Warum werden in Deutschland immer weniger Kinder geboren?
Liegt das am zu geringem Kindergeld?
Nein, das glaube ich nicht. Nach Erhebungen des statistischen Bundesamtes steigt die Anzahl kinderloser Frauen mit dem Bildungsstand dieser Frauen. Unterstellt man, dass höhere Bildung oft auch höheres Einkommen bedeutet, liegt die Vermutung nahe, dass mehr Geld eben nicht automatisch auch mehr Kinder bedeutet.
Da dürften eher andere Ursachen im Vordergrund stehen:
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Unsere Gesellschaft wandelt sich (leider) immer mehr dahin, dass Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und Selbstverwirklichung - bei gleichzeitiger Ausblendung der Bedürfnisse der Mitmenschen - zum vorrangigen Maß aller Dinge werden. Die Gesellschaft ist ich-fixiert. Wer so gepolt ist, wird Kinder vor allem als Einschränkung seiner Möglichkeit empfinden, sich selbst zu verwirklichen (Karriereknick, keine teuren Fernreisen, Familienkutsche statt Sportwagen, Spaziergang mit Kinderwagen statt Fitnessstudio, Pickel statt Mallorcabräune, usw.). Und diejenigen, für die Selbstverwirklichung der zentrale Steuerungsfaktor ist, werden dementsprechend auf Kinder verzichten. Ich sehe auch nicht, dass diese Entwicklung umkehrbar wäre (oder überhaupt Versuche unternommen würden, dies zu tun).
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Unsere Gesellschaft wird zunehmend intoleranter gegenüber Kindern, was das Leben mit Kindern nicht gerade vereinfacht. Das fängt bei der Wohnungssuche an und hört beim Sich-bewegen von Kindern und mit Kindern im öffentlichen Raum auf und liegt zum Teil an der unter 1) beschriebenen Entwicklung. Aber eben nur zum Teil. Zum anderen Teil liegt das daran, dass sich bekinderte Familien zunehmend, gerade (aber nicht nur) im bildungsfernen Umfeld, durch eine eklatante Rücksichtslosigkeit und erzieherische Gleichgültigkeit oder sogar Unfähigkeit auszeichnen und auch die berechtigten oder zumindest verständlichen Interessen und Bedürfnisse Außenstehender nicht respektieren. Auch das ist eine Folge des unter 1) beschriebenen Trends, der zudem auch die bislang gar nicht intoleranten Zeitgenossen mit Recht auf die Palme bringt. Und da zunehmende Ich-Fixiertheit beide Seiten auszeichnet, sehe ich auch an dieser Front auf absehbare Zeit keine Chance auf Besserung.
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Das Familienmodell wandelt sich von der Großfamilie mit klassischer Rollenverteilung (Mutter hütet den Nachwuchs, Vater geht auf die Jagd) zur Kleinfamilie, in der beide Elternteile berufstätig sind. Das ist, soweit es die Berufstätigkeit beider Elternteile betrifft, gut, weil es dem Leitbild entspricht, dass alle Menschen gleich sind und in gleicher Weise am Leben (einschließlich des Berufslebens) teilhaben sollen. Vor allem aber ist es politisch gewollt. Wenn man aber diesen politischen Willen hat und gleichzeitig klar ist, dass Großfamilien über drei oder mehr Generationen, die Kinderbetreuung familienintern stemmen können, kaum noch existieren, dann muß man sich auch um Ersatz für die fehlenden großfamiliären Strukturen kümmern - indem man für vernünftige Kinderbetreuung sorgt. Das hat die Politik bisher nicht geschafft (stattdessen hat sich die Politik um so wichtige Dinge wie z.B. die politisch korrekte „Präzisierung“ der Sprache verdient gemacht, liebe Leserinnen und Leser).
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Befördert durch die jüngste Wirtschaftskrise lernen wir zudem gerade (mal wieder), dass selbst Beschäftigungen bei namhaften Großunternehmen keine lebenslange Sicherheit mehr bedeuten. Zudem müssen wir beobachten, dass die politischen Entscheidungsträger (und zwar nicht nur unsere eigenen) bei der Lösung drängender Probleme nicht nur unserer Gesellschaft, sondern womöglich unserer Zivilisation, (Erderwärmung, Bevölkerungsexplosion, Wassermangel, Energieversorgung, usw.) bisher massenhaft versagen und uns womöglich ungebremst in die eine oder andere Katastrophe rennen lassen. Gerade der Deutsche als pathologischer Weltbedenkenträger und Berufsgutmensch stellt sich vor solchen Hintergründen vermehrt die Frage, ob er eine ganze Familie auf Dauer ernäheren kann und ob er es verantworten kann, ein Kind in eine solche Zukunft zu setzen. Auch dieses werden wir unserem Volk so schnell nicht abgewöhnen können.
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Schließlich mag natürlich auch Geld eine Rolle spielen. Dass Kinder mehr Ausgaben bedeuten, steht außer Frage. Ob das durch die bestehenden steuerlichen Vergünstigungen, Kindergeld und sonstige Unterstützung so aufgefangen wird, dass es kein Hindernis mehr ist, weiß ich nicht (s.o.)