Hallo,
@mki, in Deiner Frage und den bisherigen Antworten schwingt eine grundsätzliche Frage mit, die sich die Gesellschaft stellen muss:
Ist der Wohnungsmarkt ein Markt wie jeder andere, wie zum Beispiel die Märkte für Hamburger, Computer, Gold oder Edelsteine?
Kann man diesen also Markt weitgehend unreglementiert sich selbst überlassen und darauf hoffen, dass immer mehr Wohnungen „produziert“ werden, und so das Angebot die Nachfrage übersteigt? Bei Hamburgern und Computern ist es praktisch so. Da hat sich ein recht stabiler Markt eines dauerhaften Überangebotes entwickelt. Beide Waren sind jederzeit in verschiedenen Qualitäten zu verschiedenen Preisen verfügbar.
Oder werden Wohnungen weiterhin Mangelware sein, die Handelsspekulationen unterworfen sind wie Gold und Edelsteine?
Sind Wohnungen ein so gesellschaftlich wichtiges Handelsgut, dass man Angebot und Nachfrage zum Wohle der Gesellschaft kontrollieren und gegebenenfalls marktregulierend eingreifen sollte?
An den Diskussionen, @mki, kannst Du sehen, dass es scheinbar zwei radikale Richtungen gibt. Die einen hängen dem Mantra an „der Markt wird es schon richten“, die zweite wiederholt gebetsmühlenartig „mit Wohnungen sollte niemand reich werden können.“ Beide Varianten halte ich für Fanatismus. Und Fanatismus halte ich für den gefährlichsten „Ismus“, den die Menschheit hervorgebracht hat.
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Der Wohnungsmarkt ist nicht wie der Markt für Hamburger, sie können nicht in scheinbar beliebiger Menge und zu jedem gewünschte Preis „produziert“ werden. Das ist sicher jedem klar.
Doch ich glaube nicht, dass der Markt den Wunsch nach genügend Auswahl an verschiedenen Wohnungen zu verschiedenen Preisen erfüllen kann. Die derzeitige Menge ist begrenzt und wird auf lange Zeit die Nachfrage nicht erfüllen können. In den meisten Regionen Deutschlands stehen weniger als 1% aller Wohnungen zum „Handel“ frei. Wir können in den letzten 30 Jahren eine Konzentration des Eigentums auf immer weniger, immer größere Teilnehmer beobachten. Deren erstes Interesse gilt aber nicht dem Wohlbefinden der Gesellschaft, sondern den Interessen der Besitzstandsmehrung der Kapitalgeber - mir erscheint das logisch und verständlich.
Und jetzt stellt sich die Frage: wie kann das Kapital der Wohnungseigentümer noch stärker mit möglichst wenig Aufwand gemehrt werden? Indem man mehr Wohnungen baut, als Nachfrage besteht? Oder in dem man die Miete erhöht?
Aus meiner Sicht ist der zweite Weg der effektivste, wird also vom „Kapital“ bevorzugt werden. Und das alles führt dann zu dem, was man seit Beginn des Kapitalismus beobachten kann: freie Märkte führen zu Konzentrationen, Konzentrationen führen zu geringerer Vielfalt und irgendwann führt das alles zu hohen Preisen und/oder Blasen, die zum Schaden der Gesellschaft platzen.
Was will ich mit all dem sagen? Der „freie“ Wohnungsmarkt als alleinige Angebotsform wird aus meiner Sicht gesellschaftlich nicht ausreichen - zu groß ist der Interessenunterschied zwischen Mietern und Besitzern. Im Gegensatz zu einem Hamburger oder einen Computer ist eine Wohnung ein „must-have“ - ohne Dach über dem Kopf wollen die meisten Menschen nicht leben. Daher muss auch der soziale (von der Gesellschaft gestützte) Wohnungsbau eine Chance haben. Als Mittelweg kann man vielleicht die (nicht gewinnorientierten) Wohnungsbaugenossenschaften ansehen.
Was könnte man noch tun?
Städte sollten aufhören, Bauland an den meistbietenden zu verkaufen. Der Landpreis wird bei der späteren Vermietung der Mieter bezahlen müssen. In Berlin, wo es noch seit Kriegszeiten viele Lücken gibt, kann dieses Prinzip schon mal einige Euro Miete pro m² ausmachen. Vielleicht sollten die Städte sogar gemeinnützigem Wohnen einen gewissen Vorrang geben - möglicherweise indem man einen gewisse Anteil pro „Bezirk“ zuerst zur 99-Jahres-Pacht mit Vorkaufsrecht ausschreiben muss.
Man müsste die Genehmigungsverfahren beschleunigen. In Berlin kann es einige Jahre dauern, bis ein Bauantrag für eine einzelne Lückenbebauung durch ist. Dabei diskutiert man aber oft nur über Kleinigkeiten, deren Argumente sich dem durchschnittlichen Bürger nicht erschließen. (In einem mir gut bekannten Fall dauerte die „Genehmigung“ 7 Jahre! mit Gerichtsverfahren, Ortsterminen und allem drum und dran.)
