Hallo Uschi,
„Mittags bin ich besonders heiß“
„Mein Rekord liegt bei 8 Stunden“
Genau wie der alte Plato schon meinte, finde ich:
Öffentliche Medien, und sei es nur die Verbreitung der Schriftkultur; was wird herauskommen?
Schund wird sie beherrschen!
Ich finde, die Vorherrschaft von Schund im öffentlichen Raum ist eine Tatsache, zu der jede und jeder einzele eine „ästhetische und philosophische Position“ nicht umhinkommt, entwickeln zu müssen.
„Mein Rekord liegt bei 8 Stunden“
Meine innere Stimme bemerkt dazu: Schade, dass sie da von ihrer knappen Zeit noch welche beim Fototermin verschwenden.
„Mittags bin ich besonders heiß“
„Da verbrauchen sie bestimmt viele Sicherungen“, würde mir dazu einfallen. Es handelt sich ja um nichts gerinigeres als die Vorführung einer Entblödung, die zunächst einmal doch auf die Macher und Beteiligten zurückfällt.
„Mittags bin ich besonders heiß“
„Aber erst, wenn sie es allen zurufen, haben sie wirklich was davon, stimmt’s“, würde der Lästerstimme weiter einfallen.
Die öffentlich protzende Verballhornung intimer Möglichkeiten, finde ich, begründet Zweifel daran, ob da bei den Fans dieser Darbietungen auch intim noch oder überhaupt der Fall ist, was da extra (hilfsweise?) öffentlich herausgestellt wird. Echter Exhibitionismus ist selten und das würde ich würde das einfach mal spielerisch ernsat nehemn und fragen:
„Mittags bin ich besonders heiß“
„Warum bereichern sie dann nicht das Bahnhofsviertel mit ihrem Talent?“ Oder: Dann keine Zeit verloren und ab, ins Stundenhotel!
Oder: „Wieso findet sie dafür keine bessere Bühne als das Plakat?“ Und „Sind sie auch zufrieden mit ihren Bewunderern?“
Als Entblödungsleistung braucht diese Art der Ansprache Empörung zur stärkenden und werblich wirksam werdenden Korrespondenz. Zauberwort: „Aufmerksamkeit“ Deshalb finde ich es wichtig, sich auch ästethische, erotische und philosophische Positionen zu erarbeiten, die da drüber stehen (sofern man sich überhaupt dafür interessiert; es ist natürlich auch völlig o.k. sich das Thema komplett am Allerwertesten vorbei gehen zu lassen)
„Mittags bin ich besonders heiß“
„Gut dass sie es sagen, sonst käme am Ende vielleicht keiner drauf gekommen.“ Oder zum interssierten Betrachter: „Das wäre ihnen glatt entgangen, wenn sie es nicht gesagt hätte; schade nur, dass sie es gleich allen sagen muss. Da wird es doch wohl keinen Haken geben, oder?“
Das Bild, das hier von (jungen) Frauen gezeichnet und
propagiert wird ist das des stets willigen Sexualobjekts, das
nur darauf wartet ordentlich durchgef… zu werden.
Die Plakate so wahrzunehmen, finde ich, läuft gerade darauf hinaus, der Masche auf den Leim zu gehen; so, als wenn dort wirklich eine bessere, lustvollere und erfüllendere Sexualität vorgeführt würde. Plakativität, finde ich, dementiert einen erotischen Gehalt einer Darstellung gerade dort, wo es sonst vielleicht einen geben könnte. (Meistens, finde ich, ist das ja gar nicht der Fall, aber da sind die Geschmäcker unterschiedlich.
Wenn das Medium die Botschaft ist (nach Postman) dann ist (öffentlich aufdringlich plakative) Pornografie - ihr Dementi; ein Dementi einer Möglichkeit von Lust. „So nicht!“ ist doch die Botschaft.
