Gehobene Sprache

Hallo,

eine Frage: Wann spricht jemand mit gehobener Sprache? Wenn er/sie möglichst viele Fremdwörter benutzt? Möglichst in langen Sätzen spricht? Möglichst viele Redewendungen benutzt?

Vielen Dank für alle Anregungen!

Schönen Gruß

Livia

Hallo, Livia!

Manchmal ist es schwierig, bei gesprochener Sprache auf Anhieb festzustellen, wie der Sprecher sich exakt ausdrückt. Die Soziolinguisten haben für eine bestimmte Weise, sich auszudrücken, die außerdem die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht signalisiert, den Begriff „Code“ gewählt. Besonders bekannte Fügungen sind der „restringierte Code“, der beispielweise durch einen kleiner Wortschatz auf einen geringeren Bildungsstand schließen lässt, und der „elaborierte Code“, den – oft mit geschwellter Brust – die so genannte Ober- und Mittelschicht benutzt. Manchmal hat die „gehobene Sprache“ den Beiklang des Unerwünschten, des Überheblichen. Aussehen, Gestik und Mimik spielen da sehr heftig hinein. Außerdem, das merke ich allein an mir, unterscheiden sich geschriebene und gesprochene Sprache bei einem einzigen Menschen oft grundlegend.

Wenn er/sie möglichst viele Fremdwörter benutzt?

Ja, das ist oft ein Kennzeichen. Ich finde, gegen Fremdwörter, meist kommen sie ja aus dem Lateinischen oder Griechischen, ist nichts einzuwenden. Sie sollten aber nur benutzt werden, wenn es kein Wort im Deutschen gibt, das gewünschten Sinninhalt ebenfalls liefert. Vor allem Fachmännern in einem bestimmten Gebiet sollte man verzeihen, wenn ihnen im Gespräch mit Laien über ihr Fach ein Begriff herausrutscht, den sie täglich benutzen und der doch für den ahnungslosen Zuhörer unverständlich ist. Zum peinlichen Missbrauch von Fremdwörtern fällt mir folgender Witz ein:

Eine neureiche Frau geht an einem Juweliergeschäft vorbei und sieht in der Vitrine ein Diadem mit Smaragden und Amethysten besetzt, ausgestellt. Sie geht in das Geschäft hinein und sagt: „Guten Tag, sind Sie der Jubilar?“ Der Inhaber stutzt und antwortet: „Ja, gnädige Frau, ich bin der Juwelier, was kann ich für Sie tun?“ – „Sie haben da draußen in der Latrine so ein wunderbares Diadom liegen, mit Schmarotzern und Anästhesisten besetzt. Was soll das bitte kosten?“ Der Juwelier schluckt und sagt: „Liebe, gnädige Frau, das kostet 25.000,00 EUR.“ – „Oh, das übersteigt im Moment mein Bidet, kann ich bitte meinen Mann anrufen?“ „Aber natürlich, gnädige Frau.“ Sie: „Wo ist denn das Telefon?“ Er: „Links herum, die Treppe rauf, dort sehen Sie es schon.“ Sie: „Oh, sind Sie explosiv eingerichtet, diese Makkaronidecke und die Lavendeltreppe, so etwas habe ich in einem Geschäft noch nicht gesehen.“ Sie telefoniert mit ihrem Mann, kommt zurück und sagt zu dem Juwelier: „Das geht dann in Ordnung, mein Mann holt das Diadom morgen für mich ab.“ Er: „Entschuldigen Sie, aber woran erkenne ich Ihren Mann, gnädige Frau?“ Sie: „Gut, dass Sie mich fragen, er kommt in einem bordellfarbenen Februar vorgefahren und hat vorne seine Genitalien eingraviert …“

Möglichst in langen Sätzen spricht?

Das unterläuft auch vielen, die umgangssprachlich reden. Als Kennzeichen für gehobene Sprache würde ich es dennoch mit in die Auswahl nehmen.

Möglichst viele Redewendungen benutzt?

Das geht schon in Richtung (pseudo-)literarischer Sprache. Wer beispielsweise eine Kleinigkeit nicht besprechen, sondern „aufs Tapet bringen“ will, gerät zumindest in den Verdacht, mit solchen Redewendungen protzen zu wollen. Beliebt ist auch das Einflechten von Halbsätzen wie „Balzac erwähnte bereits“ oder „schon der alte Plato wusste“, nur des Effektes halber.

