Hallo Lisa,
Aber ich denke auch, daß man als Erwachsener in der Lage ist,
das Denksystem der Eltern (oder der Gesellschaft etc.) zu
reflektieren und zu hinterfragen. Nur wenn ich das tue, kann
ich mich bewußt für oder gegen dieses Wertesystem entscheiden.
Genau. Allerdings können wir das nur, wenn wir das auch gelernt haben. Du wirst mir sicher zustimmen, dass die Fähigkeit und der Wille, das eigene Denksystem zu hinterfragen nicht angeboren ist. Dazu bedarf es Stimulanz negativer oder positiver Art von außen. Wir Menschen sind allein nicht lebensfähig, wir sind gesellige Lebewesen. Das autonome Individuum, das frei von allen Zwängen handelt und denkt, ist ein genauso normatives Gedankenkonstrukt, das Menschenbild unserer liberalen Gesellschaft. Wir sind aber immer das Produkt unserer Erziehung und unserer Gesellschaft. Wenn wir uns dagegen auflehnen, dann bleibt dies negativer Bezugspunkt unseres Seins.
Ich glaube nicht, daß wir Menschen nur eine Art konditionierte
Tiere sind, die nicht aus ihrer Haut können, wenn sie dies
wollen (auch wenns manchmal nicht ganz einfach ist). Wir haben
einen freien Willen und damit die Fähigkeit bewußte
Entscheidungen zu treffen.
Stimme dir mit Einschränkungen zu (siehe oben). Wir können natürlich bewußte Entscheidungen treffen. Ob die immer vernünftig sind und uns gut tun, steht auf einem anderen Papier. Und da setzt mein Glaube ein )
Wenn ich allerdings glaube, daß die Werte und Verhaltensregeln
von Gott erlassen wurden, ist es ja schon fast eine Todsünde,
sie zu hinterfragen. Man tut einfach, was Gott will, und am
besten ohne darüber nachzudenken. Somit gibt es kaum eine
Möglichkeit der ethischen Weiterentwicklung.
Das ist nicht meine Argumentation. Meine Argumentation ist folgende- und sie ist, wenn du dir die Entwicklung und Entstehung der Menschenrechte anschaust auch die historische (Grotius, Locke, etc.):
Erst das Wissen darum, dass wir alle Geschöpfe Gottes sind und vor Gott alle gleich und dass Gott uns alle liebt, hat uns zu der Handlungsmaxime geführt: Sieh in deinem Gegenüber die Schöpfung Gottes und behandele ihn entsprechend respekt- und liebevoll.
So eine
Weiterentwicklung kann in so einem System nur von außen, durch
eine Umgestaltung der Religion selbst geschehen (z.B.
Reformation). Das ist aber langwierig und gelingt nicht immer.
*seufz* Dass nicht nur Jesus, sondern auch Paulus gerne überhört wurde in den 2000 Jahren chistlicher Kirchengeschichte ist leider eine nicht zu leugnende und beschönigende Tatsache.
Was aber an „Ethik“ herauskommt, wenn das Bild Mensch=Schöpfung Gottes völlig verleugnet wird, haben wir nicht nur in Deutschland schmerzlich erfahren müssen.
Ich denke außerdem, daß wir Menschen grundsätzlich zu
ethischem Handeln in der Lage sind. Zum einen, weil wir durch
Sozialisaton gelernt haben, uns in die Gesellschaft zu
integrieren.
Eben.
Zum anderen aber auch, weil wir über
Empathievermögen verfügen.
Wir können uns in unsere
Mitmenschen hineinversetzen und erkennen, daß bestimmte
Handlungen unsererseits sie verletzen würden. Meiner Meinung
nach ist das die wichtigste Voraussetzung für wirklich
ethisches Handeln, d.h. eines Handelns, daß nicht nur auf der
bloßen Übernahme von Verhaltensregeln beruht.
Ich bin da offener. Ich akzeptiere, dass Nicht-Christen und Nicht-Gläubige z.B. über den von dir genannten Weg natürlich zu ethischen Handeln fähig sind. Ich würde das überhaupt nicht werten wollen, wie du es m.E. tust (so nach dem Motto: mein ethisches Handeln ist aber durchdachter, weil ich von allein draufgekommen bin und du erst noch einen Gott brauchst, der dir das klar macht).
Empathie wird dann möglich, wenn wir uns unserer Selbst (als
Individuum) bewußt sind. Wir können dadurch sozusagen von uns
(dem eigenen Schmerz etc.) auf andere schließen. Dadurch
entsteht Mitgefühl. Die Entstehung des Selbstbewußtseins kann
man aber auch durch Evolution etc. erklären.
Naja, ich bin ja nun wirklich kein Vertreter der Schöpfungsgeschichte, aber die Evolutionstheorie muss ja immer für ne Menge herhalten. Es gibt grad im neuen Spiegel einen dicken Artikel dazu, inwiefern Macht und Machtmissbrauch sich aus der Evolution erklären lassen.
beste Grüße, Barbara