Geld wechselt bedenkenlos den Besitzer - geht das? Und mehr ~

Hallo, angenommen Ihr seht die folgenden Sätze in einer auf Deutsch geschriebenen Publikation für ein breites Publikum. Was haltet Ihr dann von diesen Sätzen sprachlich? Es geht NICHT um den Inhalt – egal, was gesagt, mich interessiert nur, WIE es gesagt wird und ob diese Sprachverwendung eine bestimmte Reaktion hervorruft.

Danke für Eure begründeten Meinungen!

  1. ((Über eine private Pokerrunde.)) Geld wechselte scheinbar bedenkenlos den Besitzer.

  2. Jedes Kind musste sich mit seiner Familiengeschichte in einer anderen Umwelt positionieren und daraus Sinn machen

  3. ((Über den Wandel im Leben.))… von den Erfahrungen und Emotionen, die er hervorrief, handelt diese Schrift

  4. Kühe der Rasse A geben etwas weniger Milch als ihre deutlich verbreiteteren Verwandten der Rasse B

  5. Kein Wunder, dass er wie seine beiden nächstjüngeren Brüder vehement zurückweist, jemals den Wunsch gehegt zu haben, Lehrer zu werden.

  6. ((Über ein damals typisches Zimmer.)) Jenseits von Betten und Schrank gab es kaum Platz.

  1. nein
  2. Unverständnis
  3. nein
  4. nein
  5. nein
  6. nein

Alle Sätze bzw. Satzbruckstücke sind für mich nichtsagend. Und lediglich Satz zwei löst eine Reaktion aus.

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Ich finde bei 1 schön, dass scheinbar richtig verwendet wird :slightly_smiling_face:

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Wozu die Geheimniskrämerei?
Wenn Du zitierst, darfst/mußt/sollst Du Roß und Reiter nennen.

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Hallo zusammen, Dank für Eure Anmerkungen.

Nein, das ist quasi eine „anonymisierte Bewerbung“ ohne Namen und Passfoto. So dass Name, Renommee und z.B. vermeintliche Geisteshaltung des Autors nicht die Beurteilung eines rein sprachlichen Phänomens beeinflussen. Ich fand es aber angemessen, die Zielgruppe des Texts zu nennen.
Ich habe einige Zitate auch leicht verändert, um die Besonderheit (aus meiner Sicht) zu betonen, Überflüssiges und Ablenkendes zu entfernen; vielleicht auch ein Grund, den Autor nicht von Anfang an zu nennen.

Zu dem Text hätte man vielleicht noch angeben können oder sollen, dass er in den letzten paar Jahren entstand und populärwissenschaftlich ist, also nicht fiktional.


Meine eigenen Reaktionen auf diese Sätze:

1. ((Über eine private Pokerrunde.)) Geld wechselte scheinbar bedenkenlos den Besitzer.

Klingt für mich, als ob Geld der Handelnde sei, wie „Geld spazierte bedenkenlos über den Tisch“. Richtig (wenn auch noch nicht schön) wären für mich z.B. „Geld wurde bedenkenlos übergeben“ oder „Besitzer übergaben bedenkenlos Geld“; dann sind die Handelnden Menschen und nicht leblose Geldstücke.

3. ((Über den Wandel im Leben.))… von den Erfahrungen und Emotionen, die er hervorrief, handelt diese Schrift ((Seite 24))

Kann man „Erfahrungen hervorrufen“?

4. Kühe der Rasse A geben etwas weniger Milch als ihre deutlich verbreiteteren Verwandten der Rasse B

„Verbreiteteren“ mag korrekt sein, schön finde ich es nicht. Viel besser hätte mir gefallen „ihre deutlich weiter verbreiteten Verwandten der Rasse B“. (Zuerst hatte ich im Zitat sogar „verbreiteRteren“ gelesen, was einen neuen ulkigen Sinn ergab.)

5. Kein Wunder, dass er wie seine beiden nächstjüngeren Brüder vehement zurückweist, jemals den Wunsch gehegt zu haben, Lehrer zu werden.

Klingt für mich sehr umständlich.

6. ((Über ein damals typisches Zimmer.)) Jenseits von Betten und Schrank gab es dort kaum Platz.

Ist „jenseits“ hier räumlich oder übertragend gemeint, also

  • wie in „Jenseits der Landesgrenze“

  • oder andererseits wie in „Jenseits aller Hoffnung“.

Ich hatte „jenseits“ beim ersten Lesen wie eine räumliche Angabe gelesen, aber dann scheint „jenseits“ gerade nicht zu einem kleinen Zimmer oder überhaupt einem Zimmer zu passen. Besser gefiele mir „Neben Betten und Schrank gab es dort kaum Platz“ oder „Zusätzlich zu Betten und Schrank“

Das dachte ich mir, weil Du das bei Deiner letzten „Umfrage“ vor vier Wochen auch schon gemacht hattest.
Wie ich das finde, kannst Du nachlesen.

Viel Spaß bei der Analyse der zahlreichen Antworten.