Insgesamt ist gegen in Maßen gehobene Sprache nichts einzuwenden, denke ich. In bestimmten Zusammenhängen passt es auch wirklich gut, die entsprechenden Fachbegriffe zu werden. Wenn ich die Philosophen, Psychologen, Mediziner oder Musiker hier im Forum über ihre Steckenpferdchen oder Berufe schreiben sehe, dann würde ich ihnen nicht abverlangen wollen, jeden einzelnen Fachterminus in einen Rattenschwanz von Definition zu übertragen.

Beste Grüße!
Christopher

Hallo, Livia und Christopher,

Gehobene Sprache meint oft nichts anderes als mit komplizierten, gedrechselten und gewundenen Formulierungen etwas zu sagen, was man auch mit einfachen Worten sagen könnte.

„Gott hat es gefallen, meinen langjährigen Lebensgefährten, den Freund meines Herzens, den Erzeuger, Beschützer und Ernährer meiner Kinder, den Mittelpunkt unseres Familienlebens, das allseits beliebte Glied unserer Kirchengemeinde zu sich zu nehmen.“

Statt einfach: „Gesten ist mein Alter abgekratzt!“

Einige Beispiele eines prominenten Autors des 17. Jahrhunderts:

_So sind auch die nit zu loben, sondern vielmehr zu schelten und zu verlachen, welche ein Ding mit weitläuftigen Umständen vorbringen, so sie auf spartanisch gar wohl kurz und gut geben könnten; wie jener Stadtschreiber, der auch sein sonderbar neu Teutsch, welches gar zier- und höflich sein sollte, aufbringen wollen; vielleicht wann es aufkäm, dass es mehr Schreibtax ertragen und ihm also besser als eine laconische Art in die Kuche tragen möchte. Aber wer ihm zuhörete, wann ihm beim halben Rausch die Tauben recht stiegen, der hatte sich krumm oder bucklicht lachen mögen.
Seinem Jungen gab er einsmals diesen Befelch: Höre, mein lieber getreuer Weniger als ich, bequeme dich vermög deiner gehorsamen Schuldigkeit mit den dienstbaren Gliedern deines Leibs zu der Person deines einzigen lieben Gebieters und entledige dieselbe von denen zur Züchtigung verfertigten Tribulierern seines Pferds; ebenmäßig auch von dem zwar beschwerlichen, doch rittermäßigen Zierat, wardurch die Säulen, worauf der Palast des irdischen Gebäus seiner Seelen Wohnung ruhet, vor Regen und Wind, vor Kält und Hitz, vor Unreinigkeit, Schnee und allem Ungewitter beschirmt werden. – Alle diese Umständ waren keines andern Inhalts als: Jung, zeuch mir Sporen und Stiefel ab.

Seiner Magd befahl er folgends: Du Ebenbild derjenigen Gleichförmigkeit, die uns wahren Menschen aus der linken Seiten, beides, zum Spaß und zur dienstlichen Hülfe, im Anbeginn zum besten erschaffen worden, diese trübselige Zeitlichkeit mit ihren Beschwerden desto leidenlicher zu überstehen: ergreife den jenigen Sack, der aus dem Flachs Jovis (ist zu teutsch Zinn) durch die Verarbeite der jovial- und saturnischen Metallen gesponnen, geweben und ausgenähet, auch mit meinen ansehenlichen wohlhergebrachten Wappen signiert worden; mit demselben begebe dich in diesem Augenblick in das allerunterste Gewölbe meines Hauses; da wirst du finden ein großbauchäßiges hölzern Geschirr, mit vieler Rundigkeit umgeben; daraus gewinne mir soviel vom edlen Saft der nimmer genugsam belobten Reben, daß dessen genugsam sei, darmit zugleich die Brotstraß auszuflözen, meine lechzende Kehl zu erquicken, meine traurige Gedanken zu vertreiben und die edle Hirngeister zu belustigen.

Zu seinem Weib, der Frau Stadtschreiberin, sagte er, als er bald schlafen gehen wollte: Du meines Leibs untergebener Schleppsack, lasse dir belieben, dich alsobalden in das mittlere Teil unserer häuslichen Wohnung zu verfügen und daselbst in solcher Gestalt, als wie dich die Natur zu solchem Dienste anfänglich hervor gebracht, in die Lindigkeit des Wassergeflügels zu begeben, um allda vor Ankunft meiner selbst eignen Person die eingeschlichne Art des mitternächtigen Lufts zu mildern und meinem Gefühl angenehm zu machen, damit alsdann beides, das Zitterschlagen und unlustige Geklöpper meiner Mühlstein, sich anzumelden kein Ursach habe; doch schaue zu, daß bei diesem deinem aufgetragenen und dienstschuldigem Geschäfte der warme Westwind, den du vom Niedergang her wehen zu lassen pflegest, nicht gebraucht werde, damit, wann ich komme, mit dir die jenige Sachen abzuhandlen, um welcher willen wir ein Paar genannt werden, meines Hirns Distillierschnabel, dardurch sich die Wohnung meines Verstands reinigt, nit gleich anfangs schimpflich betrübt und also der ganze angenehme Lusthandel verderbt werde._

DAS ist gehobene Sprache, oder?
Gruß Fritz

1 Like

Guten Abend, Fritz,

kannst du mir sagen, WER dieser prominente Autor des 17. Jahrhunderts gewesen ist?
Sooo schön!

