Dann ist mir die verbreitete Devise „lieber kein Einkommen als ein niedriges“ umso mehr ein Rätsel. Bzw. diese Devise wird nur dadurch erklärbar, daß in Deutschland die Grundversorgung durch den Staat schon so hoch ist, daß viele lieber zu Hause bleiben und vom Geld der Gemeinschaft lebt anstatt für ein niedriges Einkommen arbeiten zu gehen.
Aus dieser oder der ganz linken Ecke kommt dann regelmäßig die Forderung nach einem Grundeinkommen, das - wie auch hier - so hoch angesetzt wird, daß es keinerlei Leidensdruck mehr gibt, um überhaupt noch eigene Anstrengungen für die Erwirtschaftung des Lebensunterhaltes leisten zu müssen. Man muß sich die Forderung nach einem Grundeinkommen von etwas mehr als 1.000 Euro nämlich nur mal gründlich auf der Zunge zergehen lassen: eine dreiköpfige Familie käme so leicht zu einem Einkommen, daß dem eines Durchschnittsverdieners entspricht.
Ein völlig falsches Signal und zwar auch für die Folgegenerationen. Wie bzw. warum soll ein Arbeitsloser seinen Kindern noch die Notwendigkeit zu Bildung, Qualifikation und Leistungsbereitschaft vermitteln, wenn sich ganz ohne Arbeit ein durchaus auskömmliches Leben leben läßt?
Warum rührst Du jetzt Mindestlohn und Grundeinkommen durcheinander?
Die Spezialisierung ist das, was uns in Deutschland ein Leben auf dem aktuellen Niveau ermöglicht - und zwar allen: denen, die arbeiten gehen und die, die staatliche Leistungen beziehen, die von denen bezahlt werden, die arbeiten gehen.
Die Zeiten, in denen man durch schiere Anwesenheit am Arbeitsplatz bzw. Muskelkraft hinreichend Geld verdienen konnte, gehen in Mitteleuropa zwangsläufig dem Ende entgegen.
Das Bildungssystem stellt alle Möglichkeiten zur Verfügung und die meisten dazu noch kostenlos. Es ist an den Menschen, diese wahrzunehmen und nicht am Staat, sie zu ihrem Glück zu zwingen (von der allgemeinen Schulpflicht mal abgesehen).
Aber gut: es gibt halt Leute, die glauben, daß sie nur warten müssen, bis der Staat Bildung und Arbeitsplätze vor der Wohnungstür ablädt, weil es ja (vermeintlich) dessen verdammte Pflicht ist. Denen kann man dann leider nur noch beim Scheitern zusehen. Ärgerlicher sind da eigentlich die Bauernfänger auf der linken Seite des politischen Spektrum, die sich diese Klientel als Mittel zum Zweck auserkoren haben und - warum auch immer - darauf zählen können, daß ein erklecklicher Teil der Bevölkerung lieber in einem zum Scheitern verurteilten Staat leben will als ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.
Die Erfahrung lehrt im übrigen, daß jede Diskussion mit so gestrickten Leuten vollkommen zwecklos ist. Von daher…
Ich mag das Grundeinkommen nicht weil es meinem Gerechtigkeitssinn widerstrebt dass irgendjemand Geld bekommt ohne etwas dafuer geleistet zu haben (und auch ohne beduerftig zu sein).
Ich glaube nicht an die Geschichten von hochmotivierten Menschen die sich sozial engagieren, Unternehmen gruenden usw. wenn sie nur ein Grundeinkommen haetten. Wer heutzutage in Rente geht ist durchschnittlich noch ziemlich fit aber die meisten kuemmern sich trotzdem um ihre Freizeitgestaltung anstatt Unternehmen zu gruenden, sich sozial zu engagieren usw…
Trotzdem bin ich ein Befuerworter des Grundeinkommens - weil es eben eine Moeglichkeit ist die Probleme des Kapitalismus zu loesen. Das Problem ist naemlich dass durch Automatisierung (und zahlreiche andere Faktoren, hier nachzulesen: http://capitalismfails.org/ )
die Masse weniger und weniger Geld zur Verfuegung hat. Das fueht zu weniger Konsum - und zurueckgehender Konsum fuehrt zu einer Deflation mit den dazugehoerigen Folgen. Wenn man dies nicht will muss man umverteilen - und das Grundeinkommen ist eine gute Moeglichkeit.