Wenn ein 14 jähriger irgendwas von „booahh geil“ raunen würde, dann wäre doch die Frage, ob der Art-Director der Werbeagentur ihn zum Minnegesang ranlassen würde und ferner, ob er auf Frauen überhaupt wirklich sehen könnte, die überall in der Öffentlichkeit besser ausgeleuchtet zu sehen sind, als er das in seiner Bude hinkriegen dürfte, wenn er denn mit ihr was hätte.
Für mich macht es einen großen Unterschied, ob ein nackter
Frauenkörper als solcher, weil er ästhetisch ist, abgebildet
wird oder nur dazu benutzt wird, die Sexualinstinkte der
männlichen Zielgruppe zu wecken.
Die Sexualinstinkte männlicher Beobachter treten nur unter bestimmten Ausnahmebedingungen in den Hintergrund. Die Frage ist, finde ich, ob sich in ihrer Abspeisung durch (öffentlich aufgedrängte) Pornografie ihre Labung in dieser Welt nicht vielleicht auch schon allzu oft erschöpft; und da, wo das dann traurig wahr ist: ob das so sein muss und ob eine Begeisterung für dümmlich grinsende Nackedeis da nicht Teil des Problems sind als dessen Abfuhr sich die Nackedeis erbärmlich protzend empfehlen.
Ich sehe das so: Angenommen ich wäre ein großer Feinschmecker (hypothetisch, bin ich nämlich nicht) und ich könnte von jedem Coc au vin den Weinjahrgang und das Anbaugebiet herausschmecken und überall würden Plakate mit aufwendig fotografierten Pommes frites hängen. Würde ich mich aufregen? Ich glaube nicht.
Aber eins weis ich, wenn überall Currywurstreklame prangen würde und als fehlernährt erkennbaren Zeitgenossen das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen würde, dann würde ich sofort zur Volkshochschule eilen und einen südwestindonesischen Kochkurs belegen, nur um mich abzugrenzen von dem Mob für den die Currywurstreklame da wohl gemacht ist.
Vielleicht gibt es diesen Mob ja gar nicht und mein Wort ist furchtbar arrogant und die ganze Werbng ist herausgeschmissenes Geld. Das würde ich den Auftraggebern von Herzen gönnen. Nichts würde ich mir mehr wünschen, als das mein arrogantes Wort vom „Mob“ niemanden treffen würde und ins leere gehen würde. Es braucht sich keiner auf die ästethische Position zu stellen, deren Bevölkerung das Wort gilt.
(Und, richtig gefragt, steht dort auch kaum jemand; nur halt beschweren darf man sich nicht, sonst hat man diejenigen Freunde der Presse- und Kunstfreiheit auf dem Hals, die noch nicht so recht wissen, was sie überhaupt wollen und deswegen vorsichtshalber auf nichts; auch auf keine Geschmacklosigkeit verzichten mögen. Was scheren mich denn die Leute, die die 0190-ger Reklame nachts im Privatfernsehen wirtschaftlich vielleicht rechtfertigen mögen?)
Aber ich würde mich, um zum Kulinarikerbeispiel zurückzukehren, nicht für gesünderes Essen öffentlich ereifern, damit die Kampagnemacher mich als Spaßverderber vorführen können (denn meine Botschaft wäre sperriger als deren ist) sondern einfach so kochen, dass jeder, den ich bekocht habe, für FastMampf und Co. unwiderbringlich verloren ist. Beim Anblick der FixMampf Propaganda und ihrer Geschädigten würde mich dann vielleicht sogar ein erhabenes Gefühl der Befriedigung durchfluten.
(o.K. ich übertreibe geringfügig …)
Ich finde diese Kampagne einfach nur abstoßend.
Abstoßend wäre die Wirklichkeit; wenn die Kampagne die Wahrheit über die Möglichketen von Erotik sagen würde. Für schlechtes Geflunker aber, brauchen wir schon ein etwas gepolstertes Fell, finde ich; das ist der Preis von Massenkultur und Massenzivilisation. Die will ich natürlich nicht abschaffen, weil ich nicht aus dem Erbadel komme.