Vielleicht sollte man auch über das (zeitweilige) Einfrieren oder gar Zurückführen einiger Brandschutzverordnungen nachdenken. Ja, das Leben von Menschen ist wichtig, doch einige „Kleinigkeiten“ lassen die Kosten stark in die Höhe schnellen und bringen nur wenig mehr Schutz.
Es gibt Überlegungen, ob man „Standardhäuser“ entwickelt. Diese sollen dann so eine Art „Allgemeiner Bauerlaubnis“ bekommen. Es würde also im Genehmigungsverfahren nicht mehr der Bau an sich begutachtet werden müssen, sondern nur, ob er an diese Stelle mit dieser Ausrichtung etc. passt. Dass kann die Genehmigung und den Bau beschleunigen, sowie den Bau auf Grund von Standardteilen preiswerter machen. Allerdings wird es auch dazu führen, dass die Bauten etwas uniformer werden. Hier muss sich die Gesellschaft wieder die Frage stellen, was sie will. (In Berlin beobachte ich schon zwei Bauwerkstypen, bei denen dieses Prinzip umgesetzt wird: Schulen und "Erst"unterkünfte für Migranten.)
Und letzten Endes könnte man es wie Wien machen. In einem Fernsehbericht über die Wiener Baugeschichte wurde erwähnt, dass es seit Jahrzehnten schon nicht möglich ist, reine „Häuser oder Viertel für Reiche“ zu bauen. Man muss stets eine Balance in der Miete halten. Es ist eine Prozentzahl von Sozialwohnungen und preiswerten Wohnungen vorgeschrieben. Auch erhält nicht der den Zuschlag für Bauland, der den höchsten Preis bezahlt, sondern der, der das gesellschaftlich ausgewogenste Gesamtkonzept vorweist. Mir ist bewusst, daß auch das kein goldener Weg ist und Wien Probleme mit zu wenig Wohnungen hat - aber als Ansatz für Diskussionen kann man darauf einen Blick werfen.
Vielleicht müsste man auch die Umlage bei Modernisierungen reformieren. Modernisierungen finde ich richtig und wichtig. Ich selbst profitiere davon. Mein Haus wurde vor wenigen Jahren mit einem Aufzug ausgestattet, behindertengerecht umgebaut, Heiz- und Elektroanlage modernisiert und der Balkon deutlich vergrößert. Hätte meine Genossenschaft die Miete um 11% der Modernisierungskosten angehoben, hätte ich mir die Wohnung nicht mehr leisten können. Wie könnte man also die Umlage reformieren und sie nicht gleichzeitig komplett unrentabel machen? Modernisierungen werden meist über Kredite finanziert. Der Kredit meiner Modernisierung über 20 Jahre. Warum sollte ich die Modernisierung also in 9 Jahren abbezahlen? Warum muss ich selbst nach dem „Abbezahlen“ der Modernisierung weiterhin die erhöhte Miete bezahlen? Ich denke, wenn man die Umlage auf 4 bis 5 % beschränken würde, würden die Modernisierungen nicht zum Stillstand kommen (schließlich hat ja auch der Besitzer ein Interesse daran, dass seine Ware dem allgemeinen Standard entspricht) und für die bisher wohnenden, wäre es deutlich leichter zu tragen.
Grüße
Pierre
P.S.: Es gäbe noch einen anderen Lösungsweg: es könnten wieder 3 Generationen einer Familie in einer 1-Raum-Wohnung auf dem 3. Hinterhof leben - aber ich glaube, das ist akzeptieren momentan nur die wenigsten …
P.P.S.: ich kann mich dunkel erinnern, dass ich vor vielen Jahren mal die Kritik eines Zeitungsinterviews las. Darin sagte ein Banker, Wirtschaftswissenschaftler, was auch immer, dass die Mieten in Berlin, Hamburg und Frankfurt noch weit weg sind, von denen in Paris oder London. Da gäbe es noch viel Luft und viel Rendite, die sich heraus holen ließe. Man könnte also auf die Idee kommen, dass die derzeitige Situation und die eher lieblosen aber auf jeden Fall zum größten Teil wirkungslosen Eingriffe einen Plan zur Grundlage haben, an dem seit langer Zeit gearbeitet wird.
P.P.P.S.: ich habe schon wieder deutlich mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte …
und zum letzten - P.P.P.P.S.: ich behaupte nicht, dass meine Ausführungen den einzig gangbaren Weg darstellen - zu viele Interessen gilt es zu beachten und so gut wie möglich zu bewahren. Ich will einfach nur weg von diesem Scheuklappendenken, dass einen einzigen Weg fanatisch als angeblich alternativlos hinstellt und jede weitere Diskussion mit Scheinargumenten und Whatabaoutisms im Keim zu ersticken versucht.