Hi!
Jetzt wollte ich euch mal fragen, was ihr so von gentechnisch veränderten Lebenmitteln haltet?
Ich persönlich (Lebensmittelchemiker) hab damit überhaupt keine Probleme.
Nur mit der Kennzeichnung.
Die Leute glauben alle, man könne damit ganz dolle (oder schreckliche) Sachen am Reisbrett konstruieren. Dem ist aber nicht so, Gene (bzw. die darin enthaltenen biologischen Funktionen) sind eine höllisch komplizierte Sache, an der man noch viele, viel Jahrzente herumforschen kann. Weder wir noch unsere Kinder werden es erleben, das man Gene komplett am Reisbrett durchkonstruieren kann und dabei was Funktionsfähiges herauskommt.
Das einzige, was wir machen können, sind Genteile, deren Funktion wir kennen, von einem Organismus auf den anderen zu Übertragen. Nichts anderes macht die Natur am laufenden Band, nichts anderes geschieht bei der herkömmlichen Züchtungsmethode (abgesehen davon, das man für die herkömmliche Methode mächtig viel Geduld braucht und viele Zufallsfaktoren mit reinspielen).
Was jetzt an der Gentechnik wirklich neu ist (abgesehen von der Zielgerichtetheit der Methode und der Geschwindigkeit), ist die Möglichkeit, Gene von völlig verschiedenen Organismen zu verwenden, wir können beispielsweise einen Fisch mit einer Erdbeere kreuzen.
Das ist kein Witz, sondern absolut ernst: einige Fische im Polarmeer haben ein bestimmtes Eiweiß, das als organisches Frostschutzmittel funktioniert. Ist auch logisch: Salzwasser kann ja kälter als 0°C sein - blöd für den Fisch, der in seinem Inneren einen wesentlich geringeren Salzgehalt hat und dann einfrieren würde . . .
Wenn man dieses Eiweiß in die Erdbeere einpflanzt, bekommt man Erdbeeren, die man prima einfrieren und wieder auftauen kann, ohne das sie matschig werden.
Daran ist nichts unnatürliches (mal davon abgesehen das die Natur Fisch und Erdbeere nicht kreuzen könnte - wie auch?) und auch nichts Pfui-Bah (das Eiweis ist Geschmacksneutral).
Ich würde mir halt nur eine Kenntlichmachung wünschen, in der Art:
„Transgenes Produkt, enthält -Eiweis“,
damit ein Fisch-Allergiker sich nicht wundert, wieso er jetzt auch von Erdbeeren einen Schock bekommt.
Die von Greenpeace und den anderen Öko-/Bio-Fundamentalisten am liebsten gewünschte Kennzeichnung: „Vorsicht, lebensgefährliche Gene!“ ist dagegen völliger Unfug und hilft niemandem.
Vollends bekloppt wird die Sache bei der „Anti-Matsch-Tomate“. Da ist noch nicht mal was eingebaut worden, der hat man nur ein Gen (das für Pektinasen, das sind Enzyme die den Struktur-Baustein Pektin nach der Ernte nach und nach abauen) kaputtgemacht. Das Ding ist von seinen Inhaltsstoffen her immer noch pure, unveränderte Natur.
Aber Gene sind ja was ganz schlimmes . . .
Man weiß ja auch nicht, inwiefern so eine Pflanze sich
längerfristig auf die Umwelt auswirkt, ob sie z.B. andere
Pflanzen verdrängt oder dergleichen, da sie auch gegen
verschiedene Umwelteinflüsse gewappnet ist.
Ja, und?
Was anderes macht die Natur doch auch nicht. Irgendwas wird geändert (nennt sich Mutation), und wenn’s besser ist, wird es sich durchsetzen (auf Kosten der alten Art), wenn nicht, aussterben. Ob diese Mutation nun zufällig von „Mutter Natur“ oder gezielt von Menschen herbeigeführt wird - wo soll da der Unterschied sein?
Mal ganz davon abgesehen: Der Mensch schafft es bequem, pro Jahr einige hundert bis tausend Tier- und Pflanzenarten aussterben zu lassen - aber bei der Gentechnik muss jetzt auf einmal die Grenze gezogen werden? Sollten wir nicht erstmal bei den erwiesenermaßen tödlichen Dingen wie beispielsweise der Verschmutzung der Meere anfangen, bevor wir uns über das „könnte vieleicht“ bei der Gentechnik die Köpfe einschlagen?
Nur um das klarzustellen:
Ich sehe das keineswegs so unkritisch wie das bisher rüberkam.
Es gibt einige Auswüchse in der Gentechnik, die nicht nur völlig sinnfrei sind, sondern darüber hinaus ein Musterbeispiel menschlicher Dummheit und Profitgier:
Anstatt die Pflanzen gegen Schädlinge resistent zu machen, werden sie gegen die ganz grobe chemische Keule resistent gemacht. Mit dem Effekt, das der Hersteller zweimal verdient (Saatgut plus Pestizide) und auf dem Feld nichts lebendiges mehr übrigbleibt, denn wenn’s die Planze nicht stört, kann man ja auch gleich den Megatöter, der nichts anderes Lebendiges zurücklässt, einsetzen.
So war das natürlich nicht gedacht . . .
Aber das eigentliche Kernproblem liegt völlig woanders:
Die Gentechnologie ist eine spottbillige Technologie. Wenn man es mit den Sicherheitsmaßnahmen etwas schlampiger handhabt, dann kann man sich ein kleines Gen-Labor schon für unter 1 Mio Euro einrichten und lospantschen. Vergleichen mit den Investitionen in anderen Bereichen (Elektronik, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau und und und) ein Mega-Schnäppchen, ein Witz, ein Portokassen-Betrag.
Es ist möglich, also wird es auch gemacht werden.
Wenn nicht hier, dann in der dritten Welt. Welche andere Möglichkeit bleibt denen auch? Wenn wir uns hier verweigern, verspielen wir nur eine weitere Chance, bei einer Zukunftstechnologie oben mitzuspielen (und am Markt auch Geld zu verdienen!).
Denn potentiell könnte sich diese Technologie als ein Segen für die Menscheit erweisen. Wenn es gelänge, das Symbiosesytem mit den Knöllchenbakterien von der Soja-Pflanze auf andere Nutzpflanzen zu übertragen, könnte man den Einsatz von Düngemitteln weltweit enorm reduzieren. Ich will nicht sagen, das man damit den Hunger auf der Welt besiegen könnte - aber es wäre ein verdammt großer Schritt in diese Richtung.
Natürlich wären die Lebensmittel von solchen Pflanzen in Deutschland unverkäuftlich, schließlich enthalten die ja böse Gene . . .
Naja, irgendwann werden wir es auch noch lernen - oder die Quittung dafür bezahlen müssen.
lg, mabuse