Und GENAU DASS ist einer der Hauptgründe, warum sich immer mehr BürgerInnen Gedanken darüber machen.
Die zunehmende Automatisierung und Spezialisierung wird auf Dauer immer mehr Arbeitsplätze kosten, weil für die Arbeiten einfach mal weniger Leute gebraucht werden. Und, wie ich schon vorher schrieb, nicht jede/r kann Altenpfleger oder Gebäudereiniger werden, da auch da die Arbeit begrenzt ist.
Das Gleiche gilt für spezialisierte Jobs wie Ingenieure. Die Wirtschaft schreit nach Ingenieuren, während viele davon bei den Arbeitsagenturen oder Jobcentern sitzen, weil sie zwar Ingenieure sind, aber in der falschen Fachrichtung.
Unsere Gesellschaft, vorrangig die Wirtschaft und die Politik, müssen sich Gedanken um neue Beschäftigungsmodelle machen. Zum Beispiel ist die Senkung der Arbeitszeiten im Gespräch. Aber wenn die Leute weniger Arbeiten und eine 8-Stunden Arbeitsstelle auf 2 Leute aufgeteilt wird, verdient also die Arbeitskraft nur noch die Hälfte. Wie soll die Arbeitskraft dann überleben? Somit hätten wir wieder die Aufstockung.
Ein generelles BGE für Alle würde also da schon Abhilfe schaffen und Spannungen aus den Sozialsystemen nehmen. Es würde die Unternehmen flexibler machen und den ArbeitnehmerInnen bei der Entscheidung helfen, doch nur noch halbtags zu arbeiten. Menschen hätten ergo mehr Freizeit, die sie wiederum in ihre Familien investieren können.
Das Problem an einer schnellen Umsetzung eines BGE liegt NICHT in der Finanzierung sondern darin, dass es eine generelle Umstrukturierung des Arbeitsmarktes notwendig macht. Es müssen Gesetzeslagen geändert und Sozialsysteme umgebaut werden. Um nur zwei Punkte zu nennen. Es geht also um den Umbau unserer Gesellschaft, an dem auf lange Sicht kein Weg vorbeiführt. Ich denke, dass das Allen klar ist.
Deutschland ist schon heute eine Solidargemeinschaft, die aber in den Sozialsystemen an ihre Grenzen stößt. Das sehen wir schon an der Kinder- und Altersarmut. Es wird darüber diskutiert, das Rentensystem umzubauen, wie man die Kinderarmut bekämpfen kann… Man versucht sich also an vielen Baustellen gleichzeitig, ohne jedoch wirkliche Konzepte zu haben oder zu finden, da die Ursache nicht angegangen wird.
Das BGE ist ein KONZEPT. Konzepte kann man gut oder schlecht finden. Aber wenn ich ein Konzept doof finde, muss ich ein Gegenkonzept entwerfen. Dass findet aber in der Politik nicht statt, man doktort am Herkömmlichen herum, dass haben wir ja schon immer so gemacht. Dass hat in den 70er Jahren ja auch funktioniert und in den 60ern oder 50ern… Aber seit den 80er Jahren findet nun mal durch die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung ein Wandel am Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen statt, den sowohl die Politik als auch die Wirtschaft verschlafen haben. Halt: Stimmt nicht. Schröder hat mit seiner Agenda 2010 darauf reagiert. Zum Wohle ausschließlich der Wirtschaft und zum Nachteil derer, die die Werte schaffen, die Gewinne der Unternehmen erwirtschaften und die tragenden Säulen der Gesellschaft sind. Die immer weiter ausufernde Lobbypolitik unserer Politiker trägt dazu ihren Teil bei.
