Ja.
aufgrund der aktuellen politischen Disskusion im Landesineren
aber auch in ganz Europa über die Verlängerung der
Atomkraftwerke, habe ich mich im Internet mal auf die Suche
nach Argumenten für Atomkraft gemacht, doch nichts gefunden.
Wenn man mehr als nur fünf Minuten investiert und seine Suche auch nicht auf die Angebote von Greenpeace, der Gründen und der taz beschränkt, dann kann das eigentlich nicht sein.
Gibt es hier irgendjemanden der kräftige Argumente für
Atomkraft hat (Vielleicht außer Arbeitsplatz sicherung)?
Schön, dass es doch Leute gibt, die sich diese Frage stellen, bevor sie dagegen sind. Die meisten, habe ich das Gefühl, haben sich ihre (ablehnende) Meinung gebildet, ohne sich diese Mühe gemacht zu haben.
Solche Argumente gibt es. Hier eine Auswahl:
Strompreis: Wenn Kernkraftwerke aus dem Markt verschwinden, werden solche Kraftwerke die Lücke schließen, die bisher entweder gar nicht oder nur in Spitzenlastzeiten zum Zuge kommen, weil sie zu teuer sind (Gas- und Ölkraftwerke, alte Möhrchen mit geringem Wirkungsgrad, usw.). Und die Lücke, die zu schließen ist, ist nicht unerheblich: Knapp ein Viertel unseres Strombedarfs wird in Kernkraftwerken erzeugt.
Eine Lücke entstünde aber nicht nur durch den Kernenergieausstieg. Hinzu kommt, dass in den nächsten Jahren reihenweise konventionelle Kraftwerkskapazität verloren geht. Etliche Blöcke sind schlicht zu alt (ein erheblicher Teil des deutschen Kraftwerksparks ist älter als 40 Jahre). Andere, vor allem Kohleblöcke, werden spätestens mit Beginn der dritten Emissionshandelsperiode vom Netz gehen, weil sie nicht mehr rentabel sind. Auch diese Kapazität muß ersetzt werden, und sie wird mit einiger Sicherheit nicht durch neue Kohlekraftwerke ersetzt werden, weil solche wirtschaftlich einen schweren Stand hätten (es sei denn der Strompreis stiege dank Kernenergieausstieg so hoch, dass sie trotz Emissionshandel wieder interessant werden) und zudem in unserer ebenso technikfeindlichen und angstgeleiteten wie uninformierten Gesellschaft nicht mehr akzeptiert würden.
Kernenergieausstieg führt daher zu deutlich höherern (bzw. deutlich schneller steigenden) Strompreisen.
Versorgungssicherheit: Dass in den nächsten Paar Jahren von heute auf morgen die Lichter ausgingen, wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, ist natürlich Quark. Das Risiko, dass vermehrt Versorgungsengpässe auftreten, würde aber naturgemäß steigen (ohne dass ich die Größenordnung beziffern könnte), wenn man die verfügbare Erzeugungskapazität vermindert - vor allem wenn besondere Umstände hinzutreten (keine Energie aus Eneuerbaren wegen ungünstiger Wetterbedingungen, ungeplanter Ausfall gleich mehrerer großer Erzeugungseinheiten, Ausfall wichtiger Netzverbindungen, Lastspitzen, usw.). Ob sich die Versorgungsengpässe konkret in Stromausfällen oder „nur“ in mehr oder weniger knackigen Strompreisspitzen äußern, wird man abwarten müssen.
Stromimport ist dabei - das sei der Vollständigkeit halber erwähnt - kein Allheilmittel. Zwar gibt es auch im Ausland Strom. Was aber fehlt, sind die grenzüberschreitenden Übertragungskapazitäten. Sie reichen an einigen Grenzen noch nicht einmal aus, um für wirksamen grenzüberschreitenden Wettbewerb zu sorgen. Die (wenigen) vorhandenen Kapazitäten sind schon jetzt oft dermaßen überlastet, dass sie für viel Geld meistbietend versteigert werden. Und der Ausbau hinkt gewaltig hinterher.
Auch ein Vollumstieg auf Erneuerbare ist nicht kurzfristig zu machen. Selbst wenn wir den Umstieg mit aller Kraft (will heißen: mit enorm viel Geld) und unter den denkbar günstigsten Rahmenbedingungen angehen, reden wir über einen Zeitbedarf von etwa 20-40 Jahren. Irgendwo muß der Strom aber herkommen, wenn es erneuerbare Rundumversorgung frühestens in 20 Jahren gibt und bis dahin jede Menge alte Kraftwerke eingestampft werden.
Im übrigen ist es nicht klug, neben Erneuerbaren einseitig nur auf einen einzigen Ersatzenergieträger - nämlich Gas - zu setzen. Genau darauf aber liefe Volkes Wille derzeit hinaus: Kernenergie macht Angst, Kohle ist pfui. Was bleibt, ist Gas, denn klar ist: allein mit Erneuerbaren ist keine sichere Energieversorgung möglich, da es immer Tage geben wird, an denen weder Wind weht noch die Sonne scheint. Deshalb brauchen wir ein Backup: Gas - sauber, flexibel, angstfrei, verfügbar.
Verfügbar? Die natürlichen Gasressourcen der Nordseeanrainerstaaten sind aber, das meine ich irgendwo gelesen zu haben, innerhalb der nächsten gut 10 Jahre weitgehend verbraucht. In den Import von Flüssiggas einzusteigen, hat Deutschland bislang weitgehend verschlafen. Die dazu notwendige Infrastruktur lebt im Ausland; bei uns steckt sie bestenfalls in den Kinderschuhen. Und ob die in jüngerer Zeit diskutierten neuen Fördermethoden in größerem Umfang und zu vernünftigen Preisen zur Erschließung neuer Lagerstätten führen wird, ist noch nicht klar. Was bleibt, sind die Gasvorkommen in Rußland und dem mittleren bis fernen Osten. Ich bin allerdings nicht uneingeschränkt überzeugt davon, dass es sinnvoll ist, die Sicherheit unserer Stromversorgung vom guten Willen eines Wladimir Putin und seinesgleichen abhängig zu machen. Wie schnell Rohstoffversorgung zur Waffe werden kann, hat die Ukraine ja bereits erfahren müssen. Nicht ohne Grund haben daher unsere Eltern und Großeltern auf einen Enerigemix gesetzt - zu dem eben auch Kernenergie gehörte.
Klimaschutz: Wenn wir die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung beim Klimaschutz erreichen wollen, führt an der Kernkraft kaum ein Weg vorbei. Kernenergieausstieg habe nach verschiedenen Rechnungen für das Jahr 2020 CO2-Mehremissionen in einer Größenordnung zwischen 60 und 120 Mio. t im Jahr zur Folge. Das ist eine Menge.
Wirtschaftlichkeit: Es ist volks- wie betriebswirtschaftlich Unfug, voll funktionsfähige, preiswerte und bereits voll finanzierte Produktionskapazitäten stillzulegen.
Hingegen halte ich Beschäftigungssicherung für kein ausschlaggebendes Argument. Um Beschäftigung zu sichern, gibt es genügend Alternativen, als dass wir auf den Erhalt einer Risikotechnologie angewiesen wären.
Das sollte für’s erste reichen.