Bei Krawallen von Globalisierungsgegnern anlässlich des G8-Gipfels in Genua haben Sicherheitskräfte einen Demonstranten am Freitag mit Schüssen in den Kopf getötet. Die Polizei hat den Tod bestätigt.
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dpa/afp/ap/rtr GENUA. Nach Aussage eines Fotografen der Nachrichtenagentur Reuters haben Angehörige der paramilitärischen Polizei zwei Schüsse auf den Demonstranten abgegeben und in am Kopf getroffen, nachdem der Mann einen Feuerlöscher gegen ein Polizeifahrzeug geschleudert habe. Als der verletzte Mann zu Boden gegangen sei, sei er von einem Polizei-Jeep überrollt worden.
Bereits vorher trieben Polizeibeamte außerhalb der Sicherheitszone maskierte Demonstranten vor sich her, die mit Baseballlägern und Knüppeln bewaffnet waren. Unter ihnen sollen viele Deutsche sein. Maskierte bewarfen die Beamten mit Molotow-Cocktails und Rauchbomben. Müllcontainer wurden in Brand gesetzt, Fensterscheiben von Geschäften wurden eingeschlagen. Wenige Minuten nachdem die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen im Palazzo Ducale in der Roten Zone zusammenkamen, waren über einer kleinen Gasse in der Altstadt zunächst weiße und später starke schwarze Rauchwolken zu sehen. Nach anderen Berichten wurden drei Polizisten und ein Journalist bei Zusammenstößen verletzt. Sie seien in Krankenhäuser gebracht worden. Es gab fünf Festnahmen. Demonstranten hätten mehrere Geschäfte und Banken verwüstet. Autos gingen in Flammen auf.
Zahlreiche Protestmärsche zur „Roten Zone“
Rund 200 Gipfelgegner wurden von Beamten der Bereitschaftspolizei 200 Meter zurückgedrängt, als sie sich der mit Barrikaden geschützten „Roten Zone“ nähern wollten. Mehrere Demonstranten bewarfen die Beamten mit Eiern. Die Protestgruppe Tute Bianche (Weiße Overalls) begann einen Protestmarsch von einem eine Stunde entfernten Stadion zur Sicherheitszone. Parallel dazu bewegten sich von verschiedenen Stellen in der Stadt kleinere und größere Gruppen von Globalisierungsgegnern auf die rund zehn Kilometer umfassende Rote Zone zu. Unter ihnen waren auch Protestierende der deutschen Abteilung des Netzwerks Attac, die Finanztransfers besteuern und den Erlös der Dritten Welt spenden wollen. Nach Angaben ihres Sprechers Christoph Bautz war die Gruppe mit rund 1 000 Personen unterwegs.
In Genua sind insgesamt 20 000 Angehörige der Sicherheitskräfte im Einsatz, die den Tagungsort der Staats- und Regierungschefs im Dogenpalast weiträumig abriegeln sollen. Barrikaden, Beton und Draht sollen verhindern, dass Demonstranten in die Zone eindringen; zudem errichtete die Polizei Blockaden mit Containern aus dem Frachthafen der Stadt.
Demonstranten bereiteten sich gezielt auf Auseinandersetzungen vor
Am Vormittag hatten sich Tausende von Demonstranten gezielt auf Auseinandersetzungen mit Polizei und Armee vorbereitet. Im Carlini-Stadion übten die dort in Zelten untergebrachten Demonstranten Angriffe. Auf der Laufbahn des Stadions rannten Demonstranten mit Motorradhelmen auf dem Kopf und einem Prallschutz aus Plastikrohren am Körper mit hoher Wucht gegen andere Demonstranten an, die sich mit körperhohen Fiberglas-Schilden schützten. Ihren Prallschutz bekamen die Kundgebungsteilnehmer in einem großen Zelt auf dem Fußballfeld angepasst. Zudem wurden Räumtrupps für Tränengasgranaten und Sanitätstrupps die Versorgung von Verletzten gebildet. Ein Brite unter dem Demonstranten sagte auf die Frage, was geschehen werde, wenn Polizei und Armee den Zutritt zur Sperrzone verwehrten: „Wir dringen ein.“
Die Staats- und Regierungschefs der sieben größten Industriestaaten (G7) nahmen unterdessen im Dogenpalast ihre Beratungen auf. Die Vertreter der USA, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Japans und Kanadas wollten zunächst über die Lage der Konjunktur und andere Fragen der Weltwirtschaft sprechen. Anschließend sollte der russische Präsident Wladimir Putin dazustoßen; damit wird das Treffen zum G-8-Gipfel.
HANDELSBLATT, Freitag, 20. Juli 2001