Wenn Arbeitgeberverbände heute sagen, dass das Rentenniveau weiter gesenkt werden muss stellt sich die Frage, warum man nicht auch mal den ausgeuferten Subventionswahn in Angriff nimmt. Großkonzerne, die auf Subventionen nicht so wirklich angewiesen sind, bekommen diese in den Allerwertesten geblasen, kleinere Firmen bekommen nichts.
Das BGE ist ein Konzept, was die aktuelle Schieflage zuungunsten der „kleinen Leute“ zu ihren Gunsten zu drehen versucht und damit auch zukünftige Entwicklungen an den Arbeitsmärkten und in den Sozialsystemen korrigieren soll.
Guten Morgen,
es ist m.E. völlig unmöglich genau zu berechnen welche wirtschaftlichen Auswirkungen das BGE haben wird denn wer kann schon abschätzen wieviele Leute trotzdem arbeiten werden.
Einfach nur die Kosten zu sehen ohne die potentiellen positiven wirtschaftlichen Auswirkungen ist zu kurz gegriffen. Denn gerade Menschen mit geringem Einkommen haben hohe Konsumquoten, d.h. wer normal weiterarbeitet und zusätzlich 1000 Euro bekommt wird diese größtenteils auch ausgeben.
Ich kann mir auch vorstellen dass einige sofort ihren Job kündigen - um nach ein paar Monaten der Langeweile wieder nach Arbeit zu suchen und evtl. sogar für wenig Geld arbeiten. Das gibt es ja heute auch schon, z.B. Journalisten, Schauspieler, Sportler… arbeiten hart und verdienen meist kaum etwas. Soziales Engagement wie z.B. in der freiwilligen Feuerwehr, Bürgerwehr, bei Umweltprojekten, für Flüchtlinge… wird auch zunehmen. Diese Vorteile kann man nicht unmittelbar auf zwei Stellen hinterm Komma berechnen.
Dadurch, dass sich viele freiwillig engagieren werden einige Dienstleistungen (Krankenpflege wegen freiwilliger Helfer) und Produkte, wie z.B. biologisches Essen, günstiger. Jetzt schreit gleich jemand dass vieles extrem teuer wird weil unter einem BGE ja kaum jemand für wenig Entgelt Autos repariert, Strassen baut, Mülleimer leert, im Schlachthof arbeitet… Teilweise ist das auch so, aber es hält sich in Grenzen denn die meisten Produkte sind eh Importwaren (und ich geh mal davon aus, dass das BGE nicht weltweit eingeführt wird), wie man unschwer an den ausländischen Nummernschildern bei Baustellen erkennen kann sind auch viele Dienstleister jetzt bereits aus dem Ausland, das wird die höheren Preise größtenteils auffangen.
Guten Morgen,
die Probleme werden von vielen Menschen aber nicht gesehen. Jeder hat Angst vor Veränderung und davor, dass er am Ende mit weniger dasteht weil auch niemand Preiserhöhungen abschätzen kann. D.h. so lange es den Leuten nicht sehr schlecht geht ändert sich nichts. Da die Oberschicht ungern umverteilt dürften diese auch ihre Medien gegen politische Ideen wie das Grundeinkommen mobilisieren.
Ich denke, es muss erst eine Revolution geben bevor sich Umverteilungsideen durchsetzen.
Der leninistische Sozialismus war eine Frühgeburt.
Also solche Frühgeburten sollten wir tunlichst vermeiden.
Das Ziel ist aber gut.
Du kannst doch nicht in dieser Zeit prekärer Konflikte in aller Welt jetzt hier mitten in Europa ein Schlaraffenland schaffen!!
Funktioniert auch nicht. 800 € würden mir schon völlig reichen. Ich ziehe mich zurück, lebe bescheiden, trinke meine Bierchen, brauche kein Auto …
Und dann wird geschimpft auf die Einwanderer, Flüchtlinge, maskierten Flüchtlinge, die dieses Schlaraffenleben auch gerne hätten.