Moin,
ungeachtet der Sinnhaftigkeit des Krieges an sich möchte ich
euch fragen, was ihr von der Art der Kriegsführung auf
israelischer Seite haltet. Ich verstehe sie nämlich nicht.
Um diese Frage zu klären, müsste man erstmal wissen, welchen Zweck Israel mit diesem Krieg eigentlich verfolgt. Ich gehe ebenfalls davon aus, dass dieses Ziel nicht die Schwächung der Hisbollah ist (dass die H. aus diesem Konflikt nur gestärkt hervorgehen kann, dürfte mittlerweile so gut wie fest stehen), sondern die Zerstörung des Libanon. Aber davon mal abgesehen…
Israel müsste doch wissen, dass es mit seinen großflächigen
Bombardements sehr viele zivile Opfer in Kauf nimmt -
entsprechende Berichte machen ja auch ständig die Runde.
Angestichts des Bombenhagels, der auf den Libanon prallt, ist die Zahl der Opfer sogar relativ gering. Zwar zerstören die Israelis sämtliche Fluchtwege, auf denen die Bevölkerung noch irgendwo hin fliehen könnte, aber ich nehme den Israels durchaus ab, dass das Töten von Zivilisten kein primäres Ziel in diesem Krieg ist.
Zudem
scheint man die Führer oder auch einfache Kämpfer der
Hisbollah gar nicht wirklich zielgerichtet zu verfolgen. Man
haut die Bomben einfach nach Beirut und schaut halt, wen’s
trifft - so hat es für mich zumindest den Eindruck.
Anscheinend gibt es hier doch noch recht falsche Vorstellungen von der Hizbollah. Es handelt sich hier nicht um einen relativ begrenzten Haufen „wilder Terroristen“, sondern um eine Massenbewegung, mit der mittlerweile die Mehrheit der libanesischen Bevölkerung sympathisieren dürfte und die offenbar militärisch in der Lage ist, den Israelis paroli bieten zu können. „Hisbollah“ umfasst durch soziales Engagenment (Krankenhäuser, Schulen etc.) über eine politische und religiöse Bewegung und auch (aber eben nicht nur) einen militärischen Zweig große Teile der libanesischen Bevölkerung.
Wäre es nicht sinnvoller in kleinen, exakt geplanten
Operationen direkt die „opinion leader“ der Hisbollah
auszuschalten?
Mit dem Mossad hat man ja eine Organisation an der Hand, die
dies exzellent beherrscht (vgl Eichmann ua.)
Das mag bei Einzelpersonen funktionieren, aber die Terrororganisationen im Nahen Osten haben nicht zuletzt auch durch die „Abschusspolitik“ der Israelis längst dazu gelernt. Es ist mir jedenfalls kein Fall bekannt, bei dem durch Abschuss ranghoher Mitglieder (und davon hat es in der Vergangenheit ja genug gegeben), sei es bei Hisbollah, Al Qaida, Hamas oder anderen Gruppen irgend eine Veränderung beim Agieren dieser Gruppen gegeben hätte.
Diese Methode brächte viele Vorteile:
- gezielte Liquidation ranghoher Hisbollahführer nebst
Demoralisierung der verbleibenden Truppen, die sich vielleicht
ohne ihre Oberhäupter rasch in alle Winde zerstreuen und somit
die Kampfhandlungen bald einstellen würden
- Vermeidung von zivilen Opfern
- deutlich geringere Kosten der Kriegsführung
Was haltet ihr davon?
Nichts, jeder abgeschossene Führer wäre vermutlich in den Augen seiner Anhänger ein bewundernswerter Märtyrer, dem dann möglichst viele nacheifern wollen. So kommt es zum bekannten „Hydra“-Effekt. Ein weiterer Nachteil ist, dass selbst wenn es gelänge, Terrorgruppen durch diese Handlungsweise zu zersplittern, dann stellt sich die Frage, mit wem will man dann noch reden oder verhandeln? Ein großes Problem bei Terrorgruppen (nicht nur im Nahen Osten) ist, dass sich viele Splittergruppen nicht an Vereinbarungen halten wollen, die z.B. bestimmte „Führer“ abschließen, weil sie sich von diesen nicht vertreten fühlen. So werden Terrorgruppen quasi unkontrollierbar. Nichts wäre schlimmer als ein Haufen kleiner autonomer Terrorgruppen. Damit würde ein Frieden oder Waffenstillstand in unerreichbare Ferne rücken.
Gruß
Marion