Hey Leute,
ich brauche echt Eure Hilfe. Ich (26) bin mit meinem Freund (28) seit drei Jahren zusammen und wir führen eine an sich sehr schöne Beziehung, aber wenn es um seine und folglich auch eventuell unsere Zukunft geht, gibt es immer wieder Konflikte, die wir bisher noch nicht wirklich lösen konnten.
Er absolvierte bis vor einiger Zeit ein sozialwissenschaftliches Studium, mit dem er unzufrieden war, was genau, konnte er nicht sagen. Anstelle sich aber eine Alternative zu suchen, machte er seit zwei oder drei Jahren (So genau weiß ich das nicht, weil er an der Stelle immer abblockt und ich das mit der Zeit auch erst mitgekriegt habe.) aber einfach gar nichts mehr. Er hat mal eine Vorlesung hier, ein Seminar dort angefangen, aber sich nirgends je Mühe gegeben und alles letztlich abgebrochen. Sein Problem scheint darin zu liegen, dass er sich gedanklich recht schnell aus dem Kurs ausklinkt und viel zu wenig Zeit in Hausarbeiten und Klausurvorbereitung investiert, weshalb er letztlich nicht zum Prüfungstermin erscheint oder eine Hausarbeit abgibt, weil er eh durchfallen würde. Es ist definitiv nicht so, dass ihn die Stoffmenge und -inhalte per se überfordern würden, aber regelmäßige Arbeitsbereitschaft ist bei ihm nicht gegeben. Jetzt wurde er seitens der Uni auch zwangsexmatrikuliert und hat nun außer dem Abitur „nichts“ mehr. Selbst an dieser Stelle leitet er aber bisher keine Alternativmaßnahmen ein, ob anderes Studium, Ausbildung oder erstmal jobben. Er grübelt nur und möchte seine Gedanken und Vorstellungen aber auf gar keinen Fall mit mir oder irgendjemand anderem teilen.
Außerdem weigert er sich konsequent, sich einen Nebenjob oder zumindest einmal einen Praktikumsplatz zu suchen. Damit könnte er zumindest etwas Geld verdienen und/oder besser herausfinden, was ihm liegt. Das würde ihm ja vielleicht etwas Selbstbewusstsein geben, sodass er sich sukzessive mehr zutrauen könnte. Seine Eltern finanzieren ihn zwar, sind aber mit der Situation verständlicherweise auch mehr als unzufrieden, weil sie ihren Sohn von fast 30 Jahren gerne längst schon in die Unabhängigkeit entlassen hätten.
Ich habe ihm angeboten, mit ihm auf Stellensuche zu gehen, bei der Bewerbung zu helfen, ein paar Interviewsituationen durchzugehen, habe ihm Beratungs- und Workshopangebote vorgelegt, aber entweder kommt nur ein wortkarges „Danke“ oder ich kassiere einen passiv-aggressiven Spruch. Das verletzt mich sehr, weil ich ihm wirklich helfen und ihn unterstützen möchte. Ich bin dabei auch immer ganz behutsam, weil ich ihn dabei auch nicht bevormunden möchte. Denn er ist sicher auch nicht zu doof, um das alleine hinzukriegen, aber er kümmert sich halt einfach nicht von selbst. Ich habe das Thema auch schon monatelang ruhen lassen, damit er sich nicht bedrängt fühlt, aber auch diese „Strategie“ verlief ergebnislos.
Mittlerweile ist die Situation halt auch einfach an einem Punkt angelangt, wo sich Arbeitgeber natürlich fragen, warum er bisher noch nichts Nennenswertes in seinem Lebenslauf stehen hat. Das wird schwierig für ihn, da etwas zu finden, aber irgendwo muss er halt diesen Teufelskreislauf auch endlich einmal durchbrechen und sich vielleicht erstmal mit ein paar einfachen Jobs begnügen. Dafür ist er sich dann aber auch zu schade, eine Verkehrszählung zu machen, Flyer zu verteilen oder sonst irgendwas zu arbeiten.
Er ist auch seit einem Jahr in Therapie, um etwas an seinem Verhalten zu ändern, aber die Therapiestunden empfindet er als lästig, nicht hilfreich und generell als Zeitverschwendung. Er tut sich auch dort sehr schwer, seinen Beitrag dazu zu leisten (Gedanken aussprechen, aufgetragene „Hausaufgaben“ wie Zeitpläne erstellen, Routinen verfolgen, etc.). Er will die Therapie auch seit Längerem schon abbrechen, kümmert sich aber noch nicht einmal darum. Erst hatte er sogar versucht, seine Therapiestunden vor mir zu verheimlichen, obwohl ich dem gegenüber überhaupt keine Vorbehalte habe und seine Therapie nach seinem „Geständnis“ sogar begrüßt habe; vielleicht würde es ihm ja helfen.
Ich selbst werde mein Studium bald beenden und ins Berufsleben starten. Zwischendurch war ich aus Zukunftsangst auch wie gelähmt, aber irgendwo begann ich dann die Sache auch pragmatisch zu sehen: Ich will eine gesicherte Existenz (nicht unbedingt das große Geld) und dafür muss man nun einmal etwas tun. Ich lerne also viel und arbeitete auch immer schon nebenher, um mir meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Bei ihm ist es wiederum überhaupt nicht so und ich merke auch, dass ihn das fertig macht, dass das Thema Zukunft bei mir ganz gut läuft. Manchmal kassiere ich einen doofen Spruch, dass ich ja sowieso kaum Zeit für ihn hätte, aber mein Alltag sieht halt einfach anders aus als seiner. Es wäre ja auch total egal, was er macht, Hauptsache er schafft es irgendwie aus seiner Passivität. Auch wenn er für seine Zukunft nichts tut, weiß er selbst, dass die Situation nicht so bleiben kann. Nur seit zwei Jahren auf Familienfeiern seinen Verwandten erzählen, er wolle sich bald mal ein Praktikum oder so suchen, das kann es halt auch nicht gewesen sein…
Mittlerweile zermürbt das Thema unsere gesamte Beziehung. Ich möchte ihn wirklich unterstützen, ob bzw. zu welchem Grad, muss er entscheiden. Seelisch und moralisch hat er natürlich immer meinen Beistand. Das habe ich ihm auch gemau so gesagt. Aber auch ich kann meine Bedürfnisse an die Beziehung nicht negieren: Ich würde gerne einmal mit ihm in den Urlaub und ans Zusammenziehen denken wir auch. Er lässt auch immer mal wieder das Thema Kinder anklingen. Nur seine Probleme und der finanzielle Aspekt dessen holen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. Er ist auch wirklich sehr liebenswert und respektvoll, wir haben viele Gesprächsthemen, untermehmen etwas mit gemeinsamen Freunden. Aber wehe seine Zukunft wird angesprochen, dann wird er mürrisch und wortkarg. Ich kann manchmal nicht schlafen oder habe komische Träume, in denen es um seine schwierigen Zukunftsaussichten geht. An diesem Punkt muss ich eben auch auf mich Acht geben und wenn es sich nicht bessert, bliebe dann wohl nur, so sehr es auch schmerzt, die Trennung…
Wie sind Eure Gedanken diesbezüglich? Habt Ihr eine Idee, was man für ihn noch tun könnte, was für ihn hilfreich wäre? Wie gesagt, die Verzweiflung ist echt groß. Die Beziehung hängt durch die Gesamtsituation einfach total in der Schwebe und ich empfinde diesen Zustand mehr als belastend. Ich wäre Euch sehr dankbar!