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Sätze 1 und 2 machen Spaß zu lesen, finde ich, sie klingen originell und haben auch irgendwie was geheimnisvolles an sich. Vor allem Satz 1, weil ein Objekt wie Geld ja eigentlich nicht so was aktives machen kann, wie „Bedenken zu haben“, aber es eröffnet ein Bild im Kopf und sagt, nur durch das eine Wort „bedenkenlos“ gleichzeitig inhaltlich als auch sprachlich viel aus.

3: „Erfahrungen hervorrufen“ gefällt mir als Formulierung nicht, aber im Satz funktioniert es insgesamt ganz gut.

4: nichts besonderes, aber okay. Mir gefällt „verbreiteteren“ nicht gut, ich würde immer „wieder verbreiteten“ schreiben. Liest sich besser

5: gefällt mir ganz gut, aber mMn fehlen Beistriche: „-… dass er, wie seine beiden Brüder, vehement zurückweist, …“ ist dann doch sehr verschachtelt, aber doch noch kurz genug, um verständlich zu sein.

6: macht eigentlich keinen Sinn, da stolpert man beim Lesen drüber.

Hallo,

bei 1., 2., 3., 4. und 6. rollen sich meine Fußnägel auf. Und auch 5. kann man treffender ausdrücken.

Schöne Grüße
Ann da Cava

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1.: „Geld wechselte den Besitzer“ ist eine durchaus geläufige façon de parler, erst recht in einem solchen Szenarium. Aber wenn schon, dann „scheinbar anscheinend bedenkenlos“

2., 3., 4., 6. hanebüchene Wortgebräuche

5.: „wie seine beiden nächstjüngeren Brüder“: Eine „eingeschobene Erläuterung“: Muss in Kommata eingerahmt werden.

Gruß
Metapher

Nö. Denn ich wette, dass Geld noch nie irgendwelche Bedenken hatte.

Jou

Rischtisch.

Gruß
AdC

Das ist geradezu ein Lehrbuch-Beispiel für eine → Hypallage. Also eine durchaus unmissverständliche rhetorische Figur.

Gruß
Metapher

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Wie ich hier schon viele Male geschrieben habe: Natürliche Sprache ist nicht logisch. Natürlivche Sprache ist das. wo auch der Satz „Dreh’ bitte mal die Nudeln aus“ einen Sinn ergibt.

Gruß,
Max

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Einzelne Sätze lassen sich ohne Kotext nicht beantworten, und der Kotext lässt sich ohne Quelle nicht ermitteln. Da geht es nicht um die Person des Autors, sondern quasi um die Person des Textes. Ein Groschenroman hat eine andere Stilebene als eine wissenschaftliche Abhandlung.

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Und wir ich schon viele Male geschrieben habe: Ich bin Lektorin und lasse das nicht durchgehen - allenfalls situationsbedingt in der Belletristik in der wörtlichen Rede. Aber auf keinen Fall in einem Sachtext.

Auch das nicht! :smile:

Gruß
Ann

… und ich Redakteur und Germanist. :slight_smile: Und ja, ich lege auf korrekte Sprache auch sehr viel Wert. Unabhängig von den vielen Tippfehlern, die ich hier in der Eile mache. :slight_smile: Darauf herumreiten ist billig …

Viel Sprachkritik ist mir zu formalistisch. Darunter das meiste, was Bastian Sick schreibt.

Beste Grüße,
Max

Da gebe ich dir allerdings recht.

Dann müsste man ja Unmengen journalistischer Texte vor dem „Auge deines Gesetzes“ verbergen :face_with_hand_over_mouth: Und jede Menge klassischer Belletristik. Du würdest Texte ja um eine Unmenge (sogar alltäglicher) rhetorischer Figuren kastrieren …

Die Hypallage - um die ging es ja hier - ist eine 2000 Jahre alte rhetorische Figur. Das Klassiker-Beispiel Vergils „Dunkel gingen sie durch die schweigende Nacht.“. Und die sogar doppelte Form in „Geld wechselte bedenkenlos den Besitzer“ (das Verb wird dem falschen Subjekt zugeordnet, das adverbiale Attribut dem Verb statt dem Subjekt) ist absolut alltäglicher Sprachgebrauch: Zu „Das Geld wechselt den Besitzer“, „Das Haus wechselt den Besitzer“ findet sich per Google eine 6-stellige Anzahl an Fundstellen.

Würden bei dir also auch
die „schlaflose Nacht“,
der „regnerische Morgen“,
oder (kürzlich hier erst diskutiert)
der „schwere Traum
deinem Rotstift zum Opfer fallen?

Gruß
Metapher

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Nein, denn eine Nacht kann ohne Schaf sein, ein Morgen regnerisch und ein Traum schwer.

Schöne Grüße
Ann

in der Tat!

Ich entsinne mich an eine rituelle Erzählung von ming Adelheid über das Schäfchenzählen, die ungefähr so funktionierte, dass die Schäfchen alle eins auf den Rücken des anderen usw, gestiegen sind, bis dann zuletzt eine große Schäfchenpyramide da stand, die dann beim allerletzten Schäfchen ins Kippen geraten ist, so dass eine art Schäfchenlawine entstand und die Schäfchen davon alle kaputtgegangen sind.

Sie hat bis heute ausgesprochen oft ihre Mühe mit dem Einschlafen - ich will sie gleich mal nach der Schäfchengeschichte befragen, ob sie die noch zusammenbringt

Schöne Grüße

MM

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