Aber ein bischen Adel uns selber machen, müssen wir schon, finde ich, sonst ersaufen wir hilflos im Schund, anstatt drüber zu schweben, was wir in gewisser Weise den Erstürmern der Bastille schuldig sind; sonst hätten sie es auch sein lassen können und uns besser allen Knechtschaft und Unbildung weitervererbt.
Mit Erotik oder Ästhetik hat sie nichts zu tun.
Natürlich nicht. Und wenn ich den Eindruck hätte, das wäre aber doch der Fall, dann müßte ich mir aber um meinen Geschmack sorgen machen. Denn Vulgarität bleibt erotisch immer unter jeder Kritik, weil Erotik entweder intim „funktioniert“ oder eben nicht. Plakativität bedeutet: Verfehlen, wenn das Thema „Erotik“ heissen soll. Es wird trotzdem gebracht, weil ja nicht Erotik verkauft werden soll, sondern irgendetwas anderes, zu dem man sich von Vulgarität in der Werbewirtschaft einen sogenannten Erinnerungsanker verspricht. Aber die Werbewirtschaft wäre noch ein Kapitel für sich; einer der hartnäckigsten Brutstätten der Selbstorganisation von Absurdität. Zu dem Thema müsste mich mal jemand mit „Verbraucheraufklärung“ beauftragen und budgetieren.
Finde ich die Kampagne geschmacklos? Ich lasse die Frage nicht zu. Ich frage auch nicht, ob Regen nass ist, sondern habe einen Schirm dabei, halte das Dach dicht, achte auf den Wetterbericht und Aqua Planing. Antworten können dumm sein; Fragen aber tückisch.
Einfach nur unterstes Niveau eben.
Ja natürlich, was denn sonst? Soll ich von Plakaten erwarten, dass sie mir die Wonne einer beglückenden intimen Begegnung an der Bushaltestelle verheißen? Hätte ich diesen Eindruck, müsste ich wohl meine Wonnen überprüfen; und hielten sie stand, dann könnte ich immer noch darauf vertrauen, das das Ganze ein Mißverständnis ist, denn wer sie teilt, würde sie nicht plakatieren. Das sie den Bildzeitungslesern ein Mystium blieben, darauf könnte ich recht sicher vertrauen. Denn andernfalls würden sie die Lektüre wechseln, das Problem verschwände und das wäre von mir aus auch o.k.
Diese Kampagne beschämt ihre Anhänger; aber das ist deren Problem und denen, da lege ich wert drauf, stehe ich fern, so wie sie drauf sind, wenn sie dass irgendwie sexy finden. Und ihrer Beschämung stehe ich natürlich damit auch fern; so sehr sogar, dass ich nicht verhehle, sie ihnen auch ein bischen zu gönnen, damit ihnen nicht am Ende noch was Schlimmeres einfällt.
Das Thema „Jugendliche und Kinder“ ist noch mal wieder ein anderes. Inwieweit diese vulgären Schlammfluten möglicherweise geeignet sind, die frühe „Geschmacksbildung“ oder beser gesagt: Kompetenzbildung zu hemmen oder irre zu führen, steht noch mal auf einem anderen Blatt, was wahrsscheinlich aber auch nicht über Abschottung sinnvoll bearbeitet kann in unserer „offenen Gesellschaft“, die einem halt kaum was erspart, sondern nur nur über Begleitung und Unterstützung in der „Kompetenzbildung“.
Und falls sich da Leute beschweren, kann ich das
sehr gut verstehen und würde das auch unterstützen.
Ich finde, sich zu beschweren, bedeutet eine Wirkung zu konzedieren, der es dann aber gilt, den Nährboden zu entziehen. „Unbeschwertheit“ sollte das „Entwicklungsziel“ sein, finde ich.
Grüße
Thomas