friseur muss, mal eben 800 km nach Polen fahren,
dort ist es billiger. Und die Blumen für meine mich liebende
besorge ich dann eben in Bukarest.
Daß Du nicht nach Polen zum Haareschneiden fährst, ist klar, aber in grenznahen Gebieten in Ostdeutschland ist das sehr wohl der Fall. Es ist halt eine Frage des Preisunterschiedes. Es gibt ja auch genug Menschen, die für neue Zähne nach Budapest und (eigene) neue Brüste nach Thailand fliegen.
Ja, die Würde. Seit neulich scheint die genau 8,50 pro Stunde
wert zu sein.
Über die Höhe kann man sicherlich streiten. Andere wollen ja
sogar € 10,50. Von vornherein festlegen zu wollen, welcher
Mindestlohn maximal positive und minimal negative Effekte
hätte ist meiner Meinung nach einem Blick in die berühmte
Kristallkugel gleichzusetzen.
Darum geht es doch zumindest in der Politik niemanden, sondern um Stimmenfang. Wer mehr bietet, erhöht das Wählerpotential. 8,50 Euro entsprechen einem Bruttogehalt von rd. 1400 Euro, 10,50 Euro ungefähr 1740 Euro (39 Wochenstunden unterstellt). Diese Einkommen werden mit 76 bzw. 155 Euro Lohnsteuer belastet. Darüber könnte man vielleicht mal nachdenken, bevor man mit den Mindestlöhnen an den ersten klassischen (im Sinne von in nicht der Mindestlohndebatte unterworfenen Branchen) Tarifangestellten vorbeizieht.
M.E. gehen in der Debatte so ein bißchen die Relationen verloren. Es geht um die schiere Zahl, ohne daß sich die Kontrahenten darüber Gedanken machen, in welchen Dimensionen sie sich damit bewegen. Ich kenne eine angestellte Schreinerin (eigentlich diplomierte Betriebswirtin), die mit ihrem einfachen Leben vollkommen zufrieden ist und von 8,50 Euro nur träumen kann (wenn sie denn auf Geld wert legte). Nun ist sie (bzw. ihr Einkommen) auf einmal Gegenstand einer Mindestlohndebatte, wird also argumentativ an den Rand der Gesellschaft geschoben, wo sie sich niemals sehen würde. Auch darüber sollte man mal nachdenken, wenn man 8,50 Euro als Minimum für ein würdevolles Leben definiert.
Gruß
C.