Die traute Arnica

Einige Beispiele eines prominenten Autors des 17.
Jahrhunderts:

Aber gern, du traute Arnica!

Grimmelshausen, Johann (Hans) Jakob Christoffel von, *)Gelnhausen um 1622, †)Renchen bei Offenburg 17. 8. 1676

Der Text ist aus: Der teutsche Michel, den wir hier schon mal auszugsweise vorgestellt haben vor einiger Zeit. Vielleicht lohnt sich eine Archivsuche. Aber ich kann dir vielleicht auch bald ein paar Kapitelchen vorlesen vor dem Einschlafen. :wink:

Gruß Fritz

Hallo, Livia und Christopher,

und Fritz,

Gehobene Sprache meint oft nichts anderes als mit
komplizierten, gedrechselten und gewundenen Formulierungen
etwas zu sagen, was man auch mit einfachen Worten sagen
könnte.

das möchte ich doch gern ein wenig relativiert sehen. Natürlich gibt es solche Zeitgenossen, die sich eines Stils befleißigen, der sich in Wendungen ergeht, die das, was der Sprecher oder Schreiber eigentlich mitteilen will, hinter einem dem Normalmenschen nicht mehr überschaubaren Schwall von Worten verbergen und deren in mehrstufigen Ebenen verschachteltes, an eine Barockfassade erinnerndes Satzgefüge sich in end- und absatzlose Wortlawinen ergehend, selbst dem Verständigen das lesende Erfassen zur Qual und Prüfung werden zu lassen geeignet sind. Aber das würde ich nicht als gehobene Sprache bezeichnen. Das ist schlicht eine als Logorhoe bekannte Krankheit.

Und dann die anderen, deren Diktion sich in Xenologismen ergeht und die mit möglichst fremdartigen Zitaten um sich werfen. Das würde ich dann lieber als " ab gehobene Sprache" bezeichnen. Hast Du jemals bei einer Vernissage den Statements der „Kunstverständigen“ gelauscht?
Das ist das eine Ende der Skala.

Am anderen sind dann alle die, die mit einem Wortschatz von 200 Wörtern total voll krass ihr rattenscharfes Ding rüberbringen. Und die, deren Kack-Fäkalsprache mir so was von auf den Sack geht.

Irgendwo in der Mitte davon sollte dann doch noch eine Sprachebene zu finden sein, die sich die Möglichkeiten des deutschen Satzbaues zu eigen macht und sich des reichen Wortschatzes bedient, um klar und deutlich das auszudrücken, was der Sprecher meint.

Grüße
Eckard.

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Servus Livia,

du hast’s bestimmt schon gemerkt:
mit deiner Frage hast du alle dir Antwortenden dazu angeregt, dir „gehoben“ zu antworten…

*kicherundgrins*
Anne

@die Beantworter:
Ich habe Eure wohlformulierten Antworten mit wahrem Genuss gelesen.
*ganzersthaftgemeint* - !!

Hallo, Eckard,

das möchte ich doch gern ein wenig relativiert sehen.

Ich würde deine Bemerkungen eher als „differenzierend“ bezeichnen und als solche sind sie hochwillkommen.

Adelung, der große Wörterbuchverfasser Ende des 18. Jahrhunderts, dessen Wörterbuch sich Goethe und Schiller gegenseitig überließen, wenn sie ihre endgültigen Fasunngen „mundierten“, führte in seinen Lexikon vier Sprachebenen ein.

  1. die gehobene oder poetische Sprache
  2. die gebildete
  3. die normale
  4. die niedere

Siehe dazu: /t/gute-bzw-boese-woerter/1683108

Nehmen wir eines der beliebtesten deutschen Wörter, so ergeben sich dafür:

Exkremente
Verdauungsendprodukte
Kot
Scheiße.

Kacke, Schitt, Merde, Ausscheidungen, ein Haufen, Kötel, Gemseneier, Stinker, AA, groß müssen, Hasenklein, Kuhfladen, Roßbollen, Schissstrahl, und was der Wörter mehr sind kann man in dieses Muster nach Belieben einbauen.

Fritz