Unehrlichkeit in der Arbeitswelt
Moin Jürgen,
Ich denke, dass ist doch im Prinzip alles ok, wenn beide
Seiten mit dem Thema offen umgehen. Was wir allerdings
erleben, ist in meinen Augen Unehrlichkeit auf beiden Seiten.
Und ebenfalls in meinen Augen schlägt diese beidseitige
Unehrlichkeit begründet durch unser antiquiertes deutsches
Rollenverständnis alleine auf die Frauen zurück.
Naja, jetzt machst du aber ein neues Fass auf und das heißt Unehrlichkeit in der Arbeitswelt. Sicher ist dies abzulehnen, aber das gilt doch für alle möglichen Bereiche. Wieviele Leute verschweigen denn z.B. beim Einstellungsgespräch den Konsum von Betäubungsmitteln, Alkohol- oder andere Abhängigkeit, alle möglichen chronischen Krankheiten undundund. Dieses Misstrauen bezüglich Unehrlichkeit jetzt nur auf Frauen und mögliche Schwangerschaft zu reduzieren, halte ich für diskriminierend.
Für mich sind die Regeln („Mutter“-Schutz, Erziehungsurlaub)
selbstverständlich nachvollziehbar, als Unternehmer ist es
aber meine Aufgabe, jegliche Kosten und
(Projekt-)Ausfallrisiken zu minimieren.
Das ist ja auch völlig legitim (und wie du weißt, bin ich die letzte, die solche unternehmerischen Entscheidungen nicht nachvollziehen könnte), mein Thema lautet deshalb ja auch nicht, ob es dem Unternehmer erlaubt sei, Ausfallrisiken zu minimieren, sondern die Frage, in wiefern Frauen verglichen z.B. mit anderen Arbeitnehmergruppen überhaupt ein erhöhtes Ausfallrisiko darstellen. Und hier gibt es IMHO noch sehr viele Vorurteile (und auch Diskriminierung).
Und deshalb werde ich
bei der derzeitigen gesetzlichen Lage sicher aufpassen, ob ich
zu dem generellen Unfall- und Krankheitsrisiko (übrigens
dürfen meines Wissens MA bei längerer Krankheit durchaus
gekündigt werden im Gegensatz zu Elternteilen im
Erziehungsurlaub!) mir auch noch Elternzeiten einfange.
Das ist natürlich als Unternehmer dein gutes Recht. Allerdings haben nicht nur Frauen, sondern auch alle möglichen anderen Gruppen von Arbeitnehmern ihre speziellen Risiken. Wenn ein Unternehmer nun seine Personalentscheidung nach möglichen Risiken trifft, aber nicht nach Nutzen und Qualifikation, dann befindet er sich IMHO ziemlich in der Defensive. Ob dies eine sinnvolle Personalpolitik ist, möchte ich bezweifeln.
Im übrigen stellt das, was du hier beschreibst, keinesfalls sowas wie eine zwangsläufige Einstellung dar. Ich kenne auch Unternehmer, die absichtlich möglichst nur Frauen einstellen, weil er der Meinung ist, dass mögliche Schwangerschaft durch andere Faktoren (wie Betriebstreue, „soft skills“ etc.) mehr als wettgemacht werden.
Du siehst also, die Bewertung von Frauen als Arbeitnehmer geschieht keinesfalls objektiv sondern subjektiv.
Ich habe das in meiner vergangenen Unternehmerzeit immer so
gehandhabt, dass ich die Fairness meiner Mitarbeiter
eingefordert habe. Ich empfinde es als Unding, dass solche
Dinge, wie ein Ausfall ggf. über 3 Jahre, der durchaus in
jedem Falle mit gut 6 Monaten Vorlauf angekündigt werden kann,
von Arbeitnehmern mit zum Teil gerade 4 Wochen angekündigt
wird. Genauso halte ich es für ein Unding, dass eine solch
einschneidende Sache selbst bei bereits bestehender
Schwangerschaft nicht bei Bewerbungsgesprächen erwähnt werden
muss. Was soll das bitte?
Hier beißt sich vermutlich die Katze in den Schwanz. Wenn Frauen vermehrt die Erfahrung machen, dass sie Aufgrund ihrer Gebärfähigkeit am Arbeitsmarkt diskriminiert werden, dann gibt es sicher einige, die ihrerseits mit Unehrlichkeit reagieren, weil sie der Meinung sind, nur so eine Chance zu haben. Ich kann mich an Berichte aus Ostdeutschland nich lange nach der Wiedervereinigung erinnern, als Frauen angeblich Bescheinigungen über ihre Sterilisation zum Vorstellungsgespräch mitbrachten, um ihre Chancen zu erhöhen. Und dann gibt es noch Leute, die sich wundern, wenn Frauen zunehmend weniger Lust aufs Kinderkriegen haben ? Nichts für ungut, aber es soll ja auch Männer geben, die gerne mal Nachwuchs hätten. Insofern denke ich mir, dass ein vernünftiger Umgang mit Dingen wie Schwangerschaft und Kindererziehung auch im Interesse von Männern liegen sollte.
Gruß
Marion