Hallo Werner,
Aber auch wenn du mir nun wiederholt unterstellst, ich hätte
die Aussagen der Fachleute falsch verstanden, kann ich ich
dort nirgendwo erkennen, dass die Wertung der Apostasie als
todeswürdiges Vergehen nicht der Mehrheitsmeinung entspräche.
Mehrheit von was? Mehrheit der Muslime oder Mehrheit traditionell ausgebildeter muslimischer Theologen?
genau darum geht es hier.
Nebenbei bemerkt wird mir etwas unklar, was dein Anliegen nun
eigentlich ist, wenn du mir hier ein Zitat lieferst, dass im
Grunde weiter meine Aussage stützt
Mein „Anliegen“ ist eine differenzierte Darstellung - u.a. auch dessen, was Schirrmann schreibt. Mein Anliegen ist nicht, Aussagen von ihr, die mir als angeblichem „Verharmloser“ vorgeblich nicht in den Kram passen sollen, zu unterschlagen.
Die Hervorhebungen durch mich dienen zur Verdeutlichung dessen, was anscheinend von Anderen gerne mal beim Lesen bzw. sinnentnehmenden Verstehen zugunsten vorgefasster Urteile ausgeblendet (um nicht zu sagen: unterschlagen) wird.
Hast du „dein“ Zitat selbst nicht aufmerksam gelesen, oder was
sollte das sein?
Das nennt sich intellektuelle Redlichkeit, Werner.
„Horst“ hat m. E. völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass in
Folge der Sure 4:89 die Scharia für Apostasie die Todesstrafe
vorsieht.
Und das war eine simplifizierende, undifferenzierte Aussage. Einmal davon abgesehen, dass der Koran selbst überhaupt keine weltliche Strafe für Apostasie vorsieht (in auffälligem Kontrast zu anderen ‚Vergehen‘), sind (um nur ein Beispiel zu nennen) die Aussagen der traditionellen islamischen Rechtsschulen (also ‚der Scharia‘) die Apostasie von Frauen betreffend durchaus unterschiedlich. Auch ansonsten steht die tatsächliche Verhängung der Todesstrafe noch unter weiteren, zusätzlichen Bedingungen - aber das kann man alles im Einzelnen in der Arbeit Schirrmacher nachlesen, wenn man es denn wirklich wissen will.
Diese Aussage wird aber nicht dadurch falsch, dass es es da im
Islam nun eine Diskussion gibt und sich vielleicht irgendwann
mal eine andere Position durchsetzt.
Du hast anscheinend immer noch nicht verstanden, dass es unter islamischen Theologen nicht nur eine „Diskussion“ gibt, sondern unterschiedliche"Positionen" nebeneinander existieren. Die Muslime haben keinen Papst und auch schon lange keinen Kalifen mehr, der eine verbindliche Auslegung vorschreiben und durchsetzen könnte. Und ja, die Theologen, die Apostasie in Verbindung mit Feindschaft gegen die Ummah als todeswürdig betrachten, ist immer noch in der Mehrzahl. Die Länder mit islamischer Bevölkerungsmehrheit, in denen diese theologische Meinung auch tatsächlich in eine Rechtspraxis umgesetzt wird, ist in Bezug auf die Anzahl der Muslime weltweit hingegen in einer ebenso deutlichen Minderheit. Dort, wo dies der Fall ist, gibt es - vor allem im Fall des Iran - eine nicht unbeachtliche (auch muslimische) Opposition dagegen.
Das überrrascht mich nicht wirklich …
Diese Erwiderung darauf, dass ich nicht noch weitere Fässer
aufmachen möchte, empfinde ich als höchst unfair.
Du implizierst, du hättest hier irgend ein wesentliches
Argument vorgebracht und ich würde nun kneifen.
So ist es. Das wesentliche Argument lautet: es gibt einen Unterschied zwischen theologischen Auffassungen und tatsächlich praktizierter Religiosität im Sinne eines sozialen Phänomens. Beim Islam wie auch beim Christentum. Um das mal polemisch zu verdeutlichen: die Zeiten, als eine überwiegende Mehrheit von christlichen Theologen der Auffassung war, es sei durchaus gottgefällig, Apostaten und Ketzer zu foltern und zu verbrennen, sind in Europa noch gar nicht so lange her. Der Umgang der muslimischen Brüder im Geiste mit ihren Opfern ist da um einiges humaner. Die heutigen Christen dürfen da die Gnade der späten Geburt in Anspruch nehmen - das wäre zumindest ehrlicher, als sich mit vorgeblich christlichen Wurzeln der Aufklärung und der Menschenrechte zu schmücken.
Freundliche Grüße,
Ralf